Andrea Nagele, die mit Krimi-Literatur aufgewachsen ist, leitete über ein Jahrzehnt ein psychotherapeutisches Ambulatorium. Heute arbeitet sie als Autorin und betreibt in Klagenfurt eine psychotherapeutische Praxis. Mit ihrem Mann lebt sie in Klagenfurt am Wörthersee und in Grado.

Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

 

 

Für Becky, meine Nichte, und Matthias, meinen Neffen.

Und für Alice.

Prolog

Zuerst war es nur ein leises Knistern. Kaum lauter als das Rascheln der Blätter in den Bäumen.

Dann kam der Geruch und bahnte sich seinen Weg. Der herb-holzige Duft war erregend.

Er schlich leise näher.

Das Meer erstreckte sich spiegelglatt bis zum Horizont. Der Mond, eine Sichel am dunklen Himmel mit wenigen Sternen, warf sein glimmerndes Licht auf das Wasser. Der Sand war feucht und knirschte unter jedem Schritt. An manchen Stellen ragten die scharfen Kanten gesplitterter Muscheln heraus. Ritzten sie die empfindliche Haut der Sohle auf, tat es verdammt weh.

Es war keine gute Idee gewesen, barfuß hierherzukommen.

Wahrlich nicht.

Die Abdrücke der Profile von Schuhen hatten allerdings schon so manchen Hinweis auf einen Täter erbracht. Wozu also dieses Risiko eingehen?

Der Geruch wurde stärker, und man konnte Funken an den Holzbrettern tanzen sehen. Das rotgelbe Glosen drang durch die Spalten. Das Feuer gelangte mühelos ins Innere und bäumte sich dort zu einer riesigen Flamme auf.

Die Geräusche nahmen langsam zu. Vögel kreischten in den Pinien, Möwen schrien, Wellen klatschten aufgewühlt an den Strand.

Der Mond, eben noch schlicht, schien nun auf seine volle Größe angewachsen zu sein.

In der Ferne ertönte der an- und abschwellende Ruf einer Feuersirene.

Jemand hatte den Brand gemeldet.

Der Augenblick war gekommen.

Der Höhepunkt erreicht.

Der Druck hatte sich entladen.

Ein Zittern erfasste die einsame Gestalt. Sie konnte den Blick vom Spektakel, das sie entfacht hatte, nicht abwenden.

Das schrille Kreischen eines Martinshorns kam näher.

Es war Zeit zu gehen.

1

Maddalena kniete vor Franjos Grab.

Der Boden unter ihr fühlte sich kalt an. Kälter als zu dieser Jahreszeit üblich. War er etwa gefroren? Sie schüttelte den Kopf und hob die Hand an die Stirn. Eine Locke verfing sich im Stein ihres Verlobungsringes, und als sie die feinen Haare daraus löste, fuhr ein wilder Schmerz durch ihren Körper und bündelte sich in ihrem Herzen.

Es tat so weh.

Verzweifelt hämmerte sie mit der Faust auf ihre linke Brust. »Hör auf, hör endlich auf!«, schrie sie und presste ihr tränennasses Gesicht gegen den marmornen Stein mit Franjos Namenszug, seinen Geburts- und Sterbedaten.

Es war Ende September, und die Kälte der Erde spiegelte die Erstarrung in Maddalenas Inneren wider.

»Mädchen.« Jemand tippte auf ihre Schulter.

Sie drehte sich ruckartig um und wäre fast gegen die Person hinter ihr gestolpert.

»Was soll das?«, zischte sie und rang um Fassung. Vor ihr stand eines der alten Weiber, die hier auf dem Friedhof zu leben schienen, und brummte ihr ein verlegenes »Buongiorno« entgegen. Am liebsten hätte sie die Betschwester an den dürren Oberarmen gepackt und so lange geschüttelt, bis deren von Osteoporose zerbröselnde Knochen nur so klapperten. Aber natürlich tat sie nichts. Auch wenn diese Hexen in ihren rabenschwarzen Kleiderschürzen Maddalena stets misstrauisch beäugt hatten, so schlimm und grausam wollte sie ihnen gegenüber nicht sein. Verlorene Seelen waren das, nicht anders, als sie eine war.

Gab es denn überhaupt noch einen großen Unterschied zwischen ihr und den düsteren Krähen ihrer Kindheit?

War sie nicht längst eine der ihren geworden?

Die Berührung der Alten auf ihrer Schulter, war das deren Art, Trost zu zeigen?

Sie brauchte kein Mitleid.

Tag für Tag und oftmals auch nachts stieß sie die schmiedeeiserne Tür des Friedhofs hoch oben auf dem schroffen Felsen über dem Golf von Triest auf, griff nach der blechernen Kanne und goss die von ihr gepflanzten Blumen auf der letzten Ruhestätte ihres Verlobten, der neben ihrem geliebten Vater begraben lag.

Sicher, zu beten hatte sie früh aufgehört und sich schon zeitig von einem Gott, der so viel Böses auf diese Welt brachte, abgewandt.

Darin unterschied sie sich von den Klageweibern.

Aber sonst?

Der Geruch nach Salbei, Thymian, Lavendel und Rosmarin, der für die Gegend hier charakteristisch war, wurde seit Franjos Begräbnis verdrängt vom Gestank modrig vor sich hin welkender Blumen. Er löste ein Gefühl des Ekels in ihr aus.

Sie ging an der Alten vorbei, die zwei Gräber weiter vor dem Gedenkstein für ihre Lieben stehen geblieben war, verließ den Friedhof und machte sich traurig auf den Weg zur Bar. Dort angekommen, setzte sie sich auf einen der klapprigen Stühle auf der Terrasse und zündete sich eine Zigarette an.

Jeden Morgen erwachte sie lange vor Tagesbeginn. Sie stand auf, stellte sich ans Fenster ihres Elternhauses in Santa Croce und starrte in die Dämmerung. Wenn die orangerosa Streifen am Himmel erschienen und es allmählich heller wurde, braute Maddalena sich ihren ersten starken Espresso.

Manchmal vergaß sie, sich zu duschen oder ihre Haare zu waschen. Dann kämmten ihre Finger mit den abgebrochenen Nägeln hastig durch die verfilzten Strähnen. Mit dem Deo-Stick rollte sie nachlässig über ihre verschwitzten Achselhöhlen, und die Kleidung von gestern war auch für heute gut genug. Sie bestand entweder aus Jeans oder einer ausgeleierten Jogginghose und einem T-Shirt darüber. Selten hüllte sie sich in einen Pulli oder die alte Kapuzenjacke aus ihren Teenagerjahren. Mit nackten Armen verließ sie das Haus. So als müsste sie die Kälte auf ihrer Haut aushalten, die Gänsehaut ertragen, um irgendetwas zu spüren.

Ihre Chucks waren an den Fersen abgewetzt wie verkommene Hausschuhe. Es kümmerte sie nicht. Der Lack von ihren Fußnägeln war schon lange abgesplittert. In diesem Aufzug schlich sie zum Friedhof, in jeder Hand eine Kerze, ihre Finger fest um das harte Wachs gekrallt. Wenigstens daran fand sie ein wenig Halt.

