Kein deutsches Land ist so reich an Sagen und mythisch-historischen Überlieferungen als das Rheintal von der Schweiz bis Holland. Als eine Wiege vieler Völker und Fürstengeschlechter, als die früheste Heimat deutscher Kultur war das Rheinland von der Römer Zeiten her vorzugsweise der Schauplatz der deutschen, ja der europäischen Geschichte. An seine Städte, Kirchen und Burgen knüpfen sich daher die bedeutsamsten historischen Erinnerungen. Aber auch mit freien Gebilden der Phantasie, mit Märchen, Legenden und Sagen hat die schönen Ufer des Rheins der poetische Geist seiner Anwohner reichlich geschmückt. Alle der Poesie des Mittelalters angehörigen Sagenkreise haben sich am Rhein festgesiedelt; die deutsche Heldensage, welche hier ihre Heimat hat, bezieht sich auf die Rheinstädte Breisach, Worms, Bonn, Bingen und Xanten; der Sagenkreis von Karl dem Großen, gleichfalls hier entsprungen, haftet zunächst an Ingelheim, Rolandseck und Aachen; aber selbst die Kreise von Artus und dem heiligen Gral haben sich am Rheine niedergelassen und noch heute spricht der Schwanenturm zu Kleve von Parzival und seinem Sohn Lohengrin. Wenn irgendwo, so ist hier poetisches Land und klassischer Boden. Die deutschen Dichter haben die herrlichen Stoffe, welche das Rheinland der Dichtung darbietet, nicht unbenutzt gelassen. Schon das Volkslied liebt rheinische Sagen; Schiller, Goethe, Bürger, beide Schlegel, Uhland, Rückert, Graf Platen, Clemens Brentano, L. A. v. Arnim, H. Heine, A. v. Chamisso, Hebel u. a. haben ihre schönsten Balladen und Romanzen aus dem reichhaltigen Brunnen der rheinischen Sage geschöpft. Wer daher die Sagen des Rheinlands kennen lernen will, wird sie aus dem Munde des Volks und der deutschen Dichter am reinsten und schönsten vernehmen.
Die gegenwärtige Sammlung, welche die Sagen zur Bequemlichkeit des Lesers nach dem Laufe des Stromes ordnet, den sie von den Mündungen bis zu den Quellen verfolgt, wünscht dem Reisenden als poetischer Reisebegleiter willkommen zu sein, die Jugend zur Erlernung der vaterländischen Geschichte heiter anzuregen, und jedem Gebildeten eine geistreich belebende Unterhaltung zu gewähren. Sie ist nicht bloß Anthologie, d. h. Sammlung schon vorhandener poetischer Behandlungen rheinischer Sagen, sondern enthält viele Originalien, indem außer den zahlreichen von dem Herausgeber selbst behandelten Sagen auch die von den Herren O. F. Gruppe, August Kopisch und Wilhelm von Walbrühl in Berlin, J. Kreuser, Gustav Pfarrius und Hermann Grieben in Köln, Adolf und August Stöber in Oberbrunn und Wolfgang Müller in Düsseldorf auf sein Ersuchen beigesteuerten, hier zum erstenmal im Druck erscheinen.
Bei der Auswahl ist mehr auf Gediegenheit des Ausgewählten, als auf Reichhaltigkeit der Sammlung gesehen worden. Es wäre ein leichtes gewesen, sie um das Zehnfache zu vermehren.
K. S. [Karl Simrock]
An den Rhein, an den Rhein,
zieh nicht an den Rhein,
Mein Sohn,
ich rate dir gut,
Da geht dir das Leben zu
lieblich ein,
Da blüht dir
zu freudig der Mut.
Siehst die Mädchen so frank
und die Männer so frei
Als wär' es
ein adlig Geschlecht,
Gleich bist du mit
glühender Seele dabei:
So dünkt es
dich billig und recht.
Und zu Schiffe, wie grüßen
die Burgen so schön
Und die
Stadt mit dem ewigen Dom:
In den Bergen, wie klimmst
du zu schwindelnden Höhn
Und blickst
hinab in den Strom.
Und im Strome, da tauchet
die Nix' aus dem Grund,
Und hast du
ihr Lächeln gesehn
Und grüßt dich die Lurlei
mit bleichem Mund,
Mein Sohn,
so ist es geschehn:
Dich bezaubert der Laut,
dich betört der Schein,
Entzücken
faßt dich und Graus:
Nun singst du nur immer: Am
Rhein, am Rhein
Und kehrst
nicht wieder nach Haus.
K. S. [Karl Simrock]
In Südersee Stavoren, wer
hat die Stadt geschaut?
Mit Türmen und mit Toren
gar stolz ist sie erbaut.
Paläste siehst du ragen
noch heut' so hoch als eh',
Doch alles hat beschlagen
die unermeßliche See.
Wenn alle Winde schweigen,
der Kahn dich ruhig wiegt,
Der Schiffer wird dir
zeigen, wo sie begraben liegt.
Du blickst auf Markt und
Straßen, doch öde, menschenleer,
Und wenn die Glocken tönen,
so strich ein Hecht zwischenher.
Vorzeiten zu Stavoren war
Pracht und Überfluß,
Da schwelgte man in Freuden
und sann nur auf Genuß;
Da mußten Gallionen durch
alle Meere gehn,
Mit den Schätzen fremder
Zonen Stavorens Kinder zu versehn.
Verwöhnte Kinder freilich,
das Glück war allzu hold:
Den Hausflur und die Türen
beschlugen sie mit Gold,
Gepflastert mit Dukaten war
Hof und Speisesaal,
Mit blanken Laubtalern die
Weg' und Stege zumal.
Wie sich die Schätze
häuften, so wuchs der Übermut
Als wär' der Himmel
käuflich für eitel Geld und Gut.
Und als das Maß erfüllt
war, da gingen sie zugrund,
Die erst das Meer
bereichert, die schlang das Meer in den Schlund.
Vor allen in Stavoren war
eine Jungfrau reich,
Ihr Name ging verloren,
kein König kam ihr gleich;
Doch herrisch und vermessen
war ihr betörter Sinn,
Sie hatte Gott vergessen
und sann auf nichts als Gewinn.
Zu ihrem Schiffmeister
sprach einst die stolze Maid:
„Auf, lichte du die Anker,
zwölf Monden hast du Zeit;
Doch kehrst du nach
Stavoren, so sei dein Schiff beschwert
Mit dem Edelsten und
Besten, das rings der Erdball gewährt.“
Da sprach der alte Meister,
er war ein weiser Mann:
„Ich bringe was du
heischest, nur zeig es näher an;
Des Edeln und des Guten ist
auf der Welt so viel,
Was dich das Beste dünket,
das Edelste, schafft mein Kiel,
Wofern dein Mund es
ausspricht. Ist's Korn oder Wein?
Ist's Bernstein oder Seide,
Gold oder Spezerein?
Sind's Perlen, sind's
Smaragden? Es kostet dich ein Wort,
Das Schiff mir zu
befrachten mit der Erde köstlichstem Hort.“
Sie sprach: „Du mußt es
raten, du giltst doch sonst für klug;
Wer meinen Dienst erwählte,
dem sei ein Wink genug.
Nun laß das läst'ge Fragen:
bei meinem Zorn ins Meer!
Das Edelste, das Beste
gebracht, ich sage nicht mehr.“
Da mußt' er wohl gehorchen;
unschlüssig fuhr er ab,
Der Frau Geheiß erwägend,
das viel zu denken gab.
Er kannte wohl der Herrin
hochmütig strengen Sinn:
Wie er ihr nun genüge,
darüber sann er her und hin.
Am Ende dacht' er also: Ich
kauf' ihr Weizen ein:
Was möcht' auf Erden edler,
was möchte besser sein?
