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Copyright Stefan Schurr – Winterbach 2014
Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN-13: 978-3-7357-1515-9
Ist sportlicher Erfolg planbar? Es scheint so! Erfolgreiche Athleten zeichnen sich neben außergewöhnlichem Talent auch durch einen systematischen und strukturierten Trainingsprozess aus.
Bereits aus der Antike sind einfache Anweisungen und Prinzipien für eine gezielte Trainingsplanung bekannt. Athleten und Trainer stellten schon damals fest, dass der menschliche Organismus in seiner Leistungsentwicklung verschiedenen Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist und sich ein Athlet nicht immer in absoluter Höchstform präsentieren kann.
In der Mitte des letzten Jahrhunderts wurde dann vor allem in den früheren Ostblockstaaten eine rege und umfangreiche Forschung in der Trainingswissenschaft betrieben. Ein zentrales Thema war unter anderem immer auch die strukturierte Planung und Steuerung des Trainingsprozesses mit dem Ziel der Leistungssteigerung. 1965 veröffentlichte der russische Trainingswissenschaftler Matwejew ein erstes Konzept der „Periodisierung des sportlichen Trainings“. Bis heute bildet es für viele Trainer die Grundlage ihrer Trainingsplanung und -gestaltung.
Doch das Modell ist heutzutage nicht ganz unumstritten und so wurden im Laufe der Zeit Planung und Periodisierung -auch im Rahmen zunehmender Professionalisierung im Sport- immer mehr zum Thema sportwissenschaftlicher Forschung. Mittlerweile gibt es zahlreiche Modelle und Ansätze, die den Sportler unterstützen und seine individuelle sportliche Leistungsfähigkeit optimieren sollen. Teilweise stehen deren wissenschaftliche und empirische Überprüfung aus und sind zu hinterfragen. Oft scheinen Erfahrungen, die Trainer in der täglichen Arbeit mit ihren Athleten gesammelt haben, den wissenschaftlichen Grundlagen zu widersprechen, oder lassen sie zumindest in einem neuen Licht erscheinen. So hat sich unter Experten und Trainern eine rege Diskussion und Erfahrungsaustausch entwickelt.
In den letzten Jahren ist die Trainingsgestaltung nach der Blockperiodisierung ein viel diskutiertes und beachtetes Modell geworden. Gerade im Hochleistungssport scheint es sich mehr und mehr durchzusetzen und viele entscheidende Vorteile zu bieten.
Im Rahmen diese Buchs werden die Hintergründe der Trainingsplanung erläutert und die Unterschiede, mit den resultierenden Vor- und Nachteilen, von klassischer und Blockperiodisierung für Sportler unterschiedlicher Leistungsstärke dargestellt. Grundlegende Themen sind in diesem Zusammenhang auch Trainingssteuerung, Leistungsdiagnostik und Regeneration, die im Trainingsprozess eine wichtige Rolle einnehmen.
Die Trainingssteuerung, mit der Abstimmung von intensiven und umfangreichen Be- sowie Entlastungsphasen, ist auf allen Leistungsstufen ein entscheidendes Kriterium der Leistungsentwicklung und basiert auf den Vorgaben der Trainingsplanung!
Eine Leistungsdiagnostik liefert wesentliche Voraussetzungen für die Trainingssteuerung, indem sie unter anderem die Grundlage für die Bestimmung der Trainingsbereiche bietet. Wird sie in regelmäßigen Abständen durchgeführt gibt sie zugleich Rückmeldung über die Effektivität der eingesetzten Trainingsmaßnahmen.
Training und Regeneration gehören eng zusammen, sie sind zentrale Bestandteile des Trainingsprozesses. Als solches sollten Regenerationsmaßnahmen in der Trainingsplanung berücksichtigt und fest in den Trainingsablauf integriert werden.
Was ist sportliches Training? Der Begriff wird in Alltag und unter Sportlern teilweise in ganz unterschiedlichem Zusammenhang gebraucht. Was im Rahmen des Trainingsprozesses natürlich interessant ist, ist der trainingsrelevante Aspekt. Als übergeordnetes Ziel kann man sicher herausstellen, dass Sportler in ihrer Leistungsfähigkeit verbessert und optimal auf einen Wettkampf vorbereitet werden sollen.
