Christoph Sonntag, geb. 1962 in Waiblingen, ist seit über 25 Jahren zu Gast auf deutschen Bühnen und zählt zu den bekanntesten Kabarettisten im Land. Der Durchbruch gelang ihm mit seinem Programm »AZNZ – Alte Zeiten Neue Zeiten«. Er ist regelmäßig auf SWR3 zu hören und hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, u. a. Schwäbisch für Anfänger im Langenscheidt Verlag.

Christoph Sonntag

So, jetzt wär
des au g’schwätzt

Warum man uns Schwaben
gerne mal gernhaben kann

WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN

Originalausgabe 1/2015

Copyright © 2015 by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion: Johann Lankes, München

Umschlaggestaltung und Motiv:
Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-14670-2

www.heyne.de

Für Oscar

Inhalt

Einleitung

Der Schwabe und die Erotik

Die schwäbische Küche

Spitzenküche mit Spitzenköchen

Der schwäbische Dialekt

Der sparsame Schwabe

Schwaben und Humor

Der Schwabe und die Politik

Der Schwabe: Pionier und Erfinder

Die Kehrwoche

Schwäbische Dichter, Denker und (Fußball-)Lenker

Schwaben gegen Bayern – Warum wir den besseren Süden zu bieten haben!

Der Schwabe als Weltmarktführer

Der Schwabe außerhalb Schwabens – Kein leichtes Leben!

Ein Sonntag in New York

Die Weltgeschichte auf Schwäbisch

Alles halb so wild: Der Schwabe ist auch nur ein Mensch

Das ultimative Schwabenquiz

Einleitung

Zugegeben, das ist eine wirklich gute Frage: Warum sollte man uns Schwaben gerne mal gernhaben können? Oder sollen? Viele mögen uns ja schon! Oder, sagen wir so: das, was wir liefern. Wer etwas auf sich zählt, wirtschaftlichen Erfolg hat und frische Luft mag, jagt gerne im offenen Porsche 911er Cabrio 4S durch die Gegend. Andere lieben die gediegenen, gepflegten Limousinen von Daimler. Dritte schätzen uns für unsere stabile Arbeitsmarktlage, die hohen Löhne, die bei uns bezahlt werden, und den hohen Lebenswert, den unser Ländle bietet. Die einen gehen gern im herrlichen Bodensee baden oder wandern auf der Schwäbischen Alb über das Biosphärengebiet. Die anderen lieben die pulsierende, wach geküsste Metropolenprinzessin Stuttgart.

Wenn aber ein »Außerschwäbischer« gefragt wird, wie er es denn mit den Schwaben hält, verzieht er vorsichtshalber die Augenbraue. Es ist einfach schick, zu uns eine gewisse Distanz zu wahren. Wer die Schwaben mag oder ihren Dialekt schätzt, hat Angst, dass er sich damit als Liebhaber der Provinzialität outet. Mein Professor in Freising an der TU München im Studiengang Landschaftsplanung hat sich immer einen Spaß gemacht, bei der Vorlesung auf eine Wortmeldung von mir mit einem klischeehaften Schwabenwitz zu antworten. Also habe ich nach dem fünften Semester an der TU in Berlin weiterstudiert. Dort geschah Folgendes: In einer Projektgruppe mussten wir eine planerische Studienarbeit über zwei Semester hinweg erledigen. Als es darum ging, diese Arbeit im Plenum dem Professor vorzustellen, wählte die Projektgruppe einstimmig mich als Protagonisten aus. Ich war darüber sehr erstaunt und fragte meine Kommilitonen überrascht, was denn in Dreiteufels Namen ausgerechnet mich für diese Aufgabe auszeichne. Daraufhin ergriff eine aus Hannover stammende Mitstudentin das Wort und sagte: »Weißt du, Christoph, mit meinem Reinlaut ist alles, was ich sage, wie in Stein gemeißelt. Der Professor wird uns darauf festnageln, und es gibt keinen Ausweg mehr. Wenn aber du das machst, sagst du: ›… mir hamm des a bissle so rum geplant, und no hemmor halt denkt, es wär gscheit, wemmor dann den Weg so rum legt, weil dann do a bissle mehr Platz für den Spielplatz isch …‹, dann bekommt unsere ganze, konkrete Planung plötzlich etwas Spielerisches, was man jederzeit wieder ohne Gesichtsverlust zurücknehmen kann. Diese Aufgabe kannst nur du für uns machen!«