Man hält in hohen Ehren das
herrliche Korn,
Niemand kann es entbehren:
so meid' ich wohl ihren Zorn.
Da steuert' er gen Danzig
und lud zu gutem Kauf
Polnischen Getreides
zehntausend Lasten auf.
Es war der beste Weizen,
den je die Erde trug:
Wer des genossen hätte, dem
gab er Kräfte genug.
Da ließ er seine Segel die
Winde blähn und war
Im Hafen von Stavoren noch
vor dem halben Jahr.
So schritt er vor die
Herrin, die noch bei Tafel saß,
Mit Blicken der Befremdung
von Haupt zu Füßen ihn maß.
„Wie,“ rief die Übermütige,
„Schiffmeister, schon zurück?
Und wär' dein Schiff ein
Vogel, den Vogel hieß' ich flügg':
Dich wähnt' ich an Guineas
goldreichem Strand;
Was hast du nun geladen?
sag an, ich bin doch gespannt.“
Da sprach der Seemann
zögernd, er hörte wohl, der Wind
Sei seiner Fahrt zuwider,
doch faßt' er sich geschwind:
„Den besten Weizen führ'
ich, Gebieterin, dir her,
Kein beßrer ist zu finden,
so weit die Länder küßt das Meer.“
Sie sprach: „Was muß ich
hören? das hätt' ich nicht gedacht!
Elenden Weizen, woraus man
Semmel macht?
Den wagst du mir zu
bringen? Es wird dein Ernst nicht sein:
Das Edelste, das Beste,
gebot ich, handle mir ein.“
Da sprach der Greis: „So
elend ist doch was Brot gibt nicht,
Da man zu Gott alltäglich
um Brot die Bitte spricht.“
„Wie ich's verachte,“ rief
sie, „beweis' ich dir sofort:
Von welcher Seite nahmst du
die schnöden Körner an Bord?“ –
„Das Schiff ist von der
rechten geladen,“ sprach er. – „Gut,
So wirf mir von der linken
den Weizen in die Flut.
Die ganze Ladung, hörst du?
das muß sogleich geschehn:
Ich werde selber kommen, ob
du gehorchtest, zu sehn.“
Der Schiffmann ging, doch
tat er nicht wie die Frau ihn hieß,
Weil ihr Gebot so greulich
wider Gott verstieß.
Er rief die Armen alle, die
Hungernden, herbei,
Ob nicht durch solchen
Anblick das harte Herz zu rühren sei.
Sie kam und fragte: „Hast
du getan, wie ich befahl?“ –
Da fallen ihr zu Füßen die
Armen allzumal:
„Laß uns den Weizen,“ flehn
sie, „eh' ihn das Meer verschlingt,
Daß wir den Hunger
stillen!“ Sie aber weigert's unbedingt,
Und winkt ihren Knechten
und läßt erbarmungslos
Die Gottesgabe senken in
tiefer Fluten Schoß;
Die Menge mußt' es schauen,
die stumm die Hände rang.
Da rief der alte Schiffer,
der sich nicht länger bezwang,
Laut rief er's vor dem
Volke der Frau ins Angesicht:
„Nein, wahrlich ungeahndet
bleibt diese Bosheit nicht.
Wenn noch das Gute lohnet,
das Böse straft ein Gott,
So wird einst schwer
gerochen an Euch der frevelnde Spott.
So wird ein Tag erscheinen,
wo Ihr die Körner gern,
Die edeln, von den Straßen
aufläset, Kern um Kern,
Den Hunger nur zu stillen;
doch niemand gönnt Euch sie.“
Sie sprach mit
Hohngelächter: „Mein Freund, der Tag erscheinet nie.
Stavorens reichster Erbin
gebräch's an Brote je?
Sieh diesen Ring, den
goldnen, ich werf' ihn in die See:
Wenn ich den wiederschaue,
so mag auch das geschehn.“
Sie sollt' am selben Abend
den Ring erschrocken wiedersehn:
Der Koch hatt' ihn gefunden
in eines Fisches Bauch.
Eh' sie sich niederlegte,
kam ihr die Botschaft auch,
Die Flotte sei gestrandet,
die sie nach Morgenland –
Und so erging's der andern,
die sie gen Abend gesandt.
Die Türken und die Mohren
auch schadeten ihr viel
Wie wider sie verschworen;
ein reiches Kaufhaus fiel,
Das zog sie mit hinunter;
und so kam Post auf Post –
Kein Jahr verging, so litt
sie schon Not durch Hunger und Frost.
Sie ging von Tür zu Türen
und heischt' ein Stückchen Brot:
So schrecklich ward
erfüllet, was ihr der Greis gedroht.
Von niemand betrauert, von
vielen arg verhöhnt,
Auf Stroh hat sie endlich
das arme Leben verstöhnt.
Fort schwelgte noch
Stavoren in sündlich eitler Pracht,
Denn Reichtum ward auf
Schiffen noch täglich eingebracht;
Das Beispiel warnte
niemand: da wuchs der Buße Saat
Der ganzen Stadt
erschrecklich aus jener Jungfrau Freveltat.
Wo sie den edeln Weizen ins
Meer versenken ließ,
Da hob sich eine Sandbank,
die Frauensand man hieß.
Darauf entwächst den Wellen
ein Kraut, das kennt man nicht,
Es gleicht dem Weizen
völlig, nur daß der Ähre Korn gebricht.
Noch stieg die Sandbank
höher und höher aus dem Meer:
Gesperrt war der Hafen,
kein Schiff befuhr ihn mehr.
Da war des Reichtums Quelle
der Schwelgerstadt versiegt;
Sie schwelgten fort, von
Leichtsinn in süßen Schlummer gewiegt.
Da zog man eines Tages
Hering und Butt hervor
Aus dem Schöpfbrunnen, und
in der Nacht erkor
Der See sich andre Bahnen,
ein wilder Wasserschwall
Verschlang, die Deiche
brechend, Stavorens Markt und Straßen all'.
Im Südersee Stavoren, wer
hat die Stadt geschaut?
Mit Türmen und mit Toren
gar stolz ist sie erbaut.
Paläste siehst du ragen
noch heut' so hoch als eh',
Doch alles hat beschlagen
die unermeßliche See.
K. S. [Karl Simrock]
Ihr müßt nicht alles
glauben, was man erzählt und schreibt,
Ich will Kritik erlauben,
wenn ihr sie geistvoll treibt.
Was neulich mir erzählte
vom Hag ein alter Mann,
Graf Hennebergs Vermählte
geht dieses Wunder an.
Zu ihr Almosen heischend
kam eine Bettelfrau,
Zwei Zwillingskinder
kreischend trug sie im Arm zur Schau.
So überreich gesegnet, doch
arm an Geld und Gut,
Da hat sie sich verwegnet
zu heischen wie sie tut.
Die Gräfin rief entrüstet:
„Fort, unverschämtes Weib,
Mit eitel Schande brüstet
sich so dein schnöder Leib.
Fort, fort, es ist mein
Zimmer der Buhlerin zu rein:
Zwei Kinder können nimmer
von einem Vater sein.“
Da sprach die
Schwergekränkte: „So wünsch' ich denn fürwahr,
Daß Gott Euch Kinder
schenkte so viel als Tag' im Jahr.“
Der Wunsch war
ausgesprochen: die Gräfin klagte sich,
Bald nahten ihr die Wochen;
da ging es wunderlich:
Dreihundertfünfundsechzig
der Tage zählt das Jahr,
Dreihundertfünfundsechzig
der Kindlein sie gebar.
Der heil'gen Taufe Gaben,
lebendig allzumal,
Empfing sogleich der Knaben
und Mädchen Überzahl.
Elisabeth, den Namen gab
man den Töchterlein,
Johannes, den bekamen die
Knaben insgemein.
