Fernab von Störenfrieden und Eindringlingen, ohne Ehemann und Kinder, ohne Gäste und Verpflichtungen, jeden Tag nur für sich die Schönheiten des Gartens und die Wunder der Natur genießen – und dabei die üppige, feuchte Erde umgraben, Rabatten anlegen, Blumen pflanzen, gießen, rechen, jäten und mähen. Wie herrlich erscheint Elizabeth diese Vorstellung! Doch Hindernisse sind selbstredend vorprogrammiert: Nicht nur steht ihr der hauseigene Gärtner im Weg – für die gnädige Dame schickt es sich nun einmal gar nicht, den Garten selbst zu bestellen –, bald schon ist es auch mit der ersehnten Ruhe dahin, die sie, wenn schon untätig, dann möglichst ungestört genießen wollte …
Wie keine andere erzählt Elizabeth von Arnim von ihrem Garten: voller Humor und sanfter Ironie, vor allem aber mit einer unbändigen Liebe zu allem, was dort wächst und gedeiht.
Elizabeth von Arnim, 1866 als Mary Anette Beauchamp in Australien geboren, wuchs in England auf. Sie heiratete in die preußische Familie von Arnim und verbrachte einige Jahre auf dem pommerschen Gut Nassenheide, wo ihr erster Roman Elizabeth und ihr Garten (1898) entstand. Ihm folgten 21 weitere Romane und eine zweite Ehe. Sie starb 1941 in den USA.
Ein Sommer
im Garten
Roman
Aus dem Englischen
von Leonore Schwartz
Insel Verlag
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel The Solitary Summer erstmals 1899 in London. Zuletzt erschien dieser Roman auf deutsch unter dem Titel Einsamer Sommer im Insel Verlag.
eBook Insel Verlag Berlin 2016
Der vorliegende Text folgt der 01. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4467.
© der deutschen Übersetzung Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1994
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Umschlagabbildung: Ralph Rickman & Peter Irwin Brown/
Bridgeman Images; Anton Abraham van Anrooy/Corbis
Umschlaggestaltung: hißmann, heilmann, hamburg
eISBN 978-3-458-74412-2
www.insel-verlag.de
Die Natur hat uns mit einer großen Fähigkeit beschenkt, uns mit uns selbst zu unterhalten, und fordert uns oft dazu auf, um uns zu lehren, daß wir uns zum Teil der Gesellschaft, dem größern Teile aber nach uns selbst schuldig sind.
Montaigne, Essais. II, 18
Für den Grimmigen
mit einigen Entschuldigungen und viel Liebe
Gestern abend nach dem Essen gingen wir durch den Garten, und ich sagte: »Ich möchte einmal einen ganzen Sommer hier allein sein und in die tiefsten Tiefen des Lebens hinabsteigen. Ganz für mich sein, damit meine Seele sich entfalten kann. Es wird niemand eingeladen, um mir Gesellschaft zu leisten, und wenn doch jemand zu Besuch kommt, dann sagt man ihm einfach, ich sei ausgegangen oder verreist oder krank. Die ganzen Monate werde ich im Garten, auf den Feldern und in den Wäldern verbringen. Ich will sehen, was in meinem Garten geschieht und wo ich Fehler gemacht habe. An nassen Tagen gehe ich in den dichten Wald, dorthin wo die Kiefernnadeln immer trocken sind, und wenn die Sonne scheint, liege ich auf der Heide und schaue, wie der Ginster gegen den Himmel flammt. Wie glücklich werde ich sein; niemand wird mich mit seinem Trübsinn anstecken. Draußen auf dem flachen Land herrscht Stille, und wo Stille ist, ist auch Frieden – das ist mir inzwischen aufgegangen.«
»Paß auf, daß du keine nassen Füße kriegst«, sagte der Grimmige und nahm seine Zigarre aus dem Mund.
Es war der Abend des 1. Mai, und der Frühling hatte von mir Besitz ergriffen. Der Himmel war voller Sterne und der Garten voller Düfte und die Beete voll Goldlack und süßen, verschmitzt dreinblickenden Stiefmütterchen. Tagsüber war es windig gewesen, weiße Wolken waren unaufhörlich über das Himmelsblau gesegelt. Jetzt war es so still, so reglos, als hätte sich eine beruhigende Hand über den Garten gelegt und alles verstummen lassen.
