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Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen: Materialdienst 6/10.
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Zentrum für Geistiges Heilen: Werbeblatt.
Die Sekte ist ein sehr alter Begriff, der bis heute durchaus für Verwirrung sorgen kann. Inzwischen kann vermutlich fast jeder Erwachsene mit diesem Begriff etwas anfangen, ohne sich der Hintergründe, die in der Diskussion notwendig sind, bewusst zu sein. In der allgemeinen Wahrnehmung ist das Wort Sekte zweifellos negativ konnotiert. Allerdings ist damit häufig ein Problem verbunden, das zu selten in diesem Zusammenhang diskutiert wird. Betroffene sehen sich, auch nach einem Bruch mit der sektiererischen Gemeinschaft, einer gesellschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt. Zum einen sind viele Menschen fest davon überzeugt, sie persönlich könnten niemals in eine Sekte geraten. Zum anderen wird betroffenen Personen schnell unterstellt, sie seien ohnehin gesellschaftlich nicht zurecht gekommen. Die am häufigsten vertretene These ist wohl diese: Ein Mensch muss labil sein oder sich in einer Lebenskrise befinden, um sich einer Sekte anzuschließen. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren wird auch gerne auf die vermeintlich weit verbreitete neue Sinnsuche verwiesen.
Solche Vermutungen mögen bei der einen oder anderen als Sekte bezeichneten Gruppe und bei einzelnen Personen stimmen. Die aber in der Regel sehr allgemein formulierten Beschreibungen der unterschiedlichen Gruppen deuten eher auf eine Abgrenzung von als gesellschaftlich korrekt wahrgenommenen Verhaltensweisen hin. In den letzten Jahrzehnten haben sich vermeintlich für alle Gruppen geltende Merkmale in die allgemeine Diskussion eingeschlichen. Wenn allein formale Kriterien zur Feststellung eines eventuell vorhandenen Gefahrenpotenzials für Mensch und Gesellschaft ausreichen, macht man es sich zu leicht. Bei fast allen Gruppierungen, die unter den Begriff der Sekte subsumiert werden, gibt es bestimmte Parallelen, aber häufig macht nur die genaue Kenntnis des Innenlebens die wirkliche Gefahr deutlich. Diesen internen Bereich zu durchschauen ist nicht einfach, da die Initiatoren solcher Gruppen verständlicherweise genau dies zu verhindern suchen. Damit ist allerdings auch eine formale Vorgabe für die Einschätzung der Gefährdung erfüllt: Personen, die nicht der Gruppe angehören, oder die gesamte Außenwelt sind je nach Ausrichtung der Sekte entweder feindlich und böse oder noch nicht in der Lage, die guten Ideen zu erkennen.
Man könnte sich also bei der Beschreibung von Gruppen, die bestimmte Merkmale aufweisen, vielleicht noch auf den allgemeinen Sektenbegriff verständigen, aber das setzt gleichzeitig eine gewisse Kenntnis und Einstellung zu den Ideen und Verhaltensweisen dieser Gruppen voraus.
Die Gleichsetzung des Begriffs Sekte mit einer fest gefügten Gruppe wird dem Phänomen nicht gerecht, zumal oft vernachlässigt wird, wer die Zuordnung vornimmt und welche Position oder ideologische Herkunft er oder sie hat. Ab wann ist eine ideologische Gemeinschaft mit oder ohne religiösen Ansatz eine Sekte?
Es lohnt sich also, etwas mehr Klarheit in diese immer wiederkehrende Debatte um die sogenannten Sekten zu bringen, besonders deshalb, weil von kirchlicher Seite in Deutschland problematische Gruppen mit Bezug auf die christliche Lehre von der Diskussion häufig ausgegrenzt werden.
Eines ist dabei unbestreitbar: Der Begriff hat etwas mit Religion oder Glaubensinhalten zu tun, und das schon seit langer Zeit.