Man zeigt noch heut' die
Becken, darin sie sind getauft;
Die Mutter hat vor
Schrecken die Haare sich gerauft.
Vor Schreck ist sie
gestorben; die Kindlein haben auch
Bald Gottes Reich erworben
durch heil'ger Taufe Brauch.
Vom Hag ist es geschehen
nicht eine Meile weit,
Ihr mögt das Grab noch
sehen, wenn ihr ungläubig seid.
K. S. [Karl Simrock]
Radbot stand, der wilde
Friesenkönig,
An dem Fluß, die Taufe zu
empfahen,
Um ihn her die Priester,
frohen Mutes,
Durch des Wankelsinnigen
Bekehrung
Endlich doch der Mühen Lohn
zu ernten.
Und er setzt den Fuß schon
in die Welle,
Als er plötzlich hält:
„Noch eines mußt du
Mir verkünden, Bischof!
Meine Väter,
Alle meine Ahnherrn, da sie
starben,
Sag es frei, wohin sind sie
gekommen?“
„In die Hölle,“ sprach der
fromme Bischof,
„Deine Väter, die als
Heiden starben,
König Radbot, fuhren in die
Hölle!“
Das entrüstete den wackern
Degen:
„Schlechter Priester,“ rief
er, „meine Väter,
Meine Väter waren tapfre
Männer!
Lieber will ich, ja bei
Wodan schwör' ich's,
Mit den Helden sein in
ihrer Hölle,
Als mit euch in euerm
Priesterhimmel!“
Sprach's und eilte
trotziglich von dannen.
K. Lappe.
Es war ein Ritter in
Niederland,
Der trug einer Jungfrau
große Minne,
Die Reine war St. Gertrud
genannt,
Die benahm ihm Herz und
alle Sinne.
Die Jungfrau liebte keinen
Mann,
Sie hatte sich in ein
Kloster begeben,
Gott und dem guten St.
Johann,
Dem wollte sie dienen all
ihr Leben.
Der Ritter, der sonst
täglich kam,
Jetzt durft' er sie nicht
sehn noch sprechen:
Das schuf ihm Kummer und
bittern Gram,
Er dachte, sein Herz sollt'
ihm zerbrechen.
Hatt' er schon viel mit
mildem Mut
Gespendet, der Schönen
Gunst zu erringen,
Nun gab er gar sein Hab und
Gut
Zu ihrer Ehre Messen zu
singen.
Sein Land, sein Volk, sein
ritterlich Schloß
Gab er dahin an ihren
Orden,
Und als das dritte Jahr
verfloß
War er ein armer Mann
geworden.
„Nun ade, Süßlieb, und
bleibt gesund,
Ade, muß Euch auf ewig
meiden.
Mir ist nicht Weg noch
Straße kund,
Muß einsam schweifen auf
wilder Heiden.“
In einer finstern
Mitternacht,
Da er auf wilder Heide
gehet,
Sein hat der böse Feind
wohl acht,
In Mannsgestalt er vor ihm
stehet.
Da sprach der böse Feind
ihm zu:
„Wie ist Euch, Freund, dies
Leid gekommen?
Gebt Euer armes Herz in
Ruh',
Wollt Ihr, ich schaff' Euch
Glück und Frommen.
Mir ist noch mancher Schatz
bekannt,
Ich will Euch Guts die
Fülle geben,
Nur setzt mir Eure Seele zu
Pfand,
Und sprecht, wie lang' Ihr
denkt zu leben?“ –
„Sieben Jahre und dann
nicht mehr,
Sieben Jahre, das soll mir
genügen.“ –
„Nun reicht mir Brief und
Siegel her.“ –
Der Ritter schrieb es mit
klaren Zügen.
Er hing sein Siegel wohl an
den Brief;
Gezeichnet war's mit seinem
Blute.
Er diente so gern seinem
süßen Lieb:
Schon wollt' er hin mit
frohem Mute.
„Und sind die sieben Jahr'
verbracht,
Stolzer Ritter, des sollt
Ihr gedenken,
Hier harr' ich Euer um
Mitternacht;
Ich will Euch keine Stunde
schenken.“
Nun hatte der Ritter sieben
Jahre Zeit,
Da durft' ihm Gutes nie
gebrechen,
Er mochte zu Ehren der
schönen Maid
Nach Lust die Ritter vom
Sattel stechen.
Und als es kam an das
siebente Jahr,
Und als es ging in die
letzten Wochen,
Der Ritter ward es mit
Schrecken gewahr,
Er gedachte, was er dem
Feinde versprochen.
Und als es kam an den
letzten Tag:
„Ade, St. Gertrud, wir
müssen uns scheiden,
Den ich vor Euch nicht
nennen mag,
Der harret mein auf wilder
Heiden.“
„Nun trinket, Ritter, St.
Johanns Geleit
Und meine Minne, das muß
Euch frommen.
Nun trinket, Ritter, wie
traurig Ihr seid,
Ich hoffe, Ihr sollt noch
wiederkommen.“
Er hob den Becher wohl an
den Mund,
Er trank den Wein auf ihre
Minne,
Er trank ihn aus bis auf
den Grund
Und ließ keinen Tropfen
darinne.
Da ritt er hinaus in die
Mitternacht
Und stach das schnelle Roß
mit den Sporen,
Er hatte sich keiner Weile
bedacht:
„Es ist doch nun allzumal
verloren.“
Und als ihn der böse Feind
ersah,
Der wich zurück vor ihm mit
Zagen:
„Nehmt Euern Brief! kommt
nicht so nah!
Ich will Euch los und ledig
sagen.
Sie sitzt dahinten auf
Euerm Pferd,
Deren Minne zuletzt Ihr
getrunken:
Sie hat es mir allzu streng
verwehrt,
Da ist mir alle Macht
entsunken.“
Der euch das Lied von neuem
sang,
Dem braucht St. Gertrud nur
zu winken,
Ihm währt der Tag oft viel
zu lang',
Am Abend ihre Minne zu
trinken.
Nach dem Volkslied
Die junge Gräfin weinte vom
Kleverlande,
Der sie beschützen sollte,
warf sie in Bande,
Der Dienstmann will der
Herrin Verlobter sein,
Und kommt ihr nicht ein
Kämpfer, sie muß den Falschen frein.
Kein Kämpfer wollt' ihr
kommen mit dem Verwegnen,
Sie scheuen sich gewaffnet
ihm zu begegnen:
Er schnellt das Schwert so
kräftig und schießt den Schaft,
Ohnmächtig zuckt die
Achseln des Landes Ritterschaft.
Zum Himmel ruft die Gräfin
und fleht sich heiser:
„Laß dich die Not erbarmen,
o Himmelskaiser,
Du bist nicht unerbittlich
wie Menschen sind,
Dich rührt ein Herz voll
Jammer, ein hartbedrängtes Kind.“
An ihrem Rosenkranze hing
eine Schelle,
Und schlug sie sich die
Brüste, so klang sie helle,
Und raufte sie im Leide das
schöne Haar,
So klang das kleine
Glöcklein und tönte wunderbar.
Und klang es in der Nähe
nur leise, leise,
Durch alle Fernen brach es
in Donnersweise:
Wohl über tausend Meilen
vernahm den Schall,
Wo er dem Grale diente, der
König Parzival.
Da mußten die Templeisen in
Sorgen leben,
Die Erde schien im Grunde
dem Ton zu beben,
Der schlanke Turm
erzittert, die Mauer kracht,
Und Tor und Türen rasseln
von des Geläutes Macht.
„Und wieder stürmt die
Glocke, die Haare sträuben,
Es will uns gar die Ohren
der Klang betäuben:
Wohin ist unser Friede, der
Nächte Schlaf?
Was haben wir begangen, daß
Gottes Zorn uns traf?