Der Grimmige saß auf der untersten Stufe der Verandatreppe, nach dem Essen friedlich gestimmt, verträglich, wenn auch nicht gar zu verträglich, und ich stand vor ihm und lehnte mich an die Sonnenuhr.
»Wirst du ein Buch mitnehmen?« fragte er.
»Ja, das werde ich«, gab ich, von seinem Tonfall leicht gereizt, zurück. »Felder und Blumen, das muß ich zugeben, wollen mich immer etwas lehren. Aber ich bin nicht immer bereit zu lernen, und manchmal kann ich meine Augen nicht dazu bringen, Dinge zu sehen, die zu anderen Zeiten ganz klar sind.«
»Und dann liest du?«
»Dann lese ich. Nun, was hältst du davon?«
Doch er rauchte nur schweigend und schien plötzlich ganz vertieft in die Sterne.
»Schau«, sagte er nach einer Pause, während ich vor ihm stand und mir wünschte, er würde auch mal etwas Längeres sagen, und er in den Himmel blickte und mich überhaupt nicht beachtete, »schau, wie hell die Sterne heute abend sind. Fast als gäbe es Frost.«
»Es wird aber keinen Frost geben, und ich werde nicht hinschauen, bevor du mir nicht sagst, was du von meiner Idee hältst. Wäre das nicht herrlich, einen ganzen schönen Sommer ganz allein? Wäre es nicht geradezu traumhaft, jeden Morgen aufzustehen und zu spüren, daß man sich selbst gehört und keinem anderen?« Ich trat zu ihm, legte meine Hände auf seine Schultern und schüttelte ihn ein wenig, denn er starrte immer noch auf die Sterne, als wäre ich gar nicht vorhanden. »Bitte, Grimmiger, sag doch nur einmal etwas Richtiges«, beschwor ich ihn. »Du hast die ganze Woche noch keinen längeren Satz gesagt.«
Langsam löste er den Blick von den Sternen, sah mich an und lächelte. Dann zog er mich auf seine Knie.
»Nicht zärtlich werden«, drängte ich, »ich will Worte, keine Taten. Aber ich bleibe gern hier sitzen, wenn du nur redest.«
»Na gut, ich rede. Was soll ich sagen? Du weißt, daß du stets das tust, was dir gefällt, ich mische mich niemals ein. Ich für meinen Teil will diesen Sommer niemanden hierhaben, wenn du es nicht willst. Aber du wirst sehen, das wird ein langer Sommer.«
»Nein.«
»Und wenn du den ganzen Tag auf der Heide liegst, denken die Leute, du bist verrückt.«
»Was geht’s mich an, was die Leute denken.«
»Ja, das ist wahr. Aber du wirst dir eine Erkältung holen, und deine kleine Nase wird anschwellen.«
»Laß sie anschwellen.«
»Und wenn es heiß ist, wirst du einen Sonnenbrand bekommen und deine Haut verderben.«
»Meine Haut ist mir egal.«
»Und du wirst dich langweilen.«
»Langweilen?«
Es belustigt mich, wie wenig der Grimmige mich wirklich kennt. Seit drei Jahren haben wir uns hier auf dem Land vergraben, und ich war die ganze Zeit glücklich wie ein Vogel. Ich sage wie ein Vogel, weil andere diesen Vergleich gebrauchen, um ungetrübte Fröhlichkeit zu beschreiben, obwohl ich keineswegs glaube, daß Vögel glücklicher als andere Geschöpfe sind, denn sie zanken sich ganz gräßlich. Sagen wir doch so: Ich bin so glücklich gewesen wie die glücklichsten Vögel, und zwischendurch gab es Zeiten des Alleinseins, in denen mein Gemütszustand alles andere als gelangweilt war. Es stimmt schon, das würde nicht jedem gefallen. Erst letzte Woche hatte ich Gäste, die nur knapp acht Tage blieben und augenscheinlich nicht viel Spaß daran hatten. Sie fanden es eintönig, doch das war ihre eigene Schuld. Wie kann man einen Menschen gegen seinen Willen glücklich machen? Man kann ihm eine Menge Schulwissen eintrichtern und all das, was Schulen sonst noch zu bieten haben, aber, wenn man es auch ewig versuchte, man kann einem Wesen, das nicht dazu neigt, nicht zum Glück verhelfen. Es kann nur passieren, daß man dabei sein eigenes verliert. Glück, soviel ist klar, muß von innen kommen, nicht von außen. Und wenn ich nach meinen früheren Erfahrungen und meinen gegenwärtigen Gefühlen urteile, so habe ich gerade jetzt einen reichlichen Vorrat davon, mehr als genug, um fünf stille Monate auszufüllen.