Ich musste tatsächlich 24 Jahre alt werden, um erleben zu dürfen, dass man meinem Dialekt etwas Positives abgewinnen kann. Ich habe damals diese Herausforderung angenommen. Am Ende meines Vortrages sagte der Professor zu mir: »Sie haben das alles schon sehr konkret geplant! Aber, im richtigen Leben müssen Sie so etwas einem Gemeinderat vorstellen, der fühlt sich dann überrannt und wird Ihnen das um die Ohren hauen! Das ist, wie wenn der in eine Gaststätte geht und nicht weiß, was er da zum Essen vor sich stehen hat!«

Daraufhin hielt ich unsere schriftliche Erklärung zur Planung in die Luft und antwortete: »Deshalb hemmor ja dem Gemeinderat hier no a Speisekarte gschriebe!«

Selbst der Professor musste lachen und gab uns für die Arbeit eine glatte Eins. Um ehrlich zu sein, es war vielmehr eine Eins bis Vier; egal, wir hatten den Schein.

Ich spielte damals schon als Kabarettist regelmäßig in allen großen Städten, vornehmlich vor kleinem Publikum. So auch im legendären »Senftöpfchen« zu Köln. Dort wurde Alfred Biolek, damals absoluter Topstar und Frontmann der ARD, auf mich und meine Kunst aufmerksam. Er lud mich zum Gespräch ein und wollte mir wirklich helfen. Bei der interessanten Unterhaltung sagte er mir Folgendes: »Du musst allerdings damit beginnen, hochdeutsch zu arbeiten. Ich kann dich nur dann mit ins Fernsehen holen, wenn du anständig sprichst; Schwäbisch hat leider keine Zukunft!«

Ich kann heute noch das Gefühl wachrufen, mit dem ich damals von Köln zurück nach Berlin gefahren bin. Ich fühlte mich mit einem Geburtsmakel behaftet und beschloss, ihn auszumerzen, und bin damit in die Schwabenfalle getappt: Ich habe ab sofort Hochdeutsch gesprochen. Oder eben das, was wir Schwaben für Hochdeutsch, die Berliner jedoch immer noch für tiefstes Schwäbisch halten. Dazu meldete ich mich bei der Sprecherziehung an und lernte in vielen mühevollen »Abraham-saß-nah-am Abhang«-Unterrichtsstunden, die schwäbische Farbe aus meiner Sprache zu verbannen. Und mit jeder Stunde, die ich dazu nehmen musste, fühlte ich mich mehr als Verräter: Diese Dialektsprache war einfach ein Teil von mir, und ich spürte immer mehr, dass ich nicht bereit war, sie abzulegen. Genauso wenig wie ich bereit gewesen wäre, mir den linken Arm abzuhacken, bloß weil das dann in Deutschland besser ankommt.

Dann hakte ich lieber mein Studium mit dem Ablegen der Diplomarbeit ab, zog zurück nach Waiblingen bei Stuttgart, fand wieder zu meinem Dialekt zurück und ließ mich vom Erfolg überrennen. Gut, es kennt mich heute nicht jeder in Mecklenburg-Vorpommern, aber fast jeder in Stuttgart. Und ich frage Sie: Was ist schöner?