Das Brockhaus-Lexikon gab bereits vor 125 Jahren folgende Erläuterung: »Sekten nannte man ursprünglich die philos. Schulen, welche durch Verschiedenheit ihrer Prinzipien und Methoden gegeneinander sich abschlossen. Im kirchlichen Sprachgebrauch wurde das Wort auf die kleineren religiösen Parteien übertragen, die wegen Verschiedenheit in Lehre, Kultus und Sitte von den großen Kirchengemeinden sich absonderten. Nicht nur das Christentum, sondern alle ausgebildeten Religionen haben S. aufzuweisen. Die Anhänger einer S. heißen S e k t i e r e r«. Sektierer also. Schon 1886 wird damit die Ausgrenzung vom großen Ganzen formuliert. Die negative Zuordnung hat Geschichte.
Was eine Gruppe zu einer Sekte macht, füllt viele Bücher, Vorträge und Internetseiten. In der Beratungsarbeit fällt auf, dass Klienten im Zusammenhang mit Auffälligkeiten einer veränderten Lebensweise von Angehörigen häufig nachfragen, ob die Person, um die sie sich sorgen, Mitglied einer Sekte sein könnte. Falls sich im Laufe des Gesprächs durch Nachfragen ergibt, dass die klassische Sektendefinition in diesem Fall nicht passt, zeigen die Klienten häufig ihre Erleichterung, weil nach ihrer Einschätzung dann keine Gefahr droht. Welcher Irrtum damit verbunden sein kann, wird später aufgezeigt.
Wenn allerdings der Begriff Sekte verwendbar erscheint, wird die Verstrickung in ideologische Gemeinschaften als Gefährdung wahrgenommen, und zwar sowohl nach Meinung einzelner Menschen als auch in der Öffentlichkeit.
Wer sich an der Debatte um sogenannte Sekten beteiligt oder beruflich mit ihren Opfern in Berührung kommt, ist ir-gendwann gezwungen, sich mit Definitionen auseinanderzusetzen. Die amerikanische Psychologin Margaret Thaler Singer unterscheidet mehrere Merkmale: »Für den Begriff Sekte, wie ich ihn hier gebrauche, sind drei Faktoren von Relevanz: 1. Die Entstehung der Gruppe und die Rolle des Führers, 2. die Machtstruktur, also die Beziehung zwischen dem Führer (oder den Führern) und den Anhängern, 3. der systematische Einsatz von Überredungs- und Überzeugungstechniken (Techniken der mentalen Programmierung, im allgemeinen Sprachgebrauch auch Gehirnwäsche genannt)«.
Der Historiker und Psychiater Robert Jay Lifton leitet das Forschungszentrum für Gewalt und menschliches Überleben am New Yorker John Jay College und analysiert die Gefahren, die im 21. Jahrhundert drohen: »Ich bin mir bewußt, daß der Gebrauch des Begriffs ›Sekte‹ (cult) wegen seines abschätzigen Beiklangs im Unterschied zum neutraleren Begriff ›neue Religion‹ umstritten ist. Ich gebrauche in diesem Buch beide Termini, doch ebenso wie in meinen früheren Arbeiten verwende ich den Begriff ›Sekte‹ nur für Gruppen, die folgende drei Merkmale aufweisen: totalitäre Praktiken oder Formen der Gehirnwäsche, statt einer Verehrung spiritueller Prinzipien die Verehrung eines Gurus oder Führers und eine Verbindung aus spiritueller Suche von unten und – zumeist ökonomischer und/oder sexueller – Ausbeutung von oben.«
Aber nicht nur im psychologischen Kontext wie bei Margaret Singer oder in der Absetzung zu den sogenannten neuen Religionen wie bei Robert Lifton findet sich der Begriff Sekte. Es scheint, dass die so negativ besetzte Bezeichnung gerne zur Beschreibung vieler unbegreiflicher oder schwer erklärbarer Vorkommnisse und als ultimativer Ausdruck für den Schrecken benutzt wird, der von solchen Gruppierungen offenbar ausgeht. So begegnet man dem Begriff auch im politischen Kontext, wenn ein großes Hamburger Nachrichtenmagazin im Zusammenhang mit der Diskussion um die Rote Armee Fraktion (RAF) in den 1970er Jahren schreibt:
»Haddads Angebot läutete das Finale des ›Deutschen Herbstes‹ ein. An seinem Ende, vor 25 Jahren, waren weitere acht Menschen tot, zwei schwer verletzt und die letzten Reste der Fassade, die die RAF als politische Gruppierung erscheinen ließen, waren zerstört. In ihrem Totentanz entpuppte sich die selbst ernannte ›Stadtguerilla‹ als Sekte, deren Revolutionshalluzinationen auf ein einziges Ziel zusammengeschnurrt waren: Die Befreiung ihrer Götter, allen voran Andreas Baader …«.
