Margie Kinsky
ICH BIN SO WILD
NACH DEINEM
ERDBEERPUDDING
Mein Familienleben
mit 7 Kerlen
Knaus
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1. Auflage
Copyright © 2014 beim Albrecht Knaus Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Mitarbeit: Tania Kibermanis
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-13990-2
V002
www.knaus-verlag.de
Auf die Plätze,
Pudding, los!
1 … 2 … 3 … Stella!
… fünf, vier, drei, zwo, eins … Happy New Year!
Während es draußen knallt und bummst, bleiben der Holzfäller und ich an Silvester ja traditionell stocknüchtern, weil wir schon Wochen vorher als Fahrdienst gebucht werden. Sechs Kinder, sechs Feten, im dümmsten Fall also sechsmal durch die Nacht kutschieren.
Beim Bleigießen hatte ich was, das sah aus wie ’ne Vier. Vier neue Handtaschen im nächsten Jahr? Viermal zum Friseur? Vier voll ausverkaufte Vorstellungen? Hm, das konnte ich mir nicht erklären.
Dann klingelt das Telefon. Unser Jüngster will abgeholt werden. Die Motto-Party ist nicht so sein Ding, jetzt steht er schon draußen in Shorts und Hawaiihemd und friert sich den Arsch ab. Ich schwing mich schnell in die Jacke, Hausschlappen an, dann düse ich zum Auto. Kein Schwein auf der Straße, also trete ich schön aufs Gas, bevor das arme Kind noch so lange in der Kälte rumstehen muss. Komisch, denk ich mir, die Schlappen sind so groß, hab ich vielleicht aus Versehen die vom Holzfäller erwischt? Und – schwupps – da bin ich auch schon über die rote Ampel drüber! Dann sehe ich im Rückspiegel, wie einer im Auto hinter mir mit irgendeinem Ding aus dem Fenster winkt.
»Dir auch Prost Neujahr!«, denke ich mir, kurble das Fenster runter und winke zurück. Dann sehe ich, dass es oben auf dem Auto blau blinkt. Und dann sind sie auch schon neben mir.
»Sie wissen, dass Sie gerade eine rote Ampel überfahren haben?«
»Ja, das tut mir auch leid, aber ich muss jetzt ganz dringend meinen Sohn abholen, der steht draußen und friert!«
»Wissen Sie, jeder, den wir anhalten, muss gerade ganz dringend jemanden irgendwo abholen …«
»Ich schwöre, es stimmt wirklich! Wenn Sie mir nicht glauben, können Sie ja mitfahren!«
»Das machen wir auch, da können Sie ganz beruhigt sein.«
Ich fahre also los, die Polizei schön brav hinter mir her. Und wer steht nicht da, wo er stehen sollte? Rate mal! Ich also raus aus dem Auto, und auf dem Weg zur Haustür des Kumpels höre ich einen Polizisten rufen: »Was haben Sie denn da für Schlappen an? Die sind ja viel zu groß! Gute Frau, das geht nicht, beim Fahren ist geeignetes Schuhwerk zu tragen!«
Ich merke schon, wie mir der Kamm schwillt, und als ich grade anfangen will, was Passendes zurückzublöken, kommt das Kind aus der Tür.
»Mama, du bist schon da? Menno, grade wird’s wieder cool, darf ich noch ’n bisschen bleiben?«
Währenddessen sehe ich im Augenwinkel, wie die Polizisten um mein Auto schleichen, das Kennzeichen durchfunken und irgendwas notieren.
»Das Taxi zahlste aber dann von deinem Taschengeld!«
Als ich grade zu Hause zur Tür reinkomme, klingelt das Telefon. Bill geht ran, und ich höre ihn fragen: »Wer bist du denn? Tobias? Wir haben keinen Tobias! Und du willst abgeholt werden? Hast du keine eigenen Eltern?«
Natürlich haben wir unseren Jüngsten dann doch noch von der Party abgeholt, ’ne Stunde später, das hat dann Bill gemacht.
Als ich ein paar Tage später die Post aufmache, verstehe ich auch plötzlich, was die Vier beim Bleigießen zu bedeuten hatte: Ich bin jetzt für VIER Wochen den Lappen los, zahle VIERhundert Tacken Strafe und kriege noch VIER Punkte in Flensburg. Ich sag mal: Happy New Year!
