Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2020 Sabine Wöger

Illustration: Sabine Wöger

Veröffentlichung: Wolfgang Wöger

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7504-6661-6

Ein Wort zuvor …

Geschätzte Leserinnen und Leser!

Pflegepersonen im Kontext von Palliative Care haben es mit einer Fülle an Problemstellungen im Bereich des Mundes und der Lippen zu tun: Mundschleimhautentzündungen, Aphten, Ulzera, Soorbefall, Rhagaden usw. Zu all diesen Krankheitsbildern gibt es bereits genügend und evidenzbasierte Fachliteratur.

Die Mundtrockenheit ist ein besonders häufig auftretendes Symptom mit vielfachen Ursachen. Vor allem stellt es für geriatrische Patientinnen und Patienten ein hauptsächliches Problem dar, wodurch die Betroffenen erhebliche Einbußen in ihrer Lebensqualität erfahren. Im Zuge von Mundatmung tritt es nahezu durchwegs bei sterbenden Menschen auf. Insbesondere den ständigen Drang, die Schleimhäute von Mund und Lippen zu befeuchten, um das Durstgefühl zu löschen, erleben die Leidtragenden als unangenehm und kraftraubend. Zudem sind bei einem trockenen Mund das Sprechen, das Kauen und das Schlucken erschwert.

Der Dialog mit den Pflegekräften in geriatrischen Einrichtungen verdeutlicht, wie wenig Zeit und Energie sie für das Orten und Lesen von Fachliteratur aufbringen können. Aktuell benötigen die Pflegenden angesichts der knappen Personal- und Zeitressourcen ihre gesamte Kraft für die umsorgende Pflege und Begleitung der ihnen anvertrauten Menschen, zu denen sie darüber hinaus herzliche Beziehungen pflegen. Pflegekräfte müssen Prioritäten setzen, um die dringlichsten Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner in einem Alten- und Pflegeheim erfüllen zu können. Im Rahmen von Weiterbildungen und wenn Fallsequenzen aus dem Praxisfeld besprochen werden, erkundigen sich Pflegekräfte nach jenen Maßnahmen, die leicht durchführbar, wenig zeitaufwendig und dennoch sehr wirksam sind, ohne dabei in der Fülle der Möglichkeiten unterzugehen.

Mein Anspruch liegt daher darin, Pflegepersonen und betreuenden Angehörigen eine Handreichung mit einfachen Maßnahmen gegen Mundtrockenheit zur Verfügung zu stellen.

Gemäß GuKG-Novelle 2016 trägt der gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege „[…] durch gesundheitsfördernde, präventive, kurative, […] sowie palliative Kompetenzen zur Förderung und Aufrechterhaltung der Gesundheit, zur Unterstützung des Heilungsprozesses, zur Linderung und Bewältigung von gesundheitlicher Beeinträchtigung sowie zur Aufrechterhaltung der höchstmöglichen Lebensqualität aus pflegerischer Sicht bei“ (GuKG-Novelle 2016, § 12 (2)). Darüber hinaus zählt die Komplementärpflege zu den Kernkompetenzen für Angehörige dieses Berufsbildes (ebd., § 14 (2), Pkt. 15). Diplomierte Pflegepersonen können „Aufgaben und Tätigkeiten in verschiedenen Pflege- und Behandlungssituationen bei Menschen aller Altersstufen in mobilen, ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungsformen“ an Pflegeassistenzberufe1 übertragen (GuKG-Novelle 2016, § 82 (2)). Eine Wohlfühlpflege mit präventivem Charakter ist im Kontext von Palliative Care zudem bedeutsam.

Die Bearbeitung des Themas ‚Palliative Pflege bei Mundtrockenheit‘ orientiert sich an den folgenden Zielsetzungen:

Ich hoffe den Leser*innen dieses Büchleins eine hilfreiche Handreichung zur Linderung von Mundtrockenheit zur Verfügung stellen zu können.