Sportliches Training bedeutet planmäßiges, systematisches Vorgehen mit dem Ziel der körperlichen Leistungssteigerung.
Durch sportliches Training kommt es zu funktionellen Veränderungen im Organismus, den sogenannten Trainingsanpassungen. Sie resultieren in einer Leistungssteigerung. Das Ganze sollte per Definition planmäßig und systematisch erfolgen. Da es sich beim menschlichen Organismus um ein hochkomplexes und sehr dynamisches System handelt, ist es äußerst schwierig die Auswirkungen von Trainingsmaßnahmen exakt zu beschreiben. Ein integrativer Ansatz muss einerseits konstitutionelle und konditionelle Gesichtspunkte berücksichtigen, andererseits aber auch die Leistungsentwicklung im koordinativen, technischen und taktischen Bereich mit einbeziehen. Im Ausdauersport ist der konditionelle Gesichtspunkt mit den Teilaspekten der Energiebereitstellung, -nutzung sowie -abgabe ein wichtiges Kriterium und zentraler Gesichtspunkt.
Für die Beschreibung von Trainingsanpassungen existieren unterschiedliche Modelle. Für den Ausdauersport hat sich ein Vier-Stufen-Modell bewährt, das mit der Trainingsrealität sehr gut korreliert. Nach diesem Modell dauert die Phase der Umstellung der einzelnen Funktionssysteme (Muskulatur, Nerven, Herz-Kreislauf,...) unterschiedlich lange, eine stabile Anpassung wird nach etwa 4-6 Wochen erreicht und vollzieht sich in vier grundlegenden Stufen:
Der Körper lernt überflüssige Bewegungen zu vermeiden, der Athlet bewegt sich ökonomischer und effizienter. Bereits nach einer Woche merkt er wie seine Koordination flüssiger und harmonischer abläuft, er spart Kraft und Energie.
Durch sportartspezifische Belastungen kommt es zur Ausschöpfung der körpereigenen Energiespeicher. Der Organismus reagiert mit einer Vergrößerung dieser Speicher. Bei widerstandsorientiertem Training nimmt in dieser Phase die Masse der trainierten Muskulatur zu.
Nachdem sich in der zweiten Stufe die Muskulatur angepasst hat, bekommt sie nun in der dritten Stufe Unterstützung von den anderen Funktionssystemen des Organismus. Zur Erleichterung dieser Anpassung sollte in dieser Phase (nach 2-3 Wochen) eine deutliche Umfangreduzierung des Trainings erfolgen.
In dieser letzten Stufe findet nun die endgültige Harmonisierung und Stabilisierung aller beteiligten Funktionssysteme des Organismus statt.
Nach erfolgreicher Anpassung müssen dem Körper neuartige Reize gegeben werden um das erreichte Niveau weiter auszubauen, oder auf einem hohen Niveau zu halten. Die nächste Anpassungsphase beginnt.
Stufe | Zeitl. Einordnung | Anpassung |
1 | 7. – 10. Tag | Veränderung des motorischen Steuerprogramms |
2 | 10. – 20. Tag | Vergrößerung der Energiespeicher, Muskelmassezunahme |
3 | 20. – 30. Tag | Optimierung geregelter Systeme und Strukturen |
4 | 30. – 40. Tag | Koordinierung der Hierarchie der Systeme |
Funktionelle Anpassungen werden durch Trainingseffekte hervorgerufen, die sich auf unterschiedlichste Art äußern und große Bedeutung für die Trainingsplanung und -steuerung haben. Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht diese Zusammenhänge in ihrem zeitlichen Kontext.