Was er gebiete, laßt uns
den Gral befragen,
Das wird an seinem Rande
die Inschrift sagen.“
Da war es klar zu lesen an
Kelchesrand:
„Der Jungfrau sei vom Grale
der Kämpfer ausgesandt.
Das Abenteuer ziemet dem
Königssohne.
Ihm ist die Magd beschieden
und ihre Krone;
Doch berg' er sein
Geheimnis in tiefer Brust;
So soll auch sie nicht
fragen: die Neugier straft Verlust.“
Der Jüngling hört es
freudig und will's vollbringen,
Schon denkt er in den
Stegreif den Fuß zu schwingen:
Da kommt herbeigeschwommen
ein Silberschwan,
Und zieht an goldner Ketten
ein kleines Schiff heran.
„Bringt mir zurück, ihr
Knappen, das Roß zur Krippe!
Mich führt wohl dieser
Vogel vorbei der Klippe,
Vorbei dem Wellenstrudel
ans schöne Ziel.“
So trat er in die Barke,
dem Blick entschwand der Kiel.
Nun war indes zu Kleve der
Tag erschienen,
Vom Söller sah die Gräfin
mit Trauermienen.
Der falsche Dienstmann
spottet: „Du lockst ihn nicht
Mit Seufzen und mit Weinen
herbei, der für dich ficht.
Die Seufzer, die du
schicktest, entführten Winde,
Die Tränen trug die Welle
dahin geschwinde;
So werben deine Boten in
aller Welt,
Die Menge gafft und
staunet, und nicht erscheint der Held.“
Da hörte man ein Singen mit
Flötenstimmen,
Und auf dem Wasser schien
es einherzuschwimmen,
Das Ohr berauschen Wonnen,
das Aug' erschrickt
Ungläubig vor dem Wunder,
das es doch klar erblickt.
Vom Singeschwan gezogen die
kleine Barke,
Da schläft auf seinem
Schilde der Jugendstarke,
Schon naht sie dem Gestade,
sie hält und gleich
An schöner Augen Schimmer
erwacht er freudenreich:
„Du bist's, du allen
Wünschen zum Ziel geschaffen,
Dich soll ich mir gewinnen
im Schmuck der Waffen:
Für dich das Kampfspiel
wagen ist Heldenlust,
Den Feind für dich zu
schlagen, wie schwillt mir hoch die Brust!
Schön sah ich dich im
Traume, doch gleicher fließen
Die Locken, vollre Strahlen
die Augen schießen,
Ein sel'ger Lächeln spielet
um Wang' und Mund,
Beredter lädt die Lippe zu
Kuß und Minnebund.“
So neigt' er sich der
Schönen und gab dem Schwane
Das Zeichen heimzuschwimmen
mit seinem Kahne:
Der trieb schon lange
wieder den Rhein hinab,
Sein engelweiß Gefieder
noch fernen Schimmer gab.
„Wohlauf, wer mir die
Jungfrau will abgewinnen!
Der muß beherzter fechten
und heißer minnen.“
Da kam der falsche
Dienstmann, im Streit bewährt,
Sein Wuchs hat Riesenlänge
und schrecklich tönt sein Schwert.
Und wie der Kampf
entbrannte, die Funken stoben,
Des zarten Jünglings
Kühnheit muß jeder loben;
Zwar scheint er jetzt
erlegen, doch wieder klingt
Sein Stahl und trifft den
Gegner, daß rotes Blut entspringt.
So schwanken hin und wieder
des Kampfs Geschicke,
Doch immer kühner strahlen
des Fürsten Blicke,
Verwegen zuckt er jetzo das
Schwert und taucht
In des Feindes Brust die
Spitze, der keinen Beicht'ger braucht.
Frohlockend schaut die
Menge den Sieg gelungen,
Den Heldenmüt'gen preisen
viel tausend Zungen,
Der Gräfin liegt zu Füßen
der Königssohn;
Die zieht ihn an die Lippen
und beut ihm süßern Lohn.
„Hier gönne mir zu knien,
mir soll's genügen,
Und laß mich deinem Fuße
den Goldschuh fügen:
Hier stehen deine Mannen,
es braucht ein Wort,
So sind wir Braut und
Bräutigam, verbunden hier und dort.“
Das Wort ist gern gegeben
so liebem Freier,
Beginne denn, beginne die
Hochzeitfeier!
Girrt zärtlicher ihr
Flöten, Drommeten rauscht
Und überschallt die Küsse,
die dort ein Pärchen tauscht.
„Um eins muß ich dich
bitten, du meine Minne,
Damit uns stets so selig
das Leben rinne:
Uns webt ein zarter Faden
den Liebesbund,
Ein wunderbar Geheimnis
versiegelt mir den Mund.
Du sollst der Stunden Süße
genießend schlürfen,
Woher der Schwan mich
brachte nicht forschen dürfen.
Ich kann dir nichts
verweigern; doch heisch es nie,
Denn ach, wir sind
geschieden, die Frage, tust du sie.“
„Woher du kamst, was
kümmert es mich zu wissen?
Wirst dieser Arme Schranken
du nicht entrissen,
Darf ich dem Morgen
fröhlich entgegenschaun,
Wie früg' ich wohl nach
Gestern? Da kennst du nicht die Fraun.“
Er kannte nicht die Frauen,
daß er vertraute,
Auf losen Sand der Dünen
sein Haus erbaute;
Es daucht' ihn
unzerstörlich, er wohnte drin:
Daß es zusammenbräche, es
kam ihm nicht in Sinn.
Bald wuchsen in dem Hause
drei Heldensöhne:
Wie weidete sein Auge der
Knaben Schöne!
Sein Schwert gab er dem
einen, den Edelstein
Dem andern, gab dem dritten
sein Horn von Elfenbein.
„Du hast sie ausgestattet
mit reichen Gaben,
An diese Schätze knüpft
sich das Glück der Knaben.
Es kann ihm nie gebrechen,
der sie bewahrt,
Dem Eigner ist die Fülle
des Reichtums aufgespart.
Doch eins gebricht, das
haben des Dienstmanns Kinder,
Und die von Bauern stammen
sogar nicht minder:
Des Vaters Namen erbet sein
jung Geschlecht,
Der Sohn des Vaters Ehre,
sonst gilt er nicht für echt.“ –
„Laß ab, du willst die
Zarten zu früh verwaisen,
Zu früh aus deinen Armen
mich hinnen weisen.
Wohin du zielst, empfind'
ich nur allzu gut;
O ende nicht, mir schaudern
im Tiefsten Herz und Mut.“
„So soll des Vaters
Herkunft der Sohn nicht kennen!
Das Volk wird ihn verwerfen
und Bastard nennen:
Den Kleinen tu's zuliebe
und sprich einmal;
Vergib, vergib der Mutter,
ihr bleibt nicht andre Wahl.“ –
„Es ist geschehen! Eilet
herbei, ihr Mannen!
O wär' das Wort vermieden!
Ich muß von dannen.
Nun sollt ihr alles hören:
mich, Lohengrin,
Hat her der Gral gesendet,
zum Glücke wie es schien.
Das Glück ist zerbrochen,
mich ruft der Vater,
Parzival der König, des
Grals Berater:
Einst hätten unsre Söhne
sein Reich geerbt,
Die Frage, die uns
scheidet, die hat auch sie verderbt.
Euch muß ich sie befehlen,
die holden Kleinen,
Und laßt nicht ungetröstet
die Mutter weinen;
Drei Kleinode bleiben den
drein zurück,
Solang' sie die bewahren,
bewahren sie das Glück.“
Da kam der Schwan
geschwommen auf blauer Welle,
Noch einmal klang das
Glöcklein wie Silber helle;
Der Gräfin rief's den
Gatten nicht wieder her:
Er ist hinweggefahren, sie
sah ihn nimmermehr.
