Gabriele André & Wolfgang André
OPPORTUNITY
The power of resistance
© 2021 Gabriele André & Wolfgang André
© 2021 Cover designed by Wolfgang André
Verlag und Druck:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN |
|
Paperback: |
978-3-347-37084-5 |
Hardcover: |
978-3-347-37085-2 |
e-Book: |
978-3-347-37086-9 |
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«OPPORTUNITY»
THE POWER OF RESISTANCE
BAND- I
Ein Abenteuer -Thriller nach einer Idee von
Gabriele & Wolfgang ANDRÉ
Trilogie
(2021/2022)
BAND–I |
OPPORTUNITY – The power of resistane |
BAND – II |
SOLANACEE – Murderouse Session |
BAND – III |
KÉPI BLANC– Bloodtrail |
«ORDEM E PROGRESSO»
Vorwort
Ordnung und Fortschritt, ist der Wahlspruch Brasiliens und als weißes Spruchband Teil der Flagge Brasiliens. Das Motto leitet sich aus der Denkweise des Positivismus ab. Die Flagge Brasiliens zeigt eine gelbe Raute auf grünem Grunde. Die Farben stehen ursprünglich nicht für das Grün der weiten Urwälder und die zahlreichen Bodenschätze (gelb) des Landes. Grün ist vielmehr die Farbe des Hauses Braganza, gelb die der Habsburger. Der blaue Bereich in der Raute stellt den Himmel über Rio de Janeiro am 15. November 1889 um 8:30 Uhr dar. Der Ort und die Zeit der Proklamation der Republik.
Gut und Böse trifft massiv aufeinander und nimmt Euch, auf eine abenteuerliche Reise in das kontrastreiche schöne Brasilien mit. So faszinierend das Land auch ist, so vielfältig sind seine Gegensätze. Getrieben von Macht, Gier, Neid, Hass und Intrige, werden alle erdenklichen Mittel angewandt, um das vermeintlich Ersehnte zu erlangen.
Die Motivation zur Erfüllung und Erlangung des Begehrten ist ebenso vielfältig, wie die Freude über das Erworbene. In der Triebhaftigkeit zur Erlangung des Ersehnten und Befriedigung der Wünsche, weit außerhalb über das allgemein Begreifliche, stellen die handelnden Figuren ihre Vorstellungen, ihrer Werte, Bedürfnisse, Macht und Begierde zur Schau.
Gesundheit, Freiheit, Freundschaft, und Liebe sind unsere höchsten Güter. Respekt und Empathie sind der Schlüssel. Das höchste Gut jedoch ist die Zeit. Und diese sollte jeder vernünftig einsetzen. Denn alle haben wir von Geburt an eine tödliche Krankheit, den Tod. Die Uhr tickt…!
«TUBARAÓ»
Kapitel 1
Der Vollmond dominiert in dieser Nacht wie ein riesiger überdimensionaler Scheinwerfer der direkt auf den mächtigen, tiefschwarzen Atlantik an der Küste Brasiliens gerichtet ist. Durch die Leuchtkraft vernimmt man in dieser Nacht kleine helle funkelnde Reflexionen, welche durch kurzes Aufblitzen den Schein erwecken, als würden unzählige Sterne tanzen.
Eine wunderbare Kulisse, wenn da nicht der schwierige Job zu erledigen wäre. Der Schein trügt, alles wirkt still und ruhig. Unter Wasser, in einer Tiefe von rund 40 Metern, nahe der schroffen Steilküste von «Queimada Grande», sieht es jedoch anders aus. Diese verbotene Gegend ist gleichermaßen unter Wasser wie an Land mordsgefährlich.
Die überwiegend nachtaktiven weißen Haie «Tubaraó», wie sie auf brasilianisch genannt werden, sind hier stark vertreten. Sie machen den nächtlichen Tauchgang nicht gerade zu einem Spaziergang. Tauchen und Fischen ist im Umkreis von einem Kilometer behördlich verboten. Genau genommen darf man sich der Schlangeninsel «Ilha das Cobras», wie die Insel von der brasilianischen Presse gerne genannt wird, in dieser behördlich verbotenen Zone nicht einmal annähern.
Die Schlangeninsel liegt rund 33 Kilometer südlich vor der brasilianischen Küste, bekannt für die unsagbare enorme Population der äußerst aggressiven giftigen Lanzenotter. Außerdem steht die Insel unter Naturschutz und ist, aufgrund der schroffen steil ins Meer fallenden Küstenfelsen, nur mühsam zugänglich. Es gibt keine Sandstrände. Landungen sind schon unter normalen Umständen äußerst schwierig und gefährlich. Léon ist in Kenntnis des Verbotes, jedoch bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Risiko auf sich zu nehmen. Er hat einen Auftrag übernommen. Léon hat Prinzipien und wenn er eine Mission annimmt, dann wird sie zur Zufriedenheit seines Kunden ausgeführt. Er ist für seine Handschlagqualität in der Szene dafür bestens bekannt.
Für ihn ist dies jedoch mehr als ein Auftrag. Er hilft einem alten Freund und Auftraggeber, die Beiden pflegen seit einigen Jahrzehnten eine innige Freundschaft. Léon ist ein Mann für das Grobe, mit einer ungeheuren positiven Reputation und Erfahrung für spezielle Einsätze. Er ist mit seinen 56 Jahren noch ein absolut agiler Adrenalinjunkie, der fast nichts auslässt.