Käme ihre Mutter unerwartet zu Besuch, was sie zum Glück bisher unterlassen hatte, wäre sie schockstarr vor Entsetzen.

Jede freie Fläche der Küche war mit Kartons verstellt, in denen sie Kerzen in unterschiedlichen Formen und Größen aufbewahrte.

Mama würde wohl eher leere Pizzakartons oder vergammeltes Essen in Pappbehältern erwarten, vermutete Maddalena und war zum wiederholten Mal erleichtert, sich ihrem scharfen Blick nicht stellen zu müssen.

Ihr Kühlschrank war gähnend leer, bis auf die Weinflaschen und die ansehnliche Batterie an Dosenbier. Mateja, Franjos Mutter, hatte ihr die alkoholischen Vorräte aus dem Keller des Gasthauses in Dol pri Vogljah überlassen.

Maddalena, die in der Vergangenheit kaum getrunken hatte, kam dieses Geschenk durchaus gelegen. Der Terran und der Merlot halfen ihr beim Einschlafen, der Vitovska und der Ribolla Gialla gaben ihr die nötige Kraft, den Tag zu überstehen. Und über den Gin wollte sie nicht nachdenken.

So kam es mitunter vor, dass Maddalena mehr wankte als ging, über die Begrenzungen der Gräber stolperte, auf dem glatten Kies ausrutschte und sich an den Grabsteinen festhalten musste.

Es war ihr gleichgültig, ob sie dabei beobachtet wurde. Sollten sie sich doch das Maul über sie zerreißen.

Nichts brachte ihr Franjo zurück.

Einzig die Wirtin in der engen Bar im Dorf hatte freundliche Worte für sie und stellte ihr unaufgefordert eine Tasse bitteren Espresso und ein Glas Wasser hin. Der Kaffee war gut, konnte aber nicht mit dem Gebräu von Piero Zolis Mutter mithalten.

Manchmal dachte sie an ihre alte Truppe auf dem Polizeirevier in Grado. Sie meinten es gut mit ihrer Chefin und riefen sie regelmäßig an. Abwechselnd. Maddalena kam es vor, als hielten sie sich dabei an einen genau festgelegten Plan.

Doch ihr Mitgefühl, die vielen tröstenden Worte, lösten bloß Unbehagen und Zorn in ihr aus. Längst hatte sie es aufgegeben, ihre Anrufe und SMS zu beantworten, rief die Sprachnachrichten nicht mehr ab und stellte ihr Handy auf Flugmodus. So war sie nur noch selten für die Außenwelt erreichbar.

Mit Franjo zusammen sein, das wollte sie und nichts anderes.

In den dunkelsten Stunden der Nacht wählte sie verschämt die Nummer seines Smartphones und hörte seine liebe rauchige Stimme auf der Mobilbox.

Einmal hatte Mateja sie als anonyme Anruferin auf dem Anrufbeantworter des Wirtshauses entlarvt. Anstatt mit Maddalena zu weinen, löschte sie kurzerhand Franjos Ansage und ließ ihn damit ein Stück mehr für immer aus Maddalenas Welt verschwinden.

So war ihre Beinahe-Schwiegermutter nun mal.

Wider besseres Wissen konnte Maddalena ihr das jedoch nicht verzeihen. Warum hatte sie die Stimme ihres einzigen Sohnes so herzlos zum Schweigen gebracht?

Verloren und allein saß Maddalena nun wohl schon seit einer Stunde an einem der Tische auf der Steinveranda der kleinen Bar. Eben rauchte sie ihre dritte Zigarette, als ihr Handy zu vibrieren begann.

Shit, dachte sie, ich habe wohl vergessen, das Ding auszuschalten. Missmutig warf sie einen Blick auf das Display. »Unbekannter Anrufer«, stand da.

Gut, umso besser, dachte sie, niemand, den ich kenne.

Sie hob ab.

»Hallo. Stella hier. Ich hoffe, mein Anruf kommt nicht ungelegen?«, sagte eine leise Stimme.

Stella? Sie kannte keine Stella.

»Stella?«

»Oh. Entschuldigen Sie, Commissaria. Sie können mich nicht zuordnen. Das ist meine Schuld. Ich bin Guidos Frau.«

Guido?

Maddalena drückte mit dem Zeigefinger auf eine schmerzende Stelle über ihrer rechten Augenbraue.

Wer verdammt noch mal war Guido?

Und wer zur Hölle seine Frau?

Sie war drauf und dran, die Verbindung zu unterbrechen, als die Anruferin kaum vernehmbar ergänzte: »Ich bin Stella, Lippis Frau, Sie wissen schon.«

Maddalena hielt inne. Guido Lippi also.

Damit war dieses Rätsel gelöst.

»Kollege Lippi ist seit Längerem geschieden, soweit mir bekannt ist«, bellte Maddalena. Sie fand es mehr als unverschämt, von der Verflossenen ihres selbstsüchtigen Widersachers belästigt zu werden. Wollte diese Schnalle etwa, dass sie vor Gericht gegen ihn aussagte? Das ginge trotz ihrer schwierigen Beziehung zu Lippi entschieden zu weit. Egal, was ihr dieser Typ in der Vergangenheit für Probleme bereitet hatte.

Abgesehen davon hatte er sich in ihrem letzten Fall als sehr hilfsbereit erwiesen.

In eine schmutzige Ehe-Angelegenheit involviert zu werden, war das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte.

»Es ist mir peinlich, Sie zu kontaktieren.« Die Stimme schwankte.

»Sollte es auch. Denn vor Gericht werde ich nicht gegen Lippi aussagen. Er ist ein wertvoller Mitarbeiter, der mich zudem derzeit vertritt. Sie verstehen?«

»Nein.«

Maddalena war über die Veränderung in Stellas Stimmlage erstaunt.

»Nein«, wiederholte die Anruferin kräftig. »Sie haben das völlig falsch verstanden. Oder ich habe mich schlecht ausgedrückt. Es geht weder um Guido noch um mich. Wir beide haben uns geeinigt. Wir sind wieder ein Paar und sehr glücklich miteinander.«

Maddalena griff sich an die Stirn. War sie noch bei Sinnen? Setzte ihr logischer Verstand langsam aus? War das der Beginn einer Paranoia?

Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Aber wie? Auch das schien sie verlernt zu haben.

Suchend drückte sie ihre Finger gegen die Tischkante. Sie wollte sich verletzen, fand aber keine rissige Stelle im Holz.

»Also was jetzt?«, fragte sie scharf und versuchte, sich das zierliche blondhaarige Geschöpf in Erinnerung zu rufen, das sie vor Jahren an Lippis Arm gesehen hatte. Ein albernes Hausmütterchen neben einem Mann mit roter Weihnachtszipfelmütze. So waren die beiden bei ihrem Adventsempfang aufgetaucht.

Stopp. Aus, befahl Maddalena sich, als unwillkürlich Franjo vor ihrem inneren Auge auftauchte. Franjo, der sie unter dem Mistelzweig küsste.