Und so geht’s bei uns heiter weiter, hier ist nie Ruhe im Karton!
Dass ausgerechnet ich irgendwann mal ein Buch schreibe, das hätte ich nie gedacht! Hin und wieder kommt zwar immer mal jemand nach der Vorstellung zu mir und sagt: »Mensch, Frau Kinsky, schreibense dat doch mal alles auf!«
Aber ich hab immer gedacht, so was Besonderes sind wir ja nun auch wieder nicht – und ich hatte auch schon ohne Bücherschreiben genug um die Ohren!
Aber jetzt habe ich das einfach mal gemacht. Vielleicht ist es ja doch für euch ganz wissenswert – und wenn nicht, dann macht’s wenigstens Spaß! War auch gar nicht so schwer! Und weil ich ja nicht alleine bin, erzähle ich das Leben von meinen sieben Kerlen, von meinen Freundinnen und unserer Omma einfach gleich mit!
Und nicht nur das! Dieses Buch hier ist ein Mitmach-Benutz-Bastel-Ratgeber – Geschichtenbuch und ein Gute-Laune-Macher für Frauen dies- und jenseits der fünfzig.
Ein Survival-Guide für geplagte Muttis mit Geschichten, Anekdoten, Tipps und Bonusmaterial zum Basteln, Rausreißen und Spaßhaben.
Damit ihr gleich den Überblick habt, um wen’s hier in diesem internationalen Italowestern-Bollywood-Schinken geht – hier erstmal unser Kinsky-Mockridge-Cast:
Eine temperamentvolle, füllige, meistens gut gelaunte italienische Charakterdarstellerin, die Anna Magnani von Bonn-Endenich: MARGIE
Der nicht mehr ganz so jugendliche Liebhaber, Ehemann und Vater der sechs Söhne, John Wayne aus Toronto, ein Holzfällerhemd kommt selten allein: BILL
Die sechs hoffnungsvollen Nachwuchsdarsteller (nach Alter geordnet):
Keanu Reeves und Charmeur, unsere Nummer 1: NICK (Jahrgang 1984)
Dagegen ist Schwarzenegger eine Ballettmaus, unser Bodybuilder: TEO (1986)
Der große Blonde mit der noch größeren Schnauze: LUKE (1989)
Unser Musiker – da bleibt kein Auge trocken, wenn er erst mal seine Gitarre auspackt: LENNY (1991)
Kreischobjekt und einmal Klaus Kinski heiß gewaschen: JEREMY (1993)
Mädchenschwarm und komplette Boyband in einem: LIAM (1997)
Nominiert für die besten Nebenrollen:
Unsere böhmische Omma, die Freundinnen Maria, Tinchen und Marita Nettekofen
Kamera: Ein Blick durch unsere dreckigen Fenster
Licht und Ton: Bei uns sind immer alle Lampen an, wahlweise auch Handy- und Computerdisplays, es wird gebrüllt, die Telefone klingeln, Radio und Glotze laufen, und irgendeiner quatscht immer rein!
Kostüm: Viele Socken mit noch mehr Löchern, ein Haufen dreckiger Wäsche und ’ne Menge Turnschuhe
Location: Eine Bonner Villa Kunterbunt – dagegen hat Pippi Langstrumpf eine aufgeräumte Bude!
Catering: Alles, was schnell geht und satt macht – Pizza, Pasta, Bratkartoffeln – und natürlich Erdbeerpudding!
Special Effects: Die Möpse Kenzo und Möppie
Nominiert in den Kategorien: Bestes Drehbuch, bestes Chaos, beste Haupt- und Nebendarsteller
Wisst ihr übrigens, was das Geile an Pudding ist? Einfach alles! Wo’s Pudding gibt, da ist es sofort gemütlich! Pudding ist pappig süß und richtig schön ungesund, Pudding geht schnell, Pudding macht glücklich, Pudding ist billig, hat man immer im Haus, oder wenn man ihn selbst nicht da hat, haben die Nachbarn garantiert noch ’nen Beutel. Pudding ersetzt locker ein Abendbrot und manchmal auch ’ne ganze Beziehung. Pudding tröstet, Pudding wärmt, und wenn man ihn garniert – mit Erdbeeren oder Gummibärchen, mit Minzblättchen oder mit Sahne –, dann wird aus der 2,50-Packung ratzfatz ein Galamenü!