1 Zu den Pflegeassistenzberufen gehören die ‚Pflegeassistenz‘ und die ‚Pflegefachassistenz‘ (GuKG-Novelle 2016, § 82 (1)).

Inhaltsverzeichnis

Mund und Nase: anatomisch-physiologische
Grundlagen

Dieses Kapitel informiert über die Anatomie und Physiologie der organischen Strukturen von Mundhöhle und Nase.

Mundhöhle

Abbildung 1: Mundhöhle

Die Mundhöhle besteht aus zwei Höhlen: dem „Mundhöhlenvorhof“ und der „Mundhöhle“. Der Mundhöhlenvorhof ist der Raum zwischen den Wangen, den Lippen und den Zähnen. Der Raum innerhalb der Zähne bildet die Mundhöhle. Diese wird an ihrer Oberseite durch den harten und weichen Gaumen begrenzt, unten durch die Zungenunterseite und durch die Mundbodenmuskulatur. Die Zahnreihen des Ober- und Unterkiefers bilden die seitliche Begrenzung der Mundhöhle. Die hintere Begrenzung markiert der Rachen, die vordere Begrenzung ergibt sich durch die Schneide- und Eckzähne.

Beim Blick in den weit geöffneten Mund und bei herabgedrückter Zunge sind zwei bogenförmige und nach unten verlaufende Schleimhautfalten zu sehen: der „vordere Gaumenbogen“, auch „Gaumen-Zungen-Bogen“ genannt, und der „hintere Gaumenbogen“, auch „Gaumen-Rachen-Bogen“ genannt. Die Gaumenbögen sind von verschieblicher Mundschleimhaut bedeckt und können bei Entzündungen anschwellen. Die dadurch entstehende Schlundenge verursacht Schluckbeschwerden.

Der Verdauungsvorgang beginnt in der Mundhöhle

Der Verdauungstrakt, auch „Gastrointestinaltrakt“ genannt, ist mit einem langen Rohr vergleichbar, das von der Mundhöhle bis zum After reicht. In der Mundhöhle wird die aufgenommene Nahrung mechanisch zerkleinert und durch den Speichel gleitfähig gemacht. Eine intakte, reizlose und schmerzfreie Mund- und Lippenschleimhaut und ein unbeschwertes Kauen bilden die Voraussetzung für den weiteren Verdauungsvorgang, etwa die Aufspaltung von Kohlenhydraten in seine Zuckerbausteine durch das Enzym „Ptyalin“. Je intensiver Nahrung gekaut wird, desto mehr Speichel kann sie aufnehmen und umso eher kann die Aufnahme von Nährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Flüssigkeiten in das Blut- oder Lymphsystem erfolgen. Im gesunden Zustand weist die Mundschleimhaut zudem eine rosa Färbung auf.

Mundhöhlenschleimhaut

Die Mundhöhle ist mit einer Schleimhaut, „Tunica mucosa oris“, ausgekleidet. An den Lippen ist sie verschiebbar, nicht jedoch am Kiefer oder am Gaumen.

Sie besteht aus drei Schichten:

Ein mehrschichtiges und etwa 0,1 bis 0,5 Millimeter dickes Plattenepithel bildet die oberste Schicht, die an den mechanisch stark beanspruchten Stellen, das sind der Zungenrücken, das Zahnfleisch und der harte Gaumen, leicht verhornt ist. Ansonsten ist die zellteilungsaktive Mundschleimhaut empfindlich und leicht verletzbar. Die zweite Schicht unterhalb des Plattenepithels ist die „Eigenschicht“ („Lamina propria“), die aus Bindegewebe besteht und feine Blutgefäße und Abwehrzellen enthält. Die Speicheldrüsen sind in die unterste und lockere Schicht eingebettet, „Tela submucosa“. Sie besteht aus Bindegewebe, Blutgefäßen, einem vegetativen Nervengeflecht und ist reich an Drüsen.