K. S. [Karl Simrock]
„Herr Homburg, dies mir
kundgetan:
Du kamst soeben erst hier
an,
Da bog vor einem sich dein
Knie,
Dem wurde solche Ehre
nie.
Der Bursch mir sonst gar
wohlgefällt,
Zum Schützen hab' ich ihn
bestellt,
Und weil er stets ins
Schwarze flammt,
Ward ihm des Schützenkönigs
Amt.“
Dient der als Schütz am
Hofe hier,
Der unsres Landes
Hoffnungszier?
Ihn aufzusuchen mußt' ich
ziehn,
Denn groß ist Hessens Not
um ihn.
So reiches Erb' auf ihn
erstarb,
Dieweil er hier um Minne
warb.
Ich wüßte wohl, wonach er
schießt:
Eure Tochter, wenn's Euch
nicht verdrießt. –
„Mein Mädel der? Nun ja
doch, recht,
Es ist landgräfliches
Geschlecht.
Hessen für Klev', das
Herzogtum:
Ei nun, das nehm' ich gar
nicht krumm.
Schafft mir den Pfaffen
gleich ins Haus;
Wir führen einen
Handstreich aus.
Der beßre Schütz bin ich
diesmal:
Mein Ländchen ist nur klein
und schmal.“
Man fand den Schützen
nirgendwo,
Weit über Berg und Tal er
floh.
Er hat den Homburg wohl
gesehn:
„Soll's wieder in ein
Kloster gehn?“
Das ist der jüngern Söhne
Los,
Doch Otto achtet es nicht
groß:
„Was ist das faule Leben
nütz?“
Da riß er aus und ward ein
Schütz.
Doch diesmal holen sie ihn
ein:
Da marsch in die Kapell'
hinein!
Schon steht die Braut vor
dem Altar:
„Du bist's zufrieden doch,
nicht wahr?“ –
„Herr, treibt mit mir nicht
solchen Hohn,
Wägt treuen Diensten
bessern Lohn.“ –
„Bei meinem Eid! es ist
kein Spott:
Wie ziemte der? wir stehn
vor Gott.“
Der Priester traut das Paar
geschwind,
Laut weint die Mutter um
ihr Kind:
„Nun sage, wofür hältst du
dich?
Für Schützenkönig
sicherlich.
Ja fehlgeschossen!
Abgesetzt,
Landgraf von Hessen bist du
jetzt.
Ich aber traf ins Schwarze
heut',
Wenn dich die Heirat nicht
gereut.“
K. S. [Karl Simrock]
Zum Andenken der siebzehnjährigen Schönen, Guten, aus dem Dorfe Brienen, die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgange des Rheins und dem großen Bruche des Dammes von Cleverham, Hilfe reichend, unterging.
Der Damm zerreißt, das Feld
erbraust,
Die Fluten spülen, die
Fläche saust.
„Ich trage dich, Mutter,
durch die Flut,
Noch reicht sie nicht hoch,
ich wate gut.“ –
„Auch uns bedenke, bedrängt
wir sind,
Die Hausgenossin, drei arme
Kind!
Die schwache Frau! ... Du
gehst davon!“ –
Sie trägt die Mutter durchs
Wasser schon.
„Zum Bühle da rettet euch!
harret derweil:
Gleich kehr' ich zurück,
uns allen ist Heil.
Zum Bühl ist's noch trocken
und wenige Schritt;
Doch nehmt auch mir meine
Ziege mit!“
Der Damm zerschmilzt, das
Feld erbraust,
Die Fluten wühlen, die
Fläche saust.
Sie setzt die Mutter auf
sicheres Land;
Schön Suschen, gleich
wieder zur Flut gewandt.
„Wohin, wohin, die Breite
schwoll;
Des Wassers ist hüben und
drüben voll.
Verwegen ins Tiefe willst
du hinein!“ –
„Sie sollen und müssen
gerettet sein.“
Der Damm verschwindet, die
Welle braust,
Eine Meereswoge, sie
schwankt und saust.
Schön Suschen schreitet
gewohnten Steg,
Umströmt auch gleitet sie
nicht vom Weg,
Erreicht den Bühl und die
Nachbarin;
Doch der und den Kindern
kein Gewinn!
Der Damm verschwand, ein
Meer erbraust's,
Den kleinen Hügel im Kreis
umsaust's.
Da gähnet und wirbelt der
schäumende Schlund
Und ziehet die Frau mit den
Kindern zu Grund;
Das Horn der Ziege erfaßt
das ein',
So sollten sie alle
verloren sein!
Schön Suschen steht noch
strack und gut:
Wer rettet das junge, das
edelste Blut!
Schön Suschen steht noch
wie ein Stern,
Doch alle Werber sind alle
fern.
Rings um sie her ist
Wasserbahn,
Kein Schifflein schwimmet
zu ihr heran.
Noch einmal blickt sie zum
Himmel hinauf,
Da nehmen die
schmeichelnden Fluten sie auf.
Kein Damm, kein Feld! nur
hier und dort
Bezeichnet ein Baum, ein
Turm den Ort.
Bedeckt ist alles mit
Wasserschwall;
Doch Suschens Bild schwebt
überall.
Das Wasser sinkt, das Land
erscheint
Und überall wird schön
Suschen beweint. –
Und dem sei, wer's nicht
singt und sagt,
Im Leben und Tod nicht
nachgefragt!
Goethe.
Aus Wieland der
Schmied.
(Amelungenlied I.)
„Drei Söhne zeugte Wate,
der älteste war ich,
Der andere hieß Eigel, der
dritte Helferich. – –
An ihm war viel versäumet,
des war er sich bewußt,
So wollt' er an den Söhnen
doch schauen seine Lust!
Die sollten alles lernen,
das deucht' ihm keine Schmach,
Sich jeder Kunst befleißen,
an der ihm selber gebrach.
Nun wußt' er wohl die Märe,
daß an des Rheines Strand
Der Schmiede bester wäre,
Mime genannt;
Auch hatte Nordlands König,
sein Bruder Nordian,
Eckarten den getreuen zu
diesem Meister getan.
Im Kriege braucht man
Waffen, zu Schutz und Trutz gesellt,
Wer die sich mag
verschaffen, das ist der beste Held:
So dachte König Nordian,
drum sandt' er seinen Sohn
Zu Mimen in die Lehre und
verhieß ihm reichlichen Lohn,
Wenn er dem Jungen hülfe
zu seiner Meisterschaft.
Nun hatte bei Waten dies
Beispiel große Kraft:
Er sandt' auch mich zu
Mimen: das war dem König lieb,
Daß Eckart da, der Treue,
nicht ohne Gefährten blieb.
Wir wurden Schwurbrüder,
Eckart und ich,
Wie wir schon Vettern
waren; von meiner Seite wich
Der treue Knabe nimmer, er
war mein fester Schild.
Viel mußte meine Jugend von
den zwölf Gesellen wild
Und Siegfrieden dulden.
Denn oft zu Mimen kam
Der junge Frankenkönig und
niemand war ihm gram,
Obwohl er alle neckte und
die Gesellen schlug.
Mich ließ er lang' in
Frieden, weil es Eckart nicht ertrug,
Wenn seinem Notgestallen
das kleinste Leid geschah:
Wie oft an den Gesellen er
ihn das rächen sah!
Doch konnt' er's einst
nicht lassen in seinem Übermut
Mich Elfensohn zu schelten:
da geriet Eckart in Wut
Und warf seine Zange
Siegfrieden hinters Ohr,
Daß der Knabe blutete und
schier den Sinn verlor;
Doch kam er bald zu
Kräften: Mit seiner linken Hand
Griff er Eckarten ins Haar
und warf ihn in den Sand.