Sein Wissen erlangte er in der Fremdenlegion, welche er als Sous Lieutenant im Jahr 2000 ehrenhaft mit etlichen Auszeichnungen verließ. Damals war sein Weg in die Legion ein Ausweg. Léon blickt nicht gerne zurück in die Zeit, nachdem er fälschlicherweise eines Mordes beschuldigt und gejagt wurde. Er lässt die Zeit lieber Ruhen und blickt nur noch auf die erworbenen Fähigkeiten und das Erlernte zurück. Es war nicht sein bester Lebensabschnitt, doch machte ihn die Vergangenheit zu einem integren starken Mann mit, Spürsinn und Fähigkeiten bestimmte Lösungen zu konstituieren.
Im Scheinwerferkegel der strahlenden Taucherlampen ist bereits die Silhouette des Wracks der «Tocantins» zu erkennen. Auf den Tag genau, vor 87 Jahren, am 30. August 1933, ging das unter der Rederei Lloyd Brasileiro beauftragte Handelsschiff vor «Queimada Grande» mit einer unglaublich begehrten Fracht unter. Seither liegt es in einer Tiefe von ungefähr 25 Metern. Léon und Ronan nähern sich vorsichtig und aufmerksam dem Wrack. Alles scheint ruhig, lediglich die Luftblasen der Open Circuit Atmung aus den Taucherflaschen, ziehen vereinzelt neugierig aufgescheuchte Meeresbewohner an.
Als erfahrener Master Diver kontrolliert Léon wachsam die Umgebung. Irgendetwas stört ihn. Sein Bauchgefühl sagt ihm, dass etwas nicht stimmt. Angespannt beobachtet er mit der Hai-Harpune die Umgebung. Bedächtig hält er Ausschau nach nachtaktiven Haien. Der Sauerstoff reicht noch knapp eine Stunde. Sein Buddy Ronan Strike, der große muskulöse, erfahrene Kampftaucher, ein hochdekorierter Reserveoffizier der US-Marines, sichtet gerade die beschriebenen Stahlkisten. Léon zeigt das nonverbale «Okay» Zeichen der Tauchersprache und visiert mit dem Tauchscheinwerfer durch kreisförmige Bewegungen die Lage des Zielobjektes an.
Léon hat die Kisten jetzt auch gesehen und bestätigt. Nur noch ein paar Meter. Geschafft. Léon dreht sich achtsam langsam einmal um die eigene Achse, er kontrolliert wieder die Umgebung, dabei wirbelt er mit den gespaltenen Taucherflossen ein wenig Schlamm auf. Alles in Ordnung zeigt er Ronan an. Es kann losgehen! Léon gibt Ronan mit erhobenen Daumen das Zeichen mit der Unterwasser-Operation zu beginnen. Léon behält dabei die Umgebung im Auge. Er hat klare Sicht. Vorsichtig befestigt Ronan 500 Gramm «Semtex» an einer Kiste. Der plastische Sprengstoff hält gut, da er weich und formbar ist. Léon beobachtet derweilen weiter scharf die Umgebung. Ronan ist bei diesen Arbeiten genau der Richtige, er ist überaus gewissenhaft. Nur ein einziger Fehler kann schon der Letzte sein. Konzentriert führt er die Aufgabe aus. Langsam tauchen die ersten neugierigen weißen Haie auf. Léon reagiert sofort. Umgehend signalisiert er dies mittels Tauchersprache, der vertikal ausgestreckten Hand vor der Stirn. Gleichzeitig leuchtet er die Route des Haies aus. Ronan nickt. Geschafft, die erste Sprengladung ist angebracht. Um die Initialzündung scharf zu machen, drückt er die verkabelte MK1-Sprengkapsel mit dem Elektrozünder in den Plastiksprengstoff. Danach montiert er noch eine zweite Sprengladung unmittelbar neben der Stahlkiste an einem Träger. Ronan kontrolliert nochmals die Verkabelung der Sprengkapseln mit dem Elektrozünder, anschließend aktiviert er das System. Knapp 72 Stunden reicht ab jetzt die Ladeenergie der beiden Akkus, zeigt ihm das Kontrollsystem der Zünder an. Von nun an blinken die roten Leuchtdioden im Sekundentakt. Fertig, Ronan informiert Léon mittels Zeichen, dass die Sprengladungen scharf gestellt sind. Léon bestätigt, nach einem kurzen Blick auf seinen Leonardo Tauchcomputer um die verbleibende Atemluft zu checken, deutet er zum Auftauchen. Langsam tauchen die Beiden auf. Schnell wie Torpedos, aus dem Nichts kommend, rasen noch zwei weitere weiße Haie auf sie zu. Mittlerweile werden die gefährlichen Jäger neugieriger und verringern ihren Abstand. Die erfahrenen Taucher sind dies gewöhnt, aber irgendetwas ist anders. Léon kennt die Verhaltensweisen der Prädatoren genau und weiß, solange die Haie noch nicht ihre Seitenflossen steil nach unten ausrichten und den Rumpf krümmen, besteht weniger Gefahr.
Er deutet seine Einschätzung Ronan mittels verständlicher Handbewegung der Tauchersprache. Ronan kann das Zeichen richtig deuten, nickt und drückt seinen Rücken dicht an Léon. In dieser Position hat das eingespielte Team einen genügenden Rundumblick um böse Überraschungen abzuwenden. Ronan hat sich sein Tauchermesser gegriffen und Léon hält die scharfgemachte Harpune vor seinen Rumpf. Die Zwei sind gut abgestimmt.
