Autorin:

Annette Schulz

im alten Dorf 8

59192 Bergkamen

Germany

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7504-7299-0

Auflage 2019

Vorwort und Einleitung

Als Oskar Beuerle (*01.09.1867 Paris), mein Großvater mütterlicherseits, vom 05. bis 06.September 1947 seinen 80. Geburtstag in Bretten feierte, hatte der II. Weltkrieg seine unsäglichen und unmissverständlichen Spuren hinterlassen. Deutschlands Städte lagen in Schutt und Asche. Von den Großeltern war mir nur Oskar geblieben.

Bei dem verheerenden Luftangriff der Royal Air Force auf Pforzheim am 23. Februar 1945, fielen 17.600 Menschen den Phosphorbomben zum Opfer. Es war die höchste Opferzahl im Bombenkrieg. Georg Karl Groll (1869-1945), mein Großvater väterlicherseits, verstarb noch im gleichen Jahr mit 76 Jahren.

Seine Ehefrau Friederike Magdalena (Frieda) Groll, geb. Gillardon (1872-1932), ereilte der Tod schon anno 1932 im Alter von nur 60 Jahren. Oskars Ehefrau Ella Beuerle, geb. Kupfer (1878-1935), erlag 57-jährig den Folgen einer Tumorerkrankung.

Meine Familie musste am 16. Januar 1945 aus dem seit 1939 von deutschen Truppen besetzten Krenau (Chrzanów, Woiwodschaft Krakau) die Flucht antreten. Ich erreichte neun Tage später das 2. Lebensjahr (*25.01.1943 Kattowitz), mein Bruder Klaus (*21.01.1938 Karlsruhe) stand kurz vor seinem 7. Geburtstag und Bruder Dieter (*24.12.1939 Berlin) war fünf Jahre alt. Mutter Erika (*5.10.1906 Hausen) führte die kleine Truppe nach beschwerlicher Auto- und Bahnreise zunächst ins beschauliche Hausen/Wiesental, später nach Bretten/Baden, Heimatort von Vater Heinrich Groll (*05.03.1902 Bretten).

Vater, promovierter Wirtschaftswissenschaftler, zunächst als freier Wirtschaftsprüfer in Pforzheim tätig, später als Dezernent ins Gemeindeprüfungsamt beim Reichsminister des Inneren nach Berlin berufen, danach Oberregierungsrat in Oberschlesien und Landrat im Kreis Ilkenau (Olkusz, damals deutschbesetztes Generalgouvernement), stand nach der Flucht vor dem beruflichen Nichts.

Für unsere Familie gab es einen Neuanfang. Bis zum Start nach Gronau/Westfalen in ein anderes Leben, Anfang der 1950iger Jahre, verweilten wir in Bretten.

Wiederholte Anfragen zur Einsichtnahme in mir vorliegende originale Briefdokumente und Aufzeichnungen, veranlassten mich zur Herausgabe des vorliegenden Buches.

Die Schriftdokumente sind chronologisch nach den Jahreszahlen 1947 bis 1991, dem Todesjahr meiner Eltern Erika und Heinrich Groll, geordnet.

Bergkamen, im Herbst 2019

Annette Schulz

Frieda und Georg Groll, Eltern väterlicherseits
Kinder Heinrich (*1902) und Johanna (*1909)

Familie Heinrich Groll (Erika, Klaus, Dieter, Imo), Opa Oskar 1944

Annette hat's vom Imo abgeguckt

05. September 1947

Aus Erikas Gästbuch

Maurus Gerner-Beuerle

Ein neuer Anfang sei gemacht

Mit Vaters Fest von achtzig Jahren,

Es hat uns Einigkeit gebracht,

Wie wir es lange nicht mehr waren,

Nun gehe Segen aus vom Heut

Für alle bis in spätre Zeiten,

Was unsere Herzen so erfreut,

Mög' leuchten in die Ewigkeiten!

Maurus

Ein Band umschlingt das mächtige Getriebe,

ein Band umschlingt auch unsere Familie,

wie ich an meinem 80-jährigen Geburtstag

aufs neue beglückt empfunden habe,

nämlich

das große allgemeine

Band der Liebe

der Opa

O.Beuerle

Ella Kupfer, Annettes Großmutter mütterlicherseits
(*06.März 1878 Adelsheim/Baden †12.Mai 1935 St.Blasien)

Hochzeit Ella Kupfer und Oskar Beuerle
24.September 1898

Familie Maurus Gerner-Beuerle mit Oskar Beuerle (82 Jahre)

Wie wohl tat schon der Anblick des unzerstörten, alten, malerischen Städtchens mit dem leise plätschernden Brunnen vor eurem Haus! Es legte sich von Anfang an über uns eine Atmosphäre entspannter Geborgenheit. Gerüche, wie sie uns aus der Kinderzeit noch im Gemüt lagen, drangen schon auf der Treppe in uns ein. Und das wachsende Zueinanderfinden offenbarte mit jeder Stunde mehr die unzerstörbare Verbundenheit.