»Guido würde mich in den Keller sperren, wüsste er, dass ich Sie anrufe. Aber ich konnte nicht anders. Als damals mein Vater starb … ich … ich war so unglücklich. Ich wusste nicht mehr weiter, habe mich mit allem Möglichen beschäftigt, um die Trauer zu bewältigen. Allerdings half mir nur eines: Ich musste akzeptieren, dass ich unterschiedliche Phasen durchlaufe. Und darüber wollte ich mit Ihnen sprechen. Vor allem, weil Guido mir gesagt hat, dass Sie nicht bereit wären, mit einem aus Ihrem Team zu reden. Nicht mal mit Piero. Das hat mich auf die Idee gebracht.« Sie räusperte sich.

»Wie Sie sicher bemerkt haben, ist das ein sinnloses Unterfangen.«

»So sehe ich das nicht. Der Anfang ist bereits getan. Und …« Die Stimme brach ab. »Ich stehe nicht weit entfernt von der Bar, auf deren Terrasse Sie sitzen und Ihren Espresso trinken.«

Maddalena stutzte und wandte den Kopf zur Seite.

Tatsächlich, da stand Stella Lippi. Eine Frau, deren schüchternes Lächeln breiter war als ihr Gesicht. Helle Locken kräuselten sich um gerötete Wangen.

Jetzt kam sie auf sie zu. Das Handy hielt sie wie ein Beweisstück fest in ihrer Hand.

Maddalena erhob sich.

Sie sollte dieser Person, die ihren Frieden hier einfach so zu stören wagte, böse sein. Schon hob sie zu einer bissigen Bemerkung an, ließ es dann aber bleiben.

»Ich bin Stella.« Unruhig trat Lippis Frau auf der Stelle.

»Das ist offensichtlich. Setzen Sie sich. Sie machen mich mit dem Gezappel noch ganz nervös.« Maddalenas Stimme kratzte in ihrem Hals. Sie schob Stella einen der schmiedeeisernen Stühle hin. »Was soll ich für Sie bestellen? Kaffee? Tee? Ein Lemon-Soda?«

»Danke. Nichts dergleichen. Ein Grappa würde mir jetzt besser gefallen.«

Das fängt ja gut an, dachte Maddalena und bestellte zwei Schnäpse. »Wissen Sie, Stella, ich trinke seit … seit einiger Zeit sehr viel und sehr gern. Mit Ihrem Getränkewunsch haben Sie mir einen Gefallen getan.«

Stella musterte sie eine Weile. Dann grinste sie. Lachte sie Maddalena etwa aus?

»Ist daran etwas falsch? Stempeln Sie mich als Alkoholikerin ab?«

»Natürlich nicht. Ich selbst wollte doch etwas Starkes, um meine Nerven zu beruhigen. Da wäre ich wohl die allerletzte Person, die Ihnen Vorschriften machen oder gar einen Tadel erteilen darf.« Mit fahrigen Bewegungen band Stella aus ihren Locken einen schlampigen Zopf.

Die kann das auch nicht besser als ich, dachte Maddalena und begann, Guido Lippis Ex- oder schon wieder Ehefrau ins Herz zu schließen.

Die beiden schmalen Gläser klirrten hell, als sie miteinander anstießen.

Der erste Schluck brannte in Maddalenas Speiseröhre. Sie unterdrückte ein Hüsteln. »So. Jetzt zur Sache. Was führt Sie zu mir nach Santa Croce?«

»Wie ich am Telefon schon andeutete, gibt es diese berühmten Trauerphasen.«

»Steckt sicher eine hübsche Theorie dahinter, die dem Erfinder einiges an Geld eingebracht hat. Aber sie bringt weder Ihnen Ihren Vater noch mir meinen Verlobten zurück. Und wissen Sie, auch ich habe vor noch gar nicht allzu langer Zeit meinen Vater verloren. Ich war am Boden zerstört. Trotzdem habe ich es geschafft, es war schwer, aber ich habe es geschafft, den Schmerz über diesen Verlust irgendwie zu bewältigen. Doch das mit Franjo ist anders.«

Stella legte ihre Hand auf den Tisch und umklammerte das Schnapsglas. Ihre abgekauten Nägel gefielen Maddalena. Die kleine Frau war so durch und durch unperfekt, dass sie das Gefühl hatte, sich ihr anvertrauen zu können.

»Wissen Sie, Stella, ich habe bisher mit niemandem über die Sache geredet. Ich komme einfach nicht über Franjos Tod hinweg. Es kann nicht richtig sein, dass er nicht jeden Augenblick um die Ecke biegen wird.«

»Vielleicht liegt es daran, dass Sie sich noch in Phase eins befinden: der Verleugnung. Sie wollen seinen Tod nicht wahrhaben.«

Maddalena hüstelte. »Die Nummer habe ich schon hinter mir. Da können Sie Ihren Lippi fragen und alle anderen, die dabei waren. Ich war damals im Krankenhaus der Meinung, dass es sich um eine Verwechslung handeln müsse, und das, obwohl ich Franjo mit eigenen Augen tot daliegen gesehen habe. Ich war der festen Überzeugung, dass er noch lebt. Also weiter, was ist die zweite Phase?«

»Sie nennt sich Zorn.« Stella winkte der Barfrau und zeichnete mit ihrem Zeigefinger einen Kreis in die Luft. Eine weitere Runde. Mir soll es recht sein, dachte Maddalena.

»Na ja, ich weiß nicht, wütend war ich von Anfang an. Wenn Sie es genau wissen wollen, habe ich alle gehasst, die weiterleben durften. Inklusive meiner Person.«

»Sie Arme«, sagte Stella sanft, und Maddalena wunderte sich, dass sie sich darüber nicht ärgerte. Sie hasste jegliche Form des Mitleids und konnte nicht zuletzt deshalb weder mit ihrer Mutter noch mit ihrer Freundin Bibiana über die Ereignisse reden, die zu Franjos tragischem Tod geführt hatten. »Da haben Sie wohl Phase eins und zwei gleichzeitig durchgemacht.«

Ein wenig neugierig war Maddalena inzwischen schon geworden. Vielleicht lag es aber auch am Grappa. Der machte sie geradezu redselig. »Nur nicht mittendrin aufhören, was ist Phase drei?«

»Verhandeln.«

»Verstehe ich nicht.«

»Ich auch nicht.«

Sie sahen einander sekundenlang ernst an, dann zuckten Stellas Mundwinkel. Beide brachen in ein unkontrolliertes Gelächter aus. Ein Mann, der in seiner Ape, einem Minilaster, an der Bar vorbeifuhr, zeigte ihnen einen Vogel.

»Heißt das, ich hätte mit der richtigen Taktik Chancen, Franjo zurückzubekommen? Warum hat mir das keiner gesagt?«

»Ich denke, damit ist höchstwahrscheinlich gemeint, dass man etwas tut, um das Leid besser zu ertragen.«

»Mit dem Sensenmann einen Deal schließen?«

Stella legte betroffen ihre Hand auf den Mund.