Da lief ich ihm zu Hilfe
und die Gesellen all',
Wir sparten nicht der
Schläge: das war ihm eitler Schall:
Er zog doch bei den Haaren
Eckarten vor die Tür.
Da trat aus seinem Hause
der alte Mime herfür.
Mit strafenden Worten
sprach der zu Siegfried:
„Was schlägst du meine
Burschen, unnützer Störefried?
Wenn sie was Nützes
schaffen, läßt du sie nie in Ruh',
Nichts schaffen kannst du
selber, nur Unfug sinnst und schaffest du.
Dein Sinn ist unbändig,
hier kann sich niemand mehr
Vor deiner Wildheit
fristen. Was läufst du stets hierher?
Wir mögen wohl entraten so
ungestümen Gast:
Fürwahr du lägest besser
den Hundingen so zur Last,
Die deinen Vater schlugen,
und rächtest seinen Tod,
Als daß du meine Leute
schindest ohne Not.
Er ist doch nun gewachsen
über Manneslänge schier:
Zu Felde sollt' er liegen,
nicht in der Schmiede bei mir.“
Da sprach mit lautem Lachen
König Siegmunds Kind:
„Da seht ihr einmal wieder,
wie töricht Greise sind:
Ich weiß es auswendig, das
ew'ge, alte Lied,
So oft hab' ich's vernommen
von dem verloffnen Fahnenschmied:
So schmiede mir die Fahne,
so schmiede mir das Schwert!
Du hast es längst
verheißen: wann wird mir das gewährt?
Kann ich Hundings Söhne
zerkloben mit der Faust?
Du aber sollst erproben,
wie stark sie hämmert und saust,
Wird nicht das Schwert
geschmiedet in dreier Tage Frist:
Die meine Rache fühlen, du
dann der erste bist.
Du fährst
zu Hels Reiche, zu Siegmund kommst du
nicht,
Sonst könntest du ihm
sagen, ob ihm Siegfried Rache verspricht.“
Da ließ nicht mit sich
scherzen Siegfried, Siegmunds Sohn:
Er war in hohem Zorne, im
Zorn ging er davon.
Dem Meister ward, dem
alten, doch vor dem Knaben bang;
Er mocht' es nicht
gestehen, er trällerte, pfiff und sang,
Doch hub er an zu schmieden
und schlug ein gutes Schwert
In den dreien Tagen, wohl
eines Helden wert:
Das gab er Siegfrieden und
sprach: „Da nimm es hin
Und strafe Hundings Söhne,
daß ich dein nur ledig bin.“
„Erst will ich es
versuchen,“ sprach der junge Held,
„An diesem Amboße, ob es
die Probe hält.“
Da tat er auf das Eisen
einen ungefügen Schlag,
Daß das Schwert zerbrochen
ihm halb zu den Füßen lag.
„Das ist nun dein
Geschmiede,“ sprach da Siegfried,
„Mime, greiser Prahlhans,
du unnützer Schmied:
Kannst du nichts Beßres
wirken als solch ein gläsern Ding,
So bist du zum Erschlagen,
zum Hängen selbst zu gering.“
Da schritt aus der Schmiede
der junge Recke stark.
Das wurmte nun den Alten
und zehrt' ihm an dem Mark,
Daß er ihn so gescholten
vor der Gesellen Schar:
Er hatte doch gegolten für
den besten Meister immerdar.
Er setzte sich zu schmieden
und wirkte Tag und Nacht
An einem Schwert so
schneidig, wie er noch keins erdacht;
Auch war es ungefüge, von
mächtigem Gewicht:
Er sprach zu Siegfrieden:
„Dies Schwert zerklobst du mir nicht.
Es wird schon Mühe kosten,
wenn es dein Arm erschwingt.“ –
„So will ich nur versuchen,
wie der Amboß klingt.“
Sprach der junge Degen und
schwang es, daß es pfiff:
Da zerbrach auf dem Eisen
die Klinge dicht an dem Griff.
„Das geht schon besser,“
sprach er, schrecklich war sein Ernst.
„Schmiedst du noch tausend
Jahre, vielleicht, daß du es lernst.
Ich hätte Lust und würfe
dir ins Gesicht das Heft.“
„Dir schmieden,“ sprach
Mime, „das ist ein übles Geschäft:
Es lebt kein Schmied auf
Erden, dem es gelingen mag;
Schmiede du dir selber, ich
tu' keinen Schlag
Für dich mehr auf den
Amboß.“ Er sprach: „So ist es recht,
Ich will mir selber
schmieden, ihr Affen könnt es gar zu schlecht.
Nun will ich euch das
Handwerk lehren aus dem Grund:
Schaut mir zu, Böhnhasen,
ich weiß manch seltnen Fund.
Da glüht schon eine Stange
in der Esse Glut,
Die reicht mir her, ich
fange nun an, mein Schmieden wird gut.“
Aller Hämmer schwersten
nahm er in die Hand.
„Achtung, daß ihr was
lernet,“ rief er zornentbrannt.
Da schlug er auf die Stange
einen Schlag, der war nicht krank,
Der Stein zerbarst, der
Amboß in der Erde Grund versank;
In Funken war zerstoben der
glühen Stange Last,
Zerbrochen lag die Zange,
mit der er sie gefaßt,
Der Schlegel brach in
Stücken nieder von dem Schaft,
Das Haus begann zu zücken
von des Schmiedes kindischer Kraft.
„So sollt ihr mir
schmieden,“ sprach Siegfried, „fortan:
Morgen komm' ich wieder,
und wer es da nicht kann,
Den schweiß' ich auf den
Amboß.“ So ging er aus dem Haus:
„O weh des Geschmeides,“
rief unser Meister da aus,
„O weh mir, immer wehe, daß
ich den Tag erlebt,
Wo mir das Herz in Ängsten
vor diesem Knaben schwebt.
Nun leb' ich siebzig Jahre
und drüber manchen Tag,
Und nimmer sah ich, nimmer
einen fürchterlichern Schlag,
Als den auf diese Stange
ein Kind hat geführt.
Und kommt er zu Jahren, daß
ihn der Blitz nicht rührt
(Das steht allein zu
hoffen), so halte dich nur fest
In deinen Fugen, Erde,
sonst gibt sein Arm dir den Rest.
Nun gönn' uns Godan gnädig
vor seinem Ingrimm Ruh',
Und werd' ich sein nicht
ledig, ich weiß nicht was ich tu'.“
So sprach der greise
Meister in seines Herzens Not:
Er sann das Kind zu töten,
da fand er selber den Tod.
Derweil zu seiner Mutter
ging Siegfried der Held.
Da ward er wohl empfangen:
sie sah nichts auf der Welt
So gern als seine Augen.
Sie bot ihm lautern Trank
Und hieß ihn niedersitzen,
des sagt' ihr der Junge Dank.
„Ich komme nur zu fragen,
ob ich recht vernahm,
Daß Siegmund, meines
Vaters, Schwert Euch überkam?
Mich dünkt, ich hörte
sagen, er gab's in Eure Hand,
Als er von Godans Neide den
Tod und den Unsieg fand.“ –
„Wohl hast du recht
vernommen, es brach an Godans Speer:
Von Godan ist sie kommen,
die gute Waffe hehr.
Als er bei Signes Hochzeit
sie in die Eiche stieß,
Heraus zog sie Siegmund,
kein andrer vermochte dies.
Die Godan hat verliehen
zerging an Godans Kraft;
Er mochte wohl beneiden des
Helden Siegerschaft.
Mir blieben nur die Stücke;
doch Siegmund sprach im Tod,
Durch Helm und Panzer zücke
damit ein Held noch Wunden rot.“
„So gebt mir her die
Splitter,“ fiel ihr Siegfried ein,
„Und schlagen sie noch
Wunden, laßt mich den Helden sein.