Ich habe mich dem Schwabenland verschrieben, weil es mich von sich aus nie losgelassen hat. Ich bin dazu verdammt, es zu lieben, seit ich mich ihm ausnahmslos an den Hals geworfen habe. Und ich mache es gerne, denn die Liebe wird zunehmend erwidert. Auf diesem Weg möchte ich Sie gerne durch dieses Buch mitnehmen. Vielleicht mögen Sie uns Schwaben ja am Ende der Lektüre ein bisschen lieber? Dann hätte das Buch schon seinen Zweck erfüllt. Vielleicht schauen Sie danach auch nur etwas anders auf uns und verstehen Ihre Abneigung gegen uns besser? Auch damit wären wir schon zufrieden. Denn wir Schwaben sind ja, wie man weiß, genügsam. Ons langt scho ganz wenig!

Viel Spaß beim Lesen!

Ihr Christoph Sonntag

Der Schwabe und die Erotik

Bei der Überlegung, wie ich dieses Buch anpacken, schreiben und sortieren soll, fiel die Entscheidung: Ich beginne einfach mit dem Schönsten, was das Leben zu bieten hat – der Erotik. Und schiebe im Folgekapitel das Zweitschönste nach: das Essen. Viele von Ihnen werden die Nase rümpfen und sagen: Schwabe und Erotik? Das hört sich doch an wie Reiner Calmund und Magersucht oder wie Wladimir Putin und sexuelle Vielfalt. Leider kann ich Ihnen bereits im ersten Kapitel dieses Buches nicht voll widersprechen; jahrhundertelang hat der Schwabe bei der Partnerwahl nämlich romantische Gefühle hintangestellt – Werte wie Grundbesitz, ein Eigenheim oder zumindest ein zuteilungsreifer Bausparvertrag waren da schon eher primäre Punkte, die bei der Suche nach dem passenden Partner im Vordergrund standen und selbigen in ein romantisches Licht tauchen konnten. Esoterisch ausgedrückt: Eine dicke Geldbörse versetzt den Besitzer in monetäre Schwingung, und die kommt beim Gegenüber als Sex-Appeal und Attraktivität an.

Auch will der Schwabe bei der entscheidenden Frage gerne auf Nummer sicher gehen und formuliert einen Heiratsantrag daher oft sehr vorausschauend: »Dädsch du mi eventwell möga, wenn i di au möga däd?«

Bei derlei rational gesteuerten Annäherungsversuchen fällt es natürlich schwer, sich den Schwaben im Bereich der Körperlichkeit als feurigen Liebhaber vorzustellen. Und in der Tat: Die Kombination Schwabe und Erotik geht auf den ersten Blick so wenig zusammen wie Sigmar Gabriel und ein Volkshochschulen F-Kurs im »Ausdruckstanz«.

Allerdings scheint es ja doch irgendwie mit der Fortpflanzung zu klappen, denn mit 1,36 Kindern pro Paar (Frage: Wer bekommt bei einer Trennung eigentlich die 0,36 Kinder und wie viel zahlt man laut Düsseldorfer Tabelle so einem Drittels-Balg an Unterhalt?) liegt das Ländle genau im bundesdeutschen Schnitt. Spitzenreiter hier ist übrigens Sachsen mit 1,48 Kindern – verständlich, dass man dort umgehend vom Reden zum Tun kommt, denn zu lange Gespräche im sächsischen Dialekt könnten sicher jede erotische Stimmung im Handumdrehen zerstören.

Wir sehen: Ihrer Pflicht zur Arterhaltung kommen die Schwaben ebenso mehr schlecht als recht nach wie der Rest der Deutschen; ob dies aber auf besonders befriedigende Weise geschieht, das sei mal dahingestellt.

Hier soll es nun also eher um das »Wie« gehen. Auch im Bereich der Liebe hat die Sozialisation durch den Pietismus, über den ich in diesem Buch noch reden werde, natürlich ihre Spuren hinterlassen, denn neben der Arbeit und der Gottgefälligkeit hatten wilde amouröse Vergnügungen bei uns wenig Platz. Und noch heute lebt mancher Schwabe im Spannungsfeld zwischen Erregung und Disziplin, was das erotische Vergnügen angeht.