»Ich habe nichts gemacht.« Maddalena trank einen Schluck von ihrem Grappa. »Ging ja alles, wie man gemeinhin so sagt, ganz plötzlich und unerwartet, also rucki, zucki.«

»Doch. Sie haben sich ein Trauerjahr genommen.«

Da hatte die kleine Frau recht. Maddalena hob ihr Glas und hielt es Stella hin. »Sie dürfen mich duzen.«

Stella sah sie verblüfft an. Dann sagte sie: »Okay. Ich heiße Stella.«

»Ach?« Maddalena biss sich auf die Unterlippe und hatte soeben einen weiteren Grund gefunden, diese Frau zu mögen. »Bevor wir zu den anderen Phasen kommen, erzähl mir, was da mit Lippi und dir läuft. Seid ihr nicht geschieden?«

»Waren wir. Ich wollte nicht zusehen, wie er sich ruiniert. Sein Gewicht, du weißt ja selbst, wie grauenvoll er sich ernährt. All dieses Junkfood, das er in sich hineinstopft. Diabetes, ein Schlaganfall. Früher oder später wäre er sehr krank geworden. Das wollte ich nicht zulassen. Während der Zeit unserer Trennung hat er sich verändert. Wir können jetzt wieder miteinander reden. Und … na ja, wir mögen uns eben.«

Maddalena kämpfte bei Stellas Worten gegen den dicken Kloß in ihrer Kehle an.

Franjo. Ihr Franjo. Sie spürte ihn immer noch. Sein Dreitagebart ritzte ihre feine Gesichtshaut auf, sein holziges Aftershave, das vom Geruch frisch geschnittener Küchenkräuter übertönt wurde, stieg in ihre Nase.

Ansatzlos begann sie zu weinen. Die Tränen flossen endlos. Ein Strom, der nicht versiegen wollte.

Mit dem Handrücken wischte sie über ihr nasses Gesicht, strich den Schnodder unter ihrer Nase weg und stieß zwischendurch eigenartige Laute aus.

Stella hatte sich erhoben, trat auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Gut. Ist ja schon gut«, murmelte sie und strich über Maddalenas verfilztes Haar.

Irgendwann waren keine Tränen mehr da.

Maddalenas Augen waren trocken, ihr Hals wund, und Franjo war immer noch tot.

»Was soll ich bloß tun?«

»Lass es einfach raus. Schluck es nicht runter. Das gehört zu Phase vier: Depression.«

»Muss ich Pillen dagegen einnehmen?«

»Es wäre eine Möglichkeit, dein Leben übergangsweise leichter zu machen. Frag deinen Hausarzt nach einem Antidepressivum. Schaden wird es nicht, denn letztendlich musst du realisieren, dass Franjo nicht mehr zurückkommt. So heißt die fünfte Phase: Akzeptanz.«

»Seinen Tod werde ich nie billigen. Wir wollten heiraten. An meinem sechsunddreißigsten Geburtstag. Und der ist nun an mir vorübergezogen. Kein Brautstrauß, kein Franjo. Da war gar nichts. Nur diese unendliche Leere in mir.«

»Wann …«

»Am 28. Oktober«, kam Maddalena ihrer Frage zuvor. »Also vor einem Jahr. Jetzt werde ich bald siebenunddreißig, und es ist mir so was von egal.«

Stella sah sie traurig an. »Hat dich deine Mutter wenigstens besucht? Oder irgendwer?«

»Meine Mutter?« Maddalena zog an einer verknäulten Strähne ihrer Locken. »An meinem Geburtstag? Wo denkst du hin? Zwei Flaschen Terran haben mit mir gefeiert. Sie waren die beste Gesellschaft. Und dieses Jahr wird es nicht anders sein.« Sie zögerte und setzte nach: »Wenn ich es mir so überlege, kommt noch eine dritte Flasche dazu. Damit puste ich mich weg. Ich meine, bis zum nächsten Morgen«, sagte sie, als sie Stellas Entsetzen wahrnahm. »Macht euch keine Sorgen, ich werde mich schon nicht umbringen. Das liegt mir nicht.«

»Maddalena. Wenn du deine Trauer nicht auslebst, kann sich eine echte Depression mit schlimmen Selbstmordgedanken daraus entwickeln.«

»Sagtest du nicht eben, die Depression wäre eine der Phasen?«

»Damit ist die Zeitspanne gemeint, in der man versuchen sollte, die Trauer zuzulassen und zu weinen. Die nennen es halt so.«

»Weißt du, Stella, es ist gut, dass du mich überfallen hast. Sag das bitte deinem Lippi, damit er dich nicht in den Keller sperrt.«

»Zum Glück ist dir dein Humor nicht abhandengekommen.« Rote Flecken hatten sich auf Stellas heller Haut gebildet und kletterten vom Hals in ihr Gesicht. Sie sah auf die Uhr. »Ich bin mit dem Autobus hergekommen. Was gut ist. Denn fahrtüchtig bin ich heute nicht mehr.«

»Du kannst bei mir übernachten. Im Haus ist genügend Platz, auch wenn es dort aussieht wie auf einer Müllkippe.«

»Nein, nein«, wehrte Stella hastig ab, »ich habe schon vor der Fahrt in den Karst ein Ticket zurück nach Grado gekauft. Und der Bus müsste bald kommen. Die Haltestelle kann ich von hier aus gut sehen.«

Sie legte Geld auf den Tisch.

Diesmal wehrte Maddalena ab. »Das geht auf mich.« Sie holte tief Luft. »Was mich wirklich quält, ist eine verwirrende Tatsache. Manchmal sind da diese Momente, wenn ich sehr betrunken bin oder schweißgebadet aus einem Alptraum hochschrecke. Momente, in denen ich komplett vergessen habe, was passiert ist. Ich strecke meine Hand nach Franjo aus. Und in meinem Magen beginnt es zu rumoren. Ich spüre, dass ich etwas Wesentliches übersehen habe, aber ich weiß nicht, was. Franjos Gesicht erscheint vor meinen Augen. Ich kann ihn riechen, drehe mich zu ihm hin, aber er ist nicht da. Dann sickert langsam die Wahrheit ein. Und ich vergehe vor Schuldgefühlen, seinen Tod auch nur eine Zehntelsekunde ausgeblendet zu haben. Verstehst du? Mir wird kotzübel, und ich muss mich übergeben. Ich hasse mich zutiefst für dieses kurze Vergessen.«

»Ach«, sagte Stella leise, und Maddalena sah, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.

»Jetzt weine nicht auch noch du. Sag einfach: ›Maddalena, du bist unverbesserlich.‹ So spricht meine Mutter mit mir, und meistens erdet mich das. Zumindest war das früher so. Jetzt drücke ich ihre Anrufe einfach weg.«

Stella wischte die verflossene Wimperntusche unter ihren Augen mit dem Zeigefinger weg. »Commissaria Degrassi, Sie sind ein richtiges Ungeheuer.«

Sie lachten einander an.

»Ich fürchte, ich habe deine Zeit schon zu lange in Anspruch genommen.«

»Hast du nicht.«

Die Kellnerin kam unaufgefordert mit zwei doppelten Espressi, und Maddalena entschuldigte sich kurz.

Vor dem halb blinden Badezimmerspiegel atmete sie tief durch. Sie sah grauenvoll aus. Sie drehte an der Armatur und klatschte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht.

Ihr fiel auf, dass sie während des Gesprächs mit Lippis Frau entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit völlig vergessen hatte zu rauchen. Keine einzige Zigarette hatte sie angerührt. Noch etwas, das sie überraschte.

