Mein Leben
Richard Wagner
Inhalt:
Richard Wagner – Lexikalische Biografie
Mein Leben
Erster Teil - 1813–1842
Zweiter Teil - 1842–1850
Dritter Teil - 1850–1861
Vierter Teil - 1861–1864
Annalen
1864–1868
1864
1865
1866
1867
1868
Mein Leben, R. Wagner
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster, Deutschland
ISBN: 9783849624057
www.jazzybee-verlag.de
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Dichter, Komponist und Musikschriftsteller, geb. 22. Mai 1813 in Leipzig, gest. 13. Febr. 1883 in Venedig, war der Sohn eines Leipziger Polizeiaktuars. Seine Mutter siedelte nach dem bereits fünf Monate nach Wagners Geburt erfolgten Tode des Vaters und ihrer Wiederverheiratung mit dem Dresdener Hofschauspieler Ludwig Geyer nach Dresden über, kehrte aber, nachdem 1820 auch sein Stiefvater gestorben, wieder nach Leipzig zurück, wo W. die Nikolaischule (zuletzt die Thomasschule) und Universität besuchte und unter Leitung des Thomaskantors Weinlig gründliche Studien im Kontrapunkt machte, als deren Früchte eine Sonate und eine Polonäse für Klavier veröffentlicht (erschienen bei Breitkopf u. Härtel als Op. 1 und Op. 2) sowie 1833 eine Symphonie und eine Konzertouvertüre mit Fuge im Gewandhauskonzert unter Beifall zur Ausführung gebracht wurden. Den ersten Schritt in die Dirigentenlaufbahn tat er 1833 als Chordirektor in Würzburg, wo sein älterer Bruder, Albert, als Opernsänger und Regisseur wirkte; hier entstand seine erste Oper: »Die Feen«, deren Text er nach Gozzis »La donna serpente« selbst verfasst hatte. Seine Bemühungen, dies Werk in Leipzig zur Ausführung zu bringen, blieben erfolglos (es kam erst nach seinem Tode 1888 in München auf die Bühne), und nicht viel besser ging es seiner zweiten Oper: »Das Liebesverbot« (nach Shakespeares »Maß für Maß«), die in Magdeburg, wo W. von 1834–36 als Theaterkapellmeister fungierte, eine einzige, schlecht vorbereitete Ausführung erlebte. Im Januar 1837 ging er als Theaterkapellmeister nach Königsberg (wo er sich mit der Schauspielerin Minna Planer verheiratete), vertauschte diese Stelle noch Ende des Jahres mit der gleichen in Riga und begab sich, da er in dem während seines Rigaer Aufenthalts entworfenen »Rienzi« (nach Bulwers gleichnamigem Roman) einen für Paris geeigneten Stoff gefunden zu haben glaubte, im Sommer 1839 aufs Geratewohl zur See über London nach der französischen Hauptstadt.
Aber auch hier wurden seine Erwartungen nicht erfüllt; ungeachtet der Verwendung Meyerbeers vermochte er weder den 1840 vollendeten »Rienzi« noch auch den im folgenden Jahre vollendeten »Fliegenden Holländer« auf die Bühne zu bringen, und er sah sich genötigt, durch musikalische Handlangerarbeiten seinen Unterhalt zu gewinnen. Da rief ihn im Frühjahr 1842 die Nachricht, dass sein »Rienzi« in Dresden und sein »Holländer« in Berlin zur Ausführung angenommen seien, nach Deutschland zurück. Nach dem glänzenden Erfolge seines »Rienzi« (20. Okt. 1842) und »Holländer« (nicht in Berlin, sondern ebenfalls in Dresden, 2. Jan. 1843) erschien durch die Ernennung zum königlich sächsischen Hofkapellmeister seine materielle Lage gesichert. Doch stellten sich der Verwirklichung seiner künstlerischen Ideale bald Hindernisse entgegen, die ihm schon die Ausführung seines »Tannhäuser« (1845) erschwerten, die des im Winter 1847/48 vollendeten »Lohengrin« sogar unmöglich machten. Obwohl er sich mit seinen Reformplänen nicht vom künstlerischen Boden entfernte (vgl. den »Entwurf zur Organisation eines deutschen Nationaltheaters« in seinen »Gesammelten Schriften und Dichtungen«, Bd. 2, S. 307), so sah er sich doch nach den Wirren der Maitage 1849 durch seine Teilnahme an der revolutionären Bewegung derart kompromittiert, dass er Dresden verließ und erst nach Weimar, dann nach Paris, endlich aber, nachdem ein ihm nachgesandter (noch im Jahre 1853 erneuerter) Steckbrief ihm jede Hoffnung zur Rückkehr benommen, nach Zürich flüchtete.
In den um diese Zeit entstandenen Schriften: »Die Kunst und die Revolution« (1849), »Das Kunstwerk der Zukunft« (1850) und »Oper und Drama« (1851, sämtlich im 3. Bande der »Gesammelten Schriften«), entwickelte er seine Ansichten über die Ursachen des Verfalls der Kunst und die Mittel zu ihrer Hebung. Jene Ursachen aber findet er in der mit dem Untergang der antiken Kunst eingetretenen Trennung der Einzelkünste, deren Wiedervereinigung zu einem gemeinsamen Zweck, und zwar in der einzig dazu geeigneten Kunstform, dem Musikdrama, das Kunstwerk der Zukunft ins Leben zu rufen bestimmt ist. Außer diesen Schriften, die zunächst nur die Aufmerksamkeit der literarischen Kreise erregten, veröffentlichte W. noch während seines Schweizer Aufenthalts seine Dichtung »Der Ring des Nibelungen« (1853; im 5. Bd. der »Schriften«). (Auch die Komposition des »Rheingold« erfolgte schon vom November 1853 bis Mai 1854, und direkt anschließend folgte die »Walküre« bis März 1856. Der 1857 skizzierte »Siegfried« wurde dagegen erst 1869 beendet und die »Götterdämmerung« erst 1874.) Inzwischen aber hatten seine Bühnenwerke, besonders nachdem 22. Aug. 1850 unter Liszts Leitung der »Lohengrin« in Weimar zum ersten mal zur Darstellung gekommen war, die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums in hohem Grad erregt und ihn zu erneuter Tätigkeit auf diesem Gebiet angespornt. Unbeirrt durch den Widerspruch der Kritik (z. B. Otto Jahns in seinem 1854 in den Leipziger »Grenzboten« erschienenen Aufsatz über den »Lohengrin«) schritt W. weiter vorwärts mit dem 1859 vollendeten Musikdrama »Tristan und Isolde«, in dem der Bruch mit der bisherigen Opernform bis zu seinen letzten Konsequenzen durchgeführt ist. Auch als Dirigent trat er nunmehr wieder in die Öffentlichkeit, zuerst 1855 in London auf Einladung der alten Philharmonischen Gesellschaft, dann 1860 in Paris, wo er eine Reihe von glänzenden Konzerten im Italienischen Theater veranstaltete. Sein Wunsch, den »Tristan« auf die Bühne zu bringen, sollte freilich so bald noch nicht erfüllt werden, am wenigsten in Paris, dessen Publikum sogar den ungleich verständlicheren »Tannhäuser« in der Großen Oper (1861) in rücksichtslosester Weise ablehnte; aber auch in Wien wurde sein Lieblingswerk, nachdem man ihm dort das eifrigste Studium gewidmet, als unausführbar zurückgelegt, und eine in Karlsruhe geplante Ausführung des »Tristan« musste aus demselben Grund unterbleiben.