Auch im Bereich der ehelichen Treue sind die Wurzeln des Pietismus nicht zu verleugnen, denn der Schwabe tut sich hier schwer, aus den vorgegebenen Mustern auszubrechen. Auf die Frage nach Seitensprüngen antwortet er gern: »Oh, wenn no’s schlechte Gwissa net wär.«

Mancher findet aber doch einen Weg, Gewissen und Lustgewinn in Einklang zu bringen: »Meiner Frau bleib i treu – und mit de andere wechsle halt so ab.«

Allzu routiniert scheint der Schwabe aber nicht zu sein, wenn es ums Verbergen von außerehelichen Affären geht: Beide liegen im Bett, als plötzlich das Telefon klingelt. Sie nimmt den Hörer ab und sagt: »Isch in Ordnung, ade.«

»Wer war denn des?«, fragt der Liebhaber.

»Des war mein Mann. Er hot gsagt, er käm später, weil er mit dir no a Viertele trinkt.«

Auch statistisch lässt sich nachweisen, dass der Schwabe im Bereich des Fremdgehens eher zurückhaltend agiert. In der Rangliste der Bundesländer liegt er mit Rheinland-Pfalz und Bremen an vorletzter Stelle. Spitzenreiter ist Brandenburg – klar, was soll man dort abends auch sonst noch groß anderes machen?

Schwabe und Sex – eine Welt voller Widersprüche. Das sieht man allein an der Kleidung. Schon der berühmte Kittelschurz, den die schwäbische Hausfrau früher anscheinend nur beim Zubettgehen ablegte – und vielleicht nicht einmal da – stellt ja ein höchst unerotisches Kleidungsstück dar, das jegliche körperlichen Vorzüge der Frau verbirgt. Man könnte sich vorstellen, dass sich die fanatischen Islamisten bei der Erfindung der Burka am Kittelschurz orientiert und diesen dann weiterentwickelt haben.

Auch über das »Darunter« gibt es viele böse Witze – so wie die Frage, warum schwäbische Frauen keine Stringtangas tragen. Weil man die später nicht noch jahrelang als Putzlappen weiterbenutzen kann! Einzige denkbare Folgenutzung: Zahnseide!

Auf der anderen Seite waren es zwei Schwaben, welche im 19. Jahrhundert im kleinen Ort Heuberg eine Firma gründeten, die heute vor allem für verführerische Unterwäsche steht: Triumph. Der Kaufmann Michael Braun und der Korsettmacher Johann Gottfried Spießhofer eröffneten 1886 dort eine Korsettmanufaktur. Anfangs ging es natürlich eher um das Verhüllen, Wärmen und Schützen, aber schon bald wurden die ersten Dessous entwickelt.

Zwischen Kittelschurz und Strapse – das beschreibt das Spannungsfeld ganz gut, in dem sich der Schwabe erotisch bewegt!

Auch in der schwäbischen Geschichte finden sich durchaus einige Schwerenöter, die sich gern den fleischlichen Genüssen hingegeben haben. So soll Herzog Carl Eugen von Württemberg (1728–1793) es gar so wild getrieben haben, dass die Zahl seiner Nachkommen völlig unüberschaubar gewesen sein soll. Und da er sein Erbgut so nachhaltig verstreut hat, müsste es ja auch irgendwo noch in der schwäbischen Gesellschaft vorhanden sein!

Friedrich Schiller war ebenfalls dem weiblichen Geschlecht ganz und gar nicht abgeneigt, und selbst die baden-württembergischen Ministerpräsidenten haben sich immer bemüht, dem Land Kinder zu schenken. Überraschend allerdings, dass die meisten Kinder ausgerechnet Erwin Teufel in die Welt setzte – ein Mann, der die hocherotische Ausstrahlung einer Nasenscheidewand-OP versprüht!

