Zum Buch
Die Deutsche Bank war einst der mächtigste Konzern der Republik. Fast nichts geschah in Deutschland ohne Wissen der Banker aus Frankfurt. Ende der 1990er Jahre baute das Institut seine Machtposition aus, schloss zur Weltspitze auf. Ein einzigartiger Aufstieg, der unaufhaltsam schien. Mehr Umsatz, mehr Profit, immer größere Boni für die Banker. Doch Dirk Laabs’ Recherchen zeigen: Nur weil die Bank oft illegal, teils kriminell und regelmäßig skrupellos handelte, konnte das Institut so erfolgreich und mächtig werden. Der tiefe Fall der Deutschen Bank begann mit der weltweiten Finanzkrise und ist bis heute nicht zu Ende.
Bad Bank macht das System Deutsche Bank transparent und enthüllt dessen perfide Machenschaften und zerstörerische Mechanismen. Ein Milliarden-Poker, der letztlich mit unser aller Geld gespielt wird.
Aktualisiert und um ein Nachwort erweitert.
Zum Autor
Dirk Laabs, 1973 in Hamburg geboren, ist Autor und Filmemacher. Sein Film Der Fall Deutsche Bank wurde 2015 mit dem Georg von Holtzbrinck Preis ausgezeichnet, das Nachfolgeprojekt Inside Deutsche Bank mit der Silber-Medaille bei den New York TV- und Film-Festivals prämiert. 2012 erschien sein preisgekröntes Buch Der deutsche Goldrausch. Die wahre Geschichte der Treuhand, 2014 Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU (mit Stefan Aust).
DIRK LAABS
BAD BANK
Aufstieg und Fall der Deutschen Bank
Pantheon
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Bildnachweis
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Alle anderen Fotos sind dem Archiv des Autors entnommen. © Dirk Laabs.
Copyright © 2018 by Deutsche Verlags-Anstalt, München
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in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München
Karten: Peter Palm, Berlin
Lektorat und Satz: Büro Peter Palm, Berlin
ISBN 978-3-641-18142-0
V005
www.pantheon-verlag.de
Karte: Die Organisation der Deutschen Bank
Karte: Die Jäger
Prolog
TEIL I – EIN AMERIKANISCHER TRAUM
Willkommen auf der »Titanic«
Schwarze Witwen an der Wall Street
Eine drittklassige Bank
»Only money matters«
Donald J. Trump – ein Kunde nach ihrem Geschmack
Eine Welle aus giftigem Wasser
High Risk Opportunities
Liquidiert die Deutsche Bank!
Die »Merrill-Mafia«
Death of a Salesman
Ein Monster wird erschaffen
TEIL II – AGE OF RISK, AGE OF CRIME
Deckname »Prince«
»Please do not mention our bank’s name«
Die Schuldenmaschine
Lie-bor oder Der Preis des Geldes
V für Victory
»Warum also Gutes tun, wenn Böses tun so einträglich ist?«
OPM – Other People’s Money
»But u don’t sign my bonus right?«
Eine verrückte Wette
Zu viele Schweine-Deals
»Deutsche at it’s best«
»Can’t you see I’m on a losing streak?«
Unter Geiern
»Was ist die IKB?«
Die Rückkehr von Bill Broeksmit
»Kapital ohne Gewissen – wie sicher ist unser Geld, Herr Ackermann?«
Die Mutter aller Krisen
Das Ende des Kapitalismus
Donald J. Trump for President
Die Gnade der Märkte
TEIL III – DEAD BANK WALKING
Überleben
Das Lügner-Paradoxon
The new normal
Ausgerechnet ein Mann mit Prinzipien
Russische Spiegel
Tod eines Risikomanagers
Der härteste Job der Welt für den jüngsten Chef aller Zeiten
»Eine nationale Schande«
Nachwort
ANHANG
Über dieses Buch
Anmerkungen
Ausgewählte Literatur
Glossar
Personenregister
London, 26. Januar 2014