Achtsam halten sie Blickkontakt zu den drei Haien. Langsam kontrolliert unter Einhaltung der Dekompression steigen die Beiden weiter auf, gleich ist es geschafft. Das herabhängende Tau mit der Boje des Motorbootes ist unter dem strahlenden Schimmer des Mondes nahe der Wasseroberfläche schon zu sehen. Nur noch ein paar Meter. Die Haie verhalten sich bis lang noch ruhig, obgleich ihre Kreise um die Beiden schon merklich enger werden. Léon lässt seinem Partner den Vortritt. Endlich geschafft. Ronan greift nach dem Tau und hievt sich auf das Boot, gleich kommt auch Léon nach.
«Wir sind in der Zeit?», meint er und klettert auf das Boot.
Ronan hilft ihm das Tauchequipment abzulegen:
«Ja, hat alles tadellos geklappt. Willst Du auch ein Bier?»
«Gerne, kann ich jetzt gebrauchen.», antwortet Léon, während er sich von den schweren Taucherflaschen befreit.
Ronan reicht ihm eine eisgekühlte Dose Heineken. Er deutet aufs Wasser, die Haie sind ihnen gefolgt und umkreisen lautlos das Motorboot. Ab und an erkennt man im Mondschein die Hai-Flossen.
«Da sind unsere Freunde.», meint er sarkastisch.
«Freunde? Ist etwas hoch gegriffen.», antwortet Léon und prostet Ronan zu. Nach einem kräftigen Schluck stellen sie die Dosen ab und versorgen das Equipment. Nach einem Blick auf die Uhr, fragt Ronan:
«Léon, bist Du soweit, können wir losfahren?
«Ja, alles klar, wir können!», sagt Léon.
Ronan startet und schaltet die Ankerwinsch ein, um den Anker einzuholen. Die Ankerwinsch leistet volle Arbeit, abrupt wird das Rasseln der eingeholten Ankerkette unterbrochen. Sie hängt fest. Einen Teil der Kette lässt Ronan wieder ins Wasser zurück und startet neuerlich einen Versuch.
Nichts, keinerlei Bewegung, nur der Winschmotor plagt sich enorm. Auch ein wiederholter Versuch scheitert. Der Anker steckt extrem fest. Der Motor der Winsch ertönt abermals mit einem geplagten Geräusch. Léon greift spontan zum Schalter, er stellt den Winschmotor sofort ab.
Nachdenklich blickt er Ronan an:
«Ich gehe noch mal runter, hier stimmt was nicht!»
Ex trinkt er die Bierdose aus, legt nur die Tauchflaschen mit Maske an und steigt in die Flossen. Nach dem Griff zur Hai-Harpune springt er zwischen den kreisenden Haien ins Wasser. Als wären sie gar nicht da, zieht sich Léon an der Ankerkette in die Tiefe. Kurz vor dem gesichteten Anker erkennt er schnell das Problem, die Kette hat sich an einem Stahlträger verheddert. Er beginnt die Kette frei zu machen, während dem Entwirren vernimmt Léon, dass ihm einer der Haie gefolgt ist und eine angespannte Körperhaltung angenommen hat. Eilig löst er die Ankerkette vom Stahlträger und versucht dabei den Hai im Auge zu behalten. Dieser zieht weiter seine Runden, die Distanz minimiert sich zunehmend. Immer kleiner werden die Kreise um ihn. Genau in dem Moment, als die Kette sich vom Träger löst, greift der Hai blitzschnell mit enormer Geschwindigkeit an.
Im letzten Moment greift Léon nach der gelockerten Ankerkette, gerade noch rechtzeitig. Er kann knapp einen Meter der massiven Kette schützend vor seinem Körper spannen, um sie dem Hai vor sein weit geöffnetes Maul zu halten. Der kräftige Zubiss ist derart brachial, man hört ihn sogar unter Wasser.
Ungestüm verbeißt sich der Hai dermaßen in der Kette, dass ihm dabei einige Zähne ausbrechen. Rasiermesserscharfe Zahnteile splittern Léon ins Gesicht, er weicht rasch zurück.
Mit dem Wissen, dass der nächste Angriff nicht lange auf sich warten lässt, greift er blitzschnell zur Harpune, visiert und schießt dem Hai direkt ins Auge. Tödlich getroffen walzt sich der große Weiße einige Male um die eigene Achse, dann sinkt er langsam auf den Meeresgrund. Pfeilschnell machen sich die Beiden anderen weißen Haie aggressiv über ihren Artgenossen her. Ausgehungert zerreißen sie den ausgewachsenen weißen Hai. Unbändig fetzen sie große Teile aus ihm. Ein zügelloser regelrechter Fresskampf, ein wahrer Blutrausch findet statt. Noch während des Auftauchens vermehrt sich die Anzahl der Haie enorm.
Léon zieht sich eilig an der Ankerleine empor, immerwährend mit einem kurzen Rückblick auf die Anzahl der rasch formierten Haie. So eine spontane Aggression ist ihm noch nie widerfahren. Endlich wieder an der Oberfläche angekommen, zieht er sich mit Hilfe von Ronan zügig an Bord.
Erschöpft entledigt er sich der Tauchausrüstung:
«Der Anker ist frei! Die Haie haben mit dem großen Fressen zu tun! Shit, war das knapp!»
«Haben sie Probleme gemacht?», fragt Ronan, nachdem er merkte, dass Léon völlig außer Atem abgehetzt auftauchte.