Hier wird deutlich, dass auch aktuelle politische Ereignisse und darin verwickelte Personen zur Sekte werden können. In einer anderen Ausgabe des Nachrichtenmagazins wird der ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, zitiert mit der Formulierung, die Truppe um die damaligen US-amerikanischen Politiker Rumsfeld und Wolfowitz sei eine »politische Sekte«.
In die Politik und die dazu gehörende Berichterstattung hat der Begriff in den unterschiedlichsten Zusammenhängen Eingang gefunden. Mit der klassischen Auseinandersetzung hat sich der Deutsche Bundestag ebenso beschäftigt wie mit der Definition des Sektenbegriffs. Die Enquete-Kommission, die seinerzeit auf Antrag der SPD-Bundestagsfraktion eingesetzt wurde (1996 bis 1998), machte in ihrem Endbericht zunächst den Versuch, dem Begriff von unterschiedlichen Seiten gerecht zu werden, um dann vorzuschlagen, sich ganz von ihm zu verabschieden. Dies war ein gescheitertes Vorhaben, wie sich anschließend gezeigt hat. Das nach mühsamen Debatten in der Enquete-Kommission gefundene Wortungetüm »neureligiöse, ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen« kommt der Problematik schon näher, da es eine Differenzierung vornimmt. Klarheit jedoch sieht anders aus. Beerdigt wurde der Begriff »sogenannte Sekten und Psychogruppen«. Verwendet werden die Termini Sekte und Psychogruppe immer noch, weil sie eingängig und fest im Sprachgebrauch verhaftet sind. Den Forderungen eines anderen Umgangs mit der Formulierung, um der gesellschaftlichen Relevanz der Problematik Rechnung zu tragen, ist die Kommission damit in keiner Weise gerecht geworden. Diese Forderungen hat Wolfgang Hübner sehr treffend zusammengefasst: »Um die kritische Rezeption (zum Sekten- und Psychomarkt – die Verf.) zu erhöhen, bedarf es: eines gewandelten Problembewusstseins in der Öffentlichkeit und in der Politik, der Bereitschaft der zuständigen Stellen, ihre Beratung u. a. auf sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu gründen, eines veränderten Sprachgebrauchs über die Sekten, der Einrichtung verschiedener Forschungsschwerpunkte zur differenzierten Untersuchung der Vielgestaltigkeit, einer Vermittlungsinstanz für diese systematischen Arbeiten und des Transfers des erarbeiteten Wissens aus Forschung und Lehre in die Beratungspraxis wie in die Öffentlichkeit.«
Seit dem Jahr 1996 hat sich an diesen Forderungen nichts geändert, weil nicht daran gearbeitet wurde, diese Forderungen auch nur im Ansatz zu erfüllen. Die seitenlangen Forderungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages liegen vor, keine davon ist umgesetzt, nicht eine. Geradezu klassisch wurde dem Bericht der Kommission im parlamentarischen Geschäft eine Beerdigung dritter Klasse zuteil: Er kreiste in den Ausschüssen, dann kam die Bundestagswahl, und alles fiel der sogenannten Diskontinuität zum Opfer. Das Thema war zumindest politisch erledigt, und die Szene konnte sich in Ruhe weiter ausbreiten und mehr und mehr Opfer hervorbringen.