Unvergeßlich bleiben wird mir der Gottesdienst in der Stiftskirche mit dem mitreißend kräftigen Gemeindegesang, das ergreifende Vorlesen unseres Vaters und das allabendliche Hinübergehen zu unserem Gasthaus durch die vollmondstille Nacht. Unser fröhliches Singen zauberte vollends die alten Zeiten aus der Vergangenheit hervor, und unser unvergeßliches Mütterle segnete alles mit seiner unsichtbaren Gegenwart. Jeder Tag war erfüllt mit dankwürdigem Leben, und eure selbstlose Gastlichkeit trug alles mit einer selten schönen Gütigkeit!

Erika (*25.10.1906) und Ilse (*10.11.1901) Gerner-Beuerle

Aus dem Leben meines Vaters (von Erika Groll, geb.Gerner-Beuerle)

„Es wurde mir bekannt, daß in Hausen im Wiesental die Pfarrstelle frei war. Ich fuhr hin, um mir den Ort anzusehen und war überrascht von der Schönheit der Gegend. Ich bewarb mich um die Stelle.

Am 18. Dezember 1901 wählte man mich zunächst als Pfarrverwalter, und ich zog mit meiner Familie nach Hausen. Für meine Kinder wurde Hausen das Paradies ihrer Kindheit.

Am 6. April 1902 wurde ich dann einstimmig als Pfarrer angenommen. Das Wichtigste über meine pfarramtliche Tätigkeit gab ich in den Monatsberichten im 'Gemeindeboten', den ich eingeführt habe, bekannt. Der später gebundene 'Gemeindebote' umfasst drei Bände und wurde im Aktenschrank des Pfarrhauses aufbewahrt."

Mein Vater hat über 30 Jahre Freud und Leid mit seiner Gemeinde geteilt und ist im Ruhestand zunächst nach Freiburg und nach dem Tod unserer Mutter anno 1935 in seine Heimat nach Heidelberg übergesiedelt.

Hundert-Jahr-Feier des Brettener Kindergartens 1946

Familientreffen Gillardon-Paravicini 1946

Dr. Heinrich Groll

Bretten, den 16. März 1947

Brief an Oskar Beuerle

Mein lieber Vater!

Für Deine herzlichen Wünsche zu meinem Geburtstag und die schönen Photos möchte ich Dir innigen Dank sagen. Ich habe mich ganz ausserordentlich über die wohlgelungenen Bilder von Dir und Mama gefreut. Besonders auch deshalb, weil wir durch den Verlust unserer Habe keine Möglichkeit gehabt hätten, die Bilder zu ergänzen. Und gerade auch für unsere Kinder ist es so wichtig und wertvoll, die Bilder von Opa und Oma stets um uns zu haben. Sie zieren nun unsere Wand im Wohnzimmer zusammen mit einem kleinen Ölbild aus dem Moosalbtal bei Herrenalb, das mir Vetter August geschenkt hat. So wird unsere Wohnstube langsam wieder persönlicher und familiärer. Erika hat mir mit dem Bild von unseren Kindern ebenfalls eine große Freude bereitet, sie sind ja allerliebst und sehr charakteristisch getroffen und werden später eine schöne Erinnerung an ihre Kindheit sein.

Wir freuen uns schon sehr darauf, wenn Du Ostern zu uns kommen wirst und hoffen, dass wir dann schönes, warmes Frühlingswetter haben werden, damit Du es gemütlich und warm bei uns hast.

Ich möchte Dir auch noch von mir aus danken, dass Du Erika und damit uns so großzügig finanziell unterstützt hast. Ich bin zwar immer wieder beschämt und es ist mir gar nicht recht, dass wir Dir jetzt so sehr auf der Tasche liegen und dass ich meiner Familie gar so wenig bieten kann. Aber ich hoffe doch sehr, dass dieser Zustand die längste Zeit gedauert hat und dass ich in absehbarer Zeit meine Spruchkammerangelegenheit zu einem guten Ende bringen kann. Wenn ich erst wieder freie Hand habe, dann will ich meine Kräfte wieder tüchtig rühren und glaube fest, dass es mir dann bald wieder gelingen wird, eine neue Existenz für meine Familie zu gründen. Du hast jedenfalls in unserer schweren Zeit so treu und hilfsbereit zu uns gestanden, dass ich Dir das nie vergessen werde.

Nun kommt ja bald wieder die schöne Zeit, die Du dann in Heidelberg geniessen kannst.

Heini schrieb mir auch einen großen Brief – er kam aber erst am 10.3. hier an – zu meinem Geburtstag, über den ich mich sehr gefreut habe. Gott sei Dank ist er nun endgültig über den Berg, er schreibt auch sehr aufgeschlossen und froh und er wird sicher wieder ganz in seinem Element sein.