So lagen die Verhältnisse, als 1864 König Ludwig II. den bayrischen Thron bestieg und den Meister nach München berief, um ihm hier die Ausführung seiner künstlerischen Reformpläne zu ermöglichen. Schon im folgenden Jahre gelangte endlich »Tristan und Isolde« (unter Mitwirkung des Schnorrschen Ehepaars in den Titelrollen und unter Leitung Hans von Bülows) zur Darstellung (10. Juni 1865), und 1867 erfolgte die Eröffnung der königlichen Musikschule mit Bülow als Direktor, zu der W. in einem »Bericht an S. M. den König von Bayern über eine in München zu errichtende deutsche Musikschule« (»Schriften«, Bd. 8) den Plan angegeben. Wagners Emporkommen erregte heftige Intrigen einer Gegenpartei, und er musste schon Ende 1865 zur Vermeidung ernster Unruhen seinen Wohnsitz nach Triebschen bei Luzern verlegen; dort beendete er die dem Entwurf nach aus den 1840er Jahren datierenden »Meistersinger von Nürnberg«, deren Erstaufführung er 21. Juni 1868 in der königlichen Loge an der Seite des Königs beiwohnte. Zu Pfingsten 1872 erfolgte die Grundsteinlegung des Festspielhauses in Bayreuth und Wagners Übersiedelung nach dieser Stadt, endlich das größte und erhebendste Ereignis seines Künstlerlebens: die erstmalige Darstellung der Festspieltrilogie »Der Ring des Nibelungen«, die zu Bayreuth 13.–17. Aug. 1876 in Anwesenheit des deutschen Kaisers sowie des Königs von Bayern und andrer deutscher Fürsten, in Gegenwart eines Publikums von Künstlern und Schriftstellern, von Aristokraten des Geistes und der Geburt erfolgte.
Wagners Plan, in Bayreuth eine »Stilbildungsschule« zu begründen, aus der die zukünftigen Darsteller und Dirigenten des Festspieltheaters hervorgehen sollten, kam nicht zur Ausführung; auch der anfangs nur geringe Erfolg der Monatsschrift »Bayreuther Blätter« (s. unten), die er 1878 als eine Art Ersatz dafür ins Leben rief, drückten seine an die Ausführung des »Nibelungenringes« geknüpften Hoffnungen stark danieder. Nichtsdestoweniger ging er mit ungebrochener Kraft an die Komposition eines neuen großen Werkes, des als Dichtung schon 1877 erschienenen »Parsifal«, eines »Bühnenweihfestspiels«, wie er es nannte, bestimmt, seine schöpferische Tätigkeit krönend abzuschließen. Dies 1882 während eines Aufenthalts in Palermo vollendete und in demselben Jahr im Festspielhaus zu Bayreuth vom 25. Juni an 16 mal ausgeführte Werk sollte sein Schwanengesang werden, denn schon im folgenden Jahre (13. Febr. 1883) ereilte ihn in Venedig, wo er für sein schon längere Zeit durch Atmungsbeschwerden und Gesichtsrose gestörtes Befinden Heilung gesucht, ein plötzlicher Tod. Seine Leiche wurde nach Bayreuth gebracht und, nachdem ihr bereits auf dem Wege dahin fürstliche Ehren erwiesen waren, unter Teilnahme der von nah und fern herbeigeeilten Freunde des Meisters im Garten seines Hauses »Wahnfried« an der schon lange zuvor von ihm selbst dafür bestimmten Stelle beerdigt. Wagners schon seit 1861 getrennt von ihm in Dresden lebende erste Frau war 1866 gestorben; eine zweite Ehe schloss er mit Liszts Tochter Cosima, der Gattin Hans v. Bülows, der sein Sohn Siegfried entsprosste (geb. 6. Juni 1869 in Triebschen), der bisher mit den Opern »Der Bärenhäuter« (München 1899), »Herzog Wildfang« (1900), »Kobold« (1904), »Bruder Lustig« (1905), »Sternengebot« (Hamburg 1908) seinem Vater nachstrebte.
Das Kunstschaffen Wagners zeigt wie kaum das eines zweiten Meisters eine bis zu Ende stetig fortgesetzte Höhersteckung der Ziele und eine stetige Steigerung der zu ihrer Erreichung aufgewandten künstlerischen Mittel. Seine Stoffe rücken aus der nüchternen Alltäglichkeit immer weiter weg, seine Heldengestalten erscheinen mehr und mehr vom Zauber der Romantik umwoben, und zwar haben an dieser Wirkung alle Faktoren zugleich Anteil, die dramatische Konzeption, die poetische Diktion und die musikalische Interpretation und Illustration. Obwohl W. zum mindesten seit dem »Holländer« bewusst reformatorische Bahnen verfolgt, so ist er doch zunächst noch in den Ausdrucksformen seiner Vorgänger befangen und ringt sich erst allmählich zu einem eignen und in sich konsequenten Stile durch. Das imponierende Resultat der Gewinnung einer wirklichen thematischen Einheit und damit einer festgehaltenen Grundstimmung für ein Riesenwerk wie die Nibelungen-Tetralogie steht in der Literatur einzig da. Dass dies nur möglich wurde durch Aufgeben der herkömmlichen Zergliederung der Oper in einzeln für sich abgeschlossen dastehenden »Nummern« ist zweifellos; aber freilich ist die Aussicht, dass andre Komponisten mit Glück in Wagners Bahnen weiter wandeln werden, gering. Genies, die imstande wären, derartige gigantische Entwürfe auszuführen, werden immer selten bleiben. So sehr auch die gesamte zeitgenössische Produktion unter dem Einflusse von Wagners Harmonik und orchestraler Farbengebung fleht, so hat er doch einen Nachfolger noch nicht gefunden.
Die Zahl der Werke Wagners ist nur eine kleine; den aufgezählten dramatischen Musikwerken und Jugendkompositionen haben wir ergänzend nachzutragen die bereits 1841 in Paris geschriebene Faust-Ouvertüre, die seiner frühesten Schaffensperiode angehörigen Ouvertüren »Rule Britannia«, »Polonia« und »Columbus«, den für den König von Bayern geschriebenen »Huldigungsmarsch« (1865), den unter den Eindrücken des deutsch-französischen Krieges entstandenen »Kaisermarsch« (1870), den zur Säkularfeier der nordamerikanischen Union komponierten sogen. »Philadelphiamarsch« (1876), das liebliche, aus Motiven der Nibelungentrilogie gestaltete »Siegfried-Idyll« und einige wenige Lieder mit Klavierbegleitung (»Wiegenlied«, »Träume« etc.).
