Ludwig Nohl

Mozart

Eine Musikerbiografie

Ludwig Nohl

Mozart

Eine Musikerbiografie

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020
1. Auflage, ISBN 978-3-962817-33-6

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Inhaltsverzeichnis

1. Die Kind­heit und die Ju­gen­drei­sen.

2. Die große Pa­ri­ser Kun­st­rei­se.

3. Ido­me­neo.

4. Ent­füh­rung. Fi­ga­ro. Don Juan.

5. Zau­ber­flö­te. Ti­tus. Re­quiem.

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1. Die Kindheit und die Jugendreisen.

Wolf­gang Ama­de Mo­zar­t ist am 27. Ja­nu­ar 1756 in Salz­burg ge­bo­ren. Sein Va­ter Leo­pold stamm­te aus ei­ner bür­ger­li­chen Fa­mi­lie der da­ma­li­gen frei­en Reichs­stadt Augs­burg und war in die Fürs­terz­bi­schöf­li­che Re­si­denz Salz­burg ge­kom­men, weil dort eine gute Uni­ver­si­tät war, denn er woll­te die Rech­te stu­die­ren. Wie er sich aber schon wäh­rend die­ses Stu­di­ums durch Mu­sik­un­ter­richt zu er­hal­ten hat­te, so muss­te er bald ganz in frem­de Diens­te tre­ten: er ward Kam­mer­die­ner ei­nes Dom­herrn Graf Thurn und spä­ter zu­erst Hof­mu­si­kus, dann Ka­pell­meis­ter des Erz­bi­schofs. Im Jah­re 1747 hat­te er die Pfle­ge­toch­ter ei­nes na­hen geist­li­chen Stifts ge­hei­ra­tet; bei­de gal­ten ih­rer­zeit für das schöns­te Ehe­paar in Salz­burg. Von sie­ben Kin­dern blie­ben ih­nen zwei, Ma­ria Anna ge­nannt Nan­ner­l und un­ser Wolf­gang, der meist Wo­fer­l ge­nannt ward. Die Schwes­ter war etwa fünf Jah­re äl­ter und bei­de zeig­ten von Kind­heit an ganz au­ßer­or­dent­li­chen Mu­sik­sinn.

Ein al­ter Haus­freund er­zählt, so­bald Mo­zart mit Mu­sik sich ab­zu­ge­ben be­gon­nen, sei­en alle sei­ne Sin­ne für alle üb­ri­gen Ge­schäf­te so gut wie tot ge­we­sen. Ja selbst die Kin­de­rei­en und Spie­le muss­ten, wenn sie für ihn in­ter­essant sein soll­ten, mit Mu­sik be­glei­tet sein: »wenn wir Spiel­zeu­ge von ei­nem Zim­mer ins an­de­re tru­gen, muss­te al­le­mal der von uns, so leer ging, einen Marsch dazu sin­gen oder bla­sen.« »Ich ward ihm da­her«, heißt es wei­ter, »weil ich mich mit ihm ab­gab, so äu­ßerst lieb, dass er mich oft zehn­mal an ei­nem Tage frag­te, ob ich ihn lieb habe, und wenn ich es zu­wei­len auch nur zum Scherz ver­nein­te, stan­den ihm gleich die hel­lich­ten Zäh­ren im Auge, so zärt­lich und wohl­wol­lend war sein gu­tes Herz­chen.«

Stolz und Ehr­sucht, so ver­neh­men wir hier fer­ner, ver­riet er nicht, aber er woll­te stets nur vor großen Mu­sik­ken­nern spie­len und wenn man ihn auch nur dar­in be­trog. Er lern­te, was ir­gend ihm der Papa auf­gab, und hing al­lem, was er tat, so ganz an, dass er al­les Üb­ri­ge, so­gar die Mu­sik, bei­sei­te setz­te. Er war schon als Kind voll Feu­er und Leb­haf­tig­keit, und hät­te er nicht die vor­treff­li­che Er­zie­hung sei­nes ernst­ge­sinn­ten stren­gen Va­ters ge­habt, er hät­te der ruch­lo­ses­te Bö­se­wicht wer­den kön­nen, so emp­find­lich war er für je­den Reiz, des­sen Güte oder Schäd­lich­keit er zu prü­fen noch nicht im­stan­de war.

Schon im fünf­ten Jah­re kom­po­nier­te er in sein Übungs­buch, das man noch heu­te im Mo­zar­te­um in Salz­burg se­hen kann, eben­falls klei­ne Me­nuet­ten, und einst­mals tra­fen ihn der Papa und der Haus­freund gar bei der Kom­po­si­ti­on ei­nes Kon­zer­tes an, das aber so schwer war, dass es kein Mensch hät­te spie­len kön­nen. Sein Ge­hör war so fein, und sein Mu­sik­ge­dächt­nis von Kind­heit an so si­cher, dass er sich beim Spiel sei­ner klei­nen Vio­li­ne er­in­ner­te, dass des Haus­freun­des »But­ter­gei­ge« um einen hal­b­en Vier­tel­ston tiefer ge­stimmt war. Da­rum konn­te er als Kind den Trom­pe­ten­ton nicht er­tra­gen und be­kam, als ein­mal der Va­ter den­noch die Pro­be mach­te, hef­ti­ge Krämp­fe.