Koch dir doch mal wieder ’nen Pudding! Ich warte so lange. Pudding am Start? Prima! Dann können wir loslegen!
Mein Leben vor den sieben Kerlen
Ich bin am 21.4.58 in Rom geboren. Meine Mutter wurde von ihrer Freundin in ’nem alten VW Käfer in die Klinik gefahren, ins Santa Prisca, oben auf dem Aventin, einem der sieben Hügel Roms.
Mamma Genilde Gräfin Kinsky mit Papa Filippo Dozzi und Margie an einem Sonntag irgendwann in den Sechzigern in Rom
Und so kam ich, halb böhmisch, halb italienisch, römisch-katholisch-neurotisch zur Welt. »Padre ignoto« hat meine Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen, das heißt so viel wie: Vatter jibt es nich! Aber den gab es sehr wohl: der italienische Journalist Filippo Dozzi – groß, breit, haarlos wie ein nackter Bär. Meine Eltern hatten sich beim Jobben im RAI kennengelernt, beide waren Radiomoderatoren. Geheiratet wurde allerdings nicht – dafür war Pippo der böhmischen Gräfin viel zu wenig standesgemäß!
Margie am Strand in Viareggio
Meine Mutter wäre 1948 eigentlich lieber im böhmischen Schloss geblieben – wäre da nicht die neue Regierung gewesen, mit der sie nicht wirklich gut klarkam. Und ihr erster Ehemann, mit dem sie sechzehnjährig von ihrem Vater verheiratet worden war. Ihr Vater besaß eine Landkarte, auf der die besonders guten, adeligen Partien für seine Tochter mit Fähnchen markiert waren! Richtig gepasst hatte es mit dem Gatten nicht, und so kam sie mit ihren beiden kleinen Söhnen aus der damaligen Tschechoslowakei über die Schweiz, wo sie unter anderem in einem Hotel und einer Konditorei gearbeitet hatte, nach Rom. Fremdsprachen hatte sie als Adlige zur Genüge gelernt, und den endgültigen Zuschlag hatte Rom 1953 mit dem Film »Ein Herz und eine Krone« bekommen, in dem sich die blaublütige Audrey Hepburn in den Journalisten Gregory Peck verknallt. Wenn das mal keine Vorsehung war!
Zwei Windhunde und ein Mops: Harry (l.) und Venda (r.) mit dem neuen Schwesterchen 1958 in Rom
Venda und Margie und die Hollywoodschaukel
Mit vollem Namen heiße ich Maria Grazia Alice Eleonora Kinsky. Viel zu lang, um’s mal eben zu rufen. Also wurde das Ding zusammengestaucht: Mar…g…ie! Ich bin übrigens keine Gräfin, sondern – wie es so schön formell heißt – »nichtadelige Namensträgerin«!
Meine Mutter, meine Brüder aus Mutters inzwischen geschiedener Ehe und ich wohnten in einer kleinen Dreizimmerwohnung. Für mich waren meine zwei viel älteren Halbbrüder Venda und Harry wie zwei große Windhunde, die mich – einen kleinen, runden Mops – immer hinterherschleppten.
Harry und Margie verstehen sich
Meine Zeit auf der deutschen Schule in Rom war grandios – am schönsten waren die drei Jahre in Klasse zehn.
Schon in meinem allerersten Grundschulzeugnis stand: »Margie ist meist albern und stört im Unterricht.«
Ich war keine gute Schülerin, aber dafür immer lustig und gut gelaunt. In einem Arbeitszeugnis würde man wohl heute schreiben: »Sorgte stets für ein gutes Betriebsklima.«
Manche Dinge ändern sich nie …
Beim Handball war ich zwar ein Klassetorwart, aber in der Schule nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte – ganz schlimm war Mathe, da hatte ich immer ’ne Fünf, aber im Abitur hab ich’s immerhin zu einem Punkt gebracht! Weil ich nie gefehlt habe.
Zuerst ging ich auf die Realschule, später aufs Gymnasium, da musste ich die zehnte Klasse wiederholen, und dann bin ich direkt noch mal sitzen geblieben. Wenn ich was mache – dann eben richtig!