Bei einem Blick in das Nachbarland Frankreich kann man neidisch werden. Auch dort hat sich die Nationalversammlung mehrfach mit der gesellschaftlichen Problematik befasst. Die Berichte des Parlaments wurden jedoch ernst genommen und zum Teil in Gesetze gegossen. So kann z. B. in Frankreich auch eine Körperschaft (Vereine, Firmen etc.) bei strafbaren Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden. In Deutschland kennt das Strafgesetzbuch nur den Einzeltäter. Die Enquete-Kommission hat dieses Manko erkannt. Allerdings wurde die Forderung der Einführung einer strafrechtlichen Verantwortung für juristische Personen und Vereinigungen im Gegensatz zu Frankreich nie umgesetzt. Eine Verhängung von Strafen, Maßregelungen oder andere Sanktionen gegen kriminelle Unternehmen, Vereine oder sonstige Personenzusammenschlüsse ist somit noch nicht möglich. Natürlich gibt es auch in Frankreich politisch noch einiges auf diesem Feld zu tun, allerdings unterscheidet die beiden Nachbarländer etwas Grundsätzliches: die Trennung von Staat und Kirche. Der Laizismus ist in Frankreich politischer Wille und wird von den Menschen konsequenter gelebt als in vielen anderen Ländern, die Gleiches von sich behaupten. In Deutschland gibt es keine wirkliche Trennung von Staat und Kirche. Bei keiner anderen gesellschaftlichen Diskussion wie der um die sogenannten Sekten wird es so offenbar. Dies hängt maßgeblich damit zusammen, dass wohl die Mehrheit der Bundesbürger selbstverständlich von einem religiös neutralen Staat ausgeht und davon, dass die christlichen Kirchen einzig und allein am Wohlergehen ihrer Mitglieder interessiert seien. Aber Kirchen und Religionsgemeinschaften sind niemals unpolitisch, sondern immer bestrebt, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.
Der allgemeine Irrtum der vermeintlichen Trennung von Kirche und Staat hat seine Grundlage im Artikel 4 des deutschen Grundgesetzes (GG), der, so die allgemeine Wahrnehmung, vermeintlich religiöse Institutionen vor Eingriffen des Staates schützt und dafür sorgt, dass die Kirchen sich auf die ihnen zugedachten Aufgaben konzentrieren.
Er schützt allerdings keine Gemeinschaften, sondern die Individuen vor Eingriffen des Staates hinsichtlich ihres Glaubens. »Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.« Kein Wort darüber, dass dies nur in einer Gemeinschaft zu gewährleisten ist. Das Gegenteil ist der Fall. Der Staat hat sich nicht darum zu kümmern, ob der einzelne Bürger seines Landes an intergalaktische Kriege, an einen Gott oder mehrere Götter oder an Satan glaubt. Auch wenn ein Mensch in Deutschland seine Tulpen im Garten anbetet und ihnen spirituelle Kräfte zuordnet, ist das gedeckt von der Freiheit des individuellen Glaubens, und das Niederknien vor den Tulpen ist als ungestörte Religionsausübung frei von staatlichen Sanktionen.
Andererseits bedeutet der Artikel 4 des Grundgesetzes keinen Freibrief, hinter dem sich sämtliche Aktivitäten verstecken können. In dem Moment, wo andere Menschen betroffen sind und im Namen der individuellen Ausübung des Glaubens juristische Grenzen verletzt werden, endet auch hier die Freiheit.
Die Regelungen für Glaubensgemeinschaften finden sich in den Artikeln 136-139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung (WRV).
»Artikel 136: Die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten werden durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt. Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden. Artikel 137: Es besteht keine Staatskirche. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluss von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.