Léon greift sich leicht zittrig ein Badetuch:
«Kann man so sagen, gib mir noch ein Bier!
Unser Freund hatte mich schon auf seiner
Speisekarte. Dann hat er ein wenig Eisen zu sich
genommen, ich konnte mich mit der Ankerkette gerade
noch schützen. War knapp, ich habe ihn harpuniert!»
Er nimmt ihm das Equipment ab und versorgt es. Ronan bemerkt, dass ein Pfeil aus der Harpune fehlt, er lädt nach platziert sie griffbereit und wirft ihm eine Bierdose zu.
«Wer ist eigentlich unser Auftraggeber? fragt er neugierig, während der erschöpfte Léon sein Bier öffnet.
Nach einem kräftigen Schluck antwortet Léon:
«Dr. Will Boomer, er ist ein sehr
guter Freund! Du wirst ihn morgen treffen.
Er ist ein toller Typ und ein herausragender
Wissenschaftler.»
«Alles klar, mehr wollte ich nicht wissen.», meint Ronan und holt den freien Anker ein.
Fast schon gespenstisch wirkt der Atlantik. Geräuschlos ruhig und still ist er an der Oberfläche, nur leichte Brisen mit Salzgeruch breiten sich vereinzelt aus. Von den Geschehnissen unter Wasser, ahnt niemand. In dieser Nacht sind nurmehr das Brabbeln und Gluckern des Innenborders zu hören. Das rhythmische rote Blinken der Elektroinitialzünder in rund 25 Meter Tiefe ist vom Boot aus gut schimmernd sichtbar. In dem Wissen, dass er verdammtes Glück hatte, meint er sarkastisch:
«Ich sollte langsam über die Rente nachdenken!»
Ronan sieht ihn verdutzt an. Die Beiden beginnen laut zu lachen. Der V8-Mercury Motor brabbelt und blubbert. Dann prosten sie sich mit ihrem Leitspruch zu:
«Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft,
hat schon verloren!»
Nach erfüllter Mission in dieser atemberaubend herrlichen Mondscheinnacht machen sich die Beiden auf den Weg zurück. Léon legt den Gashebel um, mit Vollgas verlassen sie mit ihrer schnellen Motoryacht «Queimada Grande».
«PRIVAT STUDIO»
Kapitel 2
In der europäischen Zeitzone, im gleichen Augenblick setzt an diesem frühen März Tag, im 16. Arrondissement von Paris, der Regen ein. Wie in Strömen fällt der morgendliche Regen herab. Der starke Niederschlag hat den integren, Archäologen Dr. Stanley Auburn in seiner Dachwohnung geweckt. Der Mittvierziger blickt verschlafen auf die Uhr, sie zeigt, es ist 6:15 Uhr. Er zieht seinen weichen braunen Bademantel über, öffnet die Terrassentür und blickt auf die Rue Benjamin Franklin im noblen Stadtteil Passy, herab. Die Luft ist kühl. Stanley liebt Regen. Um sich kurz zu erfrischen, frönt er diesem. Herrlich denkt er, eine echt wahre Erfrischung nach der langen Nacht. Der Niederschlag geht allmählich in Sprühregen über. Zurück in der Wohnung frottiert er sich seine nassen leicht gelockten Haare im Badezimmer und lässt sich ein Entspannungsbad mit Eukalyptus ein. Er liebt diese Art von Bädern. Den feuchten Bademantel hängt er über die Handtuchheizung. Noch leicht müde vom gestrigen Limeskongress in Wien, stellt er sich mit seinem alten Aluminium Mokka-Kocher einen Kaffee auf. Der Kongress war äußerst erfolgreich, Stanley hat einen weiteren Sponsor und Auftraggeber für seine bevorstehende Afrika-Expedition kennengelernt und gleich gewonnen.
Dieser Archäologiekongress beschäftigt sich vornehmlich mit der provinzialrömischen Archäologie. Wo Archäologen aus der ganzen Welt, Naturwissenschaftler, Althistoriker, Bauforscher und interessierte Auftraggeber zusammentreffen. Stanley liebt seine Arbeit. Sie erfüllt ihn. Er ist sehr belesen. Bei seinen Kollegen beliebt, wird er als überaus engagiert und kompetent angesehen. Archäologie war schon immer seine Leidenschaft, er forschte schon in früher Kindheit und zeigte leidenschaftliches Interesse an der kulturellen Entwicklung der Menschheit. Seine Eltern verwirklichten den Traum. Er hat noch viel vor. Seine Ziele zu erreichen steht für ihn dermaßen im Vordergrund, sodass er sich vor dem Kongress von seiner langjährigen Freundin, einvernehmlich trennte. Wohl ist ihm dabei ebenso nicht, wie Corina. Stanley hat enorme Bindungsängste. Jedoch fehlt ihm Corina trotz allem sehr.
Sie ist eine treue Seele. Eine echt tolle Frau. Stanley weiß, dass sie ihn irrsinnig liebt und den Wunsch nach Familie hat. Die hübsche mondäne Corina Brandt kommt aus Deutschland. Seit Jahren betreibt sie erfolgreich investigativen Journalismus. In den vergangenen Jahren arbeiteten sie sogar mehrmals über Auftrag mit dem FBI zusammen. Sie ist in ihrer Branche bekannt und begehrt.
