Müller / Förtsch
Wissensmanagement
Karriere in der Verwaltung
Herausgeber der Reihe
Thomas Miltkau
Brandenburgische Kommunalakademie
Potsdam
Reinhard Mokros
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen
Gelsenkirchen
Roswitha Pfeiffer
Bayerische Akademie für Verwaltungs-Management
München
Prof. Dr. Josef Konrad Rogosch
Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung
Altenholz
Dr. Ludger Schrapper
Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen
Düsseldorf
Wissensmanagement
von
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
Satz: Kumpernatz & Bromann • Schenefeld b. Hamburg
Umschlagfoto: © Goss Vitalij – Fotolia.com
E-Book ISBN 978-3-8293-1155-7
Dieses Werk ist auch als Printausgabe für 29,80 € erhältlich.
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
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Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Vorwort
1 |
Einleitung |
1.1 |
Der Weg der Verwaltung in die Wissensgesellschaft |
1.2 |
Der demografische Wandel |
1.3 |
Weitere Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung |
1.4 |
Der eigentliche Erfolgsfaktor „Mensch“ |
1.5 |
Vergleich mit Wissensmanagement der Privatwirtschaft |
1.6 |
Studie „Wissensmanagement – Öffentliche Verwaltung“ |
1.7 |
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze |
2 |
Einführung in Wissensmanagement |
2.1 |
Was ist Wissen? |
2.2 |
Was ist Wissensmanagement? |
2.3 |
Modelle des Wissensmanagements |
2.3.1 |
The Knowledge-Creating Company nach Nonaka |
2.3.2 |
Die Wissenstreppe nach North |
2.3.3 |
TOM-Modell und MOVE-Modell |
2.3.4 |
Die Kernprozesse des Wissensmanagements nach Probst. |
2.3.5 |
Personalisierungs- und Kodifizierungsstrategie |
2.3.6 |
Das Münchener Wissensmanagement-Modell |
2.3.7 |
Das Haus des Wissensmanagements |
2.3.8 |
Die Reifestufen des Wissensmanagements nach KMMM |
2.4 |
Die vier Ebenen des Wissensmanagements |
2.4.1 |
Individuelles oder persönliches Wissensmanagement |
2.4.2 |
Kollektives Wissen und Wissensteilung im Team |
2.4.3 |
Organisationales Wissen und die lernende Behörde |
2.4.4 |
Wissensaustausch mit externen Interessengruppen |
2.5 |
Das organische Modell des Wissensmanagements WM4 |
2.6 |
Verwandte Themen des Wissensmanagements |
2.6.1 |
Change-Management |
2.6.2 |
Organisations- und Personalentwicklung |
2.6.3 |
Projektmanagement |
2.6.4 |
Prozessmanagement am Beispiel PICTURE-Methode |
2.6.5 |
Qualitätsmanagement |
2.6.6 |
Vorschlagswesen, Ideen- und Innovationsmanagement |
2.7 |
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze |
3 |
Organisatorische Eingliederung |
3.1 |
Grundlegende organisatorische Gestaltungsfelder |
3.1.1 |
Fördernde und hemmende Organisationsstrukturen |
3.1.2 |
Stab, Linie, Matrix oder ohne Hierarchie? |
3.1.3 |
Personalentwicklung oder IT? |
3.1.4 |
Zentral oder dezentral? |
3.1.5 |
Top-down oder bottom-up? |
3.2 |
Der Wissensmanager |
3.2.1 |
Aufgaben- und Rollenprofil des Wissensmanagers |
3.2.2 |
Grundqualifikationen und Kompetenzprofil |
3.3 |
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze |
4 |
Der Mensch als Erfolgsfaktor |
4.1 |
Wissensmanagement und Führung |
4.2 |
Realität oder wie entstehen Zustände und Ereignisse |
4.3 |
Komponenten eines Wissensmanagementkonzepts |
4.3.1 |
Einstellung des Bewusstseins und Verhalten |
4.3.2 |