Bald war sei­ne mu­si­ka­li­sche Fer­tig­keit so weit, dass er die meis­ten Sa­chen vom Blatt spiel­te. Eben so war Nan­nerl schon früh ganz un­ge­mein vor­ge­schrit­ten und des­halb be­gann der Va­ter im Jah­re 1762, als sie sechs und zehn Jah­re alt wa­ren, mit den Kin­dern zu rei­sen, um, wie er sag­te, der Welt die­ses Wun­der Got­tes zu zei­gen.

Der nächs­te Ort war Mün­chen, da­mals wie heu­te die ei­gent­li­che Haupt­stadt Süd­deutsch­lands, dann die Kai­ser­stadt. Ma­ria The­re­sia wie ihr Ge­mahl und ihre Kin­der wa­ren sehr mu­si­ka­lisch. Sie nah­men die Kin­der in echt deut­scher Herz­lich­keit auf und Wo­ferl sprang denn auch der Kai­se­rin ohne wei­te­res auf den Schoß und küss­te sie. Zu Ma­rie An­to­i­net­te aber, die ihm von dem glat­ten Fuß­bo­den auf­ge­hol­fen hat­te, sag­te er: »Sie sind brav, ich will Sie hei­ra­ten«. Der jüngs­te Sohn, der schö­ne und lie­bens­wür­di­ge Erz­her­zog Ma­xi­mi­lian, war mit Mo­zart gleich­alt­rig, er blieb stets sein Freund und ward auch spä­ter der Gön­ner Beetho­vens. In den Klei­dern die­ser jun­gen kai­ser­li­chen Kin­der ge­malt hän­gen Wo­ferl und Nan­nerl im Mo­zar­te­um: sein see­len­vol­les Auge und ihre knos­pen­de Schön­heit ha­ben einen un­ver­gleich­li­chen Reiz.

Jetzt lern­te er, sechs Jah­re alt, auch Vio­li­ne spie­len und der Va­ter ließ nicht nach, ihm in je­der Wei­se den bes­ten mu­si­ka­li­schen Un­ter­richt zu ge­ben. Denn er war selbst ein tüch­ti­ger Kom­po­nist und hat eine Vio­lin­schu­le ge­schrie­ben, die ih­rer­zeit be­rühmt war und auch über­setzt wur­de. Und zwar ging dies auf den Rei­sen in völ­lig glei­cher Wei­se fort, so­gar das Or­gel­spiel trat bald dazu. Zu­nächst war im Som­mer 1763 Süd­deutsch­land der Schau­platz die­ser klei­nen Wun­der­ta­ten. In Hei­del­berg fuh­ren die jun­gen Füße mit ei­ner sol­chen Ge­schwin­dig­keit auf dem Pe­dal um­her, dass der Pfar­rer die­ses Wun­der an die Or­gel selbst an­schrieb. In Frank­furt hör­te ihn Goethe und ge­wann da­mit einen Maß­stab für alle spä­ter auf­tre­ten­den Ta­len­te in der Mu­sik: sei­ne Spät­jah­re schau­ten be­kannt­lich den ähn­lich mu­sik­be­gab­ten Kna­ben Fe­lix Men­dels­sohn. In Pa­ris war der Hof glei­cher­wei­se huld­voll. Doch als der kind­lich un­be­fan­ge­ne Wo­ferl die ge­schmink­te Pom­pa­dour eben­falls um­hal­sen woll­te, ge­sch­ah ein Ab­wei­sen der Zärt­lich­keit, so­dass er emp­find­lich aus­rief: »Wer ist denn die da, dass sie mich nicht küs­sen will? Hat mich doch die Kai­se­rin ge­küsst!« Auf Ma­ria The­re­sia hielt er über­haupt große Stücke und sein Herz blieb zeit­le­bens, wie wir noch se­hen wer­den, »gut kai­ser­lich«.

Die Prin­zes­sin­nen wa­ren umso lie­bens­wür­di­ger und kehr­ten sich nicht an die Eti­quet­te. Al­les war er­staunt, ein sol­ches Kind je­den Ton nach dem Ge­hör be­zeich­nen zu hö­ren, ohne Kla­vier kom­po­nie­ren und nach dem blo­ßen Ge­hör zum Ge­sang be­glei­ten zu se­hen, und Bei­fall wie Ein­nah­me wa­ren über­all glän­zend.