Als sie zurück zu ihrem Tisch kam, war Stella verschwunden.

Am nächsten Morgen wachte Maddalena früher auf als sonst. Sie kroch aus dem Bett, gähnte ausgiebig und streckte sich kräftig durch.

Es war eine Ewigkeit her, dass sie, ohne ein einziges Mal hochzuschrecken, durchgeschlafen hatte. Tief und traumlos. Vielleicht lag es an dem Gespräch mit Stella. Sie hatte sich zum ersten Mal jemandem geöffnet, einer Zuhörerin, die nicht die streunende Katze von einem der Nachbarn war. Maddalena stellte dem scheuen Tier oft die Reste ihres eigenen spärlichen Essens hin und sprach mit ihm. Es sah sie stets aufmerksam an, als könnte es verstehen, was Maddalena erzählte.

Das rhythmische Trommeln der Regentropfen auf dem Sims ließ Maddalena zum Fenster sehen. Draußen war es noch dunkel, aber sie erkannte, wie stürmisch der Wind durch die Zypressen und die Oleanderbüsche fuhr.

Bora war aufgekommen.

Unwillkürlich zog sie ihre Schultern hoch. Ein Schauer jagte über ihren Rücken, ihre Nackenhaare stellten sich auf.

Rasch warf sie sich eine wollene Jacke über die Schultern und stieg in ihre Gummistiefel. »Nein!«, rief sie und biss sich in die Wange. Ihre Finger umklammerten eine Kerze. »Ich bleibe da«, befahl sie sich, aber ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen. Sie trugen sie vor die Haustür, über den regennassen Weg und durch das Dorf bis hin zum Friedhof.

Maddalena spürte nicht, wie der herabfallende Regen ihren Pyjama durchnässte. Ihre Locken hingen wirr um ihr feuchtes Gesicht. Sie entzündete die Kerze und stellte sie in den Glasbehälter. Das Licht flackerte und drohte zu erlöschen.

Maddalena kniete nieder. Ihre Hände wühlten in der aufgeweichten Erde.

Nichts hatte sich geändert.

Franjo blieb tot.

Es war Zeit, in die Dunkelheit zurückzukehren.

2

Filippa Furlan schlenderte durch Grados Altstadt. An der Basilica Santa Eufemia wanderte ihr Blick automatisch nach oben zum heiligen Michael, der auf dem Turm beharrlich die Stellung hielt. Diese Wetterfahne hatte es vielen Einheimischen angetan, ihr aber besonders. Der Anzolo, wie man ihn hier liebevoll nannte, drehte sich stets mit dem Wind, egal ob in der Kirche ein Begräbnis, eine Taufe oder eine Hochzeit stattfand. Nicht einmal das wunderschöne Lied »Madonnina del mare« ließ ihn innehalten. Starr blieb er seiner Bestimmung treu.

Emotionen waren nicht so sein Ding. Kein Wunder, hatte man ihn doch aus rostunempfindlichem Metall gegossen.

Sie lächelte in sich hinein.

Gefühle waren früher auch nicht so ihr Ding gewesen, da glichen sie einander. Damals galt sie als cool. Heute war das anders. Teenies waren cool, geborgen in der elterlichen Fürsorge. Diese Kids konnten sich das Coolsein sorglos leisten.

Denk nicht daran, ermahnte sie sich still. Handle, das ist deine Devise.

Obwohl die Dämmerung sich bereits über Grado gesenkt hatte, konnte sie in einiger Entfernung Ginevra Missoni und deren Verlobten, den Polizisten Arturo Fanetti, ausmachen. Hand in Hand schlenderten der hochgewachsene Mann mit dem langen, hellen Elbenhaar und seine zierliche Freundin in ihren verrückten Klamotten auf sie zu. So elegant Fanetti sich stets kleidete, so ausgeflippt zog Ginevra sich an. Doc Martens zu Spitzenröcken, neonfarbene Catsuits, bunt gefärbtes Haar. Die Missoni war schon eine seltene, aufsehenerregende Erscheinung.

Viele hier auf der Insel wunderten sich, warum die Wahl des reichen Söhnchens ausgerechnet auf diese Frau gefallen war. Sie aber konnte das gut nachvollziehen. Gegensätze zogen sich bekanntlich an. Und Fanetti und Missoni waren wie zwei unterschiedliche Pole eines Magneten. So viel stand fest.

Anders als Filippa, die sehr genau wusste, wer die beiden waren, nahm das verliebte Paar keine Kenntnis von ihr.

Heute begann ihr Dienst schon um achtzehn Uhr. Sie musste die Spätschicht vorzeitig übernehmen. Das hatte sie ihrer wehleidigen Kollegin zu verdanken, die abgelöst werden wollte. Filippa vermutete, dass Renata nicht an einer akuten Darminfektion litt, wie sie vorgab, sondern an den Nachwirkungen einer Nacht, die zu lange gedauert hatte und zu heftig gewesen war.

Ermattung nach einem heftigen Kater nannte man diesen Zustand üblicherweise.

Aber was sollte sie tun?

Renata war ihre Vorgesetzte.

Dass auch Filippa die Tourismusschule erfolgreich abgeschlossen hatte, interessierte hier keinen. Auch nicht, dass ihr Job sich überhaupt nicht von dem von Renata unterschied, sah man von der Bezeichnung und der Bezahlung ab.

»Das sind nun mal die Umstände, Schätzchen. Nicht jeder hat Führungsqualitäten. Es ist nichts Persönliches«, hatte Renata ihr erklärt.

Einer dieser Umstände war männlich, nannte sich Michele Cargnelutti und war der Padrone. Er war der Besitzer des Hotels, was er seiner Ehefrau Rosa und, sah man eine Spur genauer hin, seinen Schwiegereltern verdankte. Durch die Heirat mit Rosa war er automatisch in die Rolle des Geschäftsführers geschlüpft. Sein Schwiegervater, Signor Rossini, hatte das Hotel längst an seine Tochter übergeben und sich ganz aus dem Betrieb zurückgezogen.

Michele fühlte sich sichtlich wohl in seiner Position.

Enttäuscht seufzte Filippa auf und beschloss, auf einen kurzen Schwatz bei Giorgia in der Bar vorbeizuschauen. Das Lokal von Dante und Giorgia lag zwar etwas abseits, am Ende der Colmata, dem Stadtteil, der Grado von der westlichen Lagune trennte, aber der kleine Umweg lohnte sich. Eine eiskalte Cola würde ihre Sinne beleben.

Der Raum war bis auf den letzten Tisch besetzt, und mittendrin stand Giorgia auf Krücken. Sie hatte sich vor einiger Zeit bei einem Radunfall einen komplizierten Bruch des Oberschenkels zugezogen und erholte sich nur langsam.

Filippa bewunderte sie sehr. Giorgia verlor sogar bei Schicksalsschlägen nie ihre unübertrefflich positive Einstellung und ihren trockenen Humor.

In dieser Hinsicht ist sie das Gegenteil von mir, dachte Filippa. Ich bin missmutig, jammere ständig, bin unzufrieden und nachtragend.