Die Spirale von Einstellungen und Verhalten |
4.3.3 |
Typische Verhaltensweisen und Einstellungen |
4.4 |
Verwaltungs- und Wissenskultur |
4.4.1 |
Gelebtes oder diktiertes Leitbild |
4.4.2 |
Dreistufige Entwicklung von Wissensleitbildern |
4.5 |
Grundsätze des Wissensmanagements |
4.6 |
Wissensmanagement und Kommunikation |
4.6.1 |
Kommunikationskonzept als Basis |
4.6.2 |
Die vier Seiten einer Nachricht |
4.6.3 |
Der Verzerrungswinkel in der Kommunikation |
4.6.4 |
Selektive Wahrnehmung |
4.6.5 |
Das Johari-Fenster und Feedback |
4.7 |
Wissensmanagement und Motivation |
4.8 |
Wertesysteme des Wissensmanagements |
4.8.1 |
Komponenten eines Wertesystems in der Verwaltung |
4.8.2 |
Erarbeitung von Werten mit einer Werte-Checkliste |
4.9 |
Intuitives Wissen oder der Mensch weiß mehr als er denkt |
4.10 |
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze |
5 |
Methoden und Tools des Wissensmanagements |
5.1 |
Einfache organisatorische Lösungen |
5.1.1 |
Optimierung von Ablagestrukturen |
5.1.2 |
Persönliche Communities |
5.1.3 |
Altersgemischte Teams und Wissenstandems |
5.1.4 |
Patenschaften, Coaching und Mentoring |
5.1.5 |
Überlappende Einarbeitung und moderierte Übergaben |
5.1.6 |
Checklisten-basierte Wissenssicherung |
5.1.7 |
Senior-Berater im Ruhestand |
5.2 |
Weiterführende organisatorische Lösungen |
5.2.1 |
Fähigkeits- und Kompetenzmanagement |
5.2.2 |
Lessons Learned und Projektreviews |
5.2.3 |
Expert Debriefing und Experteninterviews |
5.2.4 |
Weitere Methoden des Wissensmanagements |
5.2.4.1 |
Best-Practice-Transfer |
5.2.4.2 |
Benchmarking/Leistungsvergleich und Aufgabenkritik |
5.2.4.3 |
Storytelling |
5.3 |
Software-Tools für Wissensmanagement |
5.3.1 |
Übliche Software-Unterstützung bzw. IT-Bordmittel |
5.3.1.1 |
Intranet und Mitarbeiterportale |
5.3.1.2 |
Dokumentenmanagement |
5.3.1.3 |
Best-Practice-Beispiel: Entsorgungsverband Saar |
5.3.2 |
Spezielle Wissensmanagement-Software |
5.3.3 |
Enterprise Search und Enterprise Content Management |
5.3.3.1 |
Intelligente Suchmaschinen |
5.3.3.2 |
Enterprise-Content-Management-Systeme (ECMS) |
5.3.4 |
Kommune 2.0 und Social Media |
5.3.4.1 |
Social Networks |
5.3.4.2 |
Wikis |
5.3.4.3 |
Weitere moderne Social-Media-Anwendungen |
5.3.4.4 |
Beispiel: Social Media in der Politik |
5.4 |
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze |
6 |
Einführung von Wissensmanagement |
6.1 |
Beteiligte, Schnittstellen und Interessengruppen |
6.2 |
Ihr Fahrplan zur Einführung des Wissensmanagements |
6.3 |
Die grundlegenden Vorbereitungen |
6.3.1 |
Erarbeitung des Leitbilds des Wissensmanagements |
6.3.2 |
Standortbestimmung und Anforderungsanalyse |
6.3.3 |
Erarbeitung eines Zielsystems für Wissensmanagement |
6.3.4 |
Erarbeitung der Organisationsstrukturen und Prozesse |
6.4 |
Pilotprojekt und Erfolgsgeschichte |
6.5 |
Einführung von Lösungen in Ausbaustufen |
6.6 |
Begleitendes Change-Management |
6.6.1 |
Information über Vorteile |
6.6.2 |
Partizipation der beteiligten Mitarbeiter |
6.6.3 |
Qualifikation der unterschiedlichen Zielgruppen |
6.7 |
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze |
7 |
Best-Practice-Beispiele des Wissensmanagements |
7.1 |
Bundesweite Initiativen zum Wissensmanagement |
7.1.1 |
Die Initiativen zum Wissensmanagement des BMWi |
7.1.2 |
Bundesstrategie Wissensmanagement in Österreich |
7.2 |