Noch güns­ti­ger war dar­auf im Jah­re 1764 die Auf­nah­me in Lon­don, denn das Kö­nigs­paar selbst war deutsch und Hän­del hat­te den Sinn für gute Mu­sik dort dau­ernd be­grün­det, wäh­rend die fran­zö­si­sche Mu­sik un­se­ren Rei­sen­den da­mals leer und fros­tig vor­kam, ein »lang­wei­li­ges Ge­plärr«. So war denn der Auf­ent­halt auch sehr lang in Eng­land und der Va­ter be­nutz­te die Ge­le­gen­heit des Un­ter­richts ei­nes gu­ten ita­liä­ni­schen Sän­gers für Wo­ferl, der denn auch bald die da­mals al­les be­herr­schen­de »wäl­sche« Wei­se selbst ganz be­herrsch­te. In Lon­don schrieb Mo­zart auch sei­ne ers­ten Sym­pho­ni­en.

Die Rück­rei­se im Jah­re 1765 ging über Hol­land, wo bei­de Kin­der le­bens­ge­fähr­lich krank wur­den und der Va­ter sei­ne Kraft zu ei­ner so schwe­ren Auf­ga­be wie der Er­hal­tung und Er­zie­hung ei­nes sol­chen Kna­ben zu­gleich er­pro­ben und stär­ken lern­te. So­gar in den Fas­ten durf­te er dann aber auch in Ams­ter­dam »zu Got­tes Preis« die Wun­der­ga­ben sei­nes Soh­nes zei­gen und kam end­lich nach mehr als zwei­jäh­ri­ger Rei­se we­ni­ger mit Geld als mit Ruhm für die Klei­nen be­deckt im Herbst 1766 nach Salz­burg zu­rück.

Die­ses frü­he Rei­sen hat­te für Mo­zart selbst viel Vor­teil. Er lern­te Men­schen und Din­ge ken­nen, – denn auf al­les mach­te der Va­ter auf­merk­sam, so­gar ein Ta­ge­buch muss­te ge­führt wer­den, – er ent­wöhn­te sich kin­di­scher Blö­dig­keit und ge­wann of­fe­nen Sinn für alle mensch­li­chen Ver­hält­nis­se. Er hör­te die Mu­sik der ver­schie­de­nen Na­tio­nen und lern­te so die Wei­se fin­den, die je­des Herz ver­steht, die Me­lo­die, die Spra­che der mensch­li­chen See­le. Für sei­ne Kunst war ihm auch der fei­ne Ton der da­ma­li­gen vor­neh­men Welt von Ge­winn: wenn die herr­li­che Land­schaft sei­ner Hei­mat den na­tür­li­chen Schön­heits­sinn ge­weckt und die künst­le­ri­sche An­la­ge der Stadt mit ih­ren zahl­rei­chen Kir­chen und Pa­läs­ten den­sel­ben sei­ner ge­bil­det hat­te, so war die Man­nich­fal­tig­keit der Le­bens- und Kun­stein­drücke die­ser wei­ten Ju­gen­drei­sen ein Haupt­grund, dass Mo­zarts Mu­sik so früh et­was un­mit­tel­bar An­zie­hen­des, et­was har­mo­nisch Schö­nes und All­ver­ständ­li­ches be­kam. Völ­lig ent­wi­ckel­te die­se Sei­te sei­ner Kunst aber erst der wie­der­hol­te lan­ge Auf­ent­halt im Lan­de der Schön­heit selbst, wo Mo­zart sei­ne an­ge­hen­de Jüng­lings­zeit zu­brach­te, in Ita­li­en.

Denn lan­ge hielt es den Va­ter nicht in Salz­burg, die Ver­hält­nis­se wa­ren dort für sie zu eng, und muss­te nicht der Kna­be selbst stets leb­haf­ter den Drang füh­len, der Welt sei­ne Kunst zu zei­gen? Hat­te doch der Lon­do­ner Bach, ein Sohn des großen Leip­zi­ger Can­tors Seb. Bach, des­sen Ein­wir­kung auf Mo­zart uns noch be­geg­nen wird, über ihn aus­ge­ru­fen, man­cher Ka­pell­meis­ter st­er­be ohne das zu wis­sen, was die­ser Kna­be schon jetzt wis­se! Die Ver­mäh­lung ei­nes Erz­her­zogs zog die Fa­mi­lie im Jah­re 1768 zu­nächst wie­der nach Wien. Aber hier ging dem Va­ter erst völ­lig die Ein­sicht auf, dass nur Ita­li­en der ent­spre­chen­de Tum­mel­platz die­ses jun­gen Ge­ni­us sei. Zwar hat­te Kai­ser Jo­seph ihm in der Tat den Auf­trag ei­ner ita­liä­ni­schen Oper ge­ge­ben, – es war la fin­ta sem­pli­ce, »die ver­stell­te Ein­falt«, – und eine fei­er­li­che Mes­se zur Ein­wei­hung ei­ner Kir­che di­ri­gier­te der zwölf­jäh­ri­ge Kna­be selbst, was einen solch tie­fen Ein­druck auf sein Ge­müt mach­te, dass er noch zwan­zig Jah­re spä­ter von die­ser er­ha­be­nen Wir­kung sei­ner Kir­che zu er­zäh­len wuss­te. Auch eine deut­sche Ope­ret­te »Bas­ti­en und Bas­ti­enne« ge­wann sich we­nigs­tens eine Pri­vat­auf­füh­rung. Aber mit die­ser ers­ten ita­liä­ni­schen Oper er­fuhr Mo­zart auch zu­erst je­nen bö­sen Neid der Fach­kol­le­gen, der spä­ter dazu bei­tra­gen soll­te sein Le­ben zu ver­küm­mern und zu frü­hem Ende zu füh­ren. »So muss man sich in der Tat durch­rau­fen«, schreibt der Va­ter. »Hat der Mensch kein Ta­lent, so ist er un­glück­lich ge­nug; hat er Ta­lent, so ver­folgt ihn der Neid nach dem Maße sei­ner Ge­schick­lich­keit.« Die Fein­de und Nei­der wuss­ten es durch­zu­set­zen, dass das Werk gar nicht zur Auf­füh­rung kam, und so war der Va­ter dop­pelt dar­auf be­dacht, des Soh­nes Ta­lent jetzt end­lich auch dort zu zei­gen, wo der­sel­be sich nach ei­ge­nem Ge­ständ­nis am meis­ten ver­stan­den ge­fühlt und den höchs­ten Ruhm sei­ner Ju­gend ge­won­nen hat.