Sein Vorgänger Lothar Späth trennte sich übrigens nach 51 Ehejahren von seiner Frau. Dazu passt der Witz vom Ehepaar, beide fast 100, die sich scheiden lassen wollen. Der Scheidungsrichter fragt fassungslos: »Ja, warum wollen Sie denn jetzt noch auseinandergehen?« Antworten die beiden unisono: »Mir henn halt gwartet, bis die Kender nehme lebet!«

Manchmal gibt es auch den etwas plumpen Versuch, schwäbische Eigenheiten mit Erotik zu verknüpfen, um ein Geschäft daraus zu machen. So wurde 2009 in Fellbach bei Stuttgart ein sogenanntes Flatrate-Bordell eröffnet. Für 100 Euro sollten die Freier so oft und so lange, bis halt, na ja. Als ich das erste Mal davon gehört habe, hab ich mir spontan einen dicken schwitzigen Mann im All-inklusive-Restaurant vorgestellt, wie er sich am Büfett fünf Wiener Schnitzel auf den Teller lädt und doch schon beim ersten schlapp macht.

Inzwischen ist das Projekt allerdings gescheitert: Es hatten sich Bürgerinitiativen gebildet, und schließlich war dieses Geschäftsmodell auch den Behörden mehr als suspekt. Die Betreiber wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen Zuhälterei und weiterer Delikte zu Haftstrafen verurteilt.

Und doch: Manchmal obsiegt beim Schwaben auch heute noch die Aussicht auf einen finanziellen Vorteil über die Lust. Wie bei Frieder S., der nach einem harten Arbeitstag an der Bar sitzt und sich einen Drink genehmigt, einen kuhwarmen Trollinger, als diese wunderschöne und sexy junge Frau hereinkommt. Sie sieht so gut aus, dass Frieder sie nicht aus den Augen lässt und sie mit seinen Blicken verschlingt.

Die Frau bemerkt dies auch gleich und geht direkt zu ihm hin. Noch bevor sich Frieder für sein aufdringliches Benehmen entschuldigen kann, sagt die Frau: »Ich tue alles, absolut alles, was du von mir verlangst, ganz egal, wie ausgefallen deine erotischen Wünsche sind, für 100 Euro und unter einer Bedingung.«

Überrascht fragt der Frieder: »Was wär des no fir a Bedingung?«

Die Frau antwortet unumwunden: »Du musst das, was du von mir wünschst, in nur drei Worten sagen.« Frieder überlegt für einen Moment, holt seine Brieftasche heraus, blättert langsam zwei 50 Euroscheine auf den Tisch und gibt sie der Frau. Dann schaut er tief in ihre Augen und sagt mit sonorer, warmer Stimme: »Streich – mei – Haus!«

Nun sollen einige Beispiele aber noch zeigen, dass der Schwabe inzwischen durchaus auf einem guten Weg ist, die traditionelle Verklemmtheit der Vergangenheit abzulegen, und sich auch einfach mal fallen lassen kann. In Stuttgarter Clubs und Discos und auf den Volksfesten geht es mittlerweile nicht minder zur Sache als in anderen Metropolen. Darüber hinaus gibt es im Ländle noch ein paar besonders interessante Einfälle in Sachen erotisches Vergnügen.

So existiert ein Schiff mit dem sinnigen Namen MS Schwaben, welches normalerweise entspannte Fahrten für Rentner und Familien über den Bodensee anbietet. Zweimal im Jahr allerdings verwandelt es sich in einen schippernden Swingerklub. Einmal spricht es dabei sogar Freunde der härteren Gangart aus dem SM-Bereich an und sticht dann als »Torture ship« in See – ob es an diesem Tag dann in »SM Schwaben« umgetauft wird, ist allerdings nicht bekannt.

Inzwischen haben sich allerdings auch hier kritische Geister zu Wort gemeldet, die das schwäbische Love-Boat allzu unzüchtig finden. Dabei passt die ganze Sache doch gut nach Konstanz, welches schon früh bewiesen hat, gar keine so lustfeindliche Stadt zu sein. Während des Konstanzer Konzils vor 600 Jahren diskutierten zahlreiche Kirchenvertreter nicht nur über den Kurs der Kirche, sondern waren daneben wohl auch durchaus dankbar über Ablenkung der anderen Art, denn über 700 Prostituierte sollen sich damals in der Stadt aufgehalten haben – notiert wurde das übrigens vom offiziellen Konzilschreiber. Das heißt, wenigstens einer hatte damals abends Zeit zum Arbeiten.