Die Mundschleimhaut enthält Sinnesrezeptoren für das Tast-, Schmerz- und Temperaturempfinden. Sie beherbergt etwa 1.000 Mikroorganismen, beispielsweise den Hefepilz „Candida albicans“. Wo die Mundschleimhaut mit der Knochenhaut verwachsen ist, das ist an den Zahnfortsätzen von Ober- und Unterkiefer der Fall, spricht man vom „Zahnfleisch“, „Gingiva“. Durch das Sezernieren von Speichel ist die Mundschleimhaut für die Abwehr von Krankheitserregern bedeutsam. Ist die Mundschleimhaut von Krankheitserregern befallen, spricht man von „Stomatitis“ oder einer „oralen Mucositis“. Die Entzündung des Zahnfleisches wird als „Gingivitis“ bezeichnet. Bei einer schmerzhaften Beschädigung der Mundschleimhaut handelt es sich um eine „Aphthe“, zu Deutsch „Schwämmchen“.

Zunge und Geschmackssinn

Die Zunge ist für das Kauen und Schlucken, für das Schmecken und Tasten sowie für die Lautbildung bedeutsam. Die außergewöhnlich hohe Beweglichkeit der Zunge ergibt sich durch die Anordnung der Muskelfasern, die von vorne nach hinten, von den Rändern zur Mitte und von oben nach unten ziehen. Die Zunge ist der einzige quer gestreifte Muskel im Körper, der sich aktiv verlängern kann. Die Zungenspitze bildet den berührungsempfindlichsten Teil im menschlichen Körper.

Die Zungenwurzel, der hintere Zungenteil, ist mit dem Mundboden verwachsen. Der restliche Teil der Zunge ist frei beweglich und setzt sich aus dem Zungenkörper und der -spitze zusammen. Das Zungenbändchen, es liegt mittig an der Zungenunterseite, fixiert die Zunge am Mundboden. Wo das Zungenbändchen zum Mundboden übergeht, münden rechts und links davon die Ausführungsgänge der beiden Unterkieferspeicheldrüsen. Am Zungenrücken, das ist die Oberseite der Zunge, und an den Zungenrändern liegen die „Papillen“. Diese zahlreichen warzenförmigen Erhebungen in der Schleimhaut bilden die charakteristische raue Oberfläche der Zunge. Es gibt vier Arten von Papillen, die nach ihrer Form benannt sind: Pilz-, Blatt-, Wall- und Fadenpapillen. Nur Letztere sind frei von Geschmacksknospen.

Sechs Geschmackswahrnehmungen über die Geschmackspapillen

Die Geschmackswahrnehmung erfolgt über die Geschmacksknospen, die als Chemosensoren fungieren. Etwa 10.000 Geschmacksknospen liegen in der Zunge. Weitere 2.500 liegen im Rachen. Mit ihnen werden die Geschmacksrichtungen ‚bitter‘, ‚süß‘, ‚salzig‘, ‚sauer‘, ‚umami‘ und ‚fett‘ wahrgenommen. Umami wurde von japanischen Forschern entdeckt und bedeutet „fleischig“, „herzhaft“, „wohlschmeckend“. Es wird durch Aminosäuren wie Glutamat2 oder Aspartat3 hervorgerufen. Ein fettiger Geschmack entsteht durch bestimmte Fettsäuren, etwa durch die Linolsäure.

Forschende gehen davon aus, dass nicht nur die einzelnen Geschmacksrichtungen das wahrgenommene Aroma beeinflussen. Vielmehr spielt die Wahrnehmung von Textur, Temperatur, Adstringenz („raues“, „pelziges“ Mundgefühl), Spritzigkeit, Reizung, z. B. das brennende Gefühl beim Verzehr von Meerrettich, und von weiteren visuellen und auditiven Reizen eine Rolle. Hierbei ist die gustatorische (geschmackliche) Wahrnehmung durch den „Nervus facialis“ und durch den „Nervus glossopharyngeus“, die olfaktorische (den Geruch betreffend) Wahrnehmung durch den „Nervus olfactorius“ und durch den „Nervus trigeminus“ bedeutsam.