Ita­li­en ist das Mut­ter­land der Mu­sik und war oben­drein da­mals das El­do­ra­do der Kom­po­nis­ten. Die Kir­che hat­te die Mu­sik er­zo­gen, mit ihr kam sie auch in ger­ma­ni­sche Lan­de und von dort spä­ter be­rei­chert zu­rück. Der Rö­mer Pa­le­stri­na bil­det ih­ren ers­ten mo­nu­men­ta­len und klas­si­schen Hö­he­punkt. Nach ihm brach in die ka­tho­li­sche Kir­chen­mu­sik, de­ren vol­les Ide­al er ist, der Cha­rak­ter des Welt­li­chen und so­gar Thea­tra­li­schen ein, und zwar durch die Ent­ste­hung der O­per, die ihr Da­sein der neu auf­tau­chen­den An­ti­ke, vor al­lem der grie­chi­schen Tra­gö­die ver­dank­te. Die rei­ne Mu­sik, zu der auch der Chor­ge­sang zu rech­nen ist, bil­de­te sich zu­nächst auf der Grund­la­ge des pro­tes­tan­ti­schen Cho­rals an dem Or­gel­spiel und Chor­ge­sang wei­ter und er­reich­te in je­nem deut­schen Se­bas­ti­an Bach ih­ren ers­ten Hö­he­punkt der Klas­si­zi­tät in der neue­ren Zeit. Sein Lands­mann und Zeit­ge­nos­se Hän­del da­ge­gen ver­harr­te vor­zugs­wei­se auf dem Ge­bie­te der Oper, und nach­dem er dar­in auf wäl­schem Bo­den große Tri­um­phe ge­fei­ert, er­hob er sich zu sei­ner vol­len Grö­ße im geist­li­chen Dra­ma, im Ora­to­ri­um. Die Welt hing da­mals am Thea­tra­li­schen, und des­sen Mit­tel­punkt war für die Oper das Land, wel­ches einst die Mu­sik ge­bo­ren. Wie sei­ner­zeit die größ­ten Ton­set­zer, so hat­te Ita­li­en jetzt we­nigs­tens die größ­ten und be­rühm­tes­ten Sän­ger, und ein ein­zi­ger Sieg hier er­öff­ne­te die Schran­ken des gan­zen ge­bil­de­ten Eu­ro­pa. »Also auf und da­hin!« muss­te es in dem Va­ter ru­fen, als er das Kom­po­si­ti­ons­ta­lent des Soh­nes in Deutsch­land nicht in dem Maße an­er­kannt sah, wie es dem­sel­ben schon da­mals ge­bühr­te und wie es Mo­zarts Vir­tuo­si­tät nir­gends vor­ent­hal­ten wur­de.

Wir kön­nen nun die Ein­zeln­hei­ten die­ser Rei­se über­ge­hen, – es wa­ren die glei­chen Wun­der­ta­ten, die wir schon ken­nen, und ein­mal in Nea­pel muss­te der Kna­be so­gar einen Ring vom Fin­ger ab­neh­men, weil man die­sem solch zau­ber­glei­che Kunst zu­schrieb, – man fin­det wie die vo­ri­gen Rei­sen so die­se aus­führ­lich in mei­nem dem­nächst er­schie­ne­nen Bu­che »Mo­zar­t. Nach den Schil­de­run­gen der Zeit­ge­nos­sen.« Wir fol­gen hier dem ent­schei­den­den Ent­wi­cke­lungs­gan­ge die­ses sel­te­nen Künst­lers und ver­zeich­nen nur, was ihn als den­sel­ben er­hal­ten und zu dem­sel­ben zu ma­chen ge­hol­fen hat.