Noch heute erinnert die neun Meter hohe Statue der »Imperia« am Konstanzer Hafen an die Damen, die damals für die horizontale Unterhaltung der Kirchenmänner sorgten. Passenderweise wurde diese Statue vor 20 Jahren übrigens von den Bodensee-Schiffsbetrieben initiiert. Dann passt das ja auch wieder zur MS Schwaben.

Der künstlerische Schöpfer der »Imperia«, Peter Lenk, ist übrigens einer, der bundesweit erotische Diskussionen auslöst. Er hat das Kunstwerk »Friede sei mit Dir!« geschaffen, das den Bild-Chefredakteur Kai Diekmann darstellt mit einem fünfstöckigen Penis. Das Kunstwerk ziert die Ostfassade des Rudi-Dutschke-Hauses in Berlin, den Redaktionssitz der linksalternativen Tageszeitung taz. Damit sollte eigentlich die in Sichtweite liegende Redaktion der Bild-Zeitung provoziert werden, groteskerweise gab es aber vor allem Ärger mit den emanzipierten Damen der taz, die nicht frühmorgens unter einem übermächtigen Penis das Verlagshaus betreten wollten, was wiederum genüssliche wochenlange Berichterstattung der Bild nach sich zog. Ironie der Geschichte halt! Jedenfalls hat sich Peter Lenk mit diesem Kunstwerk bundesweite Aufmerksamkeit verschafft.

Sogar einer eher biederen Transportmöglichkeit wie der Bahn kann schwäbischer Einfallsreichtum noch etwas in Sachen Erotik abgewinnen. Assoziiert man diese Art der Fortbewegung doch eher mit nervigen Wartezeiten, engen Abteilen und überdrehten Kegelvereinen, so fährt ab und an von Stuttgart aus ein ganz besonderer Zug, der dem Begriff Verkehrsmittel eine ganz neue Bedeutung verleiht.

Der »unverschämte Zug« bietet neben einigen Party-Waggons zum Abfeiern auch Möglichkeiten, sich diskret zurückzuziehen und noch intensiver zu vergnügen. Ob irgendwann auch der freundliche Brezelverkäufer zusteigt, konnte ich bei meinen Recherchen allerdings nicht herausfinden. Solche Möglichkeiten können ja dabei helfen, etwas mehr Schwung in das eingeschlafene Liebesleben einer langjährigen Ehe zu bringen. Immer noch günstiger, als einen teuren und langwierigen Scheidungsprozess durchzustehen!

Manchmal allerdings hilft auch das Schicksal weiter: Auf der Schwäbischen Alb wird die Bäuerin vom Pferd getötet. Bei der Beerdigung kondolieren alle Einwohner des Dorfes, wobei die Männer immer besonders lang beim Bauer stehen bleiben und der Witwer jedes Mal energisch den Kopf schüttelt.

Der Pfarrer geht davon aus, dass jeder den Witwer danach fragt, ob man ihm irgendwie helfen könnte. Also fragt er ihn ebenfalls: »Kann dann wenigstens i äbbes für Sie tun?«

»Noi danke. Des isch aber nätt, weil Sie senn bis jetzt der oinzigschde, wo mi des frogt!«

»Warum haben Sie denn dann bei jedem, der Ihnen kondoliert hat, den Kopf geschüttelt?«, fragt der Pfarrer verwirrt.

»Ach so! Dia henn älle gfragt, ob se den Gaul kaufe könnet, der mei Weib hedabbt hodd!«

»Ha«, empört sich da der Pfarrer, »da henn die Männer Ihne aber ein erbärmliches, pietätloses Schauspiel bote!« – »Noi«, entgegnet der Witwer, »für des gscheite Pferdle oifach z’wenig Geld!«