Norbert Wickbolds Denkzettel

Norbert Wickbolds

Denkzettel

1. Auflage

Copyright © 2016 by Norbert Wickbold

Layout, Umschlaggestaltung und Illustration: Norbert Wickbold

Korrektur: Irene Wickbold

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-7345-3543-7 (Paperback)

ISBN: 978-3-7345-3544-4 (Hardcover)

ISBN: 978-3-7345-3545-1 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Norbert Wickbolds

Denkzettel

Die zweite Dekade!

Vorwort

Waren die ersten Denkzettel eher allgemeiner Natur, so sollen sich die, in diesem Büchlein folgenden, speziellen Themen des sozialen Lebens widmen.

Ich will es wirklich wagen, dort Späßchen zu machen, wo bei vielen der Spaß aufhört. Beim Glauben zum Beispiel, nicht so sehr dem religiösen Glauben, sondern dem moralisch oder politisch gefärbten Glauben. Ich weiß zwar, dass man sich darauf lieber nicht einlassen sollte. Denn das wusste schon der Geheimrat Goethe:

»Politisch Lied ein garstig Lied!«

Mir liegt es fern, mich über andere Menschen lustig zu machen. Bei einigen hier angesprochenen Themen verbietet es mir mein Verständnis von Anstand, sie einfach humorvoll zu besprechen. Ernsthaft will ich sein, aber nicht starrköpfig, denn zu viel Engstirnigkeit und Starrköpfigkeit hindern uns oftmals daran, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das gilt für das große, politische Leben genauso wie für die kleine, ganz persönliche Lebenspolitik. Heute gehen nicht mehr viele Menschen in die Kirche, um ein Glaubensbekenntnis abzulegen. Um so mehr Menschen geben heute durch das Lesen der richtigen Zeitung, durch Betrachtung der Lieblings-Talkshow im Fernsehen oder durch die persönliche Beteiligung im sozialen Netzwerk an den »richtigen« Foren ihr Glaubensbekenntnis ab. Früher glaubte man, dass es passieren könnte, vom Kugelblitz erschlagen zu werden. Daran glaubt heute wohl niemand mehr. Ganz aktuell wurde jemand laut Zeitungsrecherche vom Blitzkrebs getroffen oder eben niedergestreckt.

Aus der viel zitierten Meinungsvielfalt ist leider eine massenhafte Meinungseinfalt geworden. Für mich ist es unglaublich, mit welchen Erklärungen sich die Menschen abspeisen lassen. Zum Beispiel klären uns die Medien darüber auf, dass es nicht durch den Klimawandel wärmer wird, sondern durch die Atmosphäre. Oder das Parlament debattiert monatelang herum, um sich dann endlich zu einer Resolution durchzuringen. Doch kaum wurde die bekannt gemacht, hagelte es Kritik und es folgt auf höchster Ebene die Erklärung, das diese Resolution rechtlich ja gar nicht bindend sei. Wer braucht solche Erklärungen? Wer lässt sich damit zufrieden stellen? Nein zufrieden stellen wollen diese Weisheiten nicht. Mir scheint, es geht den Schreibern darum, die Leser gegen solche geistigen Tiefflieger aufzubringen, um sie anfällig für die künftigen Erklärungen zu machen. Man regt sich über die Dummheit von gewissen Leuten auf und fällt damit auf die versteckten Dummheiten anderer rein.

Die Leser anzuregen, sich wirklich eigene Gedanken zu machen, indem ich ihnen vorführe, zu welchen paradoxen und kuriosen Ergebnissen es führen kann, wenn man die üblichen Phrasen konsequent weiter verfolgt, bleibt natürlich weiterhin mein wichtigstes Anlegen. Gerade bei den hier angesprochenen Themen ist es eine große Herausforderung, weder Verbitterung noch Schadenfreude aufkommen zu lassen. Vor allem geht es aber darum, sich nicht nur zu ärgern und aufzuregen, sondern einen Weg zu finden, mit den vielen Ungereimtheiten unserer Tage umzugehen ohne dabei in Verbitterung, Verzweiflung oder Resignation zu landen. Und vor allen Dingen, ohne das Lachen zu verlieren.

Norbert Wickbold

Norbert Wickbolds

Denkzettel No.11

 

Sind wir von allen guten
Geistern verlassen ?

Oder haben wir sie verlassen?

Als ich 28 Jahre alt wurde, sagte man mir, dass mich nun mein Schutzengel verlassen würde. Bis hierher habe er mir treu gedient und mir stets geholfen. Von nun an müsse ich alleine klar kommen. Ich fand das ziemlich unfair. Schließlich war ich gerade in die größte Katastrophe meines Lebens geschlittert. Und da wollte mich mein Schutzengel alleine lassen? »Ein schöner Freund ist das«, dachte ich. Und überhaupt, wo war denn mein Schutzengel bisher gewesen? In wie viele Katastrophen hatte ich mich schon rein geritten. Nirgends hatte mein Schutzengel bereit gestanden, mich vor der drohenden Gefahr zu warnen. Nirgends hatte er mir einen einfacheren, bequemeren Weg oder überhaupt irgend einen Ausweg gewiesen. Aber vielleicht war das ja so einer wie bei Alexis Sorbas: »Ich hab' noch nie eine Brücke so schön einstürzen sehen!« Das ich nicht lache! Na ja, an einstürzende Neubauten konnte sich mein Schutzengel bei mir wirklich satt sehen. Da wurde ihm einiges geboten. Dann hat wenigstens einer seinen Spaß gehabt. Ich fand das jedenfalls nicht lustig. Von mir aus sollte der Schutzengel bleiben, wo der Pfeffer wächst. Und tatsächlich, nachdem der weg war, ging es allmählich aufwärts mit mir. Die ersten 28 Jahre fehlten mir na türlich. Da war nichts mehr zu machen. Wo andere es schon zur ersten Erbschaft, zur zweiten Frau, zum dritten Kind, zum vierten Haus, zum fünften Auto und zur sechsten Weltreise gebracht hatten, gelang es mir jetzt tatsächlich, den zweiten Stein auf den ersten zu setzen, ohne, dass mir der sofort wieder um die Ohren flog. Und das war für mich wie das siebte Weltwunder.

Durch die nicht enden wollenden Niederlagen war ich längst vom Glauben abgefallen. Wenn es überhaupt irgendwelche höheren Wesen, die als gute Geister wirken, geben sollte, hatten die offenbar an mir keinerlei Interesse. Ich sah mich von allen guten Geistern verlassen. Andererseits fragte ich mich: Sind diejenigen, die wirklich erfolgreich sind in der Wirtschaft und in der Politik, etwa diejenigen, die die Götter besonders lieben? Kann das stimmen? Wenn ich sehe, was diese Menschen aus unserer Welt machen – und wir machen bei alledem ja mit – dann frage ich mich wirklich: Sind denn nicht die von allen guten Geistern verlassen? Und wir mit ihnen?