Effekt | Definition | Dauer | Beispiel |
akut | veränderter körperlicher Zustand während der Belastung | Sekunden bis Minuten | Herzfrequenzerhöhung, Ermüdung |
unmittelbar | veränderter körperlicher Zustand, verursacht durch eine einzelne Trainingseinheit | Stunden | erhöhte Ruheherzfrequenz, erhöhter Harnsäurespiegel, verminderte Sprungkraft |
kumulativ | veränderter körperlicher Zustand sowie Niveau motorischer Fähigkeiten in Folge einer Serie von Trainingseinheiten | Tage bis Jahre |
erniedrigte Ruheherzfrequenz, erhöhte maximale Sauerstoffaufnahme, erhöhte Maximalkraft |
verzögert | veränderter körperlicher Zustand sowie Niveau motorischer Fähigkeiten nach einem spezifischen Trainingsprogramm | Tage bis Wochen |
erhöhte Explosivkraft nach zweiwöchigem hochintensivem Trainingsblock |
residual | Konservierung des veränderten körperlichen Zustands sowie Niveaus motorischen Fähigkeiten nach Beendigung eines Trainingsprogramms | Tage bis Monate |
Erhalt der Maximalkraft über mehrere Wochen nach Beendigung eines Krafttrainings |
Die aufgeführten Effekte stehen miteinander in Wechselwirkung, was sich auch grafisch sehr gut darstellen lässt und die Bedeutung jedes einzelnen für den gesamten Trainingsprozess verdeutlicht.
Akute Trainingseffekte können sehr gut zur Trainingssteuerung genutzt werden, da sie belastungsspezifisch sind. Im Ausdauersport ist die Herzfrequenzmessung während Training und Wettkapf seit Jahren üblich. Im Radsport setzen sich Wattmeßgeräte für die Belastungssteuerung auch bei ambitionierten Amateuren immer mehr durch, bei Profis sind sie schon längst etabliert. So können Trainingsintensitäten exakt vorgegeben und kontrolliert werden.
Der unmittelbare Trainingseffekt ist die Summe aller akuten Trainingseffekte innerhalb einer Trainingseinheit. Im Hochleistungssport ist es üblich, dass in einer Trainingseinheit gezielt ein bis maximal zwei Schwerpunkte gelegt werden. Die konzentrierte Belastung auf eine oder wenige konditionelle Fähigkeiten stellt vor allem auf hohem Leistungsniveau einen optimalen Trainingsreiz dar. Sportler niedrigen bis mittleren Leistungsniveaus können demgegenüber durchaus von einer vielfältigen und abwechslungsreichen Belastungsgestaltung innerhalb einer Trainingseinheit profitieren.
Der kumulative Trainingseffekt ist ein entscheidender Faktor für die langfristige Herausbildung der sportlichen Leistung. Für deren Ausprägung sind Beständigkeit und Dauer wichtige Faktoren. Dabei beansprucht sowohl die Anpassung der einzelnen Funktionssysteme als auch deren entsprechende Rückbildung in einer längeren Trainingspause unterschiedliche Zeiträume. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Heterochronie des Trainingspozesses, der sich sowohl als verzögerter als auch residualer Effekt bemerkbar macht.
Der verzögerte Trainingseffekt steht in einem engen Zusammenhang mit Regenerationsphasen nach intensiven Trainingsabschnitten. Trainingsanpassungen vollziehen sich zeitlich immer nach Phasen der Belastung. Beträgt die Zeitspanne nur wenige Tage, so spricht man von einem einfachen kumulativen Trainingseffekt. Ist der Zeitraum länger und erstreckt sich über Wochen, so spricht man von einem verzögerten Trainingseffekt. Dies ist vor allem nach hochkonzentrierten Trainingsblöcken der Fall und auch zum Beispiel im Rahmen der Wettkampfvorbereitung umgangssprachlich als „Taperphase“ bekannt. Die deutliche Belastungsreduzierung aktiviert die Regenerationsprozesse im Organismus, so dass der Athlet sukzessive seine Leistungsfähigkeit steigern kann.
Der residuale Trainingseffekt konserviert die sportliche Leistungsfähigkeit nach Abschluss eines Trainingsprogramms für einen gewissen Zeitraum. Entsprechend dem verzögerten Trainingseffekt kann der Athlet anfänglich noch von einem erhöhten Leistungsvermögen profitieren, das dann langsam aber stetig schwindet. Den residualen Trainingseffekt kann man entsprechend der Dauer in einen lang- einen mittel- und einen kurzfristigen Effekt unterscheiden.