Während sich das schokoladig nussige Aroma des importierten brasilianischen Kaffee Caboclo ausbreitet, geht Stanley in sein Studio und fährt die beiden Computer hoch. Endlich ist es soweit, der Kaffee ist fertig. Schwarz ohne Zucker schenkt er ihn ein, nach dem ersten Schluck spricht er zu sich:
«Das ist ein Kaffee, herrlich. Ich muss mir
unbedingt einen Vorrat für Afrika anlegen.»
Jeden Monat bestellt er immer den gleichen Kaffee im Internet. Um ja nicht zu vergessen, flitzt er nur mit einem Handtuch bekleidet noch schnell in sein Studio, ruft die Amazon Seite seiner Bestellung auf und bestellt. Dann schenkt er sich noch Kaffee nach und nimmt ihn mit ins Bad. Endlich, die lang ersehnte Entspannung. Er steigt in die Wanne, der Duft des Eukalyptus breitet sich aus. Ruhig lehnt er sich zurück, nimmt einen Schluck vom Kaffee und genießt. Im Gedanken lässt er nochmals die Schwerpunkte des Kongresses Revue passieren. Mit Freude denkt er über die bevorstehende Expedition in Afrika nach. In zwei Wochen ist es soweit. Er weiß das diese abenteuerliche Reise länger als ein halbes Jahr andauern kann. Diesbezüglich denkt er, habe er die einzig richtige Entscheidung getroffen sich von Corina zu trennen. Er liebt sie sehr, jedoch will er seine Karriere weiter ausbauen und ihrem Glück nicht im Wege stehen. Es ist Lebenszeit, die man in viele Dinge investiert und man sollte sie einer anderen Person nicht stehlen, wenn man mit sich selbst noch nicht einig ist, wo die Reise hingeht. Wehmütig denkt er, vielleicht ist nach der Expedition doch alles anders und er hat auch das Verlangen bodenständiger zu werden. Zumindest lebt die Chance, ist er sich sicher. Die Entscheidung ist ihm wahrlich nicht leichtgefallen. Stanley hat ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und möchte niemand Schaden. Denn was, wenn etwas schief geht? Expeditionen sind immer gefährlich, vor allem diese, mitten im Dschungel. Stanley selbst hat weniger Angst, er ist gut ausgebildet. Nach dem Studium in Amerika hat er sich zwei Jahre zu den Navy Seals verpflichtet. Die Ausbildung möchte er nicht missen, sie kommt ihm immer wieder zu Gute. Aber er ist sich bewusst, dass immer ein unkalkulierbares Restrisiko bei solchen Abenteuern besteht. Er möchte Corina in der Blüte ihres Lebens, mit ihren 28 Jahren, nicht vielleicht zur Witwe machen. Sein Entschluss steht, er ist sich sicher.
«Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken
ohne Ende.», flüstert er vor sich her, während er sich mit seiner brasilianischen Lieblingsseife Phepo einseift. Stanley wäscht sich ab, lehnt sich noch ein paar Minuten zurück und trinkt langsam seinen Kaffee. Die Selbstreflexion im entspannten Bad, tut ihm gut. Frisch und mit einem neuen Wohlbefinden steigt er aus der Wanne. Nach der morgendlichen Rasur geht er in die Küche und schenkt sich noch eine Tasse Kaffee nach. Heute hat er tagsüber keine Termine und kann an einem seiner begehrten Fachbücher weiterarbeiten. Am Abend steht eine Verabredung, ein lang geplantes Dinner im «Lapérouse», mit seinem besten Freund DDr. Werner Wideschy am Programm. Stanley freut sich schon darauf. Noch während er im Gedanken alles durchgeht, hört er das Signal einer Mailnachricht. Stanley geht in sein Studio, setzt sich zum PC und fragt die Mails ab. Eine Nachricht von Dr. Will Boomer, er schreibt: «Hallo du Umtriebiger, wie ich hörte, war der Kongress ein ganzer Erfolg und du hast wie immer brilliert, teilten mir Kollegen mit. Gratuliere. Ich bin mit meiner neuen Maschine unterwegs, vor zwei Tagen habe ich die Zulassung bekommen. Wenn ich mit meiner Arbeit in Brasilien fertig bin, fliege ich am kommenden Wochenende nach Los Angeles. Unser Büro ist fertig, ich habe den Mietvertrag vorerst für fünf Jahre gezeichnet. Eine Verlängerung ist jederzeit möglich. Ich denke, dies wirst dann du selbst entscheiden. Ich freue mich auf unsere gemeinsame Zeit, wenn wir uns nach deiner Afrika-Expedition in LA. sehen. Halt ich am Laufenden. Alles Gute, dein Freund und Partner, liebe Grüße Will.»
Stanley, freut sich über die netten Zeilen. Er antwortet mit dem euphorischen Gefühl die richtige Entscheidung für seinen bevorstehenden Weg getroffen zu haben.
«SIRIUS AVION»
Kapitel 3
Sirius Avion 3000 TL RDJ267, das neue Sportflugzeug sticht ruhig durch die Wolken. Die kraftvolle Mittagssonne steht hoch am Horizont. Im grellen Gegenlicht fliegt ein junger prachtvoller Andenkondor. Eine Vogelart, die zu den Neuweltgeiern zählt. Der mächtige Aasfresser genießt es regelrecht, majestätisch schwebend durch den blauen klaren Himmel der Sonne entgegen zugleiten. Dominant bringt er seine rund drei Meter Spannweite zur Geltung. Man hat den Eindruck, er genießt die erlangte Freiheit durch das Verbot der Bejagung und fühlt sich sichtlich wohl. Das war nicht immer so. Die intensive Jagd durch die spanische Conquista, hat den Bestand dermaßen reduziert, dass diese Art vom Aussterben bedroht war. Er wird von den Brasilianern gerne als Wappenvogel einiger südamerikanischer Staaten symbolisiert. Ungezwungen und frei dreht der schwarze Greifvogel seine Runden.