Hier ist ein Schmied, heißt
Mime, ein Stümper seiner Kunst,
Jedennoch soll er's
schmieden; vielleicht gerät's durch Godans Gunst.“
Da gab sie ihm die Stücken
und sprach: „Du bist es wert
Und wisse, dir bestimmte
Siegmund im Tod das Schwert.“
Am Morgen ging der Junge,
wo er den Alten fand.
Er sprach: „Ich lass' Euch
leben, voraus zwar ist mir bekannt,
Daß Ihr den Schlag nicht
könnet, den ich Euch gestern wies
Und bei schwerer Buße mir
nachzuschlagen hieß;
Doch wenn Ihr in drei Tagen
mir ein gutes Schwert
Aus diesen Stücken
schmiedet, so wird Euch Gnade gewährt.
Zerbricht es aber wieder,
so ist es Euer Tod:
Mit Euch schon allzulange
hab' ich meine Not.“
Und Mime sprach, der Alte:
„Nun sage, junger Held,
Was denkst du zu beginnen,
wenn ich das Schwert dir hergestellt?“
„Siegmunds Tod zu rächen,“
versetzte Siegfried.
Und wieder sprach Mime, der
schlaue Waffenschmied:
„Und brauchst du einen
Harnisch nicht auch zu der Fahrt?
Nicht Helm und Eisenhosen?
einen Schild, der dich bewahrt
Vor Schwertern und vor
Speeren? Nie zog wohl in den Krieg
Ein Held, der das nicht
hatte und auch kein Roß bestieg.“
Da sprach der junge Degen:
„Das mag von Nutzen sein,
Und willst du mir es
schmieden, so sag' ich dazu nicht nein;
Das aber sollst du wissen:
Wo man zum Streite kommt,
Da kann ein Mann nichts
haben, was ihm so sicher frommt
Als ein Herz im Busen; hat
er dazu ein Schwert,
Das andre wird ihm alles
wohl in den Kauf noch beschert.“
Da sprach der gute Meister:
„Was dir zu haben not
Will ich dir alles
schmieden: du sollst nicht in den Tod
Mit einem Schwerte rennen.
Nur fehlt es an der Glut;
Willst du mir Kohlen
brennen, so schür' ich das Feuer gut
Und wirke dir in kurzem das
blanke Rüstgerät.
Es getrauen meine Knechte
sich weder früh noch spät,
Wie sehr es fehlt an Holze,
so tief in meinen Wald:
Er sei der Ungeheuer und
der Drachen Aufenthalt,
Und was sie sonst noch
fabeln. Das wirst du wohl nicht scheun:
Du ringst mit den Wölfen
und bändigst die Leun.“
Da sprach der junge
Siegfried: „So macht man Kindern Graus:
Ich fälle dir die Bäume und
brenne Kohlen daraus;
Nur her mit dem Geräte.“
Das gab man ihm sofort,
Auch lehrt' ihn Mime finden
im tiefen Wald den Ort,
Wo er holzen mög' und
Kohlen brennen aus dem Holz,
Zu Walde fuhr da Siegfried,
der junge Welsunge stolz.
Doch Mime war zum Walde
gegangen früh am Tag,
Wo brütend über Schätzen
sein Bruder Fafner lag.
Das war ein grimmer Drache,
der nährte sich von Blut;
Bestehen mochte niemand des
grimmen Lindwurmes Wut.
Zu Fafnern sprach da Mime:
„Einen Knaben send' ich heut'
Zu dieses Waldes Tiefen,
der ist sehr ungescheut
Und schafft mir eitel
Ängste; den töte so du willst:
Mir ist lieb, wenn du den
Hunger an dem frechen Unholde stillst.“
Da sprach sein Bruder
Fafner: „Schon gut; er kommt doch bald?
Es ist jetzt gar so einsam
hier in dem tiefen Wald;
Ich sehe gerne Leute bei
mir auch dann und wann;
So allein ist's zum
Verschmachten für den Menschenfreund in dem Tann.“
„Zu Mittag wird er kommen.“
– „Das ist mir herzlich lieb.
Er ist zu Tisch gebeten,
ich wünsche nur, er blieb'
Auch nicht so lange außen:
mir wird das Fasten schwer;
Das Mahl verschieb' ich
ungern: send ihn ja zeitig hieher.“
„Sei deshalb außer Sorgen,
ich geh' und schick' ihn dir.
Mich heute zu besuchen
versprach der Knabe mir:
Dann kommt er in der Frühe,
das bin ich schon gewohnt.“
„So hoff ich nur,“ sprach
Fafner, „daß es der Mühe verlohnt.“ –
Noch stand die Sonne
niedrig, da fuhr zum grünen Wald
Siegfried der junge: wie
fröhlich ward er bald,
Als er im lichten Scheine
die Bäume grünen sah:
Vor Freuden wollt' er
springen, nicht wußt' er wie ihm geschah.
Er begann ein Lied zu
singen: nach sang's der Widerhall:
Da schuf ein lustig Ringen
der starken Stimme Schall.
Bald freut' ihn mehr zu
lauschen des Bächleins munterm Gang,
Bald wie ein wonnig
Rauschen durch alle Läuber sich schwang.
Von abertausend Stimmen der
Wald erfüllet war,
Von Blüten summten Immen zu
Blüten immerdar;
Bald Adlerflügelschläge,
bald kleiner Vögel Lied,
Bald Reh im Laube
raschelnd, bald Wasservögel im Ried.
Hier ging ein Rudel
Hirsche; Zwanzigender stolz
Wiesen den Hinden die Wege
durch das Holz;
Dort schoß ein wilder Eber
auf seiner Jagd vorbei,
Hier falzten Auerhähne,
dort kreiste herrlich der Weih.
Wie leuchtend durch die
Grüne die Morgensonne schien,
Siegfried der kühne sprang
wie ein Tor dahin:
Er hatte nie die Wunder der
Wildnis gekannt:
Bald an dem Orte stund er,
dahin ihn Mime gesandt.
Vor einem hohlen Berge hub
er zu holzen an:
Die Streiche widerhallten
weithin im tiefen Tann.
Er schwang die Axt so
mächtig, daß auf den dritten Schlag
Eine königliche Eiche die
Krone senkend erlag.
Auch mußten sich ihm neigen
der süßen Linden viel,
Mit dichtbelaubten Zweigen
die Esche niederfiel.
Die Fichten und die Tannen
huldigten ihm auch:
Du willst den Wald
ausreuten, ist das wohl Försters Gebrauch?
Darunter macht' er Feuer:
erst stieg der Rauch empor,
Dann schlug ungeheuer die
Glut zum Himmelstor;
Noch schwang er eine Buche
darauf mit starkem Arm:
Den Wanen und den Asen ward
in den Himmelswelten warm.
Da setzt' er sich zu rasten
und sah die Funken sprühn,
Die heißen Glieder kühlend
unter der Linde grün.
Dann nahm er alle Speise,
die er mitgebracht,
Genug für sieben Tage, so
hatte Mime gedacht:
Den ganzen Wochenvorrat,
den aß er auf einmal
Auf einem grünen Hügel:
noch schien die Kost ihm schmal.
Dann griff er zu dem
Schlauche und trank den kühlen Wein:
Bald goß er mit Behagen den
letzten Tropfen hinein.
Da drang ihm durch die
Glieder Gefühl der Kraft und Lust:
Er wußte sich gewaltiger
als er sich je gewußt.
Da sprach er: „Abenteuer,
und kommt ihr noch nicht bald?
Ihr seid doch allzu teuer
in diesem verrufnen Wald.
Es ist ein rechter Jammer,
wie wunderlos die Welt:
Wie soll sich da erweisen
in seiner Kraft ein Held?