Wissensmanagement in Kommunen |
7.2.1 |
Wissensbewahrung bei der Stadt Erlangen |
7.2.2 |
Qualitätsmanagement für Wissenstransfer im Kreis Soest |
7.2.3 |
Die Wissensbilanz der Stadtbibliothek Mannheim |
7.3 |
Erfahrungsaustausch zwischen Kommunen |
7.3.1 |
Best-Practice-Transfer durch die KGSt |
7.3.2 |
Interkommunaler Erfahrungsaustausch in Gotha |
7.4 |
Wissensmanagement im Bildungsbereich |
7.4.1 |
Organisationslernen in hessischen Europaschulen |
7.4.2 |
Wissensmanagement an der TH Deggendorf |
7.4.3 |
Wissensbilanzen an österreichischen Hochschulen |
7.5 |
Klinisches Wissensmanagement |
7.5.1 |
Kompetenzkarten in Krankenhäusern |
7.5.2 |
Klinisches Risikomanagement mit CIRS und Peer Reviews |
7.6 |
Beispiele bei Polizei, Feuerwehr und Bundeswehr |
7.6.1 |
POLIZEI-ONLINE in Baden-Württemberg |
7.6.2 |
Wissensteilung bei der Feuerwehr Main-Tauber-Kreis |
7.6.3 |
Wikis bei der Bundeswehr |
7.7 |
Wissensmanagement in Kultur, Freizeit und Sport |
7.8 |
Exzellente Wissensorganisationen und weitere Beispiele |
7.9 |
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze |
8 |
Nutzen und Kosten des Wissensmanagement |
8.1 |
Nutzeffekte des Wissensmanagements |
8.2 |
Szenarien des drohenden Wissensverlusts |
8.3 |
Vielfältige Nutzung von Wissenslandkarten |
8.4 |
Die Behördenauskunft |
8.5 |
Kostentransparenz und Kostenplanung |
8.6 |
Versteckte Kosten und schlankes Wissensmanagement |
8.7 |
Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze |
9 |
Zusammenfassung, Diskussion und Ausblick |
9.1 |
Zusammenfassung |
9.2 |
Diskussion |
9.3 |
Ausblick |
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Online-Quellen
Abkürzungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Die Autoren
Unter www.kommunalpraxis.de finden Sie eine Fülle weiterführender Informationsquellen, wie Die wichtigsten Bücher zum Einstieg, Organisationen und Arbeitskreise, Konferenzen, Tagungen und Messen, Zeitschriften, Online-Portale sowie ein umfangreiches Glossar.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2.1: |
Der PDCA-Zyklus nach Deming. |
Abb. 2.2: |
Die Wissensspirale nach Nonaka |
Abb. 2.3: |
Die Wissenstreppe nach North |
Abb. 2.4: |
Das TOM-Modell nach Bullinger et al. |
Abb. 2.5: |
Wichtige Sichtweisen auf Wissensmanagement |
Abb. 2.6: |
Die Weiterentwicklung in Ausbaustufen |
Abb. 3.1: |
Formen der organisatorischen Eingliederung |
Abb. 4.1: |
Entstehung von Zuständen |
Abb. 4.2: |
Einstellungen und deren Wirkungsweisen |
Abb. 4.3: |
MOVE-Modell |
Abb. 4.4: |
Inseln, Wasser und gemeinsames Land |
Abb. 4.5: |
Einstellung des Bewusstseins und Verhalten |
Abb. 4.6: |
Management- und Organisationsentwicklung |
Abb. 4.7: |
Ein Kommunikationskonzept auf Basis MOVE |
Abb. 4.8: |
Die vier Seiten einer Nachricht |
Abb. 4.9: |
Verzerrungswinkel einer Nachricht |
Abb. 4.10: |
Welches Tier ist dies? |
Abb. 4.11: |
Johari-Fenster |
Abb. 4.12: |
Kurzanleitung für Feedback |
Abb. 4.13: |
Kommunikatives Rüstzeug für Führungskräfte |
Abb. 4.14: |
Dimensionen der Leistung |
Abb. 4.15: |
Beeinflussung der drei Leistungsdimensionen |
Abb. 5.1: |
Debriefing-Prozess ausscheidender Mitarbeiter |
Abb. 5.2: |
Exemplarische Wissenskarte der Stadt Erlangen |
Abb. 6.1: |
Phasen zur Einführung von Wissensmanagement |
Abb. 6.2: |
Ein Zielsystem für Wissensmanagement |
Abb. 6.3: |
Ableitung von Maßnahmen aus Zielen |