»Ich frage mich«, bemerkte ich nach einer Pause, in der der Verdacht in mir aufstieg, ich müsse wohl auch zu den dichtgeschlossenen Reihen der femmes incomprises gehören, »warum du glaubst, ich könnte mich langweilen. Der Garten ist immer schön, und ich bin fast immer in der Stimmung, ihn zu genießen. Zugegeben, vielleicht doch nicht immer, denn als die Schmidts hier waren (sie heißen nicht Schmidt, aber was macht das schon?), habe ich ihn fast gehaßt. Immer, wenn ich in den Garten ging, waren sie auch da und schlurften mit empörten und resignierten Gesichtern herum. Meinst du, sie hätten nur eins von den blauen Leberblümchen entdeckt, die gerade jetzt unter den Büschen aufblühen? Und als ich dann mit ihnen in die Wälder gefahren bin, wo die Frühlingsfeen so emsig jeden Ast mit kleinen grünen Edelsteinen behängten, haben sie die ganze Zeit nur von Berlin und den feinen Delikatessen geredet, die ihr neuer Koch zubereitet.«
»Na ja, mein Liebes, sie haben eben ihre Leckerbissen vermißt. Dein Garten ist zwar wundervoll, aber deine Köchin taugt nun mal nichts. Nach dem Essen sah der arme Schmidt manchmal ganz krank aus, und deine prächtigen Blumenarrangements konnten ihn auch nicht für das schlechte Essen entschädigen. Schick sie weg.«
»Sie wegschicken? Sei dankbar, daß sie da ist. Eine schlechte Köchin ist weitaus wirkungsvoller als Kissingen oder Karlsbad oder Homburg zusammen und dazu viel billiger. Solange ich sie habe, wirst du, mein lieber Mann, jedenfalls einigermaßen dünn und liebenswert bleiben. Der arme Schmidt, wie du ihn nennst, ißt viel zuviel von diesen köstlichen Leckereien, und dann schaut er sich seine Frau an und fragt sich, warum er sie eigentlich geheiratet hat. Laß du dich nur nicht bei so etwas von mir erwischen.«
»Das ist ziemlich unwahrscheinlich«, sagte der Grimmige; aber ob er es als Kompliment meinte oder lediglich darüber nachdachte, wie unmöglich es sei, sich an unseren ländlichen Speisen zu überfressen – das kann ich nicht sagen. Wie dem auch sei, ich habe etwas dagegen, im Garten in einer sternklaren Nacht über Köchinnen zu streiten, also erhob ich mich von seinem Schoß und schlug vor, einen kleinen Spaziergang zu machen.
Es war ein bezaubernder Abend, ein passender Abschluß für einen schönen 1. Mai. In der Dämmerung leuchteten Blumen wie blasse Sterne, die Luft war von süßen Düften erfüllt, und ich beneidete die Fledermäuse, die im Duft förmlich badeten, über sich die echten Sterne und unter sich die Sterne der Stiefmütterchen, und sie selbst waren lautlos und konnten – selbst wenn sie gewollt hätten – den herrschenden Frieden nicht stören. Die Engländer haben viel Schönes über den ersten Mai geschrieben, welches bei einem Ausländer die Vorstellung von Blumensträußen und Girlanden und Dorfangern weckt, von mit Bändern bekränzten Burschen und Mädchen und Lämmern und allgemeiner Ausgelassenheit. Ich war einmal am 1. Mai in England, und wir saßen zitternd am Feuer und lauschten stumm dem Nordostwind, der die Straße herunterfegte, und dem Hagel, der an die Fenster prasselte, und die Freunde, bei denen ich zu Besuch war, sagten, so sei es sehr oft, und sie hätten nie irgendwelche Lämmer und Bänder zu Gesicht bekommen. Wir Deutschen messen alldem keine poetische Bedeutung bei, wo wir es doch könnten, weil bei uns meistens schönes Wetter ist. Und was die Girlanden angeht – wie viele Dörfer voll von jungen Leuten könnte ich aus meinem Garten