Nicht einmal der Sinkflug der Sirius Avion 3000 TL RDJ267 beeindruckt den kräftigen Andenkondor. Nachdem der 60-jährige Dr. Will Boomer mit seinem neuen Wasserflugzeug die vertikalen tiefliegenden weißen Wolken durchflogen hatte, gleitet er ruhig und stabil, bei klarer Sicht die brasilianische Küste entlang. Es scheint, als würde der Andenkondor ihn begleiten. Eine wunderbare Darbietung, die sich Dr. Boomer nicht entgehen lässt. Sofort macht er mittels der Bordkamera ein paar Fotos. Eine brauchbare Gelegenheit die neue Technik zu testen, denkt er. Mit der 4K Auflösung entstehen wunderbare Bilder, er ist begeistert. Die Bilder sind so perfekt, dass sie den Eindruck erwecken, man würde im Abstand von einem Meter neben dem Vogel fliegen. Nach einigen gelungenen Aufnahmen dreht der grandiose Greifvogel ab. Dr. Boomer grinst. In seiner langjährigen Karriere als Wissenschaftler hatte er einige Abenteuer durchlebt und vieles gesehen, jedoch dieses besondere Ereignis ist für ihn einmalig. Er liebt die Vögel. Ornithologie war ja auch einige Jahre sein Hauptthema. Wehmütig denkt er an schöne vergangene Zeiten. Die Vogelkunde und deren Artenschutz hatte es ihm besonders angetan.
Ein spannendes Leben für die Wissenschaft und jetzt fast am Ende seiner beruflichen Laufbahn muss er so eine Entscheidung fällen. Ganz wohl ist ihm dabei nicht zumute, jedoch ist er überzeugt das Richtige zu tun. Zumindest sein erfahrener Kollege Prof. Dr. Hari Acharaya ist gleicher Meinung. Nach langer Prüfung aller in Betracht kommender Möglichkeiten sind die Beiden einig den rechten Weg zu gehen. Er hofft die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Der Flug bietet an diesem Vormittag aufgrund der tollen Sichtverhältnisse einen wunderbaren Ausblick auf die Impressionen der brasilianischen Küste, der Copacabana über die Ipanema, bis zur Küstenstadt Caraguatatuba. Sogar das brasilianische Relief «Serra do Mar» das sich über etwa 1500 km entlang der Ost-Süd-Küste erstreckt ist zu sehen. Dieses Gebiet ist wegen seiner Fauna und Flora eines der geologisch wertvollsten Abschnitte in den naturgeschützten Regionen des atlantischen Amazonaswaldes.
Die fabelhaften Witterungsbedingungen ermöglichen einen uneingeschränkten Ausblick auf den «Dedo de Deus», den Finger Gottes. Dr. Boomer ist beeindruckt und macht wieder einige Schnappschüsse mittels der Bordkamera. Der mächtige Gipfel des 1692 Meter hohen Bergmassives, dessen Umriss einer Hand ähnelt, die mit dem Zeigefinger auf den Himmel zeigt, ist ein wahrhaft pittoreskes Motiv. Solche Aufnahmen bekommt man von den geologischen Denkmälern selten vor die Linse. Er ist begeistert und beeindruckt. Diese moderne Technik fasziniert ihn, alles ist so übersichtlich und funktioniert per Touchscreen. Mit solchen Aufnahmen hat er am heutigen Tag nicht gerechnet. Zufrieden gönnt er sich eine Dose kalten frischen Lemontea und genießt den Flug.
Die Idylle wird durch das akustische GPS-Signal unterbrochen als sich die Maschine nur mehr 30 Meilen vor ihrem Zielort befindet. Dr. Boomer gibt die Koordinaten ein, kontrolliert die Daten der modernen Avionikanzeige und aktiviert den Autopiloten. Nach dem Check, geht die Maschine in den stabilen Sinkflug auf eine konstante Höhe von 1000 Metern. Wie vereinbart, sendet er Léon eine WhatsApp Nachricht, um ihn von seiner in Kürze bevorstehenden Landung am Base Aérea de Santos Airport zu informieren.
Die Beiden haben sich zu einem Treffen verabredet. Er hofft, dass alles korrekt und planmäßig ausgeführt wurde. Dr. Boomer greift zum Funkgerät, um eine Landeerlaubnis am Airport de Santos zu erwirken:
«Tower Santos Sirius RJD267,
ersuche um Landeerlaubnis. Over».
«Sirius RJD267, ich habe Sie am Schirm, erteile
Landeerlaubnis auf Runway 35 Alfa, Anflug
Nordwest, Wind 300/3 Knoten, auf QNH 1019,
parking auf Position 13, Over.», antwortet der Fluglotse freundlich und wünscht noch einen guten Flug.
Dr. Boomer wiederholt, quittiert und leitet mit den vorgegebenen Koordinaten den Landeanflug ein. Die Bedingungen sind fabelhaft, gute Sicht, trockene Landepiste und kein Wind. Unter diesen Voraussetzungen schwebt der Flieger der Landebahn entgegen. Begeistert und problemlos landet er die Maschine wie aus dem Lehrbuch, auf dem kleinen Flughafen. Alles läuft bisher zu seiner Zufriedenheit. Er freut sich auf das Treffen mit Léon und Ronan.