Mein Französischlehrer Herr Kautz hat mir beigebracht: »Ziele hoch, dann landest du etwas tiefer, und damit passt es dann!«
Trotz allem habe ich die Schule geliebt. Mir machte es auch gar nichts aus, sitzen zu bleiben – das hat ja meine schöne Schulzeit nur verlängert! In der Pause konnte man beim Hausmeister – Herrn Tschurschentaler, was für’n Name! – für 100 Lire ’ne Pizza mit Tomatensauce kaufen, für 200 Lire gab’s Stullen mit Tomate, Olivenöl und Salz, obendrauf ’ne Scheibe Prosciutto. Und wenn ich grade dran denke, dann kann ich’s immer noch riechen!
Margies erster Auftritt
Meine Brüder spielten in den Sechzigerjahren bei Fellini kleine Rollen, und als ich ein bisschen älter war, nahmen sie mich dann auf die wilden Partys mit.
Auf dem Tiber lagen Hausboote, lauter schwimmende Kneipen! Nach der Schule hingen wir da bis spätabends rum. Es war dunkel, stank nach Qualm, weil man noch überall rauchen durfte, und es gab Wein in kleinen Gläsern. Und mein Lieblingsbier Nastro Azzuro – das war’s. Die Kneipenmutti Anna hat nachts immer noch Due Spaghetti gemacht, das hab ich später in Deutschland so vermisst – diese Spontaneität, mal eben um zwei Uhr morgens schnell wat innen Topf, alle ummen Tisch, fertig! Dann haben wir zusammen alte, römische Lieder gesungen. Das Schönste war von dem Schauspieler Nino Manfredi: »Quando c’e la salute c’e tutto, basta un paio di scarpe nuove e puoi gira tutto il mondoooooo!« Wie wahr: Biste gesund, dann haste alles, und du brauchst nur’n paar neue Schuhe und kommst damit durch die ganze Welt. Ja, genau so einfach war das Leben damals für mich. Genau richtig!
Scharfes Fahrrad, wilde Margie 1970 in Rom
Wir waren die jungen Wilden, und das Publikum bestand aus lauter klebrigen, langhaarigen, immer gut gelaunten Künstlern in langen Strickpullovern oder mit bestickten Fellwesten, die furchtbar nach Ziegenbock stanken. Ich hatte natürlich auch so ’n Westchen, klar, das musste zu Hause auf dem Balkon wohnen, weil es derart nach saurer Milch gerochen hat. Die Künstler hatten wenig Arbeit und dafür viel Zeit. Tolle Typen waren das!
Der Regisseur Federico Fellini und seine Entourage waren Stammgäste auf den Hausbooten – ein ganzes Panoptikum voller Statisten, Schauspieler, Freaks! Die beklopptesten Figuren lungerten bis tief in die Nacht auf diesen Hausbooten rum, es wurde Musik gemacht, gesungen, gefeiert, geliebt und gelebt. Ich war sechzehn, und das alles war einfach ein Traum für Teenie-Margie – aber ein Albtraum für meine Mutter! Mein Vater hatte mir damals zum achtzehn Geburtstag seinen kleinen Fiat 500 vermacht, er war blau und hatte das Kennzeichen ROMA62 – eine geile Rennsemmel! Meine Mutter kriegte jedes Mal ’nen Föhn, wenn ich mit dem Ding unterwegs war und dann morgens verpennt in der Schule hockte. Abends war ich dann wieder glücklich als Nesthäkchen zwischen den ganzen Filmleuten – das wurde meiner Mutter irgendwann mal zu viel. So kam sie 1979 auf die Idee, mich in Rom aus dem Verkehr zu ziehen, und ich musste nach Bonn! Verschickt als Au-pair-Mädchen zu einer Diplomatenfamilie mit drei kleinen Kindern in die Bundeshauptstadt Bonn. Dass mir der Abschied von Rom schwerfiel, könnt ihr euch ja sicher vorstellen – aber heute weiß ich inzwischen, dass man im Sinne des Familienfriedens mal besser tut, was Mama sagt!
Pummelig im Patchworkkleid: Mein 18. Geburtstag
Ich erinnere mich, als ich mit dem Zug aus Rom ankam, da wollte ich natürlich erst mal in eine Bar. Ich komme also raus auf den Bahnhofsvorplatz und – Pustekuchen! Nix Bar! War ich konsterniert! Einfach mal ’nen kleinen Espresso im Stehen, ich wollte mich ja gar nicht lange hinsetzen, aber – no way! Und dazu dieser bescheuerte Satz: Draußen jibbet nur Kännchen! Hä?