Artikel 138: Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf. Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohlfahrtszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet.
Artikel 139: Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Artikel 141: Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.«
In Bezug auf die Bekenntnis- und Religionsfreiheit in Deutschland wird deswegen der Artikel 4 GG immer in Verbindung mit Art 136-139 und 141 WRV genannt. Aus der Weimarer Zeit stammen die übernommenen Privilegien, die nach diesen Artikeln die Gemeinschaften erhalten, die danach Körperschaften des öffentlichen Rechts geworden sind. Die christlichen Kirchen wollten auf ihre Privilegien aus der Weimarer Zeit nicht verzichten. Aus diesen Artikeln, nicht aus Artikel 4 GG, leitet sich unter anderem das Recht ab, Kirchensteuer über das staatliche Finanzamt einzuziehen, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen den Glauben zu verkünden und an staatlichen Schulen Religionsunterricht zu erteilen.
Da die wenigsten Menschen mit dem Grundgesetz unter dem Arm ihrer täglichen Arbeit nachgehen und die Diskussion um Religion und Glaube in der Regel im Zusammenhang mit Institutionen geschieht, ist es verständlich, wenn selten differenziert wird. Dadurch können auch sehr umstrittene Gemeinschaften, die von sich behaupten, irgendeine Form von Religionsausübung zu tätigen, in der Öffentlichkeit zunächst viel Sand in das Diskussionsgetriebe streuen, bis erkannt werden kann, dass hinter der angeblichen Religion andere Interessen stecken.
Die christlichen Kirchen haben bei der Fassung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland mit der Übernahme der Vorschriften aus der Weimarer Reichsverfassung mit dafür gesorgt, dass nicht nur ihre Privilegien aus der damaligen Zeit erhalten blieben, sie haben darüber hinaus erreicht, dass es eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche nicht gibt. Daran soll auch politisch nichts geändert werden. In der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat sich nur die Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion, bestehend aus Abgeordneten und Sachverständigen, in einem Sondervotum dafür ausgesprochen, dem Deutschen Bundestag einen Prüfauftrag zu empfehlen, sich den in diesem Zusammenhang entscheidenden Artikel 140 GG verfassungsrechtlich anzusehen. Die Empfehlung beinhaltet die ausdrückliche Aufnahme von Kriterien wie Rechtstreue und die Loyalität gegenüber dem demokratisch verfassten Staat als Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bei Religionsgemeinschaften.
Da selbst die mit großer Mehrheit (in der Regel gegen die Stimme der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen) verabschiedeten Handlungsempfehlungen der Kommission keine Umsetzung im Deutschen Bundestag erleben, gilt dies natürlich erst recht bei einem Sondervotum einer einzelnen Partei.
Solange aber die großen christlichen Konfessionen in der Politik so viel Einfluss haben, wird es – so steht zu befürchten – in Deutschland keine klaren Entscheidungen im Sinne der Opfer geben bzw. keinen Verbraucherschutz auf dem sogenannten Psychomarkt. Hören wir endlich mit der Behauptung auf, den Menschen schadeten nur solche Ideologien und Gruppen, die von den christlichen Kirchen als gefährlich und sektiererisch eingestuft werden. Die Diskussion muss von politischer und gesellschaftlicher Seite endlich aufgebrochen werden, damit die Kirchen endlich Verantwortung für die Bereiche übernehmen, von denen sie sich bisher erfolgreich abgesetzt haben. Andernfalls wird es weiterhin okkulte und esoterische Ansätze in Verbindung mit christlicher Glaubenslehre geben und entsprechende Gemeinschaften, die Menschen in die Abhängigkeit führen und mit freien, demokratischen Grundsätzen unvereinbar sind. Dies ist umso dringlicher, da in der Bundesrepublik Deutschland eine Verfestigung von Glaubensinhalten aller Art und eine zunehmende demokratieabträgliche gesellschaftliche Entwicklung zugunsten von Glaubensideologien feststellbar sind.