Verärgert über ihre Selbsteinschätzung strich sie ihr Haar zurück. Es war orange. Nicht einfach nur braun mit einem rötlichen Schimmer, nein. Der Ton war so knallig wie der einer reifen Orange. Viele Hotelgäste quatschten sie auf Englisch an, wenn sie Filippa zum ersten Mal sahen, weil sie dachten, sie käme aus Großbritannien oder Irland und wäre hier gestrandet.

Ja, gestrandet wie ein fetter Wal, sinnierte sie.

Giorgia humpelte auf sie zu und umarmte sie. »Na, Kleine? Gibt es wieder mal sieben Tage Regenwetter?«

»So schlimm ist es heute nicht, aber ich könnte eine Erfrischung brauchen, ehe ich mich erneut in die Höhle des Löwen wage.«

»Tonic?«

»Nein danke. Eine Cola wäre mir lieber.«

Filippa stellte sich an den Tresen und musterte die übrigen Gäste. Die meisten waren aus Grado, viele kannte sie seit ihrer Kindheit. Sie fing, wie so oft, mitleidige Blicke auf. Man wusste Bescheid. Hier waren alle vertraut mit ihrer Geschichte.

Giorgia stellte ein beschlagenes Glas vor sie hin und bat ihren Sohn, zu übernehmen. Die Bar war ein Familienbetrieb und funktionierte einzig durch das gemeinsame Anpacken aller so gut.

So war es bei Filippas Eltern auch gewesen. Und es hätte genauso wie bei Giorgia und Dante klappen können, wäre nicht das Unglück über sie gekommen.

In trüben Stunden verurteilte sie ihre Eltern dafür.

Die beiden waren so naiv, so gutgläubig und von der Ehrenhaftigkeit anderer überzeugt gewesen.

Dieses blinde Gottvertrauen war Filippa seither gänzlich abhandengekommen.

»Dein Haar schimmert wie ein roter Samtvorhang.«

Giorgia durfte so etwas sagen. Sie sprach mit der ihr eigenen Selbstverständlichkeit aus, was Filippa bei anderen auf die Palme getrieben hätte.

»Ich flechte es mir im Umkleideraum zu einem Zopf. Sonst bekomme ich einen Rüffel von meiner Vorgesetzten.«

»Diese Renata soll sich nicht so wichtigmachen, die ist bloß neidisch auf dich.«

»Dazu hat sie keinen Grund. Warum auch?«

»Filippa, jetzt im Ernst, stell dein Licht nicht ständig unter den Scheffel. Das hast du nicht nötig. Du bist eine hübsche junge Frau, die ihren Job gut macht.«

»Unterbezahlt.«

»Sind wir das nicht alle?«

»Aber …«

»Kein Aber. Trink deine Cola, iss die Brötchen, die Dante zubereitet hat, und dann ab zur Arbeit. Sonst gibst du Renata wirklich einen Anlass, dich zu tadeln.«

Filippa aß beide Brötchen und seufzte. Am liebsten wäre sie hiergeblieben.

Aber die Zeit rannte ihr davon.

Sie verabschiedete sich überstürzt und lief durch den kühlen Abend zum Hotel.

Das »La Fontana« lag mitten auf der Colmata.

Bis vor wenigen Jahren hatte der Bau ausgesehen wie ein typisches Wohnhaus aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Nachdem Michele die Geschäfte übergeben worden waren, hatte er es in einen modernen Komplex aus Stahl und Beton verwandelt.

Sie hasste dieses Haus.

Jedes Mal, wenn sie darauf zuging, verknotete sich ihre Kehle. So eng, dass sie kaum atmen konnte.

Sie riss die Tür auf und trat ein.

Renata warf ihr einen abschätzigen Blick zu und wedelte mit dem Zeigefinger vor der großen Uhr, die über der Rezeption hing. Filippa wollte schon zu einer Entschuldigung anheben, bemerkte aber im letzten Moment, dass sie acht Minuten zu früh dran war.

Was also erlaubte Renata sich?

»Zieh dich um, bändige den Besen auf deinem Kopf und komm wieder her. Beeile dich. Ich will wegen dir keine Überstunden machen.«

Das Gegenteil war der Fall.

Renata übertrieb die Zeiterfassung gern zu ihren eigenen Gunsten.

Filippa biss sich in die Wange. Blöde Kuh, dachte sie und verzog sich ins Büro direkt hinter der Rezeption, das großzügig als »Umkleideraum« bezeichnet wurde. Sie warf die Tür zu und drehte den Schlüssel zweimal um.

»Drehst du jetzt komplett durch?«, hörte sie Renata gehässig rufen.

Nein, sie war nicht plemplem. Sie hatte nur keine Lust, sich von Michele »zufällig«, wie er betonte, überraschen zu lassen.

Das war einige Male passiert, meistens just in dem Moment, wenn sie sich die Bluse über den Kopf gezogen hatte und nichts sehen konnte.

Hoffentlich blieb er heute daheim bei Rosa und dem Neugeborenen und tauchte nicht im Hotel auf.

»Stippvisite« nannte er seine Kontrollbesuche.

»Schon besser so«, kommentierte Renata ihre Verkleidung, die aus einer weißen Bluse und einem knielangen schwarzen Rock bestand. Die Pumps waren unbequem, ihre großen Zehen stießen vorne an.

»Mhm«, murrte Filippa und setzte sich neben Renata an den Computer. Sie mochte das aufdringliche Parfum der Kollegin nicht, vermutete sogar, Renata wolle damit bei Michele Eindruck schinden.

Gelänge ihr das bloß, dachte sie, dann würde der schmierige Kerl mich in Ruhe lassen.

Rasch gingen Renata und sie die Gästeliste durch. Die Kollegin machte sie auf ein paar Details aufmerksam und wies sie an, die Tische im Frühstücksraum picobello einzudecken.

Als täte Filippa das nicht sowieso immer.

Endlich verließ Renata die Rezeption, allerdings nicht ohne Filippa weitere Instruktionen zu erteilen, die diese alle schon in- und auswendig kannte. So sollte sie zum Beispiel nur dann kassieren, wenn einer der Gäste vorzeitig seine Reise abbrechen musste. Wer abrechnete, bekam auch das Trinkgeld. Dieses Zubrot brauchte Filippa aber ebenso wie die anderen Mitarbeiter im Hotel.

Es war alles so ungerecht!

Da die Zimmer alle mit reich bestückten Minibars ausgestattet waren, bekam sie zudem kaum Gelegenheit, Gästen an der Theke neben dem Frühstücksraum einen Einschlaftrunk zu servieren.

Filippa hatte vorhin enttäuscht festgestellt, dass heute nur wenige neue Gäste eingecheckt hatten.

Gut, jetzt war das meistens so. Ende September versiegte das Sommergeschäft. Und in der Nachsaison gab es viele sparsame Pensionäre und Eltern mit kleinen Kindern, die noch nicht zur Schule mussten. Dieses Publikum zählte nicht unbedingt zu Filippas bevorzugter Klientel. Die Alten waren schwerfällig und schwierig, die jungen Paare zankten sich häufig, und die verwöhnten Kleinen stritten und plärrten ununterbrochen.

Ihr Handy schnarrte, und durch die Vibration bewegte es sich über das Rezeptionspult. Filippa fing es auf, ehe es über die Kante stürzen konnte, und hielt es ans Ohr.

