Faust in Leipzig. Kleine Chronik von Auerbachs Keller zu Leipzig nebst historischen Notizen über Auerbachs Hof.

Aus alten Chroniken und Urkunden zusammengestellt von P. H. Sillig.

Herausgegeben von

H. Schultze.

(Mit Abbildungen)

  

Selbstverlag des Herausgebers (Auerbachs Keller.)

 

Leipzig 1854,

in Commission bei Friedrich Voigt,

Neumarkt, Kramerhaus

erste Etage.


Digitale Neufassung des altdeutschen Originals

von Gerik Chirlek


Technische Anmerkungen

Die vorliegende digitale Neufassung des altdeutschen Originals erfolgte im Hinblick auf eine möglichst komfortable Verwendbarkeit auf eBook Readern. Dabei wurde versucht, den Schreibstil des Verfassers möglichst unverändert zu übernehmen, um den Sprachgebrauch der damaligen Zeit zu erhalten. 


Vorbemerkung.

Johann Wolfang von Goethe

Geboren zu Frankfurt am Main, den 28. August 1749

Gestorben zu Weimar, den 22. März 1832

  

Motto:

Altmayer: Wo bin ich? Welches schöne Land?

Frosch: Weinberge! Seh' ich recht!

Siebel: Und Trauben gleich zur Hand!

Brander. Hier unter diesem grünen Laube!

Seht welch ein Stock! Seht welche Traube!

(Goethes Faust, Szene »in Auerbachs Keller.«)


Vorwort.

Mit vorliegendem Schriftchen soll zwar keinem tiefgefühlten Bedürfnis abgeholfen, wohl aber einem vielfach ausgesprochenen Wunsch, der Auerbachs Keller besuchenden Fremden, Genüge geleistet werden, zur Erinnerung an diesen historisch berühmten Keller Leipzigs etwas mehr zu besitzen, als das fliegende Blatt aus Fausts Leben von Pfitzer (siehe Viertes Kapitel) welches ihnen bisher geboten ward.

Die Idee aus den vorhandenen, nicht eben ergiebigen Quellen eine kleine Chronik von Auerbachs Keller zusammenzustellen, verdankt ihre Entstehung zunächst der letzten Aufführung von Goethes Faust auf dem Leipziger Stadttheater am 10. Februar 1854, nach welcher ein Zufall die beiden Herausgeber zusammenführte.

So leicht eine solche Zusammenstellung historischer Notizen über Auerbachs Keller und Auerbachs Hof an sich auch erschien, bei der Ausführung boten sich mancherlei Schwierigkeiten, welche, soviel es in der Kürze der Zeit möglich war, nur durch die freundliche Unterstützung wohlwollender Gönner beseitigt wurden, denen wir hierdurch unseren herzlichsten und verbindlichsten Dank für ihre Bemühungen sagen.

Ob wir bei Ausführung unseres Planes, den Besuchern von Auerbachs Keller ein Andenken zu bieten, in welchem sie alles finden sollen, was ihnen etwa in Bezug auf diesen Keller interessant sein könnte, das recht getroffen haben, darüber steht uns kein Urteil zu. Darnach gestrebt haben wir, und von diesem Gesichtspunkt aus wolle man auch dieses kleine Schriftchen betrachten, welches keinen anderen Zweck hat als den, eine flüchtige Unterhaltung für flüchtig Reisende zu sein.

Möge diese kleine Chronik, welche ohne alle weiteren Ansprüche ins Leben tritt, vom Publikum freundlich und mit Nachsicht aufgenommen werden.

Berichtigungen und fernere Notizen über Auerbachs Hof und Auerbachs Keller werden wir jederzeit gern und dankend entgegennehmen, ja wir bitten sogar darum.


 

Leipzig, den 1. März 1854.

Die Herausgeber.


Erstes Kapitel: Mein Leipzig lob' ich mir!

»Mein Leipzig lob' ich mir!

Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute.«


Goethes Faust, Szene »in Auerbachs Keller« 

 

Einleitung. -- Leipzig, in Urkunden des Mittelalters Luibiciz, Libzi, Lipzk, Lipzen, auch Lipnitz und Leypzig genannt, war ursprünglich ein wendisches Dorf und ward zuerst im Jahre 1005 erwähnt, kommt aber schon im Jahre 1015 als Stadt vor, doch kannte man sie bis zum Jahre 1134 fast nur dem Namen nach, von wo an aber der Ort als Niederlagsort für Viktualien immer bekannter zu werden anfing und hier im Jahre 1155 auch ein Landtag abgehalten wurde. Sicherere Nachrichten von dem Emporkommen der Stadt Leipzig finden sich erst unter Otto dem Reichen, der sie ordentlich befestigte und ihr in den Jahren 1176-1182 die Jubilate- und Michaelis-Märkte, mit Verbietungsrecht im Umkreis einer Meile, verlieh. Von den Nachfolgern Ottos und mehreren deutschen Kaisern wurden die eingeräumten Privilegien nicht nur bestätigt, sondern auch erweitert. So vermehrte sich allmählich der Wohlstand der neuen Handelsstadt, deren erster historischer Zeitraum mit Begründung der ersten Messe beginnt und bis zur Gründung der Universität im Jahre 1409 reicht, wo die zweite Periode des durch die Messen wachsenden Wohlstandes und der durch die Universität geförderten Kultur sich anschließt. Von da an hatte die Stadt bis zum Ausbruch des französisch-preußischen Kriegs, mit welchem der zweite Zeitraum der Geschichte Leipzigs zu Ende geht, mancherlei Drangsale zu bestehen, doch stieg trotz alledem die Macht des Rats, und der Handel gewann besonders durch die im Jahre 1458 gestiftete Neujahrsmesse. Die Verwaltung erhielt mancherlei Verbesserungen, und es wurden verschiedene öffentliche und große Privatgebäude angelegt.



Zweites Kapitel: Auerbachs Hof.

Unter diesen Privatgebäuden zeichnet sich der schon seit Jahrhunderten weltberühmte Auerbachsche Hof noch heute vor allen anderen vorzugsweise aus, sowohl seines Alters wie besonders der historischen Erinnerungen wegen, welche sich an dieses Gebäude knüpfen.

Auerbachs Hof wurde, wie das Leipzigische Chronicon berichtet, im Jahre 1530 zu bauen angefangen und ist im Jahre 1538 fertig geworden. In etwa steht geschrieben:

»Der Bauherr ist gewesen Herr Heinrich Stromer, von Auerbach gebürtig, der Philosophie- und Medizin-Doktor und Dekanus wie auch Ratsverwandter zu Leipzig, welcher nachher kurfürstlich Brandenburgischer, Mainzischer und endlich Kurfürst Friedrichs zu Sachsen Leibmedicus geworden, der auch bei der Reformation und Anrichtung der reinen evangelischen Lehre nach Herzog Georgens Absterben bei dieser Stadt viel getan und Lutherum gütlich aufgenommen. Auch hat, wie anderswo erzählet wird, der berühmte Doktor Faustus, als er zu Leipzig war, bei ihm gewohnet.*)

*) Die Annahme, dass Faust bei Dr. Stromer gewohnt habe, wird allenthalben widerlegt.

Darum es billig ist, dass man seiner in allen Ehren gedenke. Stromer starb im Jahre 1542, am 25. November.

Dieses weitläufige und große Gebäude hat, wie schon Christoph Reicholt, E. E. Rats-Obervogt, in seinen Sammlungen geschrieben, 100 Gewölbe, die darinnen stehenden Buden ungerechnet, auch zwei schöne Bilderhäuser, beneben schönen Zimmern, Stuben und Logiamentern, auch einen schönen Reißigenstall, darinnen die Kaufleute ihre Pferde stehen haben.«

Ferner schreibt Heidenreich in seiner Leipziger Chronik in Bezug auf Auerbachs Hof in etwa:

»Nun komme ich zu dem herrlichen und weitberühmten Haus, so anfänglich von Dr. Heinrich Auerbachen erkauft, und derowegen noch heutzutage Auerbachs Hof genennet wird, das ist von vielen Gewölben, Kammern und Sälen stattlich erbauet, und von Welschen, Franzosen, Niederländern, Nürnbergern, Augsburgern und anderen Handelsleuten dermaßen besetzet, auch mit großem herrlichen Gut und vielen Waren so reichlich versehen, dass es wohl [mit] einem besonderen stattlichen Markt könnte verglichen werden, dannenhero der fürnehme Poet Friedrich Taubmann*) nicht unbillig schreibet:

›Dein Auerbachisch Haus möcht sein ein Leipzig klein:

Wer mit und sonder Kunst gemachtes Gold will kaufe,

Komm nur in Auerbachs Hof, da findet mans in Haufen…‹

Weiterhin aber schreibet derselbe Poet:

›Wer nach Leipzig die Messe zu sehen gereiset und nicht in Auerbachs Hof kommen ist, der darf nicht sagen, dass er in Leipzig gewesen sei.‹