Wagners schriftstellerische Arbeiten erschienen u. d. T.: »Gesammelte Schriften und Dichtungen« in 10 Bänden (Leipz. 1871–83; 4. Aufl., das. 1907). Unter ihnen verdienen außer den schon erwähnten noch besondere Beachtung die Abhandlungen: »Das Judentum in der Musik« (1852); »Zukunftsmusik« (an einen französischen Freund, 1860); »Über Staat und Religion« (1864); »Über das Dirigieren« (1869); »Beethoven« (Festschrift zu dessen 100jähriger Geburtstagsfeier, 1870, 3. Aufl. 1905); »Über die Bestimmung der Oper« (1869; entstanden gelegentlich der Einführung des Autors als Mitglied der Berliner Akademie, beiläufig neben der 1872 erfolgten Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Bologna (infolge der enthusiastischen Aufnahme seines »Lohengrin« daselbst) die einzige äußere Auszeichnung, die W. angenommen hat). Nach Wagners Tod erschien noch ein Band »Entwürfe, Gedanken, Fragmente« aus seinen nachgelassenen Papieren (Leipz. 1885) und »Jesus von Nazareth«, ein dichterischer Entwurf aus dem Jahr 1848 (das. 1887), beide zusammen (mit der Operndichtung »Die Sarazenin«) als »Nachgelassene Schriften und Dichtungen« (das. 1895, 2. Aufl. 1902). Von Briefen erschienen: der »Briefwechsel zwischen W. und Liszt« (Leipz. 1887, 2 Bde.; 2. Aufl. 1900), »R. Wagners Briefe an Theod. Uhlig, Wilh. Fischer, Ferd. Heine« (das. 1888), »Briefe an August Röckel« (das. 1894, 2. Aufl. 1903), »Fünfzehn Briefe von Richard W., nebst Erinnerungen und Erläuterungen von Eliza Wille« (Berl. 1894), »Briefe an Emil Heckel. Zur Entstehungsgeschichte der Bühnenfestspiele in Bayreuth« (Berl. 1899); »Richard W. an Mathilde Wesendonck« (1.–18. Aufl., das. 1904) und »Briefe an Otto Wesendonck« (neue vollständige Ausg., das. 1905); Wagners »Bayreuther Briefe 1871–1883« (das. 1907), »Familienbriefe 1832–1874« (das. 1907) und »Richard W. an Minna W.« (Wagners Briefe an seine erste Gattin, hrsg. von H. v. Wolzogen, das. 1908). Vgl. Altmann, R. Wagners Briefe nach Zeitfolge und Inhalt (Leipz. 1905).
Aus der biographischen Literatur vgl. Glasenapp, Das Leben R. Wagners (4. Aufl., Leipz. 1906–07, 6 Bde.); Chamberlain, Richard W. (4. Aufl., Münch. 1907); Kienzl, Richard W. (in dem Sammelwerk »Weltgeschichte in Karakterbildern«, Münch. 1904); Max Koch, Richard W. (1. Teil, Bd. 55 u. 56 der »Geisteshelden«, Berl. 1907); G. Adler, Richard W. (Vorlesungen, Leipz. 1904); Bürkner, Richard W., sein Leben und seine Werke (Jena 1906); A. Jullien, Richard W.; sa vie et ses œuvres (Par. 1886); Finck, W. and his work (Lond. 1893, 2 Bde.; deutsch, 2. Ausg., Bresl. 1906); Lichtenberger, Richard W., poète et penseur (Par. 1898; deutsch, 2. Ausg., Dresd. 1904). Von den zahlreichen kritischästhetischen Schriften über W. sind zu nennen: Glasenapp, Wagner-Enzyklopädie (Leipz. 1891, 2 Bde.); Schuré, Le drame musical (6. Aufl., Par. 1906; deutsch von H. v. Wolzogen, 3. Aufl., Leipz. 1888, 2 Tle.); R. Pohl, Gesammelte Schriften, Bd. 1: Richard W., Studien und Kritiken (Leipz. 1882); Chamberlain, Das Drama R. Wagners (das. 1892, 2. Aufl. 1906); Dinger, R. Wagners geistige Entwickelung (Bd. 1: Die Weltanschauung Wagners, das. 1892); A. Ernst, L'art de W. (Par. 1893); Lavignac, Le voyage artistique à Bayreuth (das. 1897); Thomas, Die Instrumentation der Meistersinger etc. (2. Aufl., Leipz. 1907, 2 Tle.); Moos, Richard W. als Ästhetiker (Berl. 1906); Führer durch die Musikdramen Wagners schrieben Hans v. Wolzogen (»Thematische Leitfaden«), Heintz, Chop, Gjellerup, A. Jahn, Flüggen, Pfohl, Porges, Kufferath u. a. Vgl. Kastner, Wagner-Katalog (Offenb. 1878); »Richard Wagner-Jahrbuch«, herausgegeben von Frankenstein (Leipz. 1906, Bd. 1).
Der aus dem »Patronatsverein zur Pflege und Erhaltung der Festspiele in Bayreuth« (gegründet 1876) hervorgegangene Allgemeine Richard Wagner-Verein hat in allen größern Städten Deutschlands Zweigvereine. Organ des Vereins sind die oben erwähnten »Bayreuther Blätter« (redigiert von H. v. Wolzogen), Vorstand ist der Verwaltungsrat der Festspiele in Bayreuth. Ein Richard Wagner-Museum, begründet von Nik. Oesterlein in Wien, befindet sich seit 1895 in Eisenach. Vgl. darüber Oesterlein, Katalog einer Richard Wagner-Bibliothek (Leipz. 1882–94, 4 Bde.), und den Bericht von J. Kürschner (Eisenach 1897).
Die in diesen Bänden enthaltenen Aufzeichnungen sind im Laufe verschiedener Jahre von meiner Freundin und Gattin, welche mein Leben von mir sich erzählt wünschte, nach meinen Diktaten unmittelbar niedergeschrieben worden. Uns beiden entstand der Wunsch, diese Mitteilungen über mein Leben unsrer Familie sowie bewährten treuen Freunden zu erhalten, und wir beschlossen deshalb, um die einzige Handschrift vor dem Untergange zu bewahren, sie auf unsre Kosten in einer sehr geringen Anzahl von Exemplaren durch Buchdruck vervielfältigen zu lassen. Da der Wert der hiermit gesammelten Autobiographie in der schmucklosen Wahrhaftigkeit beruht, welche unter den bezeichneten Umständen meinen Mitteilungen einzig einen Sinn geben konnte, deshalb auch meine Angaben genau mit Namen und Zahlen begleitet sein mußten, so könnte von einer Veröffentlichung derselben, falls bei unseren Nachkommen hierfür noch Teilnahme bestehen dürfte, erst einige Zeit nach meinem Tode die Rede sein; und hierüber gedenke ich testamentarische Bestimmungen für meine Erben zu hinterlassen. Wenn wir dagegen für jetzt schon einzelnen zuverlässigen Freunden den Einblick in diese Aufzeichnungen nicht vorenthalten, so geschieht dies in der Voraussetzung einer reinen Teilnahme für den Gegenstand derselben, welche namentlich auch ihnen es frevelhaft erscheinen lassen würde, irgend welche weitere Mitteilungen aus ihnen an solche gelangen zu lassen, bei welchen jene Voraussetzung nicht gestattet sein dürfte.