«CAMINHÃO TANQUE»
Kapitel 4
Caminhão Tanque, der Tankwagen steht schon am Rollfeld bereit und wartet auf das Eintreffen der angemeldeten Maschine. Beró der Fahrer ist ein sehr aufmerksamer Servicemann. Sein bekannt freundliches Auftreten macht ihn bei den Piloten sehr beliebt. Trotz südländischer Mentalität vertrauen die Kunden auf seine Serviceleistungen. Béro gilt als sehr gewissenhaft und zuverlässig. Seine Sorgfalt und Arbeitseinstellung spiegeln sich in der Pflege seines Trucks. So ein derart gepflegtes Fahrzeug sieht man eher selten in diesen Regionen. Béro ist so eine Art Institution am Base Aérea de Santos Airport, er arbeitet seit der offiziellen Eröffnung am 20. Juli 1960 hier. Der Flughafen dient vor allem als Zwischenstopp zum Nachttanken gecharterter Flugzeuge.
Aufgrund der kurzen Piste der kleinen Flughäfen und einhergehenden Gewichtsbeschränkung konnten viele Destinationen nicht nonstop mit der maximal zulässigen Kraftstoffmenge angeflogen werden. Viele Flieger benötigen den Airport zur Zwischenlandung für einen notwendigen Tankstopp. Béro hat viele Kunden, sein Bekanntheitsgrad reicht bis in den Regenwald. Es ist sein Leben und die Kunden sind sehr zufrieden. Er ist ein gelernter begnadeter Mechaniker dem die Leute vertrauen. Der Ruf seiner Zuverlässigkeit eilt ihm voraus. Bei Reparatur- und Servicearbeiten an Flugzeugen versteht er nicht viel Spaß von seinen Helfern. Er weiß, dass menschliches Versagen einer der Hauptursachen von Flugzeugabstürzen ist und diese beginnen schon beim Service. Seit er den Job ausübt, war er an noch keinem Unglück beteiligt. Auch ein Grund warum er Ansehen und Respekt bei seinen Piloten genießt, sie vertrauen seiner Kontrolle und Arbeitseinstellung.
An diesem herrlichen Wochentag, Donnerstag, der 05. März 2020 herrscht reges Treiben am Airport. Béro hat alle Hände voll zu tun. Fast schon im Stundentakt starten und landen Flieger. Obendrein hat er einen neuen Mitarbeiter bekommen, der gerade seine Einschulung absolvierte, mit seiner Probezeit beginnt und heute seinen ersten Arbeitseinsatz selbständig bewältigen muss.
Béro findet ihn nicht sehr sympathisch, er kann ihm nicht viel abgewinnen. Er versteht die Flughafenleitung nicht so einen nervigen Besserwisser aufzunehmen. Aber er hat sich über Anordnung mit der Aufnahme dieses Typen abfinden müssen. Jetzt schaut er ihm auf die Finger und wartet, was noch von dem Miesling kommt. Béro verheißt der Situation nichts Gutes. Die Aufnahme von Personal liegt nicht in seiner Kompetenz, jedoch bei der Entscheidung der Fixanstellung hat er ein deutliches Mitspracherecht. Diesbezüglich wirft er, aufgrund seines negativen Bauchgefühls ein besonderes Auge auf diesen suspekten Sonderling.
Dr. Boomer rollt wie angeordnet mit seiner Maschine auf Parkposition 13 zu. Léon und Ronan sind auch schon angekommen und bilden ein kleines Empfangskomitee, sie winken dem stolzen Piloten zu. Nachdem die Maschine ordnungsgemäß eingeparkt ist, stellt Dr. Boomer den Motor ab und steigt erfreut und gut gelaunt aus dem Cockpit. Béro hat seinen Truck schon zum Auftanken positioniert, er steigt aus und grüßt:
«Olá Senhor (Hallo der Herr). Es freut mich Sie
wieder zu sehen. Volltanken?»
Dr. Boomer, schüttelt Béro die Hand und reicht ihm sein Trinkgeld:
«Olá, (Hallo) mein Lieber, ja volltanken. Ich freue
mich ebenso! Wie geht es Deinem Enkel, Carlo?»
«Er wächst und wächst. Braucht fast jeden Monat
neue Fußballschuhe. Ich glaube, er wird ein großer
Spieler. Wenn ich in Pension gehe, spielt er
vielleicht schon in der Seleção. Es ist sein Traum
im Nationalteam zu spielen. Obrigardo, mit der Dica
(Trinkgeld) kaufe ich Carlo neue Schuhe.», antwortet Béro dankbar und macht sich ans Werk.
Dr. Boomer lächelt, Schulter klopfend wünscht er Béro weiterhin alles Gute mit seinem Enkel. Dann begibt er sich zu seinem Freund Léon. Die Freude ist groß, da die ganze Mission per Mail und WhatsApp abgehandelt wurde und er Léon schon länger nicht mehr persönlich getroffen hat. Nach einer kräftigen Umarmung stellt Léon seinen neuen Tauchpartner Ronan vor.
Dr. Boomer schüttelt ihm die Hand:
«Wie ich hörte, sind Sie für spezielle Einsätze sehr
gut ausgebildet. Freut mich sehr, ich bin Will.»
Ronan erwidert sympathisch mit festem Händedruck:
«Okay. Ronan. Es ist mir eine Ehre in Deinem Team zu
arbeiten. Alles wurde wie aufgetragen erledigt.»