»Emergency, emergency, your father, your father!« Valentin »Val« Broeksmit presst das Handy an sein Ohr, hört eine Frauenstimme. Er kann die Anruferin nicht zuordnen, mit den Worten nichts anfangen. Sein Vater? Ein Notfall? Schließlich erkennt er den starken Akzent, es ist die Haushälterin seiner Eltern. Val, ein Musiker, der schon länger auf den nächsten Achtungserfolg wartet, ist mit seiner Mutter und seinem Stiefvater zum Brunch in einem Café im Londoner Westen verabredet. Gemeinsam wollen sie Vals 37. Geburtstag nachfeiern. Seine Mutter Alla und William – genannt »Bill« – Broeksmit hatten ihn verpasst, weil die beiden Anfang des Jahres in den Oman gereist waren. Alla war zuvor allein in Indien. Ihr Mann, der US-Amerikaner Broeksmit, Manager bei der Deutschen Bank, hat viel Zeit, seit er vor drei Monaten in Rente gegangen ist – mit gerade 58 Jahren. Über ein Jahrzehnt hatte er bei der Bank gearbeitet und dabei Millionen verdient. Die Broeksmits wollten an diesem Sonntagmorgen auch über Bills neue Freiheit sprechen. Als das Telefon klingelte, schaute sich Val gerade einen Bildband an, Schwarzweißfotos der Beatles, John Lennon nachdenklich neben einem Telefon, eine Originalausgabe. Val überlegte noch, wie er seinen Vater überreden könnte, ihm das teure Buch zu schenken – »ihr habt meinen Geburtstag verpasst, so könnt ihr es wiedergutmachen« –, als ihn die Frauenstimme aus seinen Gedanken riss.
»Dein Vater. Ein Notfall.«
Val Broeksmit hält eines der schwarzen Taxis an, springt auf den Rücksitz, rast nach Chelsea, wo seine Eltern leben. Rote Backsteinhäuser, kleine Gärten, schwarze, gusseiserne Zäune. Die Häuser sehen bescheiden aus, aber nur wenige Londoner können es sich leisten, hier zu wohnen. Als das Taxi am Ziel ankommt, sieht Val Broeksmit eine Ambulanz vor dem Apartmenthaus seiner Eltern. Er rennt über die Straße zum Eingang, die Treppen hoch, in die Wohnung. Im Flur trifft er auf die Haushälterin und vier Sanitäter, die ihre Ausrüstung einpacken. Am Boden sieht er seinen Vater. Er liegt auf dem Rücken, daneben kniet seine Mutter, außer sich.
Val fragt die Haushälterin, die Sanitäter, seine Mutter: »Was ist passiert?«
»Er hat sich umgebracht, dein Vater hat sich umgebracht.«
Was seine Mutter sagt, dringt kaum zu Val durch. Sie war joggen, eine Stunde lang, als Bill sie anrief. Sie sollte noch Kaffee mitbringen und war so länger unterwegs als geplant. Als sie in die Wohnung zurückkam, fand sie Vals Vater im Flur. Er hatte sich mit der Leine seines Hundes an einer Tür erhängt.
Val nimmt die Männer vom Bestattungsunternehmen kaum wahr, als sie sagen, »die Polizei ist auf dem Weg«. Er schreckt hoch, wendet sich an seine Mutter: »Mum, die Polizei kommt, wen kann ich anrufen, einen Anwalt, gibt es irgendjemanden?« Die Mutter reicht ihm ein Telefon: »Ruf Michele an, Michele!« Er findet die Nummer, ruft an und bittet den Mann am anderen Ende, schnell zu kommen.1
Die Polizei trifft schon vorher ein. Ein junger Beamter sondiert die Lage: Ist jemand eingebrochen? Gibt es Abschiedsbriefe? Wer ist alles anwesend? Auf einmal steht ein schlanker, dunkelhaariger Mann im Flur. Val spricht ihn an: »Sind Sie Michele, der Anwalt?« Ja, sagt der Mann, sein Name sei Michele Faissola, aber ein Anwalt, nein, das sei er nicht.