»Mutter, du weißt doch, dass ich arbeite. Was gibt es denn so Dringendes?«

»Mein Schatz, ich wollte nicht stören. Papa fühlt sich nicht wohl, und da dachte ich …«

»… dass ich neuerdings Ärztin bin, die eine Ferndiagnose stellen kann?« Bereits als die Worte heraus waren, schämte Filippa sich.

Warum musste sie immer so kratzbürstig sein?

Mama war erschöpft. Nach Papas Schlaganfall hatte sie mit ihm beide Hände voll zu tun. Eine Pflegerin konnten sie sich nicht leisten. Filippa half, so gut es ging.

Aber sie musste arbeiten und konnte ihren Job nicht an den Nagel hängen. Er hielt die Familie über Wasser und bezahlte die Rechnungen.

Die kleine staatliche Rente ihrer Eltern reichte bei Weitem nicht aus.

»Was hat Papa denn?«, fragte sie sanft. »Die üblichen Wehwehchen oder etwas anderes?«

»Wehwehchen würde ich die Beschwerden deines Vaters nicht nennen. Aber ja, heute ist Papa unruhiger und kommt mir verwirrter vor als sonst. Er hat nach seinen Autoschlüsseln verlangt. Als ich ihn fragte, wofür er sie denn brauche, hat er schnippisch gemeint, dass er ins Kino wolle. Allein. Ohne mich. Dein Vater war kaum zu besänftigen, wurde richtig wütend. Die Tabletten, die Dottor Beltrame ihm gegen die Nervosität verschrieben hatte, helfen nicht.«

»Die vielen Pillen machen ihn sowieso nur noch kränker. Was aber erwartest du von mir? Tröstende Worte? Ich komme hier vor Mitternacht nicht weg. Das weißt du doch.«

»Es war mir einfach nur danach, dich anzurufen, um deine Stimme zu hören, Kind.«

Filippas schlechtes Gewissen regte sich, und gleichzeitig stieg Ärger in ihr auf. Klar, Mama tat ihr leid.

Die ganze Situation war beschissen.

Aber es wurde für keine von ihnen einfacher, wenn Mama sich bei ihr ausweinte. Sie war schließlich die Tochter und keine Seelenklempnerin. Trotzdem, sie nahm sich vor, zukünftig weniger schroff zu sein.

»Wenn es schlimmer wird, wähle den Notruf oder bitte Dottor Beltrame vorbeizuschauen. Jetzt wäre es für einen Hausbesuch noch nicht zu spät.«

»Mache ich, Schatz. Danke. Und entschuldige, dass ich dich damit belastet habe.«

Mutter war so devot.

Diese Demut machte Filippa ganz kribbelig.

Waren ihre Eltern schon immer so gewesen?

Mama, die stets erduldende Ehefrau, und Papa, der schwächliche Verlierer? Der sie in den Ruin gestürzt hatte, weil er nicht vorausschauend und umsichtig vorgegangen war?

Ach, all diese Fragen.

Was zermartere ich mir mein Hirn?

Aber Filippa wusste, dass sie sich um ihren Vater Sorgen machen sollte. Umsonst hätte Mama sie nicht angerufen.

Trotzdem konnte sie kaum Anteilnahme für die Situation ihrer Eltern aufbringen. Natürlich wollte sie nicht, dass Papa starb. Sie war nicht grausam.

Aber was war das für ein Leben?

Eines, das sie mit ihnen teilen musste.

Das Apartment mit dem Wohnzimmer, das mit der kleinen Küche verbunden war, in die gerade mal ein Tisch und drei Stühle passten, dem Bad und dem Schlafzimmer war für drei erwachsene Personen entschieden zu klein.

Ich bin fast dreißig Jahre alt, überlegte sie, und lebe mit meinen Eltern zusammen. Schlafen muss ich auf der Couch, weil es kein zweites Schlafzimmer gibt.

Wer war da der Loser?

Renatas Worte, die sie ihr vor einer Woche spöttisch entgegengeschleudert hatte, hallten immer noch in ihrer Erinnerung nach: »Warum ziehst du nicht endlich daheim aus? Du bist eine richtige Nesthockerin. Lässt dich wohl gern im Hotel Mama verwöhnen?«

Sie hatte darauf keine Antwort gefunden. Also hatte sie den Mund gehalten und den Boden angestarrt.

Es war zu demütigend, mit der Wahrheit herauszurücken: Sie konnte sich, solange sie ihre Eltern unterstützen musste, keine eigene Wohnung leisten.

Es war heute so still. Fast gespenstisch ruhig. Niemand kam oder verließ das Hotel.

Filippa beschloss, die Tische im Frühstücksraum einzudecken. Mit der tristen Wehleidigkeit ist jetzt Schluss, entschied sie und holte die zarten Rosen, die das Blumengeschäft regelmäßig lieferte, aus dem Kühlfach. Sorgfältig zog sie die verwelkten Röschen aus den Vasen, entsorgte sie und ersetzte sie durch frische.

Sie hatte einen grünen Daumen. Bei ihr überlebten alle Pflanzen. Vielleicht hätte sie Gärtnerin werden sollen.

Als sie gerade auf einem Tablett die Saftgläser zum Büfett trug, klingelte jemand aus einem der Gästezimmer in die Rezeption durch. Es war die allein reisende ältere Lehrerin aus Deutschland.

»Ja bitte?«

»Könnten Sie mir einen Kamillentee aufs Zimmer bringen?«, kam es kläglich aus dem Hörer.

»Selbstverständlich«, antwortete Filippa.

Sie ordnete Teekanne und Tasse hübsch neben einer Blume auf dem Silbertablett an und versprach sich ein fürstliches Trinkgeld. Doch als sie an die Tür klopfte, rief die Alte: »Stellen Sie alles vor dem Zimmer ab und nehmen Sie das schmutzige Geschirr gleich mit!«

Jetzt erst sah Filippa die dreckigen Gläser und Teller mit den Essensresten. »Wird erledigt«, antwortete sie beflissen und fragte sich, ob nur ihre Mutter devot war.

Unten in der Hotelhalle erwartete sie ein ungeduldiges Elternpaar mit drei quengelnden Kindern. Sie kamen aus der Pizzeria und hatten die Chipkarte für ihre Suite im Restaurant liegen lassen.

Freundlich nickend holte Filippa die Ersatzkarte aus dem Safe und übergab sie dem erleichterten Vater. Jedem der Kinder reichte sie einen Lolli, erntete begeistertes Klatschen und übersah geflissentlich den vorwurfsvollen Blick der Mutter.

Sie rief im Lokal an und vereinbarte, dass man die wiedergefundene Chipkarte morgen im Hotel abgeben würde. Danach ging sie am Computer die Buchungsliste durch und beantwortete Mails und Anfragen. Ihrer Mutter schrieb sie eine WhatsApp, in der sie sich nach dem Befinden ihres Vaters erkundigte, bekam aber keine Antwort.

Als sie auf die Uhr blickte, wunderte sie sich, wie schnell die Zeit vergangen war. Ihre Ablösung musste jeden Moment eintreffen.