Derweilen verkeilt Léon die Räder des Fahrwerks. Dr. Boomer drückt noch schnell den roten Button «Serviço» am Hangartor, er möchte den kurzen Stopp auch für einen Motorölcheck nützen. Die Drei warten neben der Maschine auf den Servicemann. Dr. Boomer erzählt Léon währenddessen von seinem neuen Büro in Los Angeles, derweilen begutachtet Ronan die Maschine.
Die südländische Mentalität ist ja zur Genüge dafür bekannt, dass alles eben ein wenig länger dauert. Die Sonne heizt derweilen den Asphalt derart auf, dass man die Hitze sogar durch die dünne Sohle der Espadrilles spürt. Die Drei nützen den gespendeten Schatten der Tragfläche und warten, warten, warten, warten und warten, …
«SANTOS AIRPORT»
Kapitel 5
Amadé Lefévre der arglistige, 35-jährige, ungepflegte französische Mechaniker, macht sich endlich auf den Weg zum Hangar. Lustlos wirkt sein schleppender Gang, im Hitzeflimmern des aufgeheizten Asphalts der Landebahn. Mehrmals wischt er seine ölverschmierten Hände im speckig verdreckten Overall ab und fährt sich dabei mit einem hämischen Lächeln einige Male durch sein Haar. Der Glanz kommt schon mehr vom Motoröl, als von der Pomade. Überschwänglich insistiert er einen Händedruck, indem er frech grinsend seine verdreckte Hand zur Begrüßung entgegenstreckt. Dr. Boomer negiert die absolut rüde Aufforderung des geforderten Händedrucks, er ist erstaunt über diese abstoßende Penetranz. Léon und Ronan sehen sich sprachlos an. Pikiert, süffisant zieht Amadé die Hand zurück:
«Olá Senhor (Hallo der Herr), ich bin Amadé,
o Novo (der Neue)! Die einen kennen mich, die
anderen können mich!»
Amadé lacht hämisch. Freundlich aber bestimmt erwidert Dr. Boomer:
«Guten Tag mein Lieber, ich suche keine Freunde,
die habe ich schon. Ich möchte nur auftanken und
einen Öl-Check. Arbeiten Sie bitte vorsichtig, die
Maschine ist nagelneu!»
Gelangweilt fährt sich Amadé mit seinen schmutzigen Händen durchs Haar, er reagiert verstimmt:
«Oh Senhor, verstehe, ich bin nur Mechaniker,
compreendido (verstanden). Was kann ich tun
für den noblen Gentleman, per favor (Bitteschön)?»
Kopfschüttelnd marschieren die Drei in Richtung Bistro. Nachdenklich dreht sich Ronan nochmals nach dem Servicemann um:
«Ein selten komischer Vogel!»
Unwillig, hastig, unkonzentriert auf die Arbeit, führt Amadé den Auftrag gereizt und widerwillig aus. Unablässig quasselt und nörgelt er verärgert andauernd vor sich her. Während Béro weiter auftankt, öffnet Amadé den Motorraum. Er führt die Ölstandkontrolle eilig aus. Anschließend füllt er genervt ein wenig Öl nach. Dann verschließt er den Öltankdeckel so schlampig, dass dieser in einer verfänglichen Schräglage verkeilt und nicht richtig arretiert. Misslaunig wischt Amadé mit seinem verdreckten zerfetzten Lappen nochmals über den nicht regulär verschlossenen Öltankverschluss. Dann schließt er den Motorraum. Nachdem Béro das Tanken abgeschlossenen hat, besteigt er seinen Truck. Ihm ist das verbale Verhalten von Amadé während der Arbeitsausführung nicht entgangen. Reserviert, im Innersten erbost über das an den Tag gelegte Verhalten, startet Béro seinen Truck. Gerade als der das tonnenschwere Fahrzeug in Bewegung setzt, springt Amadé lässig auf die Einsteighilfe des Tankwagens auf und hält sich am geöffneten Seitenfenster der Beifahrertüre fest. In seiner Naivität glaubt er in Béro einen Verbündeten gefunden zu haben und macht sich mit abfälligen Bemerkungen gegenüber der Kundschaft lustig:
«Vamos (Mal sehen), bin neugierig wie viel Dica
(Trinkgeld) dieser aufgeblasene Idiota (Arschloch,
Idiot) springen lässt?»
Beró reißt sich zusammen, er zuckt mit den Schultern und sieht Amadé mit einem verachtenden Blick an:
«Gute Real verdient man durch Arbeit und
Freundlichkeit. Aber bei Dir dürfte es der Mangel
von Beiden sein, der Dich aus dem Gleichgewicht
bringt?»
Nachdem Béro dies ausgesprochen hat, steigt er in Höhe des Bistros, ohne die Stau-Bremse zu betätigen, spontan direkt in die Bremsen. Durch den abrupten Stopp hat Amadé sichtlich Mühe nicht von der Einsteighilfe geschleudert zu werden. Béro verkneift sich das Lachen:
«Ich denke, Du solltest nach diesen Anstrengungen
eine Pause einlegen, gönne Dir etwas Kühles!»
Amadé springt lässig von der Einsteighilfe ab:
«Vamos (Mal sehen), vielleicht geben diese fucking
Yankees einen aus?»
Dann geht er ins Bistro. Beró hat sich sein Bild von diesem aufdringlichen aalglatten Schleimer gemacht, er ist froh ihn los zu sein und setzt seine Fahrt kopfschüttelnd fort.