Zu Ende des Jah­res 1769, wo also Mo­zart na­he­zu vier­zehn Jah­re alt war, ging es durch Ty­rol ins Land der mil­de­ren Lüf­te und der sü­ßen Me­lo­di­en. Über­all zu­nächst wie­der gren­zen­lo­se Be­wun­de­rung die­ses Ta­len­tes! In Ve­ro­na hat­ten sich die bei­den, die fort­an ohne Mut­ter und Schwes­ter reis­ten, völ­lig mit Ge­walt zur Or­gel zu drän­gen, so groß war der Zu­lauf. Und schon in Mai­land brach­te es die­ser Ein­druck sei­ner Er­schei­nung auch da­hin, dass Wolf­gang eine Oper zu kom­po­nie­ren ge­ge­ben ward. In Ita­li­en war da­für zwei­mal des Jah­res förm­lich Sai­son: er er­hielt die ers­te, die vor Weih­nach­ten. Das Ho­no­rar be­stand wie üb­lich in 100 Du­ca­ten, un­ge­fähr 1000 Mark, nebst frei­er Woh­nung; auch der Don Juan spä­ter brach­te nicht mehr ein. Jetzt war dies aber noch ein ho­her Ent­gelt für den jun­gen An­fän­ger.

Als sol­chen zeig­te er sich frei­lich bei der Aus­füh­rung der Sa­che in kei­ner Wei­se. Denn als sie auf der Wei­ter­rei­se, der sie sich umso ru­hi­ger hin­ge­ben konn­ten, als das Text­buch ih­nen nach­ge­sandt wer­den soll­te, nach Bo­lo­gna ka­men und dort den größ­ten ita­liä­ni­schen Mu­sik­ge­lehr­ten sei­ner Zeit, den Pa­ter Mar­ti­ni, auf­such­ten, konn­te auch die­ser nicht an­ders als das Kön­nen die­ses ju­gend­li­chen Meis­ters völ­lig an­stau­nen: der­sel­be lös­te Auf­ga­ben und über­wand Schwie­rig­kei­ten, die eben so die an­ge­stamm­te Hel­den­kraft wie das um­fas­sends­te Wis­sen be­wie­sen. Auch den größ­ten Sän­ger sei­nes Jahr­hun­derts, den So­pra­nis­ten Car­lo Bro­schi ge­nannt Fa­ri­nel­li, lern­te Wolf­gang dort ken­nen und sei­ne Kunst ge­wis­ser­ma­ßen als letz­te Erb­schaft des großen und schö­nen Ge­san­ges auf­neh­men: denn nur wer die Ge­san­ges­kunst im höchs­ten Sin­ne ver­steht, kann auch wie­der für Ge­sang rich­tig schrei­ben. Und doch war je­ner Sän­ger jetzt schon ein Sech­zi­ger!

In Flo­renz re­gier­ten da­mals noch Habs­bur­ger, so ward un­se­ren Rei­sen­den auch hier bes­te Auf­nah­me zu Teil. Von den herr­li­chen Kunst­schät­zen dort er­wäh­nen die Brie­fe an Mut­ter und Schwes­ter nichts. Aber schwer­lich wer­den Ve­nus Ama­thu­sia und Ma­don­na del­la Se­dia demje­ni­gen un­be­kannt ge­blie­ben sein, dem al­lein es ge­lin­gen soll­te, Rafa­el und die An­ti­ke auch in Tö­nen wie­der­zu­be­le­ben. Von Rom aber wis­sen wir dies aus Wolf­gangs ei­ge­ner Mit­tei­lung. »Ges­tern wa­ren wir auf dem Ca­pi­tol und sa­hen viel schö­ne Sa­chen«, schreibt er der Schwes­ter, und wol ste­hen dort und an­ders­wo in Rom »viel schö­ne Sa­chen«: Lao­koon und Ari­ad­ne, Apoll von Bel­ve­de­re und der olym­pi­sche Zeus­kopf. Dazu die zahl­lo­sen Kir­chen und dar­un­ter eine Pe­ters­kir­che! Am merk­wür­digs­ten blieb den bei­den Mu­si­kern aber stets na­tür­lich die Mu­sik, und man kennt die Six­ti­ni­sche Ka­pel­le, in der al­lein da­mals noch et­was von der Kunst der großen Rö­mer wal­te­te. Von Pa­le­stri­na hö­ren wir da­bei nichts, aber von Al­le­gri nahm Wolf­gang so­gar Ab­schrift. »Du weißt«, schreibt der Va­ter, »dass das hie­si­ge Mi­se­re­re so hoch­ge­ach­tet ist, dass den Mu­si­kern der Ka­pel­le un­ter der Ex­kom­mu­ni­ka­ti­on1 ver­bo­ten ist, eine Stim­me da­von zu ko­pie­ren oder Je­man­den zu ge­ben. Al­lein wir ha­ben es schon. Wolf­gang hat es auf­ge­schrie­ben. Wir wol­len es in­des­sen auch nicht in an­de­re Hän­de fal­len las­sen, die­ses Ge­heim­nis, da­mit wir nicht di­rekt oder in­di­rekt dem Ta­del der Kir­che ver­fal­len.« Mo­zarts hiel­ten et­was auf ih­ren ka­tho­li­schen Glau­ben, er war ih­nen in­ne­re Wahr­heit, und so wur­de auch durch die be­son­ders wei­he­vol­len Ge­sän­ge in die­ser rö­mi­schen Char­wo­che Wolf­gangs ju­gend­li­che See­le dau­ernd für die höchs­ten Emp­fin­dun­gen un­se­rer Brust ge­weiht, de­nen er im Lauf sei­nes Le­bens auch au­ßer­halb der re­li­gi­ösen Kom­po­si­ti­on so schö­nen und er­grei­fen­den Klang ver­lei­hen soll­te. Er er­zähl­te eben­falls selbst noch in spä­te­ren Jah­ren von dem tie­fen Ein­druck die­ser hei­li­gen Vor­gän­ge. »Wie mir da war! wie mir da war!« rief er da­bei ein Mal über das an­de­re.