Richard Wagner
Am 22. Mai 1813 in Leipzig auf dem Brühl im »Rot und Weißen Löwen«, zwei Treppen hoch, geboren, wurde ich zwei Tage darauf in der Thomaskirche mit dem Namen Wilhelm Richard getauft. Mein Vater Friedrich Wagner, zur Zeit meiner Geburt Polizeiaktuarius in Leipzig, mit der Anwartschaft auf die Stelle des Polizeidirektors daselbst, starb im Oktober des Jahres meiner Geburt infolge großer Anstrengungen, welche ihm die überhäuften polizeilichen Geschäfte während der kriegerischen Unruhen und der Schlacht bei Leipzig zuzogen, durch Ansteckung des damals epidemisch gewordenen Nervenfiebers. Über die Lebensverhältnisse seines Vaters vernahm ich späterhin, daß dieser in dürftiger bürgerlicher Sphäre als Toreinnehmer am Ranstädter Tore sich dadurch vor seinen Standesgenossen auszeichnete, daß er seinen beiden Söhnen eine gelehrte Erziehung gab, indem er den einen – meinen Vater Friedrich – Jurisprudenz, den andern, jüngern – Adolf – Theologie studieren ließ. Mein Oheim gewann später einen nicht unbedeutenden Einfluß auf meine Entwicklung; wir werden ihm in einer entscheidenden Phase meiner Jugendgeschichte wieder begegnen. Über meinen für mich so früh verstorbenen Vater erfuhr ich später, daß er im allgemeinen sehr für Poesie und Literatur eingenommen, namentlich dem damals von den gebildeten Ständen sehr gepflegten Theater eine fast leidenschaftliche Teilnahme zuwendete. Meine Mutter erzählte mir unter anderm, daß er mit ihr zur ersten Aufführung der »Braut von Messina« nach Lauchstädt reiste; dort zeigte er ihr auf der Promenade Schiller und Goethe, sie enthusiastisch ob ihrer Unkenntnis dieser großen Männer zurechtweisend. Er soll selbst nicht frei von galanter Leidenschaftlichkeit für Künstlerinnen des Theaters gewesen sein. Meine Mutter beklagte sich scherzend, daß sie öfters sehr lange mit dem Mittagsessen auf ihn habe warten müssen, während er bei einer damals berühmten Schauspielerin begeisterte Besuche abstattete; von ihr gescholten, behauptete er durch Aktengeschäfte zurückgehalten worden zu sein, und wies zur Bestätigung auf seine angeblich mit Tinte befleckten Finger, welche bei erzwungener näherer Besichtigung sich als vollkommen sauber auswiesen. Von seiner großen Neigung für das Theater zeugte außerdem die Wahl eines innig vertrauten Hausfreundes, des Schauspielers Ludwig Geyer. Hatte ihn bei der Wahl dieses Freundes gewiß hauptsächlich seine Theaterliebe geleitet, so führte er in ihm seiner Familie zugleich den edelsten Wohltäter zu, indem dieser bescheidene Künstler durch innigen Anteil an dem Lose der zahlreichen Nachkommenschaft seines unerwartet schnell verscheidenden Freundes Wagner bewogen, den Rest seines Lebens auf das angestrengteste der Erhaltung und Erziehung dieser Familie widmete. Schon während der Polizeiaktuar seine Abende im Theater verbrachte, vertrat der treffliche Schauspieler meist seine Stelle im Schoße seiner Familie, und es scheint, daß er oft die mit Recht oder Unrecht über Flatterhaftigkeit ihres Gatten klagende Hausmutter zu beschwichtigen hatte. Wie tief das Bedürfnis des heimatlosen, vom Leben hart geprüften und umhergeworfenen Künstlers war, in einem sympathischen Familienverhältnisse sich heimisch zu wissen, bezeugte er dadurch, daß er ein Jahr nach dem Tode seines Freundes dessen Witwe ehelichte, und fortan der sorgsamste Vater der hinterlassenen sieben Kinder ward. Bei diesem schwierigen Unternehmen begünstigte ihn ein unerwartetes Gedeihen seiner äußeren Lage. Als Schauspieler des sogenannten Charakterfaches erhielt er bei dem neu errichteten Dresdener Hoftheater eine vorteilhafte, ehrende und dauernde Anstellung. Das Malertalent, welches ihm einst schon sein Leben zu fristen verholfen hatte, als er, durch äußerste Armut genötigt, seine Universitätsstudien unterbrechen mußte, wurde in seiner Dresdener Stellung von neuem beachtet. Zwar beklagte er, mehr noch als seine Kritiker, von einer regelmäßigen und schulgerechten Ausbildung desselben abgehalten worden zu sein; dennoch erwarb ihm seine außerordentliche Begabung namentlich für Porträtähnlichkeit so bedeutende Aufträge, daß er unter der doppelten Anstrengung als Maler und Schauspieler leider frühzeitig seine Kräfte erschöpfte. Als er einst in München zu einem Gastspiel am Hoftheater eingeladen war, erhielt er, durch vorteilhafte Empfehlung des sächsischen Hofes eingeführt, vom bayerischen Hofe so bedeutende Aufträge für Porträts der Allerhöchsten Familie, daß er darum sein Gastspiel zu unterbrechen und gänzlich aufzugeben für gut hielt. Aber auch dichterisches Talent war ihm zu eigen; nach manchen in oft sehr zierlichen Versen verfaßten Gelegenheitsstücken schrieb er auch mehrere Lustspiele, von denen eines, der Bethlehemitische Kindermord, in gereimten Alexandrinern, häufig gegeben ward, gedruckt erschien und von Goethe freundlichst gelobt wurde. Dieser ausgezeichnete Mann, unter dessen Führung in meinem zweiten Lebensjahre meine Familie nach Dresden übersiedelte, und von dem meine Mutter noch eine Tochter (Cäcilie) gewann, übernahm nun mit größester Sorgfalt und Liebe auch meine Erziehung. Er wünschte mich gänzlich als eigenen Sohn zu adoptieren, und legte mir daher, als ich in die erste Schule aufgenommen ward, seinen Namen bei, so daß ich meinen Dresdener Jugendgenossen bis in mein vierzehntes Jahr unter dem Namen Richard Geyer bekannt geblieben bin. Erst als meine Familie, längere Jahre nach dem Tode des Stiefvaters, sich wieder nach Leipzig wandte, nahm ich dort, am Sitz meiner ursprünglichen Verwandtschaft den Namen Wagner wieder an.