Abb. 8.1: |
Konsequente Nutzung von Wissenskarten |
Abb. 8.2: |
Modell für die Struktur des Planungssystems |
Abb. 8.3: |
System für den Ablauf der Unternehmensplanung |
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.1: |
Die Dimensionen des Wissens |
Tab. 4.2: |
Einstellungen und Verhaltensweisen |
Tab. 4.3: |
Grundfragen zu Wissensmanagement-Leitmotiven |
Tab. 4.4: |
Grundfragen zu Leitsätzen des Wissensmanagements |
Tab. 4.5: |
Komponenten eines Wertesystems einer Verwaltung |
Tab. 4.6: |
Werte-Checkliste |
Tab. 4.7: |
Werteliste |
Tab. 4.8: |
Werteliste – Beispiel 1 |
Tab. 4.9: |
Werteliste – Beispiel 2 |
Tab. 4.10: |
Werteliste – Beispiel 3 |
Tab. 5.1: |
Portfolio der Wissensmanagement-Methoden |
Tab. 7.1: |
Kompetenzkarten in Krankenhäusern |
[1]Vorwort
Wissensmanagement ist ein moderner Managementansatz, der zeigt, wie die Ressource „Wissen“ in Organisationen optimal ausgeschöpft werden kann. Damit stellt dieses Thema natürlich auch für die öffentliche Verwaltung eine bedeutsame Herausforderung dar und muss von allen Führungskräften behandelt werden. Wissensmanagement ist allerdings ein schwieriges Thema, da es um das Wertvollste geht, was Mitarbeiter besitzen – ihr Wissen. Wir wollen Führungskräften in der Verwaltung daher einen praktischen Leitfaden an die Hand geben, wie Wissensmanagement in der Praxis schrittweise wirklich gelingen kann.
Wir stellen ganz klar den Menschen und nicht die IT in den Mittelpunkt unserer Überlegungen. Dieser Aspekt wird sehr häufig unterschätzt und das führt dazu, dass viele Projekte lediglich Strohfeuereffekte verursachen oder überhaupt nicht erfolgreich verlaufen. Gleichermaßen gehen wir auch kritisch auf die Chancen und Risiken von Software und neuen Medien ein.
Der Leitfaden greift immer wieder auf anschauliche Beispiele aus dem Bereich „Sicherung und Weitergabe des Erfahrungswissens ausscheidender oder wechselnder Wissensträger“ zurück. Einerseits gewinnt dieses Thema angesichts des demografischen Wandels immer mehr an Bedeutung, andererseits wurden hier die umfangreichsten Projekterfahrungen gesammelt. Ferner ist dies ein Thema, mit dem sich sehr gut konkret für Wissensmanagement werben lässt.
Dies ist – aufgrund der Komplexität des Themas – kein fertiges Werk. Trotz unserer umfangreichen Projekterfahrungen kann dies nur eine Momentaufnahme der aktuellen Erkenntnisse und Erfahrungen sein. Deshalb wären wir den Lesern dankbar, wenn sie mit uns in Kontakt treten würden, um unsere Ansichten zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Dafür bereits im Voraus vielen Dank. Diese Diskussionen sollen in weitere Ausgaben münden.
Im Folgenden noch einige praktische Lesehilfen: Dieses Buch sollte sequentiell und vollständig gelesen werden, dennoch sind die einzelnen Kapitel auch für sich verständlich. Zu Beginn jedes Kapitels finden Sie die wichtigsten Leitfragen, am Ende eines jeden Kapitels finden Sie das Wichtigste in Kürze.
Allerbester Dank gebührt zunächst Anna Mertzen, die uns beim Schreiben des Buchs intensiv unterstützt hat, und ohne deren Mitwirkung dieses Buch nicht entstanden wäre. Zudem möchten sich die Autoren beim Kommunal- und Schul-Verlag und natürlich bei Frau Lentz und Frau Lörsch bedanken, dass wir die Gelegenheit erhalten haben, unserer Erkenntnisse in diesem Bereich zu Papier zu bringen.