Von Nea­pel hör­ten wir schon. Je tiefer sie nach Ita­li­en kämen, de­sto leb­haf­ter wer­de die Be­wun­de­rung, hat­te der Va­ter be­reits von Rom aus ge­schrie­ben. Der Cham­pa­gner­rausch der Na­tur, den die­ser Golf von Nea­pel dar­stellt, konn­te nicht ohne Ein­druck auf einen Künst­ler sein, der den Zau­ber und Rausch der hei­ters­ten Le­bens­freu­de selbst einst so zau­ber­voll er­klin­gen las­sen soll­te. »Nea­pel ist schön«, schreibt er kurz aber be­zeich­nend der Schwes­ter. Der un­ge­heu­re Ernst Roms mag aber den­noch der deut­schen Na­tur Mo­zarts tiefer ent­spro­chen ha­ben. Sie wa­ren denn auch bald wie­der dort und dies­mal er­reich­ten sie, was nur Rom bie­ten konn­te, den Papst zu se­hen: ja von Wolf­gangs Spiel ent­zückt über­reich­te ihm der Hei­li­ge Va­ter – es war der große Gan­ga­nel­li, Cle­mens XIV., – in per­sön­li­cher Au­di­enz je­nen Or­den des gol­de­nen Spo­ren, der uns auch den »Rit­ter« Gluck ge­schaf­fen. Mo­zart frei­lich mach­te sich zu­nächst nicht viel aus die­ser Ehre und der Va­ter schrieb: »Du kannst dir ein­bil­den wie ich la­che, wenn ich al­le­zeit zu ihm Si­gnor ca­va­lie­re sa­gen höre.« Al­lein spä­ter wuss­ten sie doch ge­le­gent­lich die Vor­tei­le ei­ner sol­chen Aus­zeich­nung prak­tisch gel­tend zu ma­chen.

Jetzt ging es nur auf das nächs­te Ziel: Ruhm und Er­folg des Künst­lers. Dazu war eine mit­hel­fen­de Stu­fe die Er­nen­nung Wolf­gangs zum Mit­glied der be­rühm­ten Phil­har­mo­ni­schen Aka­de­mie von Bo­lo­gna, die ihm in Ita­li­en den Na­men Ca­va­lie­re fi­lar­mo­ni­co brach­te. Und als sie im Ok­to­ber 1770 in Mai­land wie­der ein­tra­fen, war er nach künst­le­ri­schem Rang und nach Le­bens­stel­lung schon zu Er­folg ge­die­hen: – Si­gnor ca­va­lie­re »Rit­ter Mo­zart«, mit 14 Jah­ren! Die Rei­se selbst aber hat­te die künst­le­ri­sche An­schau­ung mehr und mehr aus­rei­fen las­sen: zu dem si­che­ren tech­ni­schen Kön­nen kam stets fühl­ba­rer der rei­ne Schön­heits­sinn, das Re­sul­tat der höchs­ten geis­ti­gen Ar­beit, die Über­win­dung al­ler Schwie­rig­kei­ten und al­les bloß Stoff­li­chen, die der raue glanz­lo­se Nor­den uns Deut­schen nur zu oft für im­mer in der Kunst vor­ent­hält. Hell leuch­tet auch aus Mo­zarts Me­lo­die fort­an der gött­li­che Strahl idea­ler Schön­heit, und nie ist er ihm wie­der er­lo­schen. Nicht an for­ma­ler Vollen­dung, nur an in­ne­rem Le­bens­ge­hal­te konn­te die­ses Künst­ler­tum fort­an zu­neh­men, und wir wer­den den Spu­ren die­ser per­sön­li­chen Le­bens­be­rüh­rung, die den Men­schen auch nach in­nen er­weckt und aus­bil­det, denn auch bald be­geg­nen. Zu­nächst er­fah­ren wir die ers­ten ent­schei­den­den Er­fol­ge des Kom­po­nis­ten, die sein Herz für lan­ge Zeit an das »Land wo die Citro­nen blüh’n« fes­sel­ten.