Meine frühesten Jugenderinnerungen haften an diesem Stiefvater, und gleiten von ihm auf das Theater über. Wohl entsinne ich mich, daß mein Vater gern Malertalent sich in mir entwickeln gesehen haben würde; sein Arbeitszimmer mit der Staffelei und den Gemälden darauf ist zwar auf mich nicht ohne Eindruck gewesen; ich entsinne mich, daß ich namentlich ein Porträt des Königs Friedrich August von Sachsen mit kindischem Nachahmungseifer zu kopieren versuchte; sobald es aber von dieser naiven Kleckserei zu ernsteren Zeichnungsstudien übergehen sollte, hielt ich, vielleicht schon durch die pedantische Manier meines Lehrers (eines langweiligen Vetters) abgeschreckt, nicht aus. Nachdem ich in zartester Kindheit durch eine Entwicklungskrankheit so elend geworden war, daß meine Mutter mir später erzählte, sie habe, da ich unrettbar schien, fast meinen Tod gewünscht, scheine ich zum Überraschen meiner Eltern dann gediehen zu sein. Auch bei dieser Gelegenheit ist mir der großmütige Anteil des vortrefflichen Stiefvaters berichtet worden, welcher, nie verzweifelnd trotz der Sorgen und Beschwerden des starken Familienbestandes, geduldig blieb, und nie die Hoffnung, mich durchgebracht zu sehen, aufgab. – Große Gewalt übte nun auf meine Phantasie die Bekanntschaft mit dem Theater, in welches ich nicht nur als kindischer Zuschauer in der heimlichen Theaterloge mit ihrem Eingang über die Bühne, nicht nur durch den Besuch der Garderobe mit ihren phantastischen Kostümen und charakteristischen Verstellungsapparaten, sondern auch durch eigenes Mitspielen eingeführt wurde. Nachdem mich »Die Waise und der Mörder«, »Die beiden Galeerensklaven«, und ähnliche Schauerstücke, in welchen ich meinen Vater die Rollen der Bösewichter spielen sah, mit Entsetzen erfüllt hatten, mußte ich selbst einige Male mit Komödie spielen. Bei einem Gelegenheitsstücke zur Bewillkommnung des aus der Gefangenschaft zurückkehrenden Königs von Sachsen – »Der Weinberg an der Elbe«, mit Musik vom Kapellmeister C.M. von Weber, entsinne ich mich, bei einem lebenden Bilde als Engel ganz in Trikots eingenäht, mit Flügeln auf dem Rücken, in schwierig eingelernter graziöser Stellung figuriert zu haben. Auch erinnere ich mich bei dieser Gelegenheit einer großen Zuckerbrezel, von der mir versichert wurde, daß sie mir der König persönlich bestimmt habe. Endlich entsinne ich mich, in Kotzebues »Menschenhaß und Reue« selbst eine mit wenigen Worten versehene Kinderrolle dargestellt zu haben, welche mir in der Schule, da ich dort meine Aufgabe nicht gelernt hatte, zum Vorwand übermäßiger Beschäftigung dienen mußte, indem ich angab, eine große Rolle in den »Menschen außer der Reihe« zu memorieren gehabt zu haben.
Wie ernst es dagegen mein Vater mit meiner Erziehung nahm, bewies er, als er nach meinem vollbrachten sechsten Jahre mich zu einem Pfarrer auf das Land, nach Possendorf bei Dresden, brachte, wo ich in Gesellschaft anderer Knaben aus guten Familien eine vortreffliche, nüchterne und gesunde Erziehung erhalten sollte. In die kurze Zeit dieses Aufenthaltes fallen manche erste Erinnerungen von den Eindrücken der Welt: des Abends wurde uns Robinson vom Pfarrer erzählt und mit vortrefflichen dialogischen Belehrungen begleitet. Großen Eindruck machte auf mich die Vorlesung einer Biographie Mozarts, wogegen die Zeitungs- und Kalenderberichte über die Vorfälle des gleichzeitigen griechischen Befreiungskampfes drastisch aufregend auf mich wirkten. Meine Liebe für Griechenland, die sich späterhin mit Enthusiasmus auf die Mythologie und Geschichte des alten Hellas warf, ging somit von der begeisterten und schmerzlichen Teilnahme an Vorgängen der unmittelbaren Gegenwart aus. Ich entsinne mich, später in dem Kampf der Hellenen gegen die Perser immer die Eindrücke dieses neuesten griechischen Aufstandes gegen die Türken wiederempfunden zu haben.
Eines Tages, nach kaum einjähriger Dauer dieses ländlichen Aufenthaltes, kam ein Bote aus der Stadt an, welcher den Pfarrer benachrichtigte, er möge mich in das elterliche Haus nach Dresden geleiten, weil dort mein Vater im Sterben liege. Wir legten den dreistündigen Weg zu Fuß zurück; sehr ermüdet ankommend, begriff ich die tränenreiche Haltung meiner Mutter kaum. Des andern Tages ward ich an das Bett meines Vaters geführt; die äußerste Schwäche, mit der er zu mir sprach, alle Vorkehrungen einer letzten verzweifelten Behandlung seiner akuten Brustwassersucht erfüllten mich durchaus nur wie Traumgebilde; ich glaube, die bange Verwunderung war in mir so mächtig, daß ich nicht weinen konnte. In einem anstoßenden Nebenzimmer lud mich die Mutter ein, zu zeigen, was ich auf dem Klavier gelernt habe, in der guten Absicht, es dem Vater zur Zerstreuung zu Gehör zu bringen: ich spielte »Üb' immer Treu' und Redlichkeit«; der Vater hat da die Mutter gefragt: »Sollte er etwa Talent zur Musik haben?« – Am andern Morgen trat beim ersten Tagesgrauen die Mutter in die große Kinderschlafstube, kam zu jedem von uns an das Bett und meldete schluchzend des Vaters Tod, jedem von uns wie zum Segen etwas von ihm sagend; zu mir sagte sie: »Aus dir hat er etwas machen wollen.« Am Nachmittag kam Pastor Wetzel und holte mich wieder auf das Land ab. Wir gingen wieder zu Fuß und erreichten erst in nächtlicher Dämmerung Possendorf; unterwegs frug ich ihn viel nach den Sternen, über die er mir eine erste verständige Auskunft gab. Acht Tage darauf erschien der Bruder des Verstorbenen, welcher aus Eisleben herbeigekommen war, um dem Begräbnis beizuwohnen; er hatte der nun wiederum hilflos gewordenen Familie nach Kräften seine Unterstützung zugesagt und es übernommen, für meine Erziehung fortan zu sorgen. Ich nahm Abschied von meinen Jugendgenossen und von dem liebenswürdigen Pastor, zu dessen eigenem Begräbnis ich nach wenigen Jahren zum erstenmal wieder nach Possendorf zurückkehrte, welches ich dann nur viel später wieder einmal auf einer Exkursion besuchte, wie ich sie oft als Dresdener Kapellmeister weit in das Land hinein zu Fuß unternahm: es ergriff mich sehr, das alte Pfarrhaus nicht mehr zu finden, dafür einen reichlichern modernen Aufbau, der mich so gegen den Ort verstimmte, daß ich späterhin meine Ausflüge nie wieder in diese Gegend richtete.