Alonso, der Nachtportier, erschien pünktlich, aber er kam nicht allein. Neben ihm betrat Michele die Halle. Er zog einen Schwall Rasierwasser hinter sich her, das ebenso penetrant roch wie Renatas Parfum.

Sein dunkles Haar war straff zurückgegelt und unterstrich seine zur Schau gestellte Eitelkeit.

»Wen haben wir denn da?« Er sah Filippa überrascht an, so als wüsste er nicht ganz genau, wer heute Dienst hatte.

»Ich habe die Zeiten mit Renata getauscht«, behauptete sie.

Eine Sekunde lang zeichnete sich Verwirrung auf seinem Gesicht ab. Dann lachte er. »Fast wäre ich darauf reingefallen.« Er scheuchte sie mit einer Handbewegung hinter dem Tresen weg. »Zieh dich rasch um, oder nein, lass es, deine schwarz-weiße Novizinnenkluft ist auch nicht schlecht, wenn ich es mir genau überlege. Sieht sexy aus. Du begleitest mich auf die Dachterrasse. Wir nehmen einen Schlummertrunk.«

Filippa lief es kalt über den Rücken. »Tröpfelt es nicht?«

»Und wenn schon. Ein Sonnenschirm tut’s bei so wenig Regen auch. Bist ja nicht aus Zucker, Puppe.« Er lachte dröhnend über seinen dummen Scherz, und der Portier stimmte pflichtschuldig in das Gelächter ein.

Alonso, das zahle ich dir heim, beschloss Filippa.

Schon im Aufzug neben Michele litt sie Höllenqualen. Er rückte ihr viel zu nah auf die Pelle.

Der fahle Mond am dunklen Himmel wurde immer wieder von vorbeiziehenden Wolken verdeckt. Sterne waren keine zu sehen.

»Siehst du, mein kleiner Rotschopf, es regnet nicht. Den Schirm können wir uns also sparen. Aber dafür gibt es ein gutes Gläschen.«

»Für mich bitte nur Wasser«, wehrte Filippa ab.

»Jetzt hab dich nicht so. An ein bisschen Wein ist noch niemand gestorben.«

Schon stand ein großzügig gefülltes Glas vor ihr, und Filippa nippte widerwillig daran. Schmeckt gar nicht mal so übel, befand sie, aber die Genugtuung, das laut auszusprechen, würde sie ihm nicht gewähren.

»Möchtest du dich nicht zu mir auf die Hollywoodschaukel setzen?«

»Nein danke«, brachte sie hervor. Was war sie auch immer so verdammt höflich?

Die Antwort auf diese Frage fiel ihr leicht. Sie war auf den verdammten Job angewiesen.

Die Kälte der Sitzfläche des Stuhls, auf dem sie saß, drang durch ihren Rock, und sie wusste, sie würde sich eine Blasenentzündung holen, wenn sie nicht sofort etwas unternahm.

Sie stand auf.

»Du hast ja nicht mal die Hälfte des Merlots getrunken. Das nenne ich Verschwendung.«

»Ich wollte nur rasch ein Kissen suchen.«

»Ach so, da sind welche.« Er öffnete eine Truhe und reichte ihr eines. »Du könntest dich genauso gut auch auf meinen Schoß setzen. Da ist es warm.«

Gleich sprang sie ihm ins Gesicht.

Eine Nachricht trudelte ein: »Papa geht es besser.«

»Ich muss sofort los, meine Mutter braucht mich. Mein Vater ist krank. Sein Zustand hat sich rapide verschlechtert.«

»So schlimm wird es schon nicht sein. Filippa, gönn mir die wenigen Minuten mit dir.«

Nein, die gönne ich dir nicht. Geh nach Hause zu deiner Rosa mit eurem Neugeborenen und treib dich nicht mit anderen Frauen herum, hätte sie ihm am liebsten an den Kopf geworfen. Aber natürlich traute sie sich das nicht.

»Dein Haar schimmert im Mondlicht wie Feuer.«

Wie Feuer? Filippa wunderte sich über diesen Vergleich. Sie sah ein Meer aus Flammen vor ihrem inneren Auge und dann einen der Gemüsestände auf dem Samstagsmarkt in der Città Giardino, mit akkurat nebeneinander aufgereihten Karotten.

Wenn das ein Kompliment war, fragte sie sich, wie seine Beleidigungen klangen.

»Das bringt mich auf eine Idee.«

Filippa schnalzte genervt mit der Zunge. Sie verstand seine Gedankensprünge nicht.

Schon war er aufgestanden und hatte Bierdeckel und einen Aschenbecher aus dem Regal hinter der Bar geholt.

Was wurde das?

Seelenruhig baute Michele im großen Aschenbecher ein Haus aus Pappe. Er sah dabei kein einziges Mal hoch. Als er fertig war, klatschte er sich auf die Oberschenkel. »Und? Zufrieden? Dein neues Heim. Aber das ist noch nicht alles.«

Filippa verdrehte die Augen.

Sie beobachtete, wie er ein Zündholz anriss und sein Bauwerk in Brand setzte.

Tickte er noch richtig?

»Wie gewonnen, so zerronnen.«

Die Untersetzer brannten lichterloh. Der Rauch reizte Filippas Nasenschleimhäute, bis sie niesen musste.

Gebannt starrte sie ins lodernde Feuer, bis das Kartenhaus zu Asche zerfiel. Dieses sinnlose Abfackeln erreichte ihr Innerstes.

Jahrelang hatte Filippa ihre Enttäuschung, ihre Wut hinuntergeschluckt. Gleich würde sie explodieren. Sie musste unmittelbar etwas dagegen unternehmen, ehe sie unkontrolliert zu brüllen begann.

Der Metallstuhl schabte über den Steinboden, als sie ihn zurückschob. Michele grinste anzüglich und machte eine Bewegung, in der Filippa in der ersten Schrecksekunde etwas Obszönes zu erkennen glaubte. Er spreizte Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand und wackelte damit auf und ab.

Was maßte dieser Idiot sich an?

»Ich rufe dich an«, sagte er, und Filippa konnte einen gequälten Aufschrei gerade noch unterdrücken.

3

Aurora war schön.

Jedes Mal, wenn er sie ansah, floss Strom durch seinen Körper. Es fühlte sich an, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten.

Raffaele Polo kam häufig in die gut besuchte kleine Bar am Hafen in der Innenstadt. Wenn er wie heute Spätdienst hatte, konnte er davon ausgehen, dass er seine Schöne hier antraf. Ihr Cousin und sie wechselten einander ab, außer es gab viel zu tun, dann schmissen sie den Laden gemeinsam.

Er kannte Aurora, seit sie ein junges Mädchen war, und ihre Verwandlungsfähigkeit hatte ihn immer fasziniert.

»Vom Punk zur Lady«, neckte er sie gern.

Verschlossen, wie sie war, bekam er dafür nicht mehr als ein gezwungenes Lächeln.

Aber das reichte ihm.

Irgendwann würde mehr daraus werden, das hoffte er von Herzen. Sicher war er sich allerdings nicht, denn von ihren sonstigen Freunden stach er gewaltig ab. Sie schien einen Hang zu haben, sich die seiner Meinung nach falschen Typen auszusuchen. Nicht dass er sie jemals klagen gehört hätte.