Die ita­liä­ni­sche Oper, die also da­mals alle Welt be­herrsch­te, war nichts we­ni­ger als ein fes­seln­der dra­ma­ti­scher Vor­gang auf der Büh­ne. Viel­mehr hat­te die schwel­ge­ri­sche Lust der Ita­liä­ner am schö­nen Ge­san­ge bald das Haupt­ge­wicht des Gan­zen in die­sen ge­legt. In­ter­essan­te oder auch er­grei­fen­de Er­eig­nis­se aus der Ge­schich­te und mehr noch die großen Sa­gen des Al­ter­tums und des Mit­tel­al­ters wa­ren so her­ge­rich­tet, dass durch­weg eine Lie­bes­ge­schich­te dar­in die Haup­trol­le spiel­te und in den Er­güs­sen der lie­bend glück­li­chen oder un­glück­li­chen Her­zen das Gan­ze gip­fel­te. Ge­wiss ein rei­cher An­lass für eine Kunst wie die Mu­sik! Nur war auf die­se Wei­se meist al­les in den Ein­zel­ge­sang, die Arie, ver­zet­telt und die gan­ze Oper oft ein sol­ches blo­ßes Ari­en­bün­del, und wer also die schöns­ten Ari­en schrieb, war Sie­ger. Ja den ein­zel­nen Sän­gern »recht auf den Leib ge­mes­sen« hat­ten die­se Ari­en zu sein, wenn sie die vol­le Wir­kung tun soll­ten: die schöns­ten Töne die­ser Sän­ge­rin oder die­ses Te­nors da muss­ten zu­gleich die Glanz­par­tie der Arie sein und um­ge­kehrt, dann ging die Oper »zu den Ster­nen« und durch halb Eu­ro­pa. Wir ha­ben dies noch in un­se­rem Jahr­hun­dert mit Ros­si­ni, Bel­li­ni, Do­ni­zet­ti er­lebt und er­le­ben es heu­te wie­der an Ver­di.

Hier trat nun Mo­zart zu­nächst be­schei­den die vor­han­de­ne Erb­schaft an. Was mehr als ein Jahr­hun­dert und die gan­ze ge­bil­de­te Welt ge­bil­ligt und be­wun­dert, ein vier­zehn­jäh­ri­ger Jüng­ling wird es nicht än­dern noch an­tas­ten. Aber wie er nun in sei­nem Wer­ke die ein­zel­nen Züge die­ser »fa­bu­lö­sen His­to­rie« vom al­ten un­glück­li­chen Pon­tus­kö­nig Mi­thri­da­tes auf­nahm und in zün­den­de mu­si­ka­li­sche Mo­men­te ver­dich­te­te, das sagt uns nach der Auf­füh­rung des Wer­kes am 26. De­zem­ber 1770 die öf­fent­li­che Kri­tik mit dem Wor­te: »Der ju­gend­li­che Ka­pell­meis­ter stu­diert das Schö­ne der Na­tur und gibt es mit der sel­tens­ten mu­si­ka­li­schen Gra­zie ge­schmückt wie­der.« Neid und Int­rigue hat­ten frei­lich auch hier nicht ge­fehlt. Aber Wolf­gang wuss­te sich und eben­so den Sän­gern so­gar in ih­ren Lau­nen zu hel­fen. Wenn die­ses Duett nicht ge­fal­le, wol­le er sich noch ein­mal her­rich­ten las­sen, hat­te der ers­te So­pra­nist aus­ge­ru­fen, und be­son­ders war man er­staunt, von ei­nem jun­gen An­fän­ger den vol­len Ton der hei­mi­schen Oper, ihr Chia­ros­cu­ro, wie sie die schö­ne Ab­stim­mung der ein­zel­nen Stücke un­ter ein­an­der nann­ten, so si­cher ge­trof­fen zu se­hen. Ev­vi­va il Mae­stro! Ev­vi­va il Mae­stri­no! er­scholl es von al­len Sei­ten, und zwan­zig­mal hin­ter ein­an­der muss­te das Werk ge­ge­ben wer­den, ward auch so­gleich fünf­mal für an­de­re Büh­nen, dar­un­ter Mo­zarts ge­lieb­te Kai­ser­stadt, be­stellt, wo­von frei­lich nach da­ma­li­gem Brauch nur der Ko­pist den Vor­teil ge­noss.