Mein Oheim brachte mich diesmal im Wagen nach Dresden zurück; ich traf die Mutter und die Schwestern in tiefer Trauerkleidung, und entsinne mich, zum erstenmal mit einer in der Gewohnheit meiner Familie nicht heimischen Zärtlichkeit empfangen und wieder entlassen worden zu sein, als ich nach wenigen Tagen von dem Oheim mit nach Eisleben genommen wurde. Dort war dieser jüngere Bruder meines Stiefvaters als Goldschmied niedergelassen; einer meiner älteren Brüder (Julius), war bereits von ihm in die Lehre aufgenommen; zugleich lebte bei ihm, dem Unverehelichten, noch die alte Großmutter. Man hat dieser, deren baldiges Ende man voraussah, den Tod ihres älteren Sohnes verschwiegen; auch ich wurde dazu angehalten, nichts davon zu verraten. Das Dienstmädchen nahm sorgsam den Trauerflor von meinem Kleide und erklärte, ihn für die Großmutter aufbewahren zu wollen, wenn sie, wie für bald zu erwarten, gestorben sein würde. Ich mußte nun der Großmutter öfter vom Vater erzählen; die Verheimlichung seines Todes glückte mir ohne Anstrengung, da ich selbst kein deutliches Bewußtsein davon hatte. Sie lebte in einer finsteren Hinterstube, auf einen engen Hof hinaus, und hatte gern frei umherflatternde Rotkehlchen bei sich, für welche stets frisch erhaltene grüne Zweige am Ofen ausgesteckt waren. Es glückte mir selbst, ihr im Sprenkel welche einzufangen, als die alten von der Katze getötet worden waren: hierüber freute sie sich sehr und hielt mich sauber und reinlich. Auch ihr vorausgesehener Tod trat bald ein: der aufgesparte Trauerflor wurde nun offen in Eisleben getragen; das Hinterstübchen mit den Rotkehlchen und grünen Büschen hörte für mich auf. – Bei einer Seifensiederfamilie, welcher das Haus gehörte, wurde ich bald heimisch und durch meine Erzählungen, welche ich ihr zum besten gab, beliebt. Ich wurde in eine Privatschule geschickt, welche ein Magister Weiß hielt, der auf mich einen ernsten und würdigen Eindruck hinterlassen hat. Mit Rührung las ich am Ende der fünfziger Jahre in einer musikalischen Zeitung den Bericht über eine in Eisleben stattgefundene Musikaufführung mit Stücken aus dem Tannhäuser, welcher der ehemalige Lehrer des Kindes mit voller Erinnerung an dasselbe beigewohnt hatte.
Die kleine altertümliche Stadt mit dem Wohnhause Luthers und den mannigfachen Erinnerungen an dessen Aufenthalt, ist mir noch in spätesten Zeiten oft im Traume wiedergekehrt; es blieb mir immer der Wunsch, sie wieder zu besuchen, um die Deutlichkeit meiner Erinnerungen bewährt zu finden: sonderbarerweise bin ich nie dazu gekommen. Wir wohnten am Markte, der mir oft eigentümliche Schauspiele gewährte, wie namentlich die Vorstellungen einer Akrobaten-Gesellschaft, bei welchen auf einem von Turm zu Turm über den Platz gespannten Seile gegangen wurde, was in mir lange Zeit die Leidenschaft für ähnliche Kunststücke erweckte. Ich brachte es wirklich dazu, auf zusammengedrehten Stricken, welche ich im Hof ausspannte, mit der Balancierstange mich ziemlich geschickt zu bewegen; noch bis jetzt ist mir eine Neigung, meinen akrobatischen Gelüsten Genüge zu tun, verblieben. – Am wichtigsten wurde mir die Blechmusik eines in Eisleben garnisonierenden Husarenregimentes. Ein von ihr häufig gespieltes Stück erweckte damals als Neuigkeit unerhörtes Aufsehen: es war der »Jägerchor« aus dem Freischütz, welche Oper soeben in Berlin zur Aufführung gekommen war. Onkel und Bruder frugen mich lebhaft nach dem Komponisten, den ich in Dresden als Kapellmeister Weber doch gewiß im Hause der Eltern gesehen haben müßte. Zu gleicher Zeit ward in einer befreundeten Familie von den Töchtern der »Jungfernkranz« eifrig gespielt und gesungen. Diese beiden Stücke verdrängten nun bei mir meine Vorliebe für den Ypsilanti-Walzer, der mir bis dahin als das wunderbarste Tonstück galt. – Ich entsinne mich, viele Raufereien mit der autochthonen Knabenbevölkerung, welche ich namentlich durch meine viereckige Mütze zu beständiger Verhöhnung reizte, zu bestehen gehabt zu haben. Außerdem tritt noch der Hang zu abenteuerlichen Streifereien durch die felsigen Uferklippen der Unstrut in meine Erinnerung.
Durch die endliche Verheiratung meines Oheims, welcher nun einen neuen Hausstand sich einrichtete, trat, wie es scheint, auch eine starke Veränderung in seinen Beziehungen zu meiner Familie ein. Nach Verlauf eines Jahres ward ich von ihm nach Leipzig geleitet, wo ich für einige Tage den Verwandten meines Vaters (Wagner) übergeben wurde. Diese waren mein Onkel Adolf und dessen Schwester, meine Tante Friederike Wagner. Der sehr interessante Mann, welcher später immer anregender auf mich einwirkte, tritt mit seiner sonderbaren Umgebung von hier an zuerst deutlich in mein Bewußtsein. Er stand mit meiner Tante zugleich in sehr nahe befreundetem Verhältnisse zu einer wunderlichen alten Jungfer, Jeannette Thomé, der Mitbesitzerin eines großen Hauses am Markte, in welchem, wenn ich nicht irre, seit den Zeiten Augusts des Starken die sächsische Fürstenfamilie die zwei Hauptstockwerke für ihren jeweiligen Aufenthalt in Leipzig gemietet und eingerichtet hatte. Jeannette Thomé fiel, so viel ich weiß, der eigentliche Besitz des zweiten Stockwerkes zu, in welchem sie für sich nur eine unscheinbare Wohnung nach dem Hof hinaus bewohnte. Da jedoch der König höchstens auf wenige Tage im Jahre von den gemieteten Räumen Gebrauch machte, so hielt sich Jeannette mit den Ihrigen für gewöhnlich in den vermieteten Prachtzimmern auf, und in einem dieser Prunkgemächer war es denn auch, wo mir meine Schlafstelle angewiesen wurde. Die Einrichtung dieser Räume war noch aus den Zeiten Augusts des Starken; prächtig aus schweren Seidenstoffen mit reichen Rokoko-Möbeln, alles bereits vom Alter stark abgenutzt. Wohl gefiel ich mir sehr in diesen großen phantastischen Räumen, von wo aus man auf den so belebten Leipziger Markt blickte, unter dessen Bevölkerung mich namentlich die gassenbreit aufziehenden Studenten, in ihrer altdeutschen burschenschaftlichen Tracht, außerordentlich fesselten. Nur an einem Schmuck dieser Räume hatte ich sehr zu leiden: das waren die verschiedenen Porträts, namentlich der vornehmen Damen im Reifrock mit jugendlichen Gesichtern und weißen (gepuderten) Haaren. Diese kamen mir durchaus als gespenstige Wesen vor, die mir, wenn ich allein im Zimmer war, lebendig zu werden schienen und mich mit höchster Furcht erfüllten. Das einsame Schlafen in einem solchen abgelegenen großen Gemach, in dem altertümlichen Prachtbett, in der Nähe eines solchen unheimlichen Bildes, war mir entsetzlich; zwar suchte ich vor der Tante, wenn sie mich des Abends mit einem Licht zu Bett brachte, meine Furcht zu verbergen; doch verging nie eine Nacht, ohne daß ich in Angstschweiß gebadet den schrecklichsten Gespenster-Visionen ausgesetzt war.
