Dietmar liebte es, zu fischen, jede Art von Angeln wollte er ausprobieren, oder es wenigstens es mit ihnen einmal versuchen.
Auch aß er am liebsten den selbstgefangenen Fisch.
„Aus dem Wasser kommt der Fisch bei mir nur immer frisch auf den Tisch“, das war sein Wahlspruch, den er immer wiederholte, wenn ihn jemand danach fragte, warum er so gerne Angeln ging.
Das Grobfischen auf Flüssen und Seen nahm einen großen Teil seiner Freizeit in Anspruch, und er hatte im Laufe der Jahre einige Ferien in Schottland verbracht und mit einer Fliege an einer hauchdünnen Schnur, wilde Lachse und Forellen gejagt, aber seine wahre Liebe, das war, das Seefischen.
Sein "Onkel" Johann machte ihn als Kind mit diesem Zeitvertreib bekannt, und seit dieser Zeit liebte er es.
Dietmar verlor seinen Vater durch eine Silikose, was Staublunge bedeutet.
Die Staublunge entsteht durch die Einlagerung von Staub in die Lunge und die Reaktion des Gewebes auf seine Anwesenheit.
Dies ist eine typische Berufskrankheit von Bergleuten, insbesondere bei Hauern, die vorwiegend im Streckenvortrieb tätig waren und den meisten Staub abbekamen.
Ihnen fällt das Atmen immer schwerer, bis sie qualvoll ersticken.
Seit dieser Zeit war Dietmar Halbwaise und wuchs ohne Vater auf.
Er lebt mit seiner Mutter alleine, sie hatte nie mehr geheiratet, hatte aber viele Verehrer.
Als er noch sehr jung war, erlebte er eine Reihe vorübergehender "Onkels", von denen sich nur wenige die Mühe machten, einem kleinen Rotznasen-Dietmar, die Tageszeit zu verschönern oder sich mit ihm zu beschäftigen.
Wenn seine Mutter da war, hatten sie alle eine andere Beschäftigung, als sich mit ihm abzugeben.
Sie kamen ja auch nicht zu seiner Mutter, weil sie heile Familie spielen wollten, der Grund war ein ganz anderer.
"Onkel" Johann war auch nicht so lange da, aber er nahm den kleinen Dietmar ein paar Mal mit, wie er in einem überfluteten Steinbruch, nach Karpfen fischte, und in diesem alten Klischee war Dietmar damals süchtig danach geworden und wollte nur noch angeln gehen.
Der Verlust seines Vaters, aufgrund seiner Berufskrankheit, hat Dietmar vom Kohlebergbau abgehalten.
Er bekam mit, wie sein Vater regelrecht erstickte, und dieses wollte er nicht auch selbst erleben.
Als er sich für eine Karriere entschied, beschloss er, Versicherungen zu verkaufen, hauptsächlich Lebens-, Kranken-, Unfall und Investitionspläne.
Dietmar hat keine Branchenrekorde in der Versicherungsbranche gebrochen, aber es ging ihm finanziell schon immer gut.
Er bekam ein monatliches Grundgehalt plus seiner Verkaufsprovision, und die war nicht schlecht.
So waren es von der Krankenversicherung immerhin fünf Monatsbeiträge, die ihm gehörten.
Auch bei der Lebensversicherung und bei den Unfallversicherungen bekam er eine hohe Provision.
Bei der Lebensversicherung waren es immerhin fünf Prozent der Versicherungssumme.
Bei zwanzigtausend Euro waren es immerhin eintausend Euro Provision, die er Versicherungsnehmer zuerst einmal bezahlen musste.
Wie man hier erkennen kann, ging es dem Versicherungsverkäufer immer ums Geld und nicht um die Sicherheit seiner Kunden.
Natürlich durfte ein Versicherungsnehmer nicht wissen, dass er die ersten zwei Jahre nur für Provision und Kosten einzahlte und erst dann ein kleiner Gewinn für ihn übrig blieb, aber das war halt die Überredungskunst, die ein guter Versicherungsverkäufer ausmachte, da wurde auch schon einmal nicht die ganze Wahrheit gesagt oder bewusst Fragen nicht richtig und ausgiebig beantwortet.
Schließlich war in jedem großen Versicherungsbüro ein interner Wettbewerb ausgeschrieben, das anspornte, Verträge abzuschließen, um zu den Bestverdienern zu gehören.
So hatte sich ein Versicherungsverkäufer, ein Segelflugzeug zugelegt und potenzielle Kunden zu einem kostenlosen Rundflug eingeladen.
Als die Zielperson dann in Flugzeug saß und auf den Start wartete, sprach er ihn wie „zufällig“ auf eine nicht bestehende Lebensversicherung oder Unfallversicherung an.
Und welch Zufall, den Antrag hatte er bereits ausgefüllt dabei, die Person brauchte nur noch zu unterschreiben, bevor das Flugzeug startete und er ab jetzt versichert war.
Ansonsten hätte er auf den Flug verzichten, und wieder aussteigen müssen, denn nicht versicherte Personen durften nicht mitfliegen.
Jetzt fragen sie sich vielleicht, was wäre gewesen, wenn die Person bei einer anderen Gesellschaft bereits versichert gewesen wäre, ganz einfach, sie wäre zu einem kostenlosen Rundflug nicht eingeladen worden oder hätte einen weiteren Vertrag unterschrieben.
Das waren fast immer die unlauteren Tricks, wie manche Versicherungsvertreter an ihre Abschlüsse kamen.
Andere hatten wieder andere Tricks auf Lager.
Das Versicherungsgeschäft hatte sich seit seiner Gründung stark verändert.
Das meiste wurde heutzutage telefonisch und über Internet erledigt, aber auch da gab es Tricks, um an Verträge zu kommen.
Zu Beginn seiner Ausbildung und Tätigkeit, hatte Dietmar noch viel von Tür zu Tür gearbeitet, was er jetzt nicht mehr tat, er nutzte die modernen Medien.
Er war auch kein schlecht aussehender junger Mann und kümmerte sich auch viel um sich selbst und um sein Aussehen, was ihm die Arbeit leichter machte, ganz besonders bei den Frauen.
Er war immer elegant gekleidet für den Job, also bekam er viele Angebote von gelangweilten Hausfrauen, die am Stadtrand als "Grüne Witwen" lebten.
Wenn es gut für sein Geschäft war, so nahm er hier und da immer wieder einmal ein solches Angebot an, aber die meisten lehnte er ab.
Er hielt sich nicht für prüde, ja er war sogar scharf auf Frauen, so wie kein Zweiter, aber diese verzweifelten Hausfrauen erinnerten ihn zu sehr an seine Mutter.
Seine Mutter war damals einsam gewesen, verzweifelt auf der Suche nach Liebe und Sex.
Sie hatte sich für zu jung und hübsch gehalten, um eine trauernde Witwe zu sein, die von zwei kleinen Kindern behindert wurde, wieder einen Mann, dauerhaft fürs Leben zu finden.
Daher kamen die vielen "Onkels", die aber nie lange blieben.
Dietmars Schwester Alice ist zwei Jahre älter als er selbst.