Ferner möchten wir uns bei den zahlreichen Vertretern von Kommunen bedanken, die mit ihren Diskussionen und Beiträgen einen substantiellen Beitrag zu diesem Buch geleistet haben, insbesondere Frau Düpjohann (Kreis Soest), Herr Dr. Balleis (Stadt Erlangen) und Herr Kaiser (Stadt Erlangen).
Danke sagen möchten wir auch unseren Familien, die uns den Freiraum gegeben haben, den das Gelingen eines solchen Projekts benötigt.
Nürnberg, im Juni 2015 |
Prof. Dr. Michael Müller |
Erlangen, im Juni 2015 |
Dipl. Kfm. Ferdinand Förtsch |
[2]Genderhinweis
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in der Regel die männliche Schreibweise verwendet bzw. auf die zusätzliche Formulierung der weiblichen Form verzichtet. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts. Frauen und Männer mögen sich von den Inhalten unseres Buchs angesprochen fühlen.
[3]1 Einleitung
Michael Müller
In diesem Kapitel werden die folgenden Fragen beantwortet:
Warum muss auch die öffentliche Verwaltung den Weg in die Wissensgesellschaft gehen?
Welchen aktuellen Herausforderungen – speziell der öffentlichen Verwaltung – kann mit Wissensmanagement begegnet werden?
Welche Lösungen des Wissensmanagements erfordert insbesondere der demografische Wandel?
Warum Bürgerorientierung nur mit professionellem Wissensmanagement gelingen kann?
Welche Rolle spielen die neuen Fähigkeiten der Wissensarbeiter und auch die neuen Medien?
Warum für ein erfolgreiches und nachhaltiges Wissensmanagement der Faktor „Mensch“ unterschätzt und der Faktor „IT“ häufig überschätzt wird?
Welche Gemeinsamkeiten, aber auch welche Unterschiede existieren im Vergleich zur Privatwirtschaft?
1.1 Der Weg der Verwaltung in die Wissensgesellschaft
Selbstverständlich hat die Ressource „Wissen“ in der öffentlichen Verwaltung schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Dennoch ist in den vergangenen Jahrzehnten dieses Potential noch nicht professionell bewirtschaftet worden. Deshalb zeichnen wir hier den Weg der öffentlichen Verwaltung in die Wissensgesellschaft nach, um auch die aktuellen Herausforderungen (insbesondere bezüglich der Wissenskultur) besser verstehen zu können:
Bis in die 70er Jahre: Öffentliche Verwaltungen waren jahrzehntelang hierarchisch, zentralistisch und bürokratisch organisiert. Es herrschte die Aufgabenorientierung vor; das Lebenslagenkonzept, das heute in Bürgerämtern umgesetzt wird, war noch nicht „erfunden“. Die Behörden waren starr und schwerfällig, bereichsübergreifende Wissensteilung erschien nicht nötig, und die Bürgerorientierung war noch kein explizites Ziel. „Amt“, „Behörde“ und „Buchbinder Wanninger“ galten als Synonyme für überbordende Aufgabenteilung und Bürokratismus. Jahrzehntelang erfolgten die Vorgänge und Abläufe in der öffentlichen Verwaltung papierhaft; elektronische Ablage, E-Mail und Internet hatten noch keine Bedeutung.
80er Jahre: In den 80er und auch noch in den 90er Jahren stand das „papierlose Büro“ im Zentrum der Bemühungen. Im Sinne der Informationsgesellschaft lag der Fokus auf dem Daten- und Dokumentenmanagement bzw. der Erfassung und Erstellung, der Verwaltung und Archivierung sowie dem Zugriff, der Auswertung und der Nutzung der entsprechenden Informationen. Dieser Umstellungsprozess ist jedoch noch nicht abgeschlossen, sodass sich eine herausfordernde Überlappung zwischen diesen [4]„Wellen“ vollzieht. Beispiele sind generell die Einführung von Dokumenten-Management-Systemen von Softwareanbietern wie Mach oder Fabasoft und die Umstellung der Ablage bzw. der KGSt-Aktenpläne sowie im Speziellen die Umstellung der Liegenschaftsverwaltung auf SAP oder die Einführung von Geoinformationssystemen.