Den gespenstischen Eindruck dieses Aufenthaltes in das märchenhaft Sonderbare überzutragen, war die Persönlichkeit der drei Hauptbewohner dieses Stockwerkes vorzüglich geeignet: Jeannette Thomé war sehr klein und dick, trug eine blonde Titusperücke und schien sich in dem Bewußtsein früherer Zierlichkeit zu behagen. Ihre treue Freundin und Pflegerin, meine Tante, welche ebenfalls zur alten Jungfer geworden war, zeichnete sich durch Länge und große Magerkeit aus; das Phantastische ihres sonst sehr freundlichen Gesichtes war durch ihr außerordentlich spitzes Kinn vermehrt. Mein Oheim Adolf hatte sein Studierzimmer ein für allemal in einem finstern Gemach des Hofes aufgeschlagen. Dort traf ich ihn zuerst unter einem großen Wuste von Büchern, in einer unscheinbaren Hauskleidung, deren Charakteristisches in einer hohen spitzen Filzmütze bestand, wie ich sie in Eisleben bei dem Bajazzo der Seiltänzergesellschaft gesehen hatte. Ein großer Hang zur Selbständigkeit hatte ihn in dieses sonderbare Asyl getrieben. Ursprünglich zur Theologie bestimmt, gab er diese bald gänzlich auf, um sich einzig philosophischen und philologischen Studien zu widmen. Bei größter Abneigung gegen eine Wirksamkeit als Professor und Lehrer mit Anstellung, suchte er sich frühzeitig durch literarische Arbeiten dürftig zu erhalten. Mit geselligen Talenten und namentlich einer schönen Tenorstimme begabt, auch seinerseits mit Interesse für das Theater erfüllt, scheint er in seiner Jugend als nicht ungern gesehener Belletrist in Leipzig einem größeren Bekanntenkreis liebgeworden zu sein. Bei einem Ausfluge nach Jena, auf welchem er mit einem Altersgenossen sich selbst bis zu musikalisch-deklamatorischen »Akademien« herbeigelassen zu haben scheint, besuchte er auch Schiller; er hatte sich hierzu mit einem Auftrage der Leipziger Theaterdirektion, welche den kürzlich vollendeten »Wallenstein« akquirieren wollte, versehen. Mir schilderte er späterhin den hinreißenden Eindruck, den Schiller auf ihn hervorbrachte, dessen schlanke hohe Gestalt und unwiderstehlich einnehmendes blaues Auge. Nur beklagte er sich, infolge eines gutgemeinten Streiches, den ihm sein Freund gespielt, in große und beschämende Verlegenheit gebracht worden zu sein. Dieser hatte nämlich ein Heft Gedichte Adolf Wagners zuvor an Schiller zu bringen gewußt; der betroffene junge Poet mußte nun von Schiller freundliche Lobsprüche hinnehmen, von denen er innigst überzeugt war, daß er sie nur der humanen Großmut Schillers zu verdanken hatte. – Später wandte er sich immer mehr nur noch philologischen Studien zu. Als eine der bekanntesten Arbeiten auf diesem Feld ist seine Herausgabe des Parnasso Italiano zu erwähnen, welche er Goethe mit einem italienischen Gedichte widmete, von welchem mir zwar durch Sachkenner versichert worden ist, daß es in einem ungebräuchlichen und schwülstigen Italienisch verfaßt sei, das ihm aber dennoch von Goethe einen anerkennungsvollen schönen Brief und einen silbernen Becher aus des Dichters gebrauchtem Hausgeräte erwarb. – Der Eindruck, den seine Erscheinung in der bezeichneten Umgebung in meinem achten Jahre auf mich machte, war durchaus rätselhafter, befremdender Art. –
Zunächst wurde ich nach wenigen Tagen wieder diesen Einflüssen entzogen, um zu meiner Familie nach Dresden gebracht zu werden. Dort hatte sich währenddem, unter der Leitung der nun alleinstehenden Mutter, meine Familie nach Kräften einzurichten gesucht. Mein ältester Bruder (Albert), ursprünglich zum Studium der Medizin bestimmt, hatte auf den Rat Webers, der seine Tenorstimme rühmte, die theatralische Laufbahn in Breslau ergriffen. Ihm folgte bald meine zweitälteste Schwester (Luise), ebenfalls als Schauspielerin dem Theater sich widmend. Meine älteste Schwester Rosalie war zu einer ehrenvollen Anstellung am Dresdener Hoftheater selbst gelangt und sie bildete nun fortan den Mittelpunkt des zurückgebliebenen jüngeren Teiles der Familie, wie sie die nächste Stütze der von Sorgen beschwerten Mutter blieb. Ich traf sie noch in derselben großen und angenehmen Wohnung, welche der Vater zuletzt eingerichtet hatte; nur waren stets einige überflüssige Zimmer zeitweilig an Fremde vermietet, unter denen einst auch Spohr sich einfand. Der großen Rührigkeit meiner Mutter verdankte, mit Hilfe verschiedener erleichternder Umstände, (unter denen die fortdauernde Geneigtheit des Hofes gegen das Andenken meines Stiefvaters zu erwähnen ist) die Familie ein erträgliches Gedeihen, so daß auch in betreff meiner Erziehung keine Art Vernachlässigung eintrat.
Nachdem auch eine dritte Schwester (Klara) ihrer außerordentlich schönen Stimme zulieb für das Theater bestimmt war, hielt meine Mutter angelegentlich darauf, in mir nicht etwa auch Neigung für das Theater aufkommen zu lassen. Es war ihr stets ein Selbstvorwurf geblieben, daß sie in die theatralische Laufbahn meines ältesten Bruders gewilligt hatte; da mein zweiter Bruder keine weiteren Anlagen verriet als die, welche ihn zum Goldschmied bestimmt hatten, so war ihr nun daran gelegen, an mir die Hoffnungen und Wünsche des Stiefvaters, der »aus mir etwas machen wollte«, in Erfüllung gehen zu sehen. Mit meinem vollbrachten achten Jahre wurde ich auf das Gymnasium der Kreuzschule in Dresden geschickt; ich sollte studieren. Dort trat ich als unterster Schüler der untersten Klasse ein und begann nun unter den bescheidensten Anfängen meine gelehrte Bildung. Die Mutter verfolgte mit großer Teilnahme alle bei mir sich einstellenden Anzeichen von geistiger Lebendigkeit und Begabung.
