Marliese Arold

MAGIC GIRLS

Hinter geheimnisvollen Türen

Adventskalender

Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

© 2014 arsEdition GmbH, Friedrichstr. 9, D-80801 München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Marliese Arold

Textlektorat: Silke Kords

Covergestaltung und Illustrationen: elektrolyten, Petra Schmidt, München

Bildmaterial: © fotolia

Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH

ISBN eBook 978 - 3-8458 - 1112-3

ISBN Printausgabe 978 - 3-8458 - 0697-6

www.arsedition.de

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Inhalt

Cover

Titel

Impressum

1. Dezember - Fauler Zauber

2. Dezember - Schlechte Nachrichten für Miranda

3. Dezember - Große Verwirrung und schwacher Trost

4. Dezember - Englischtest und schwere Herzen

5. Dezember - Auf dem Weihnachtsmarkt

6. Dezember - Die magische Kugel

7. Dezember - Prüfung auf Herz und Nieren

8. Dezember - Mona weiß Rat

9. Dezember - Angst und Hoffnung

10. Dezember - Reisepläne

11. Dezember - Wichtige Vorbereitungen

12. Dezember - Ankunft in London

13. Dezember - Louisa

14. Dezember - An der Nase herumgeführt!

15. Dezember - Der Tower von London

16. Dezember - Ein Schock für Louisa

17. Dezember - Ein unerwarteter Angriff

18. Dezember - In der Magischen Universität

19. Dezember - Das gläserne Schloss

20. Dezember - Wiedersehen mit Eusebius

21. Dezember - Kampf auf Leben und Tod

22. Dezember - Rettung für Eusebius?

23. Dezember - Endloser Schlaf ...

24. Dezember - Die Seele im Stein

~ Kapitel Nr. 1 ~

Fauler Zauber

Dunkle Wolken, höllenschwarz, formten sich am Horizont zu unheilvollen Gebilden. Eine Figur sah aus wie die Faust eines Riesen, der gerade etwas zerquetschte. Eine andere Wolke nahm die Form eines Totenschädels an. Dieser wuchs und wuchs und bedeckte den halben Himmel.

Gleichzeitig kam ein hässlicher kalter Wind auf.

Während sich die Tiere ängstlich in ihren Löchern verkrochen und die Eingänge verbarrikadierten, zeichnete eine hochgewachsene Gestalt mit einem Silberstab einen fünfzackigen Stern in die Erde.

Dort, wo die Spitze den Boden aufriss, züngelten kleine Flämmchen empor.

Die Gestalt nickte zufrieden. Sie hatte die Kapuze ihres Gewands tief ins Gesicht gezogen. Ihre Finger, die aus den weiten Ärmeln herausragten, waren lang und knochig, die schwarz lackierten Nägel spitz und scharf.

Eine schrille Stimme tönte:

»Es bleibt dir nicht mehr lange Zeit.

Der Zauber wirkt ab heute Nacht.

Bald sage ich: Es ist vollbracht!

Mein wirst du sein in Ewigkeit:

EUSEBIUS TIBOR!«

Lautes Grollen kam aus der Tiefe, so als würde sich der Boden gegen das Zauberritual wehren.

Adeljalla lachte nur, streifte die Kapuze zurück und hielt ihr langes Haar in den Wind.

Die schwarzen Strähnen tanzten wie Schlangen in der Luft.

Von Osten kam ein Rabe herbeigeflogen. Er kreiste kurz über Adeljalla, stieß ein heiseres Krächzen aus, dann segelte er niedriger und landete knapp neben dem Mädchen. Die Luft flimmerte und aus dem Raben wurde eine dürre, grauhaarige Gestalt.

Adeljalla seufzte. »Was willst du hier, Mutter?«

»Dich vor einem Unglück bewahren«, antwortete die Alte. »Du bist noch nicht sehr weit in den Künsten der Hexerei. Und du weißt, wie gefährlich es ist, schwarze Magie anzuwenden. Der Zauber kann auf dich zurückfallen.«

»Ich bin wirklich keine Anfängerin mehr, Mutter!«, schnaubte Adeljalla. »Und ich will diesen Eusebius, um jeden Preis. Er ist ein hübsches Bürschchen. So einer begegnet mir so schnell nicht wieder. Wir haben uns letztes Wochenende auf einer Versammlung junger Zauberer getroffen, aber er hat mir keinen einzigen Blick geschenkt, obwohl ich alles versucht habe, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.« Ihre Nasenflügel bebten vor Empörung. »Behandelt man so eine Frau?«

»Gewiss nicht«, murmelte die Alte. »Er wird anderes im Kopf gehabt haben  «

»Sag mir ehrlich, Mutter: Bin ich hässlich?«, fragte Adeljalla.