90er Jahre: Das E-Government hatte das Ziel, dem Bürger web-basierte Verwaltungsservices zur Verfügung zu stellen, mit denen Vorgänge für den Bürger vereinfacht und Prozesse verschlankt werden sollten. Beispiele sind hier das Beantragen von Führerscheinen, die Meldung beim Einwohnermeldeamt oder die elektronische Abgabe der Steuererklärung über Elster bequem von zu Hause aus ohne Behördengang. Auch das Thema „E-Mail“ zeigt, dass Innovationen, die bereits seit 20 Jahren eingeführt sind, noch lange nicht rund laufen – wenn man an die aktuelle Diskussion über den Umgang mit der E-Mail-Flut denkt. Tagungen wie das Rostocker E-Government-Forum spiegeln diese Entwicklungen wider.
Ab 2000: Die Bürgerorientierung wurde organisatorisch mit der Einführung von Bürgerämtern bzw. dem One-Stop-Service (Bürgerservicezentrum, Bürgerbüro) und einer zentralen Behördenauskunft „115“ vorangetrieben. Diese Entwicklung setzt bereits ein weitergehendes Wissensmanagement bzw. eine wissensbasierte Vernetzung der Behörden voraus. Die öffentliche Verwaltung sollte vernetzt, dezentral und schlank werden. Virtualisierung und die Orientierung an den Lebenslagen der Bürger wurden weiterentwickelt. Das Ziel eines lernenden Dienstleistungsunternehmens für den Bürger wurde postuliert.
Ab 2010: Auch aktuelle Trends wie Open Government also die Erhöhung der Transparenz und die Optimierung von Verwaltungsprozessen haben direkte Bezüge zum Wissensmanagement. Aber insbesondere der demografische Wandel und die Herausforderung, Erfahrungswissen ausscheidender Mitarbeiter zu sichern, hat die öffentliche Verwaltung für das Thema intensiv sensibilisiert. Auf Messen wie „Moderner Staat“ kann man sich jährlich zum Thema „Verwaltungsmodernisierung“ auf den aktuellen Stand bringen.
Verwaltung 2.0, Behörde 2.0 und Kommune 2.0: So wird die „lernende Behörde“ mit Leben gefüllt. Aber auch die Themen „Social Media“ und „Web 2.0“ werden im Zuge der „Verwaltung 2.0“ zum Thema. Die Facebook-Präsenz von Kommunen und Wikis zum Wissensaustausch sind bereits keine Zukunftsmusik mehr, stellen jedoch neue Herausforderungen an die öffentliche Verwaltung. Sehr hohe Transparenz, zunehmende Schnelligkeit der Kommunikation und Abgabe von Kontrolle (z. B. bei der Veröffentlichung von Beiträgen in Wikis statt im Intranet) sind eben immer „Medaillen“, die auch eine Kehrseite haben.
Schon hier sei abschließend darauf hingewiesen, dass sich Trends wie „Daten- und Dokumentenmanagement“, „Prozessoptimierung“, „Wissensmanagement“ und „Social Media“ überlappen, sich vielfältig gegenseitig beeinflussen und deshalb sehr sensibel zu verfolgen sind, damit hier keine „Verzettelung“ entsteht.
1.2 Der demografische Wandel
Der demografische Wandel ist wohl das aktuelle Thema, das der öffentlichen Verwaltung am drastischsten die Notwendigkeit von Wissensmanagement vor Augen führt. In vielen Behörden geht in den nächsten Jahren ein hoher Prozentsatz wichtiger Fach- und Führungskräfte[5] in den Altersruhestand. So scheiden beispielsweise in den Berliner Ministerien in den nächsten fünf Jahren über 1 000 langjährige Mitarbeiter aus (vgl. Robert-Bosch-Stiftung 2009). In der Stadtverwaltung Erlangen sind 40 % der Beschäftigten über 55 Jahre alt. Vielen Verwaltungen wird immer stärker bewusst, dass damit ein höchst problematischer Verlust von wichtigem Erfahrungswissen verbunden ist. Altersstrukturanalysen zeigen dieses Phänomen deutlich auf. Verschärft wird die Problematik zusätzlich durch Stellensperren, mangelnde Nachfolgeregelungen und den allgemeinen Fachkräftemangel. Organisatorisch wird dieser Entwicklung durch Beauftragte für Demografie oder ganze Arbeitsgruppen Rechnung getragen (z. B. das Institut für Demografie in Berlin). Häufig wird jedoch den Teilthemen „Gesundheitsmanagement“ und „Weiterbildung“ noch höhere Bedeutung beigemessen.