Diese für alle, die sie kennenlernten, merkwürdig gebliebene Frau stellte ein eigentümliches Gemisch von bürgerlich-häuslicher Rührigkeit und großer geistiger Empfänglichkeit bei durchaus mangelnder gründlicher Erziehung dar. Über ihre Herkunft hat sie sich gegen keines ihrer Kinder umständlich vernehmen lassen. Sie stammte aus Weißenfels, und gab zu, daß ihre Eltern dort Bäcker gewesen seien. Schon in betreff ihres Namens äußerte sie sich aber mit einer sonderbaren Befangenheit, indem sie diesen als »Perthes« angab, während, wie wir wohl herausbekamen, er in Wahrheit »Petz« hieß. Auffallend war, daß sie in einer gewählten Erziehungsanstalt zu Leipzig untergebracht war und dort die Sorge eines von ihr sogenannten »hohen väterlichen Freundes« genoß, als welchen sie uns später einen weimarischen Prinzen nannte, der sich um ihre Familie in Weißenfels Verdienste erworben hatte. Ihre Erziehung scheint in jener Anstalt durch den plötzlichen Tod dieses väterlichen Freundes unterbrochen worden zu sein. Sehr jung lernte sie meinen Vater kennen und heiratete ihn, den ebenfalls sehr früh gereiften und zur Anstellung gelangten, im jugendlichsten Mädchenalter. Ihr Haupt-Charakterzug scheint ein drolliger Humor und gute Laune gewesen zu sein, und es ist wohl nicht zu glauben, daß nur das Pflichtgefühl gegen die Familie eines hinterlassenen Freundes, sondern eine wirklich herzliche Neigung auch zu dessen Witwe den trefflichen Ludwig Geyer bewog, mit der nicht mehr ganz jugendlichen Frau in die Ehe zu treten. Ein Porträt von ihr, welches Geyer noch während ihrer ersten Ehe gemalt, stellt ihr Äußeres sehr vorteilhaft dar. Von da an, wo sie deutlich in meine Erinnerung tritt, war sie bereits durch ein Kopfleiden genötigt, stets eine Haube zu tragen, so daß ich den Eindruck einer jugendlichen und anmutigen Mutter nicht mehr von ihr erhalten habe. Der sorgenvoll aufregende Umgang mit einer zahlreichen Familie (deren siebentes lebendes Glied ich war), die Schwierigkeiten, das Nötige zu beschaffen und bei sehr beschränkten Mitteln eine gewisse Neigung für äußern Anschein zu befriedigen, ließen nicht jenen behaglichen Ton mütterlicher Familienzärtlichkeit bei ihr aufkommen; ich entsinne mich kaum je von ihr geliebkost worden zu sein, wie überhaupt zärtliche Ergießungen in unsrer Familie nicht stattfanden; wogegen sich ein gewisses hastiges, fast heftiges, lautes Wesen sehr natürlich geltend machte. Unter solchen Umständen ist es mir als Epoche machend in der Erinnerung geblieben, daß, als ich eines Abends schläfrig zu Bett gebracht wurde und die Augen weinerlich nach ihr aufschlug, die Mutter mit Wohlgefallen auf mich blickte und gegen einen anwesenden Besuch sich mit einer gewissen Zärtlichkeit über mich äußerte. Was mich hauptsächlich ihrerseits beeinflußte, war der seltsame Eifer, in welchem sie vom Großen und Schönen in der Kunst mit fast pathetischem Tone sprach. Mir gegenüber wollte sie aber hierunter niemals die theatralische Kunst gemeint haben, sondern nur Dichtkunst, Musik und Malerei, wogegen sie mir häufig fast mit ihrem Fluche drohte, wenn auch ich jemals zum Theater gehen wollte. Dabei war sie von sehr religiösem Sinne; sie hielt uns oft mit einem gefühlvollen Pathos längere, Predigt-ähnliche Reden von Gott und dem Göttlichen im Menschen, in denen sie sich gelegentlich wohl auch, mit plötzlich herabgestimmtem Tone, in humoristischer Art durch einen Verweis unterbrach. Namentlich seit dem Tode des Stiefvaters versammelte sie jeden Morgen die übriggebliebene Familie um ihr Bett, in welchem sie den Kaffee trank, jedoch nicht eher, als bis von einem unter uns ein Lied aus dem Gesangbuch vorgelesen worden, wobei in der Wahl es nicht peinlich genau genommen wurde, bis denn einst aus Versehen meine Schwester Klara ein »Gebet in Kriegsnöten« zu so ergreifendem Vortrag brachte, daß die Mutter sie mit den Worten unterbrach: »Na, nun höre auf! Gott verzeih' mir meine Sünde, in Kriegsnöten sind wir doch gerade nicht!«
Trotz aller Beschwerlichkeit des Auskommens ging es dann und wann bei Abendgesellschaften heiter und, wie es mich Knaben dünkte, glänzend her. Aus den Zeiten meines Stiefvaters, welcher in den letzten Jahren seines Lebens durch sein Glück als Porträtmaler seine Einkünfte auf eine – für die damalige Zeit – ziemlich ansehnliche Höhe gesteigert hatte, waren uns angenehme und den besten Ständen angehörende Bekanntschaften verblieben, die sich auch jetzt zuweilen bei uns vereinigten. Namentlich bildeten damals die Mitglieder des Hoftheaters selbst anmutige und geistig belebte Kreise, von denen ich später in Dresden keine lebendigen Erinnerungen mehr vorfand. Besonders beliebt waren gemeinschaftliche Landpartien in die schöne Umgegend Dresdens, bei welchen kollegialische künstlerische Heiterkeit vorherrschte. Ich entsinne mich eines solchen Ausfluges nach Loschwitz, wo eine Art Zigeunerwirtschaft aufgeschlagen wurde, welcher Carl Maria v. Weber in der Funktion eines Koches seinen Beitrag widmete. Auch ward bei uns musiziert; meine Schwester Rosalie spielte Klavier; Klara begann zu singen. Von den verschiedenen Theater-Aufführungen, welche früher an Geburtstagen der Eltern zu gegenseitiger Überraschung oft mit großen Vorbereitungen veranstaltet wurden, blieben mir schon zu jener Zeit nur noch die Erinnerungen, namentlich an Aufführungen von einer Parodie der Grillparzerschen Sappho, in welcher ich selbst im Chor der Gassenbuben vor dem Triumphwagen Phaons mitwirkte. Diese Erinnerungen suchte ich mir durch ein schönes Puppentheater aufzufrischen, welches ich in der Hinterlassenschaft des Vaters auffand, und zu welchem er selbst schöne Dekorationen gemalt hatte. Ich beabsichtigte, die Meinigen durch eine glänzende Aufführung auf diesem Theater zu überraschen. Nachdem ich mir mit größtem Ungeschick verschiedene Puppen geschnitzt, für ihre Kleidung durch Verfertigung von Kostümen aus heimlich entwendeten Kleiderlappen meiner Schwestern notdürftig gesorgt hatte, ging ich auch an die Abfassung eines Ritterstückes, dessen Rollen ich meinen Puppen einstudieren wollte. Als ich die erste Szene entworfen hatte, entdeckten meine Schwestern das Manuskript und gaben es unmäßigem Gelächter preis: die eine Phrase der geängstigten Liebhaberin, »ich höre schon den Ritter trabsen«, ist mir lange zu meinem größten Ärger mit Pathos vorrezitiert worden.
Dem Theater, welchem auch jetzt meine Familie immer wieder naheblieb, wandte auch ich von neuem mich mit Eifer zu. Namentlich wirkte der Freischütz –