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Reiner Engelmann

Wir haben das KZ überlebt

Zeitzeugen berichten

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Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

Von Rainer Engelmann ist bei cbj außerdem erschienen:

Der Fotograf von Auschwitz.

Das Leben des Wilhelm Brasse (15919)

1. Auflage 2015

© 2015 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Verlagsgruppe Random House, München

Alle Rechte vorbehalten

Illustrationen von Bernadette Boos

Bildredaktion: Tanja Zielezniak

Lektorat: Uwe-Michael Gutzschhahn

Einbandgestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen

aw · Herstellung: AJ

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-15680-0

www.cbj-verlag.de

»Niemand kann aus der Geschichte seines Volkes austreten.
Man soll und darf die Vergangenheit
nicht auf sich beruhen lassen,
weil sie sonst auferstehen
und zu neuer Gegenwärtigkeit werden könnte.«

Jean Amery

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

„Ich habe viel Glück in meinem Leben gehabt.“

Aus dem Leben der Zeitzeugin Esther Bejarano

„Wir sind alle Menschen!
Wir wollen leben!“

Aus dem Leben des Zeitzeugen Edward Paczkowski

„Ich wollte noch einmal die Sonne sehen.“

Aus dem Leben der Zeitzeugin Erna de Vries

„Erinnerung ohne Hass“

Aus dem Leben des Zeitzeugen Josef Königsberg

„Wenn wir hassen, verlieren wir. Wenn wir lieben, werden wir reich!“

Aus dem Leben der Zeitzeugin Philomena Franz

„Ich rede, damit ihr wisst, wie es damals war!“

Aus dem Leben des Zeitzeugen Heinz Hesdörffer

„Wir Slawen haben keinen Hass in uns.“

Aus dem Leben des Zeitzeugen Karol Tendera

„Ich habe den Nazis vergeben.“

Aus dem Leben der Zeitzeugin Eva Mozes Kor

„Vergebung, Versöhnung ist wichtig, aber wir dürfen nicht vergessen.“

Aus dem Leben des Zeitzeugen Tadeusz Sobolewicz

Versöhnung als Stärke.

Aus dem Leben des Zeitzeugen Max Mannheimer

Glossar

Literaturhinweise

Bildnachweis

Vorwort

Sie waren in Auschwitz und in Buchenwald, in Bergen-Belsen und in Ravensbrück. Sie waren in Theresienstadt und in Dachau, in Westerbork und in Sachsenhausen-Oranienburg. Sie waren im Warschauer Ghetto und in Schwarzheide, in Flossenbürg, in Mülsen und in Groß-Rosen. Einige wurden, bevor sie in ein Konzentrationslager kamen, in Gefängnisse eingesperrt, andere wurden nach Deutschland verschleppt und mussten als Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie arbeiten.

Unabhängig von den Lagern, die sie durchlebten und überlebten, haben sie alle gleiche Erfahrungen gemacht: Sie wurden vertrieben, sie wurden gedemütigt, Hunger, Durst und Misshandlungen waren ihre ständigen Begleiter. Dem Tod waren sie oft näher als dem Leben. Manchmal waren es Zufälle, manchmal etwas Glück und manchmal auch Freunde, die sie retteten.

Mit zehn Menschen, die den Holocaust überlebt haben, habe ich gesprochen, mir ihre Geschichten angehört. Ich habe sie reden lassen, ohne viele Fragen zu stellen, denn es war ja ihr Leben, von dem sie erzählten, es waren ihre Erinnerungen, die sie preisgaben. Manchmal fließend, manchmal stockend, oft mit Tränen in den Augen. Geschichten jenseits allen menschlichen Vorstellungsvermögens. Und doch waren es Menschen, die diesen Menschen Unsägliches zugefügt haben. Mit Worten kaum zu beschreiben.

Über Jahre hinweg konnten die Opfer dieser unfassbaren Gräuel über ihre Erfahrungen nicht reden. Nach außen hin versuchten sie, ein normales Leben zu führen. Sie gründeten Familien, sie arbeiteten, sie lebten mitten in einer Gesellschaft, die nichts von ihrem Schicksal wusste oder wissen wollte. Und die Familie, der man das Unbeschreibliche hätte anvertrauen können, wollte man mit der Beschreibung der Erfahrungen in den Konzentrationslagern nicht belasten. Erst spät, manchmal nach dem Tod des Ehepartners oder aber durch andere Ereignisse, waren sie in der Lage, ihre Geschichten nach außen zu tragen.

Andererseits gab es aber auch kein wirkliches öffentliches Interesse an solchen Lebensgeschichten. Der Holocaust wurde verdrängt, aus dem Alltagsbewusstsein ausgeblendet. Die Verantwortlichen waren bei den Nürnberger Prozessen bestraft worden, damit war das Kapitel für viele abgeschlossen. Man wollte nach vorne blicken. Es sollte vorbei sein. Politisch wurde diese Haltung dadurch gestärkt, dass während der Zeit des ersten Bundeskanzlers nach dem Zweiten Weltkrieg Konrad Adenauer (1949–1963) Männer in verantwortlichen Funktionen auftauchten, wie sie sie vergleichbar während des Hitler-Regimes hatten. Und Franz-Josef Strauß forderte, ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen vollbracht habe, habe auch ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen.

Ein tatsächliches öffentliches Interesse an dem Schicksal dieser Menschen gab es erstmals Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre. Sensibilisiert u. a. durch die Ausstrahlung des Mehrteilers »Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß«, begann man öffentlich, sich dieser Zeit anzunähern, in Schulen fand das Thema einen breiteren Raum. Erste Zeitzeugen wurden eingeladen, um vor Schülerinnen und Schülern zu reden.

Heute leben nicht mehr sehr viele Menschen, die das Grauen überlebt haben, um darüber zu reden. Aber wir brauchen ihre Geschichten, jetzt und in Zukunft noch mehr, wenn die Überlebenden nicht mehr unter uns sein werden. Wir brauchen sie nicht, um neu anzuklagen oder zu verurteilen. Wir brauchen sie als Erinnerung für die Zukunft. Für unsere Zukunft. »Nie wieder Konzentrationslager, nie wieder Faschismus, nie wieder Unterdrückung und Erniedrigung!«, mahnen sie gemeinsam und haben über ihre Erfahrungen geredet, sie uns als Botschaften anvertraut. An uns liegt es nun, das zu erkennen und zu handeln.

Reiner Engelmann, März 2015