META war ein dienender Geist, geboren im gleichen Städtchen, in dem sie bei bürgerlicher Herrschaft Stellung hatte. Siebenzehn Jahr alt, schien sie klein, fest und hatte zu mittleren Formen den vollen Busen der Frau, auf den sie stolz war, den sie herausstrich und mit Brosche und Blume garnierte. Ihr Haar, das aufgelöst mit blonder Welle ins Knie hing, wusch sie mit Branntwein und Kamille. Der dünne Sopran sang Volks- und Kirchenlied; warm wie ein Öfchen war die ganze Person.
Sprang sie morgens aus den Kissen in die Kammer, verschlug ihres Körpers Hitze gleich des Nordzimmers Kühle angenehm. Bei jeder Bewegung, warf sie die Arme ins Waschbecken, fuhr mit dem Bein in Hose und Rock, hob es zum Schuhknöpfen auf den Stuhl, ging ein molliger Hauch in die Atmosphäre, und alle Umgebung war immer behaglich für sie angewärmt.
So fand sie, von Frost und Schauern nie zur Eile getrieben, Zeit, sich beim Anziehen im Spiegel reichlich zu sehen, unter das Haar, in den Rachen zu spähen und die Zähne tüchtig zu bürsten. Mit billigen Pasten salbte sie die Haut.
Da sie aber ihrer Arbeit gewissenhaft hingegeben war, blieben die Hände, die in Soda und Lauge tagsüber schwollen, Risse und Borken bekamen, ihre ständige Sorge. Unter dem Zeug war sie blank wie Porzellan, aus den Ärmeln aber schauten breit und blau die Flossen.
Kleider von glattem Tuch standen ihr zum Entzücken, beim Schaffen schien die Schürze darüber angegossen. Stand sie hoch und auf Leitern, sah man die Säume der Wäsche weiß, und aus fester Wolle schwarze Strümpfe. In der Bewegung spielten die Glieder rund und im Rhythmus.
Der Herr, erwischte er sie in einer Ecke, patschte ihr leutselig aufs Hinterteil. Sie lächelte und nahm’s als Herzensbeifall. Schon hundertmal hatte er sie getätschelt, und es sprang aus ihr kein Flämmchen. Noch war sie niedlich nur für sich selbst, und Blicke der Männer machten sie nur in der Selbstschätzung sicher. Im Sommer schwitzte sie, im Winter wünschte sie’s zu tun. Der Frühling sagte ihr Besonderes. Da wurde ihr Tun gemessen. Sie verhielt sich, den Kräften, die sie spannten, begegnend. Sie flog ein wenig von innen heraus, und ihre wie zum Gebet gefalteten Hände drückten die bewegte Brust, das drängende Leibchen nieder.
Im Spiegel sah sie sich ins Auge und fand alles weit und blau. Ein großer Reiz stellte ihr das Gefieder der Haut auf; sie schnurrte. Oft fiel sie verloren in den Sitz und staunte. Befühlte Gegenstände und sich selbst und mußte, Tränen im Blick, den zierlichen Kopf schütteln. Abends aber im Bett, dem geöffneten Fenster entgegen, lächelte sie verschmitzt ins Himmelslicht und dachte ihr Teil.
Plättete sie Wäsche der hübschen Hausfrau, hatte sie gerührte Vorstellungen. Zärtlich strichen die Hände Spitzen und Rüsche. Armes, dachte sie von ihr, — glückseliges Weib dann wieder, und aus ihr hüpfte Mitgefühl. Hemd, Kragen und Beinkleid des Mannes weckten ihr gutmütigen Spott. Die Männer, Himmel, das war eine Sache für sich; doch immer zum Kichern.
Sie lächelte jeden an, dem sie Rede stand, und spürte, es ist nicht ernst mit ihm. Nur ein wenig Blitz brauchst du in den Blick zu stellen, das Mäulchen zu schürzen, und mit seiner Gewalt, dem festen Auftritt ist’s vorbei. Den Beamten, die behördliche Mahnung brachten, entgegnete sie auf ihr „endlich!“ und „unwiderruflich!“ mit stiller Heiterkeit, daß die das Auge schlugen und gleich fröhlich von der Sache wegzureden begannen. Einem Polizisten hatte sie sogar den Arm gestreichelt. Waren die Männer schon in die Treppe zurückgetreten, schmetterte sie ihnen helle Triller nach, daß die draußen lachten und dachten: welch’ niedlicher Vogel, welch’ frecher! Und ihnen noch einmal wohl wurde. An allen Straßenecken grüßte sie die Obrigkeit. Die Wagenführer waren ihr gewogen. Milchmann und Schornsteinfeger grinsten bei ihrer Begegnung, und zum Dank hatte sie für alle einen Blick, irgendwie Duft ihrer Frische. Regnete es, hob sie die Röcke an die Wade, und trippelnd fing sie aus Blinzeln und Geschmunzel bärtiger Gesichter sich eigenen Sonnenschein. Hochgestimmt war sie an Sonntagen, an hohen Festen überirdisch bewegt.
Zu Weihnachten bekam sie von der Herrschaft ein leeres Heft, auf dem in goldenen Lettern „Tagebuch“ stand. Dazu ein gedrucktes Buch, einen Roman des Titels „Der Zug des Herzens“. Mit der Spende des Tagebuches war von den Gebern nicht beabsichtigt, ihre Magd zur Selbsteinkehr zu führen. Irgendwann hatte es die Frau geschenkt bekommen und gab es weiter, andere Gabe zu sparen. Der Roman aber war in einer Buchhandlung eigens für Meta gekauft.
Es war die erste Liebesgeschichte, die das Kind erfuhr, und sie vermittelte ihm stürmischen Eindruck. Held und Heldin des Buches liebten sich auf vorbildliche Art; das Mädchen schien leiblich und seelisch wie aus dem Ei gepellt und machte dazu mit Rede und Geste heldische Anstrengung, stand sie bei dem Geliebten. Ihre braunen Flechten waren gelöst, es blitzten die Augen, die Brust hob sich regelmäßig stürmisch. Auf ihrem Antlitz lag Güte, sie lispelte hold, und abwechselnd ließ sie das Haupt dem Mann an die Schulter und in den eigenen Nacken sinken. Der Liebende aber war ein Standbild aus Bronze. Er sprach Gold und schwieg Erhabenheit. Es ließen sich die Situationen himmlisch an trotz einiger böser Menschen, die zum Schluß ihr Unrecht bekannten. Küsse knallten auf jeder Seite, und einmal war sogar von etwas die Rede, das Metas Blut zum Wallen brachte.
Sie war hinterher mit Dichtung gefüllt, schickte mit jedem Gedanken Übersinnliches in die Welt, verband aller Handlung fortan dunklen Zweck. Zittern befiel sie jetzt beim Bügeln der Wäsche, und es schwindelte sie, räumte sie des Ehepaars Schlafzimmer nach; ein Geheimnis wuchs in der Brust, und sie neigte ein wenig zur Angst. Auch legte sie wohl den geschwungenen Arm an einen Türpfosten und seufzte verzaubert. Schwäche saß in den Schenkeln; von der Küche sah sie zum Hof auf die Tiere, die sich berochen.
Erst wälzte sie heftig Gedanken, dann saß sie eines Abends bei Papier und Feder und stach entschlossen ins Faß. Doch flossen Tränen vor der Tinte auf die Seiten, und ihr entfuhr ein „Jesus!“ nach dem andern.