Zeitdauer des Residualeffekts |
Wirkbereich | Adaption | Effektdauer |
Anpassungen im Knochengewebe und in den Gelenken | Veränderungen fast irreversibel | ||
Stütz- und Bewegungsapparat | Veränderungen in der Muskelzusammensetzung sowie Muskelhypertrophie | mehrere Jahre | |
langfristig | Neuromuskuläres System | Erlernen und perfektionieren von Bewegungsabläufen und sportartspezifischen Techniken | mehrere Jahre |
Herz-/Kreislaufsystem | Vergrößerung des Herzens (Sportlerherz) sowie des Aortendurchmessers | mehrere Jahre | |
mittelfristig | Herz-/Kreislauf- & Atmungssystem | erhöhte Kapillardichte, verminderte Ruhe-Herzfrequenz, erhöhtes Blutschlagvolumen | einige Monate |
Neuromuskuläres System | verbesserte inter- und intramuskuläre Koordination | einige Wochen | |
Aerobes Stoffwechselsystem | Vergrößerte muskuläre Glykogenspeicherung, Vermehrung aerober Enzyme | einige Tage bis Wochen | |
kurzfristig | Anaerobes Stoffwechselsystem | Verbesserung anaerober, alaktazider und glykolytischer Stoffwechselparameter | einige Wochen |
erhöhte Kraft und Ausdauer | einige Wochen | ||
Neuromuskuläres System | verbesserte Ausdauerleistung der lokalen Muskulatur | einige Wochen | |
Verbesserung der Beweglichkeit | einige Wochen |
Im Rahmen der Trainingsplanung ist vor allem der kurzfristige Residualeffekt interessant. Er hängt vor allem von vier Faktoren ab:
Ein über längere Zeit durchgeführtes Trainingsprogramm bewirkt länger andauernde Residualeffekte. Durch den zeitlich längeren Anpassungsprozess kann auch der Trainingseffekt länger konserviert werden (Issurin 2004).
komplexe Trainingsprogramme bewirken länger andauernde Residualeffekte als hochintensives spezifisches Training (Popov, 2012).
Ältere und trainingserfahrenere Atleten profitieren von länger andauernden Residualeffekten (Pyne & Touretski, 1993).
Stimulierende Elemente des vorangegangenen Trainingsprozesses können den Residualeffekt verlängern (Zatsiorsky et al, 1995).
Ein verbesserter Trainingszustand äußert sich in einer verminderten Auslenkung der Herz-Kreislaufparameter bei gleicher Belastung, z.B. in einer verminderten Herzfrequenz bei gleicher Belastungsintensität, einer schnelleren Wiederherstellung ruhebezogener Sollwerte (Erholung) sowie einer vergrößerten Toleranz gegenüber maximalen Belastungen.
Training bewirkt leistungsfördernde Anpassungsprozesse, aber nur wenn gewisse Regeln und Prinzipien eingehalten werden. Trainingsprinzipien formulieren allgemeine Zusammenhänge, die eine Planungshilfe für die Organisation und den systematischen Aufbau des Trainings geben. Sie stellen die Grundlage der Trainingsplanung, -gestaltung und -steuerung dar und sollten daher im Trainingsprozess beachtet werden. Ihre konsequente Umsetzung garantiert maximale Leistungsfortschritte und hilft dem Athleten dabei, sich weder zu über- noch unterfordern. Da sie übergeordnete Prinzipien mit hoher Allgemeingültigkeit sind, lassen sie für Trainer und Athleten gewisse individuelle Gestaltungsspielräume. Sie stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern überschneiden sich inhaltlich.
Je nach Autor und Bezugsebene sind eine unterschiedliche Anzahl an Trainingsprinzipien dokumentiert. Unter dem Gesichtspunkt der Trainingsplanung und -steuerung und der damit eng verbundenen biologischen Gesetzmäßigkeiten von Belastung, Erholung und Anpassung sind die nachfolgenden besonders herauszustellen.
Prinzip des wirksamen Belastungsreizes
Hier handelt es sich um ein zentrales Prinzip, das sich für die Auslösung der Anpassung