damit versorgen, ohne daß ich irgendwas vermißt hätte. Um diese Zeit ist mein Garten voll von Goldlack, ich glaube, es gibt keine Farbe und Art, die ich nicht angepflanzt hätte. Die Beete unter den Südfenstern des Hauses, die letztes Jahr so leer und melancholisch dalagen, sind voll davon, vorne begrenzt von einem breiten Streifen gelber und weißer Stiefmütterchen von einem Ende zum anderen. Die Teerosenbeete gegenüber, rund um die Sonnenuhr, sind überzogen mit weißen, goldfarbenen, purpur- und weinroten Stiefmütterchen, und darüber die zarten, roten Triebe der Rosen. Auf den Verandastufen, die hinab in dieses Stiefmütterchenparadies führen, stehen auf beiden Seiten Kästen mit weißen, rosa und gelben Tulpen, und auf dem Rasen hinter den Rosen breiten sich zwei große Rabatten mit bunten Tulpen aus, die sich über einem Teppich aus Vergißmeinnicht erheben. Verschiedenfarbige Tulpen zusammen sind doch viel reizvoller als jede Farbe für sich! Letztes Jahr hatte ich auf Empfehlung einiger Leute, die Gartenbücher schreiben, einen Versuch mit feuerroten Tulpen und Vergißmeinnicht gemacht. Das war sehr hübsch, aber ich wünschte, diese Gartenberater könnten meine Beete mit gemischten Tulpen sehen. Ich jedenfalls habe noch nie etwas so hinreißend Fröhliches erblickt. Die einzigen, die ich ausschließe, sind die rosenfarbenen; aber Scharlachrot, Gold, zartestes Rosa und Weiß habe ich beisammen, und die Wirkung ist unbeschreiblich beglückend. Wenn die Tulpen welken, wachsen die Vergißmeinnicht höher, überwuchern sie schließlich ganz und verbergen liebevoll das Traurige ihres Verfalls. Sie bleiben dort stehen, Wolken von sanftem Blau, bis die Tulpen ganz verwelkt sind. Dann werden sie weggenommen, um Platz für die tiefroten Geranien zu machen, die auf den beiden Rabatten den ganzen Sommer blühen und nach Herzenslust in der Sonne lodern. Ich habe gern hier und da einen kräftigen Farbfleck, und die Geranien lassen die Lilien, die im Halbkreis um die kostbaren Teerosen Wache stehen, noch weißer und durchsichtiger erscheinen.
In den ersten beiden Jahren war ich fest entschlossen, in meinem Garten ganz nach meinem Geschmack vorzugehen, keine Pflanzengruppen zu setzen, die ich nicht geplant hatte, und auch keine Gewächse außer denen, die ich kannte und liebte. Da ich fürchtete, ein erfahrener Gärtner würde Nutzen aus meinem damals noch nahezu grenzenlosen Unwissen ziehen und mir diese Alpträume von Beeten aufdrängen und den Garten mit jenen scheußlichen Salatmischungen füllen, wie ich es so oft in den Gärten der gleichgültigen Reichen gesehen hatte, wollte ich nur einen anspruchslosen Mann mit wenig Ehrgeiz, einen, den ich leicht davon überzeugen konnte, soviel, ja noch mehr zu wissen als er selbst. Ich hatte drei von diesen unbedarften Männern hintereinander und lernte dabei, was ich schon lange vorher hätte entdecken müssen: Je weniger einer weiß, um so mehr beharrt er auf seiner Meinung, und gegen Dummheit ist noch kein Kraut gewachsen. Der erste der drei wurde gegen Jahresende schwermütig; der zweite war unglücklich verliebt, warf sein Werkzeug hin und gab seine Stelle auf, um der Sirene nachzulaufen, die ihm den Kopf verdreht und ihn sitzengelassen hatte, und als ich den dritten fragte, wie es wohl möglich sei, daß alles, was er gesät hatte, zufällig nie herauskäme, kratzte er sich am Kopf. Und da dies ein sicheres Zeichen für Unzulänglichkeit ist, schickte ich ihn fort.