Val hat Faissola noch nie in seinem Leben gesehen. Faissola stellte sich ihm als ehemaliger Kollege seines Vaters bei der Deutschen Bank und Freund vor. Was er nicht weiß: Faissola ist zu diesem Zeitpunkt einer der mächtigsten Strippenzieher bei der Deutschen Bank, zuständig für die weltweite Verwaltung des Vermögens der wichtigsten privaten Kunden. Und er ist umstritten. Er testet immer wieder die Grenzen des Erlaubten aus, was einige Kollegen gegen ihn aufgebracht hat. Gemeinsam mit Bill Broeksmit hatte er in den 1990er Jahren die Investmentbank der »Deutschen« in London aus dem Nichts aufgebaut. Später, als Broeksmit nach einer erster Auszeit zurückgekommen war, hatten sie gemeinsam die Finanzkrise durchgestanden. Ein gemeinsames Jahrzehnt, das nun ein gewaltsames Ende gefunden hat.
Val Broeksmit ist mit den Geschichten aufgewachsen, sein Stiefvater, erst erfolgreich bei Merrill Lynch, dann einem Freund zur Deutschen Bank gefolgt, inzwischen mit einigen Managern in Schlüsselpositionen befreundet, darunter der Vorstandsvorsitzende Anshu Jain. Nach seinem offiziellen Abschied hatte Broeksmit der Bank weiterhin geholfen. Im Auftrag von Jain behielt er als freischaffender Berater eine Tochter der Deutschen Bank in den USA im Blick – die Deutsche Bank Trust Company Americas, kurz DBTCA, einst der ganze Stolz des Managements, weil die DBTCA aus der Wall-Street-Legende Bankers Trust hervorgegangen war, deren Übernahme die Deutsche Bank im Jahr 1999 zum größten Finanzkonzern der Welt gemachte hatte. Fünfzehn Jahre später ist alles anders. Wie große Teile der Deutschen Bank steckt auch die DBTCA in ernsten Schwierigkeiten. Stresstests stehen an, Ermittler haben die Bank im Visier, weil sie Geld gewaschen haben soll, selbst das FBI interessiert sich für die Geschäfte der DBTCA, die unter anderem Kredite an windige Unternehmer wie Donald J. Trump vergeben hat.
Bevor er die Hundeleine nahm, hatte der Risikomanager Broeksmit einen Teil der Wohnung in Chelsea sorgsam hergerichtet. Als seine Frau ihn fand, lagen Dokumente zu seinen Füßen – interne Unterlagen der DBTCA aus New York. In dem Hundekorb stellte der Polizist mehrere Abschiedsbriefe sicher, deren Handschrift Val identifizierte. Flüchtig geschriebene Zeilen seines Vaters an seine Ehefrau, seine beiden Töchter und an Val: »Du bist ein warmherziger, cleverer junger Mann (…). Du hast dem Namen, den ich Dir gegeben habe und nun entehre, selber Ehre gemacht.« Auch ein Abschiedsbrief an seinen Chef und Freund, Anshu Jain, lag in dem Korb. »Anshu«, hatte Broeksmit geschrieben, »es tut mir leid, dass ich Dich enttäuscht und meine dunkle Natur vor Dir geheim gehalten habe.«
Doch es war nicht zuletzt die Bank selber, die ihre dunkle Natur vor der Welt geheim halten musste. Sie hatte Kunden, Konkurrenz und Kritikern jahrelang vorgemacht, dass man das Geschäft entschlüsselt habe. Die Risiken seien zwar gigantisch, aber kalkulierbar, so das Versprechen – einfach weil man die Deutsche Bank war und damit besser, professioneller, cleverer, größer. Man könne fast beliebig Gewinne machen. Doch die vermeintlich todsicheren Geschäfte waren zumeist nichts weiter als eine Schimäre, ein Trick. Und kaum jemand wusste das besser als Bill Broeksmit.
OK. If I am being honest with you
then yes, let’s whisper it, but the truth
of the matter is that all of us are overpaid.
There is nothing magical about
what we do. Anybody can do it.
ALLEN WHEAT
Investmentbank-Legende