Thursen, Bergriesen, die
sieht man gar nicht mehr:
O führ' doch aus der
Wildnis ein rechtes Scheusal daher,
Daß ich erproben könnte, ob
wohl mein Arm so stark
Als einem Welsung ziemet;
mich dünkt, ich spüre Mark
Genug in den Gebeinen, auch
schwillt mir so der Mut,
Daß mir nicht bangen sollte
vor aller Ungetüme Wut.“
Nun kam zur selben Stunde
Fafner der grimme Wurm
Aus des Berges Schlunde; er
schoß daher im Sturm,
Die Beute zu verschlingen
lechzt' ihm schon der Gaum:
Da fuhr der junge Degen
empor aus seinem Heldentraum.
Er sah den Drachen fliegen
und sprach: „Wie bin ich froh!
Wie ich es eben wünschte,
es fügt sich völlig so:
Nun kann ich mich
versuchen.“ Hin lief der Recke gut
Und riß die mächt'ge Buche
hervor aus des Feuers Glut.
Seine Kraft war
sondergleichen: er lief den Lindwurm an
Und schlug ihm in die
Weichen, daß weit erscholl der Tann.
Da sprühte Gift und Geifer
des wilden Drachen Schlund;
Und wieder schlug ihn
Siegfried: da ward ihm Heldenstärke kund.
Nun wandte sich der Drache,
er ringelte den Schweif
Und zuckte nach dem
Jüngling mit schnell entrolltem Reif;
Der aber sprang zurücke und
schlug ihm auf das Haupt
Mit dem Feuerbrande: da war
er Sinnes beraubt
Und stöhnte furchtbar
brüllend die Lebensgeister aus,
Den Wald mit Schrecken
füllend und alles Wild mit Graus.
Noch fielen schnelle
Schläge herab von Siegfrieds Hand:
Da war der Wurm gestorben,
sein letzter Seufzer entsandt.
Die Axt ergriff da
Siegfried und tat so grimmen Schlag,
Daß gleich das Haupt des
Wurmes ihm zu den Füßen lag.
Die roten Blutströme
sammelten sich zum See;
Dem jungen Helden wurde von
seinen Arbeiten weh.
Noch gönnt' er sich nicht
Ruhe: in des Drachen Brust er brach
Und forschte da dem Herzen
des Ungetümes nach.
Da verbrannt' er sich die
Finger, es war zum Glühen heiß;
Nun tat er, was ein jeder
tut, wenn er den Grund auch nicht weiß:
Er steckte sie zu kühlen
geschwind in seinen Mund;
Da ward dem stolzen Knaben
seltsame Märe kund:
Drei Nachtigallen schlugen
auf dem Lindenast,
Und alles, was sie sangen,
das galt dem herrlichen Gast.
Da war ihm als verstünd' er
der Vögel Liederschall;
Nun hört, was ihm gesungen
die erste Nachtigall:
„Wenn er im Blute badete,
der junge Degen wert,
Kein Eisen je ihm schadete,
ihn verwundete kein Schwert.“
Die zweite sang: „Der
Jüngling ist nun reich genug,
Der Hort ward sein eigen,
als er den Drachen schlug,
Auf dem im hohlen Berge der
arge Fafner lag.
Einen Schatz so
unerschöpflich beschien wohl nimmer der Tag.“
Alsbald begann die dritte:
„Nun räch' es seine Hand
An Mimen, der ihn böslich
zu Fafnern gesandt.
Denn des Drachen Bruder ist
der weise Schmied:
Und soll er's nicht
entgelten, der Meister, der ihn verriet,
So rächt noch an ihm selber
Mime des Bruders Mord.“
Das alles hörte Siegfried,
ihm entging nicht ein Wort.
Nicht lang' blieb
unentschlossen der teure Degen gut,
Ab riß er seine Kleider und
warf sich rasch in die Flut.
Als er sich gebadet dem
roten Blut entschwang,
Da begehrt' er nicht des
Hortes, von dem der Vogel sang,
Er begehrte nur zu rächen
König Siegmunds Tod.
Und wieder sang der Vogel
vom Hort; er sprach: „Was hab' ich not
Des Golds im Drachenbette?
Lachen müßten hell
Hundings stolze Söhne,
wollte minder schnell
Ein Königssohn um Rache
werben, denn um Gold:
Vergäß' ich so des Vaters,
da wär' ich so Schätzen allzu hold.
Noch ist er ungerochen: was
schaff' ich hier im Wald?
Mir tat doch nichts zuleide
der Drachen Ungestalt;
Auch hab' ich noch zu rügen
Mimes Verrat.“
Da rannt' er aus dem Walde
und war der Schmiede schon genaht,
Als Eckart ihn erschaute,
der immer Treue pflag.
Da warnt' er seinen
Meister: „Euer jüngster Tag
Ist, wähn' ich, nun
gekommen, wenn Ihr nicht eilends flieht:
Da rennt schon aus dem
Walde der junge Recke Siegfried,
Und trägt das Haupt des
Drachen in seiner starken Hand:
Er schlägt uns all' zu
Tode, fliehn wir nicht unverwandt.
Wir sind hier unser zwölfe,
doch ist er so im Zorn,
Und kämen ihrer hundert,
die wären alle verlorn.“
Da liefen die Gesellen und
bargen sich im Wald.
Aber Mime wollte nicht
fliehen: „Ich bin so alt:
Soll ich mich vor dem
Knaben verkriechen in den Tann,
Der kaum zwölf Jahre
zählet? Gar übel ständ' es mir an.“
Da warf sich ihm zu Füßen
Eckart, um sein Knie
Die treuen Arme schlingend:
„Flieh, guter Meister, flieh:
Wenn Siegfried dich
erschauet, ich weiß, es ist dein Tod.“
„Steh auf, ich will nichts
hören,“ das war des Meisters Gebot.
Da trat schon in die Türe
der fürchterliche Gast.
Und Mime sprach: „Du
trugest heut' schwerer Arbeit Last:
Dafür wird dir am Abend
willkommner Lohn beschert:
Ich fand noch alte Kohlen
und schmiedete Siegmunds Schwert.
Willst du mit Hundings
Söhnen nun ziehn in den Streit,
So hab' ich Helm und
Harnisch schon auch für dich bereit,
Dazu die Eisenhosen, den
festen Schild zugleich:
Sie waren Ortniten
bestimmt, dem Herrn in Ostenreich.
Nimm auch aus meinem Stalle
das allerbeste Roß,
Das mit gewalt'gen
Schenkeln wohl je ein Held umschloß;
Das soll dich immer tragen,
wenn du zum Kampfe sprengst:
Grani ist sein Name,
von Brunhilds Stuten fiel der Hengst.“
Da gab dem Helden Mime die
Eisenhosen hin:
Die schnallt' er um die
Beine, wohl kleideten sie ihn;
Dann reicht' er ihm den
Harnisch: der warf so lichten Schein;
Siegfried stülpt' ihm über
und fuhr mit der Brust hinein.
Da bot ihm der Meister des
Helmes lautern Glanz;
Den schwang er sich zu
Häupten und stand gerüstet ganz.
Nun gab ihm auch der Alte
den stahlharten Schild;
Doch immer schwieg
Siegfried und blickte fürchterlich wild.
Jetzt blieb ihm noch zu
geben Siegmunds gutes Schwert;
„Erst will ich es
versuchen,“ sprach der Degen wert:
Er schwang es in den Lüften
und bot so scharfen Gruß
Dem guten Amboße, daß er
zerspellte bis zum Fuß.
Nicht zerbrach die Klinge,
die ungeschartet blieb:
„Das Schwert ist
wohlgeraten, das zeigte dieser Hieb,“
Sprach der junge Degen,
„darum so weih' ich's ein,
Schächern und Verrätern ein
furchtbarer Feind zu sein.