Zentral für das Erfahren und Beurteilen von Aromen ist ebenso der Geruchssinn. Damit die Duftstoffmoleküle die olfaktorischen Sinneszellen erreichen können, müssen sie durch die proteinhaltige Schleimschicht der Nase diffundieren können, weshalb auch die Pflege der Nase bedeutsam ist (Knecht et al., 1999, S. 1039; Ludwig & Schuler, 2018).

Werden die Wärme- und Schmerzrezeptoren der Mundschleimhaut gereizt, empfinden wir dies als ‚scharf‘. Reflektorisch kommt es zu einer gesteigerten Durchblutung und zu einer Erwärmung des Gewebes. ‚Scharf‘ ist jedoch keine gustatorische Sinnesqualität wie etwa süß oder sauer. Zudem ist die tatsächliche Temperatur von Speisen nicht für die Wahrnehmung von Schärfe verantwortlich, weshalb auch kalte scharfe Speisen als heiß empfunden werden. Je heißer eine Speise gegessen wird, desto schärfer wird sie wahrgenommen.

Geschmacksknospe

Eine Geschmacksknospe ist ein zwiebelartiges Gebilde mit ungefähr 20–30 Sinneszellen. Ihre Öffnung wird „Geschmacksporus“ genannt und befindet sich in der Schleimhautoberfläche der Zunge. In den Porus ragen die Härchen der Sinneszellen, die mit dem Geschmacksnerv verbunden sind.

Mehrere Hirnnerven übermitteln die Geschmacksinformationen an das Gehirn, wo sie entsprechend interpretiert werden.

Abbildung 2: Geschmacksknospe


2 Glutamate sind Ester und Salze der Glutaminsäure.

3 Aspartat ist eine proteinogene Aminosäure.

Speicheldrüsen und Speichel

Der Speichelfluss wird durch die muskuläre Aktivität der Lippen, Wangen und Zunge unterstützt und ist ein wichtiger Reinigungsmechanismus für die Mundhöhle. Pro Tag werden etwa 1 bis 2,5 Gramm Bakterien aus der Mundhöhle durch Verschlucken eliminiert (Ruhl, 2008). Stimuliert werden die Speicheldrüsen über das Kauen von Nahrung sowie auf chemisch-olfaktorischem und neuronalem Wege.

Die Speicheldrüsen liegen außerhalb der Mundhöhle und lassen ihr Sekret über Ausführungsgänge in die Mundhöhle einströmen. Drei große paarige Drüsen, „Glandulae salivariae majores“, produzieren 95 % der Speicheltagesmenge, die gemäß Schätzungen von 0,7 bis 1,5 Liter reichen.

Die größte Speicheldrüse des Menschen ist die Ohrspeicheldrüse, „Glandula parotis“, kurz „Parotis“. Eine Drüse wiegt 20 bis 30 Gramm und liegt größtenteils in der „Parotisloge“, die sich am Übergang vom Kopf zum Hals befindet. Durch diese Struktur hindurch verlaufen ebenso der Gesichtsnerv, die äußere Halsschlagader, die Schläfenarterie, der große Ohrnerv und die Kieferschlagader. Die Ausführungsgänge der beiden Ohrspeicheldrüsen liegen in den Backenmuskeln, etwa oberhalb der Backenzähne, und entlang der Kaumuskulatur. Die Drüsen selbst liegen vor und unter den Ohren. Es handelt sich dabei um seröse Drüsen, die flüssigen Speichel produzieren.

Die Unterkieferspeicheldrüsen, „Glandulae submandibularis“, liegen unterhalb der Mundbodenmuskulatur und an der Innenseite des Unterkiefers. Ihr Ausführungsgang mündet unter der Zunge. Mehrere kleinere Ausführungsgänge münden ebenfalls im Bereich des Zungenbändchens in die Mundhöhle.