Die Alte zögerte mit ihrer Antwort. »Nun, Adeljalla«, antwortete sie dann stockend, »es kann sein, dass dich die Götter mit größeren inneren Werten ausgestattet und dein Äußeres dabei ein wenig vernachlässigt haben.«

Adeljalla stieß ein jaulendes Geheul aus. »Ich bin hässlich! Jetzt hast du es endlich zugegeben.« Sie fing an, sich die Haare zu raufen. »Beim Orkus, was soll ich tun? Ich wünschte, ich könnte meine Zauberkräfte eintauschen und dafür das schönste Wesen der Welt sein  «

»Langsam, langsam, liebe Adeljalla«, mahnte ihre Mutter. »Wirf deine Fähigkeiten nicht so leichtfertig weg. Wir sind Hexen, vergiss das nicht. Außerdem – was bedeutet Schönheit? Schönheit ist vergänglich. Auch die schönste Frau bekommt eines Tages Falten und welke Haut. Und bisher hat noch niemand ein Mittel gegen den Tod gefunden, ausgenommen unser Meister Mafaldus Horus  «

Adeljalla schluchzte auf und wischte sich über die Augen. »Aber ich WILL schön sein, Mutter! Ich will, dass mich ein Mann begehrt. Und dieser Mann soll Eusebius Tibor sein. Er sieht fantastisch aus, seine Stimme ist weich wie Samt, außerdem ist er furchtlos … Ich will, dass er mich will, Mutter.«

Die Alte überlegte. »Du könntest einen Blendzauber einsetzen, meine Liebe. Zwar ist solch ein Zauber nicht von Dauer, aber wenn du es geschickt einfädelst, könnte er bis zur Hochzeit wirken.« Sie seufzte. »Ich erinnere mich an meine eigene Jugend, an die Männer, in die ich verliebt war. Oh, was hatte ich Herzklopfen und Bauchweh, wenn mich einer ansprach … Und was für ein Glücksgefühl, wenn sich unsere Lippen dann endlich fanden  «

Adeljalla zog die Augenbrauen zusammen und machte ein finsteres Gesicht. »Willst du mich auch noch neidisch machen, Mutter?«

»Oh nein, oh nein«, beteuerte die Alte. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich deine Gefühle absolut verstehen kann. Ich werde dir helfen, diesen Eusebius zu bekommen. Du hast es ja schon richtig gemacht und ein Liebesritual begonnen. Aber es kann nicht schaden, noch ein wenig Zauber nachzulegen  «

»Wie meinst du das?«

»Nun, ich habe schließlich einige Jahre mehr auf dem Buckel als du und größere Erfahrung im Hexen!« Die Alte kicherte. »Dieser Eusebius wird dir verfallen mit Haut und Haaren! Du wirst für ihn die schönste Frau der Welt sein und er wird keinen Blick mehr für andere Frauen haben.«

Adeljalla räusperte sich. »Es heißt, er habe eine Freundin. So ein junges Ding. Ich glaube, sie heißt Mirabella oder Miranda oder so ähnlich.«

»Er wird keinen Gedanken mehr an sie verschwenden, wenn erst mein Zauber wirkt. Vertrau deiner alten Mutter!«

Die Alte holte unter ihrem Gewand einen Zauberstab hervor und schwang ihn zweimal durch die Luft.

»Hokuspokus, Morchelbein,

Schleimkadaver, Hexlein fein,

gehst deinem Liebsten aus dem Sinn,

weil ich die stärkere Hexe bin!

Ich weiß, was junge Männer wollen!

Eusebius, du Hexenjunge,

wirst meiner Tochter Liebe zollen!

Gehorchst ab jetzt nur ihrer Zunge!«

Rote Flammen schossen aus dem Boden empor. Adeljalla wich erschrocken zurück.

»Keine Angst«, sagte die Alte und lachte meckernd. »Bald wird sich dein Wunsch erfüllen!«

~ Kapitel Nr. 2 ~

Schlechte Nachrichten für Miranda

Miranda Leuwen und Elena Bredov saßen am Frühstückstisch in der Villa am Nachtigallenweg. Es war Viertel nach sieben.