Dann dachte ich ausgiebig nach. Ich war nun zwei Jahre hier und hatte mit Hilfe dieser Männer tüchtig im Garten gearbeitet. Ich hatte mein Bestes gegeben, alles zu lernen, was ich konnte, und ihn schön zu gestalten. Einen ungelernten Gärtner wollte ich, der mir besser gehorchte, und nur einen Gehilfen, damit ich meinen Garten ungestört genießen konnte. Eifrig hatte ich alle Gartenbücher studiert, die ich auftreiben konnte. Und ich hatte mich für eine einigermaßen intelligente Person gehalten und geglaubt, wenn jemand mit meinem Verstand sich voll und ganz einer Sache widmete, die ihm am Herzen lag, müßte es fast zwangsläufig zum Erfolg führen. Doch wie sah mein Garten nach zwei Jahren aus? Die Fehlschläge der ersten beiden Sommer hatte ich noch gelassen hingenommen; doch in diesem dritten Sommer kamen mir manchmal die Tränen, wenn ich mich umsah.
Was mich betraf, so hatte ich einiges dazugelernt. Ich wußte, was ich kaufen mußte, und hatte ziemlich genaue Vorstellungen davon, wann und in welchem Boden ich das säen und pflanzen konnte, was ich angeschafft hatte. Doch was nutzt es, gute Samen und Pflanzen und Zwiebeln zu haben, die man dann einem Gärtner aushändigen muß, der sich mit kaum verhohlener Ungeduld die sorgfältigen Anweisungen anhört, mehrmals Jawohl sagt und dann hingeht und sie so setzt, wie er es immer getan hat, nämlich in jedem Fall falsch? Mir waren ja die Hände gebunden. Unglücklicherweise habe ich nicht das richtige Geschlecht, sonst hätte ich gern den Platz mit ihm getauscht und ihn aufgefordert zu reden, während ich pflanzte, und da er vermutlich kaum etwas geredet hätte, wäre dies ein entschiedener Gewinn für den Frieden der Welt gewesen. Um den wäre es ganz sicher besser bestellt, wären den Frauen die Zungen und nicht die Hände gebunden, und sie könnten, falls sie wollten, damit arbeiten, ohne daß sich sofort ein Volksauflauf um sie versammelt. Ist es nicht eine Tatsache, daß die Zunge sich lange nicht so ungehemmt tummelt, wenn wir körperliche Arbeit verrichten? Manchmal werde ich richtig neidisch und es schmerzt mich, zu sehen, wie die Männer ihrer erfreulichen Arbeit im Sonnenschein nachgehen, die üppige, feuchte Erde umgraben, rechen, jäten, gießen, pflanzen, das Gras mähen, die Bäume schneiden – alles, was sie tun, vom Aufdecken der Rosen im Frühjahr bis zu den Laubfeuern im November, erfüllt meine Seele mit der Sehnsucht, hinzugehen und es ihnen gleichzutun. Aber es wird noch viel geschehen müssen, bis es mir gestattet ist zu graben, ohne Aufsehen zu erregen. Ich werde wohl noch einige Zeit damit zubringen müssen, meinen Groll zu hegen. Ich wünsche mir nur so sehr, daß die Bewohner dieser so einsamen und verlassenen Landstriche sich mit den Bemerkungen über die vermeintlichen Sünden hier ansässiger Frauen (Sünden sind allzeit ein beliebtes Klatschthema) zurückhielten und ihre harmlosen Verschrobenheiten duldeten. Bin ich stundenlang durch Wald und Heide gefahren, ohne einem Menschen zu begegnen oder ein Haus zu erblicken, so erfahre ich zu meiner Verblüffung bei der Heimkehr, ich habe an diesem Tag jene Strecke zurückgelegt und sei an dem und dem Ort gewesen. Das ist mir mehr als einmal passiert. Alles wird beobachtet und bemerkt – mit welcher Blitzgeschwindigkeit würde sich da die Neuigkeit verbreiten, man habe gesehen, wie ich mit der Hacke über der Schulter, einem Korb in der Hand und Jäten auf dem Gesicht geschrieben den Gartenpfad hinuntereilte! Und wie gerne würde ich doch jäten!