Das war meine erste Begegnung mit der Bundesrepublik Deutschland.
Hurra –jetzt bin ich auch eine Springmaus!
Ich hab mir gedacht: Studierste das, was du sowieso schon gut kannst. Also Italienisch, Französisch und vergleichende Literatur, ein bisschen Blabla, das klappte ganz gut. Das hab ich fünf Jahre lang gemacht, bis 1983. An der Uni war ich natürlich in der Theatergruppe – da waren sie wieder, die Gaukler. Jaaaa! Und nebenbei hab ich an der Oper in der Statisterie gearbeitet. Beim Rausgehen guckte ich immer mal wieder aufs Schwarze Brett neben dem Bühneneingang, da suchte ein kanadischer Schauspieler namens Bill Mockridge lustige junge Studenten für einen Impro-Theater-Workshop.
Klar bin ich da hin. Ich war ein bisschen zu spät, hatte meinen Pulli in der Eile verkehrt rum angezogen und fuhr auf Rollschuhen, das ging schneller. Ich kam also auf diese Probebühne – und da saß BILL! Mit Musketierbärtchen, schulterlangen Haaren, gestreiften Jeans und Stiefeln – wow, ein echter D’Artagnan! Er sagte mir sofort: »Du bist spät … ab auf die Bühne!«
Die erste Aufgabe lautete: Du sitzt im Bus, und irgendwas stinkt bestialisch. Ich setzte mich auf einen Stuhl, beamte mich zurück in den 38er-Schulbus morgens um 7 Uhr – und war drin. Ich hatte die kleinen italienischen Hausfrauen sofort wieder in der Nase, wie sie unterm Arm nach Knoblauchorgien riechen. Und zack – damit war ich feierlich im ersten Ensemble des Springmaus-Improvisationstheaters aufgenommen. So fing sie an, meine Improkarriere. Und ich war dreißig Jahre lang eine stolze Springmaus!
Manchmal habe ich mir gedacht: Wenn du mal einen Kerl findest, dann muss der so sein wie Bill. Und dann habe ich ihn auf einer Silvesterparty 1983 mal gefragt, ob er vielleicht der Patenonkel werden möchte, falls ich mal ein Kind kriege. Und was sagt er: »Ich wäre aber viel lieber der Vater!« Bumm!
Das frische Paar Bill & Margie 1984 in Bonn, ausnahmsweise mal ganz ernst
Wir waren vorher auch schon sehr eng zusammen, aber ab dann war es endgültig klar zwischen uns. Punkt. Auch wenn ihr an dieser Stelle sicher wahnsinnig scharf auf weitere Details seid! Es gibt einfach Türchen, auf denen steht »Privat«. Wir hatten beide den großen Wunsch, eine Familie aufzubauen, und so wurde Bill also zum Daddy unseres ersten Sohnes Nick, dann hab ich den »gottlosen Gaukler« (O-Ton meine Mutter) mal eben schnell in Bonn auf dem Standesamt geheiratet – aber so ’ne richtige Hochzeit mit allem Tamtam war das nicht! Dann ging’s auch schon flott weiter mit den Schwangerschaften – es kamen nacheinander: Teo, Luke, Leonardo, Jeremy und dann Liam. Noch ’n Junge … und noch ’n Junge …. Ich habe die meiste Zeit mit einem riesigen Bauch auf der Bühne gestanden, bin dick und kugelig über Tische und Stühle geturnt, und alle Kollegen hatten Schiss, dass das Kind am Ende noch in der Garderobe zur Welt kommt. Ich hatte auch nie Mutterschutz – ein paar Tage nach der Geburt war ich wieder auf Tour, Kind immer dabei, hinter der Bühne wurde gestillt und gepumpt, gewickelt und gewackelt, und als es dann immer mehr wurden, haben wir uns einfach die Omma aus Rom nach Bonn geholt!
Das Schöne ist ja – so ein Hirn ist wirklich ein nettes, löchriges Ding. Man vergisst nämlich ganz schnell, was das in Wirklichkeit für ein Höllenstress war! Bei der Generalstabsarbeit durfte bloß nix schiefgehen. Aber dafür kannste mich inzwischen überall als Logistiker einstellen!
Alle selbst gemacht – von links nach rechts: Liam, Jeremy, Lenny, Luke, Teo und Nick