»Kannst du Englisch?«, fragte Elena und blätterte verzweifelt in ihrem Vokalbelheft. »Ich kann machen, was ich will, die Vokabeln wollen einfach nicht in meinem Kopf bleiben.« Sie stöhnte. »Ich werde den Englischtest heute vergeigen, das weiß ich ganz genau.«

Miranda war ein bisschen unkonzentriert. Sie hörte Elena gar nicht richtig zu. Um ein Haar hätte sie Marmelade in ihren Kakao gerührt. Immer wieder schaute sie auf ihren Transglobkom und murmelte: »Ich verstehe das nicht. Warum meldet er sich nicht?«

Elena verdrehte die Augen. »Eusebius? Ihr habt doch erst gestern Abend geredet, oder? Das ist noch keine zwölf Stunden her. Vielleicht hat Eusebius einen neuen Geheimauftrag bekommen, so etwas geht ja immer ganz plötzlich.«

Miranda legte den Transglobkom vor sich auf den Tisch und starrte ihn an, als wollte sie ihn hypnotisieren.

»Ich hatte heute Nacht einen furchtbaren Traum«, gestand sie. »Eusebius hat gesagt, dass er mit mir Schluss machen will  «

Elena stieß die Luft aus. Manchmal war es wirklich anstrengend mit Miranda. Sie hatte zwar volles Verständnis, dass jemand, der verliebt war, oft und anhaltend über seinen Liebsten redete. Und es war auch klar, dass die beiden möglichst viel Zeit miteinander verbringen wollten. Aber Miranda neigte dazu, sich immer zu viele Sorgen zu machen – und zwar unnötige! Wie oft hatte sie schon ihre Beziehung infrage gestellt? Wie oft war sie eifersüchtig gewesen, ohne dass es den geringsten Grund dafür gegeben hatte?

»Ich habe heute Nacht auch schlecht geträumt«, sagte Elena. »Nämlich davon, dass ich in Englisch durchfalle. Ich weiß, dass es für uns Hexen wichtigere Dinge gibt als Englisch, aber solange wir hier in der Menschenwelt sind, möchte ich mithalten können. Und ich will mich auf keinen Fall vor Jana und Nele blamieren. Jana ist sowieso total sprachbegabt. Man könnte meinen, sie sei zweisprachig aufgewachsen.« Elena seufze.

In diesem Moment blinkte das rote Auge des Transglobkom. Miranda nahm das Gerät hastig an sich. Eine durchsichtige Kugel erschien, darin waberte leichter Dunst, bis kurz darauf das Gesicht eines jungen Mannes auftauchte.

»Eusebius, endlich!«, rief Miranda und ihre Augen strahlten.

»Miranda  « Eusebius’ Stimme klang entsetzlich bekümmert. »Ich muss dir etwas sagen  «

»Ist ein Unglück passiert?«, fragte Miranda erschrocken.

»Nein, das nicht … aber … Es geht um uns. Ich kann nicht mehr … Ach verdammt, es geht einfach nicht per Transglobkom. Warte, ich bin gleich bei dir.« Eusebius’ Gesicht verschwand, die Kugel platzte. Miranda saß mit verdatterter Miene da.

»Was soll das bedeuten?«, fragte sie Elena. »Was ist denn mit ihm los?«

Elena betrachtete ihre Freundin. Miranda war noch blasser als sonst, ihre Haut wirkte fast durchscheinend.

»Jetzt mach dich mal nicht verrückt«, versuchte Elena sie zu beruhigen. »Bestimmt klärt sich alles bald auf.« Sie warf einen Blick auf die Küchenuhr. »Ich hoffe nur, wir kommen wegen Eusebius nicht zu spät zur Schule«

Miranda hob nur die Schultern, um anzudeuten, dass ihr die Schule im Moment herzlich egal war.

Kaum eine Minute später flimmerte die Luft und Eusebius Tibor stand in der Küche. Er sah aus, als hätte er vierzehn Tage lang keinen Schlaf bekommen. Bartstoppeln bedeckten Kinn und Wangen und seine Augen hatten einen fiebrigen Glanz.

»Ich muss mit dir reden, Miranda. Es ist sehr wichtig.«

Miranda erhob sich wortlos von der Eckbank. Elena spürte die Spannung, die in der Luft lag.

»Unter vier Augen«, ergänzte Eusebius.

»Dann … dann gehen wir besser rauf«, schlug Miranda vor. »Elena … vielleicht komme ich später zur Schule. Es kann länger dauern. Du kannst ruhig mit Mona fahren, ihr braucht nicht auf mich zu warten.«

»Okay«, sagte Elena. In ihrem Bauch kribbelte es. Sie hatte ein ungutes Gefühl. Eusebius wirkte so seltsam 

Hoffentlich ist es nichts Schlimmes, dachte sie inbrünstig.