Besonders die Bewahrung von Erfahrungswissen stellt innerhalb des Wissensmanagements eine schwierige Aufgabe dar, da die Menschen ihr Wissen oft unbewusst verwenden, Experten wenig Zeit haben und mit der Preisgabe von Wissen häufig psychologische Barrieren wie die Angst vor Machtverlust verbunden sind. Neben dem Altersruhestand existieren weitere exemplarische Szenarien wie der drohende Wissensverlust bei wechselnden oder ausscheidenden Wissensträgern, die mangelnde Verfügbarkeit von Wissen durch Krankheiten oder Abwesenheiten von Experten sowie die notwendige Bewahrung der Erfahrungen aus abgeschlossenen Projekten. Dieser Herausforderung, implizites Wissen explizit zu entwickeln, steht der große Nutzen gegenüber, Erfahrungen in den Behörden zu erhalten, einfach und schnell verteilen zu können sowie damit Verwaltungskosten zu senken und Wettbewerbsvorteile gegenüber privaten Dienstleistern zu erringen.
Diese Potenziale können nur mit einem umfassenden Ansatz zur Wissensbewahrung ausgeschöpft werden, bei dem sowohl organisatorische Maßnahmen, die Arbeit an einer offenen Lernkultur als auch arbeitspsychologische Aspekte sowie innovative IT-Lösungen zusammenwirken. Auf Prozessebene umfassen Lösungen zur Wissensbewahrung die durchgängige Unterstützung der Prozesse der Wissenserhebung von Experten, der Wissensvermittlung zwischen Mitarbeitern, der Wissensaufbereitung und -verwaltung sowie die Wissensnutzung durch die Mitarbeiter. Bei allen diesen Herausforderungen sollten der systematische Transfer und die Dokumentation von Wissen bei minimaler Belastung der Experten einen Baustein der Gesamtlösung darstellen.
Die Stadt Erlangen beispielsweise hat diese Nutzenpotenziale frühzeitig erkannt und Maßnahmen zur systematischen Bewahrung des Erfahrungswissens langjähriger und in Kürze ausscheidender Wissensträger im Rahmen einer umfassenden Wissensmanagement-Strategie in Kooperation mit einem externen Berater, Trainer und Wissenscoach initiiert (s. hierzu auch Abschn. 7.2.1 Wissensbewahrung bei der Stadt Erlangen).
Insbesondere der Fachkräftemangel führt zu neuen Themen wie Employer Branding (Arbeitgebermarkenbildung) zur Erhöhung der Attraktivität der Arbeitgebermarke und Talentmanagement (siehe Abschn. 2.6.2), um die besten Arbeitskräfte zu binden und für die Organisation zu gewinnen, Themen, die wiederum in „Konkurrenz“ zum Wissensmanagement stehen.
[6]1.3 Weitere Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung
Die aktuelle Situation in Behörden ist gekennzeichnet durch knappere Finanzmittel, einen Umbruch bestehender Organisationsstrukturen, eine steigende Komplexität und Dynamik von Verwaltungsabläufen sowie eine stärkere Dienstleistungsorientierung. Außerdem nimmt auch im öffentlichen Sektor der Wettbewerbsdruck als weitere Herausforderung durch den Trend zur Privatisierung ursprünglich öffentlicher Aufgaben und durch Benchmarking (s. Abschn. 5.2.4.2) immer mehr zu. Und auch die folgenden aktuellen Trends und Herausforderungen machen professionelles Wissensmanagement unabdingbar:
Bürgerorientierung: Die Einführung von Bürgerämtern bzw. dem One-Stop-Service oder einer zentralen Behördenauskunft „115“ sorgten für eine stärkere Bürgerorientierung. Hierfür ist eine Vernetzung mehrerer Behörden und innerhalb einzelner Behörden Voraussetzung. Es ist also weitergehendes Wissensmanagement erforderlich.