Dir viel liebe Grüße von Deinem
Heiner

Erika Groll Bretten,

den 28.März 1947

Brief an Oskar Beuerle

Mein liebes Vaterle!

Dein gestriger Brief hat mich recht bekümmert, am wehesten tut mir, dass ich Dir so wenig tun kann. Aber damals in Schopfheim, um dieselbe Jahreszeit, warst Du auch so schwach auf den Beinen und konntest Deine Gedanken so schlecht zusammenbringen und Dein Befinden hat sich dann doch wieder sehr gebessert. So wollen wir hoffen, dass mit zunehmender Wärme alles wieder besser wird. Das Wichtigste ist, dass Du Dich kräftigst. Ich werde Dir Nährmittel schicken (Grünkern), dass Du Dir jeden Tag, etwa abends, einen Teller dicke Suppe kochen kannst, in die Du einen Löffel Öl tust. Und dann schicke ich Dir Haferflocken, von denen machst Du Dir jeden Tag mit Deiner Vollmilch um 10 Uhr einen guten Haferbrei. Leider gibt es zur Zeit gar kein Weissmehl (!), sodass ich Dir keinen Zwieback schicken kann. Auf Ostern soll es etwas geben, dann bekommst Du es von mir.

Ich will am Gründonnerstag morgen zu Dir kommen und Dir die Sachen bringen und dann würde es uns sehr freuen, wenn Du abends 1736 mit mir nach Bretten fahren würdest. Nach Ostern hat es keinen Zweck, da ist Heiner wieder in der Arbeit und bei mir hat der Alltag auch wieder begonnen. Du bekommst dann das Zimmerchen oben ganz allein und ich richte Dir alles hin, dass Du Dich oben waschen kannst. Es tut uns auch gut, wenn wir Dich wieder mal bei uns haben und wir uns aussprechen können. Sicher kannst Du Dir Deine Vollmilch gutschreiben lassen, dass Du dann einige Tage die doppelte Menge bekommst. Du fährst dann am Osterdienstag wieder zurück. Wir wollen noch den direkten Zug heraussuchen. Wenn es Dir eine Beruhigung ist, begleite ich Dich nach Heidelberg.

Das Kopfweh kommt sicher auch von dem vielen Erkältetsein. Gegen das Verkalken musst Du eben immer etwas einnehmen, das haben ja alle alten Leute. Auf jeden Fall wollen wir alles tun, dass Du kräftiger wirst, gelt liebes Vaterle.

Auf Wiedersehen am Gründonnerstag.

In herzlicher Liebe grüsst Dich und küsst Dich innig

Deine Erika

Dr. Heinrich Groll

Bretten, den 16.April 1947

Brief an Oskar Beuerle

Mein lieber Vater!

Heute früh bin ich von meiner großen Reise zurückgekommen und will Dir kurz das Ergebnis berichten.

In Frankfurt ist man bereit, mich einzustellen. Wegen der bekannten Schwierigkeiten kann es zur Zeit, d.h. bis zu meiner Rehabilitierung durch die Spruchkammer, lediglich als Prüfungsassistent geschehen. Die Firma will jetzt beim Arbeitsamt in Frankfurt um die Genehmigung meiner Einstellung nachsuchen, wobei auch eine Klärung wegen des Gehalts, das mir ausbezahlt werden darf, herbeigeführt werden soll. Sobald eine Antwort vom Arbeitsamt eingeht, werde ich ein endgültiges Angebot erhalten.

In München ist ebenfalls die Bereitschaft zu einer Einstellung vorhanden. Es handelt sich dort um eine neu gegründete Firma. Ich habe aber noch Bedenken, wegen der weiten Entfernung zu meiner Familie, sodass ich wohl nur einmal im Monat nach Hause fahren könnte. Diese Sache ist mir nicht sehr sympathisch. Wir wollen also hoffen, dass es in Frankfurt klappt und dass ich vom Arbeitsamt in Bretten freigegeben werde. (Das war ja damals Widersinn, dass die Arbeitsämter – von Sozis geleitet – sich in alles einmischen und alles nach ihrem Sinn lenken wollten).

Leider konnte ich Dich auf dem Rückweg nicht besuchen, weil ich gestern noch in München war und von Frankfurt gleich nach München durchgefahren bin.

Wenn auch die Beschäftigung vorläufig nur in untergeordneter Position möglich ist, so wäre es doch immerhin wieder ein Anfang und für später eine ausbaufähige Position.

Wir hoffen sehr, lieber Vater, dass Du gut nach Hause gekommen bist und dass es Dir jetzt, wo es wieder wärmer wird, auch gesundheitlich besser geht.

Vielen herzlichen Dank für die Übersendung der Hautcreme, die ich sehr gut finde und die mir schon ausgezeichnete Dienste erwiesen hat

Mit vielen herzlichen Grüssen,

Dein Heiner

Erika Groll

Bretten, den 27.Mai 1947

Brief an Oskar Beuerle

Mein lieber, guter Vater!