Miranda führte Eusebius hoch in ihr Zimmer, das sie sich noch immer mit Elena teilte. Seit Jeremias, Elenas Großvater, weg war, war das Zimmer nebenan zwar frei, aber es würde bald wieder besetzt werden, wenn Elenas Mutter demnächst ihr Baby bekam.

»Ich habe in der letzten Zeit viel über uns nachgedacht.« Eusebius hatte sich auf die Bettkante gesetzt. »Es tut mir wirklich furchtbar leid, und ich weiß genau, dass es dir das Herz brechen wird … aber es ist besser, wenn wir uns trennen.«

Miranda glaubte sich verhört zu haben. Sie starrte Eusebius mit offenem Mund an.

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«, wisperte sie tonlos. »Du machst einen Scherz  «

Er schüttelte den Kopf. Sein Gesicht wirkte unendlich traurig.

»Aber … warum?«, flüsterte Miranda. »Wir verstehen uns doch so gut … Und wir lieben uns, das hast du doch erst gestern Abend noch zu mir gesagt.«

Eusebius knetete verlegen seine Hände. Miranda fiel auf, wie lang und weiß seine Finger waren.

»Du bist erst vierzehn, Miranda«, murmelte er. »Und mir ist klar geworden, dass ich mich jetzt noch nicht für immer binden will.«

Miranda presste die Lippen aufeinander. Sie hatte die ganze Zeit versucht, die Tränen zurückzuhalten, doch jetzt konnte sie sich nicht länger beherrschen. Sie begann zu weinen.

»Bitte«, sagte Eusebius mit flehender Stimme. »Mach es mir doch nicht so schwer. Ich komme mir vor wie ein gemeiner Schuft. Dabei will ich doch nur dein Bestes. Du wirst noch viele Jungs kennenlernen, und sicher triffst du eines Tages jemanden, der besser zu dir passt  «

»Du bist vier Jahre älter als ich«, schniefte Miranda. »Bisher hat es dich nie gestört. Warum jetzt? Was ist auf einmal mit dir los? Hast du ein anderes Mädchen kennengelernt?«

Eusebius wich ihrem Blick aus.

»Also ja  « Miranda sank auf den Boden und versteckte ihren Kopf zwischen den Armen. Sie konnte es nicht begreifen. Das durfte nicht wahr sein! Eusebius war ein Teil ihres Lebens. Wie sollte es nur ohne ihn weitergehen?

»Bitte verzeih mir«, sagte Eusebius. Er stand von der Bettkante auf, beugte sich zu Miranda herab und küsste sie aufs Haar.

»Wir hatten eine sehr schöne Zeit zusammen. Das werde ich nie vergessen.«

Und dann war er fort.

Miranda kauerte sich zusammen und weinte und weinte. Wie konnte er sie so behandeln? Sie verstand es einfach nicht.

~ Kapitel Nr. 3 ~

Große Verwirrung und schwacher Trost

Seid ihr fertig?« Großmutter Mona steckte den Kopf zur Küchentür herein und klimperte mit den Autoschlüsseln. »Es ist schon spät. Wir müssen los. – Oh, wo ist denn Miranda?«

»Oben in unserem Zimmer«, antwortete Elena. »Eusebius ist vorbeigekommen, er wollte mit ihr unter vier Augen reden. – Oh Oma, ich habe ein total ungutes Gefühl!«

Mona hielt inne und schnupperte. »Du hast recht«, sagte sie dann. »Hier stimmt etwas nicht. Es riecht … nach faulem Zauber!«

Elena runzelte die Stirn. Nach faulem Zauber? Warum das denn? Sie hätte es verstanden, wenn Mona von Streit oder Liebeskummer gesprochen hätte.

»War sonst noch jemand hier?«, fragte Mona und hielt prüfend ihren Zeigefinger in die Luft, den sie zuvor befeuchtet hatte.

»Nein, nur Eusebius.« Elena war immer noch verwundert. Was hatte der mit faulem Zauber zu tun?

Plötzlich hatte sie das dringende Bedürfnis, nach Miranda zu sehen. Sie zögerte, denn sie wollte die Unterhaltung zwischen Eusebius und Miranda nicht stören. Miranda sollte auch nicht den Eindruck haben, dass sie vor lauter Neugier ins Zimmer platzte. Aber es grummelte so in Elenas Bauch, sie war sehr beunruhigt. Deswegen warf sie ihre Bedenken über Bord.

»Ich geh noch mal schnell nach oben, Oma. Wartest du solange?«