So war der Zweck der ers­ten Rö­mer­fahrt von 1770 er­reicht. Wolf­gang hat­te sich aber auch nicht ge­schont und der Va­ter muss­te nur wa­chen, dass des Gu­ten nicht zu viel ge­sch­ah. Die ste­ti­ge An­span­nung und Be­schäf­ti­gung mit dem ernst­haf­ten Ge­gen­stan­de hat­te je­doch den oh­ne­hin zum in­ne­ren Sin­nen an­ge­leg­ten Kna­ben so ernst ge­stimmt, dass wäh­rend der Ar­beit der Va­ter die Freun­de da­heim bat, ein gu­tes Werk zu tun und spaß­haf­te Brie­fe zu schrei­ben, um ihn zu zer­streu­en. Es reif­te ne­ben dem mu­si­ka­li­schen Ge­ni­us der in­ne­re Mensch und der jetzt Fünf­zehn­jäh­ri­ge war schon ein vol­ler Jüng­ling.

Lei­se regt sich denn auch be­reits jetzt die­je­ni­ge Sai­te sei­nes We­sens, die sei­nen Me­lo­di­en je­nen in­nigs­ten Ton ver­lieh, den wir so­fort beim Er­klin­gen des Na­mens Mo­zart selbst zu ver­neh­men wäh­nen, die zärt­li­che Emp­fin­dung des Her­zens, die ihn vor al­lem zum Sän­ger der Lie­be ge­macht hat. Schon in der in­ni­gen Zu­nei­gung zu Mut­ter und Schwes­ter se­hen wir ent­wi­ckelt, was der Haus­freund oben von dem an­ge­bo­re­nen Lie­be­be­dürf­nis des vier­jäh­ri­gen Kna­ben er­zähl­te. Man muss die klei­nen An­häng­sel an die Brie­fe des Va­ters von die­ser Rei­se aus le­sen. Kei­nen da­heim hat er ver­ges­sen, nach je­dem fragt er, so­gar die »wich­ti­gen und ho­hen Ge­dan­ken von Ita­li­en«, wo er doch manch­mal »ver­wirrt vor lau­ter Af­fai­ren« ist, hal­ten ihn nicht da­von ab. Der Mama küsst er 1.000.000.000 Mal die Hän­de und der Nan­nerl gar »Ge­sicht, Nase, Mund und Hals«. Alle Post­ta­ge schmeckt ihm das Es­sen bes­ser, und die Fül­le der Ne­cke­rei in die­sen auf dem Mo­zar­te­um auf­be­wahr­ten Zet­teln lässt erst die gan­ze Zärt­lich­keit für die schö­ne Schwes­ter er­ken­nen.

Aber Schön­heit be­ob­ach­tet er bald auch an­ders­wo. Die Pri­ma­don­nen und schö­nen Tän­ze­rin­nen Ita­li­ens be­merkt sein jun­ges Auge, und per­sön­lich nä­her muss ihm das »ewig Weib­li­che« in Salz­burg ge­kom­men sein, wo ja die Nan­nerl Freun­din­nen hat­te. »Mit mei­ner Schwes­ter hät­te ich viel zu re­den, aber was, das weiß nur Gott und ich al­lein«, heißt es von Ita­li­en aus, und bald noch deut­li­cher: »Was du mir ver­spro­chen hast (du weißt schon was – – – o du Lie­be du!) hal­te ge­wiss, ich bit­te dich, ich wer­de dir ge­wiss ver­bun­den sein.« Al­lein dies war be­reits auf der zwei­ten Rö­mer­fahrt, wo der kur­ze Ru­he­auf­ent­halt in der schö­nen Hei­mat so­zu­sa­gen die in­ne­ren Or­ga­ne sich hat­te ent­wi­ckeln las­sen und Muße ge­währ­te, sich auch mit an­de­ren als sei­nen mu­si­ka­li­schen »Af­fai­ren« zu be­schäf­ti­gen. »Ich bit­te dich noch we­gen den gar an­de­ren, wo nichts an­de­res mehr sei: Du ver­stehst mich schon«, heißt es ver­hül­lend, und was an­de­res wäre da zu ver­hül­len als ein ver­schäm­tes schö­ne­res Herz­ge­fühl? »Ich hof­fe, dass du bei dem Fräu­lein ge­we­sen bist, du weißt schon wel­che. Ich bit­te dich, wenn du sie siehst, ihr ein Kom­pli­ment von mir zu ma­chen«, ver­lau­tet es spä­ter ein­mal. Was ist aber auch er­klär­li­cher, als dass den Künst­ler das schö­ne Ge­schlecht an­zog, das ihn so sehr be­wun­der­te? Denn nichts reizt das Weib und die Men­ge so wie Ruhm und Grö­ße, zu­mal wenn sie auf geis­ti­gem Grun­de ru­hen. Und war er nicht be­rühmt wie nur ein Le­ben­der, der jun­ge Ca­va­lie­re fi­lar­mo­ni­co? Frei­lich sein Äu­ße­res an sich mach­te auf den ers­ten An­blick nie einen be­deu­ten­den Ein­druck. Die Sta­tur blieb klein, – er war nach sei­nem ei­ge­nen Be­richt in ei­nem Brie­fe (»Neue Bil­der aus dem Le­ben der Mu­sik und ih­rer Meis­ter.« Mün­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­