Ich glaube, das üppige Gedeihen des Unkrauts war es, was mich schließlich dazu brachte, mein Zögern aufzugeben, einen tüchtigen Gärtner und eine vernünftige Zahl von Gehilfen anzustellen. Denn eins hatte ich herausgefunden: Sosehr ich auch meine Abgeschiedenheit schätze, Brennesseln verabscheue ich noch mehr, und die Brennesseln schienen sich stets die Plätze auszusuchen, wo meine liebsten Blumen standen. Die drei unbedarften Männer unterlagen jedenfalls im Kampf gegen sie. Allerdings habe ich ein großes Herz für alles, was wächst, und manches Unkraut, das anderswo nie geduldet würde, darf sich in meinem Garten ungestört ausbreiten. Es ist so hübsch, so bezaubernd frech und besonders nett von ihm, alles Grünen und Blühen und Samentragen, ohne jede Hilfe und Ermutigung, ganz allein zustande zu bringen. Natürlich ärgert es mich, wenn es so unverschämt ist, zwischen meinen Teerosen und Stiefmütterchen zu sprießen, und auf den Wegen ist es mir auch nicht gerade willkommen. Aber im Gras zum Beispiel – warum sollen sich die armen kleinen Geschöpfe da nicht ihres Lebens freuen, anstatt mit einem messerscharfen Gegenstand Stück für Stück ausgegraben zu werden? Einmal kam ich in den Garten, da hatte gerade der letzte der drei Unfähigen, bewaffnet mit seinem Gerät, mitten auf der Gold- und Silberfläche, die man für gewöhnlich Rasen nennt, Aufstellung genommen, kratzte sich am Kopf, sah sich um und konnte sich nicht entscheiden, wo er anfangen sollte. Diesmal eilte ich Löwenzahn und Gänseblümchen zu Hilfe, und ich glaube, sie haben es bemerkt. Jedenfalls blicken sie, wenn ich komme, so munter drein, und mir scheint als stießen sich die Löwenzahnpflanzen bei meinem Anblick gegenseitig an und flüstern: »Da kommt Elizabeth, die ist in Ordnung, nicht wahr?« – denn natürlich drückt sich ein Löwenzahn nicht gerade besonders fein aus.
Aber Brennesseln gegenüber darf man nicht großzügig sein. Und sie führten letzten Endes die Lösung des Problems herbei, dem ich so lange den Rücken zugedreht hatte. Eines schönen Augustmorgens, als es im Garten nichts anderes als Brennesseln mehr zu geben schien und man schier glauben mußte, wir hätten nichts anderes getan, als sie in allen Varianten zu kultivieren, suchte ich den Grimmigen in seinem Arbeitszimmer auf.
»Mein lieber Mann«, begann ich, mit der leisen, besänftigenden Stimme eines Menschen, der lange dickköpfig gewesen ist und nun einlenken will, »würdest du bitte eine Annonce aufgeben für einen Obergärtner und die entsprechende Zahl von Gehilfen? Fast alle Zwiebeln und Samen und Pflanzen, für die ich mein Geld und meine Hoffnung verschwendet habe, sind als Brennesseln herausgekommen, und die mag ich nun mal nicht. Ich hatte diesmal einen schlimmen Sommer und will nie mehr einen unfähigen Gärtner hier sehen.«
»Meine liebe Elizabeth«, antwortete er, »es tut mir leid, daß du meinen Rat nicht früher befolgt hast. Wie oft habe ich dir gesagt, daß es Unsinn ist, einen inkompetenten Mann nach dem anderen zu engagieren? Das Gemüse, wenn wir überhaupt welches ernten, ist ungenießbar, und Obst bekommen wir ebenfalls keins. Deine guten Absichten in Ehren, aber es mangelt dir wirklich an Urteilsvermögen. Wann wirst du endlich lernen, dich auf meine Erfahrung zu verlassen?«
Ich ließ den Kopf hängen. Konnte er jetzt nicht mit Recht bemerken: »Ich hab’s dir ja immer gesagt« – was er tatsächlich schon seit zwei Jahren tat. »Ich verlasse mich nicht gern auf jemanden anderen«, murmelte ich, »und gegen anderer Leute Erfahrung habe ich ein ziemliches Vorurteil. Würdest du bitte noch heute die Anzeige aufgeben?«
Sie kamen in Mengen; es schien, als bestünde die halbe Bevölkerung aus stellungslosen Obergärtnern. Alle, die in Frage kamen, führte ich durch den Garten, und ich glaube, ich habe nie eine Woche mit mehr Niederlagen erlebt als in dieser Zeit. Natürlich hielten sie mit ihrer Meinung nicht zurück, denn ich hatte ihnen gesagt, ich hätte, seit wir hier sind, praktisch nur Gärtnergehilfen beschäftigt. Wenn sie sich mit höflichem Spott über eines der Beete