Arbeitsverdichtung: Die Arbeitsverdichtung nimmt in Behörden kontinuierlich zu. Negative Auswirkungen auf die Gesundheit, wie eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Burn-out usw. sind bereits jetzt feststellbar. Einerseits kommen durch Wissensmanagement nun nochmals neue Aufgaben auf die Mitarbeiter zu (z. B. kontinuierliche Dokumentation des eigenen Erfahrungswissens), mittel- und langfristig soll Wissensmanagement aber natürlich helfen, Doppelarbeiten zu vermeiden, Abläufe effizienter zu gestalten und die Arbeitsproduktivität zu steigern.
Dezentralisierung und Vernetzung: Festzuhalten ist, dass Behörden von der Aufgabenorientierung und einer eher hierarchisch, weisungsorientierten Organisationsform kommen. Derartige Organisationen bieten erst einmal keinen idealen Nährboden für Wissensteilung. Warum sollten sich die Mitarbeiter verschiedener Ämter vernetzen? Dies führt dazu, dass man bei entsprechenden Veränderungsprozessen geduldig vorgehen sollte.
Wissenserwerb bei Einarbeitung und Personalentwicklung: Die effektive und effiziente Einarbeitung neuer Mitarbeiter stellt eine große Herausforderung dar. Ferner gilt es, das Personal auch in Soft Skills (z. B. Teamfähigkeit, Konfliktmanagement) und modernen Themen weiterzuentwickeln. Dabei werden auch Ansätze des E-Learning bzw. Blended Learning, also eine Kombination aus Präsenzveranstaltungen und E-Learning, an Bedeutung gewinnen.
Dynamik und Komplexität des Wissens: Trotz Versuchen der Entbürokratisierung nehmen die Dynamik und die Komplexität der Gesetzgebung usw. immer noch zu. Wissensmanagement soll helfen, durch verschiedene Ansätze (z. B. intelligente Such- und Pushing-Mechanismen (automatische Filterung und Bereitstellung von Informationen je nach Interessenprofil), Abstracting-Methoden (automatische Zusammenfassung von Texten) und moderne Visualisierungsmethoden) dieser Entwicklung Herr zu werden.
Neue Fähigkeiten der Wissensarbeiter: Darüber hinaus werden neue Fähigkeiten der Wissensarbeiter innerhalb des persönlichen Wissensmanagements immer wichtiger, um die Arbeitsproduktivität aufrecht zu erhalten: Suchmaschinen-Kompetenz, verständliche Kommunikation der eigenen Erfahrungen, effektive und effiziente Ablage und Verschlagwortung, professioneller Umgang mit der E-Mail-Flut. Diese Inhalte müssen Eingang in die Weiterbildungsanagebote der Verwaltungen finden.
[7]Neue Medien und Behörde 2.0: Auch die Themen „Social Media“ und „Web 2.0“ werden im Zuge der „Behörde 2.0“ zum Thema. Die Facebook-Präsenz von Kommunen und Wikis zum Wissensaustausch sind aktuelle Themen und stellen ganz neue Herausforderungen an die öffentliche Verwaltung.
Um diesen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen und die Produktivität weiter zu erhöhen, müssen nicht nur Verwaltungsabläufe im Rahmen laufender Aktivitäten wie der Prozessmodellierung dokumentiert und optimiert sowie Daten und Dokumente im Zuge des E-Governments elektronisch erstellt, verwaltet und verteilt, sondern auch die Erfahrungen der Mitarbeiter systematisch, kosteneffizient und nachhaltig bewahrt, verteilt und genutzt werden.
1.4 Der eigentliche Erfolgsfaktor „Mensch“
Wie jedes moderne Managementthema durchläuft auch das Thema „Wissensmanagement“ typischerweise eine Hype- bzw. Modephase und eine Ernüchterungsphase sowie eine Sägezahnkurve. In der Hype-Phase sind insbesondere fünf Fehler gemacht worden:
Wissensmanagement wurde als reines IT-Thema gesehen.
Der Mensch mit seinen Einstellungen und Verhaltensweisen fand zu wenig Berücksichtigung.
Wissensmanagement wurde von Anfang an in voller Breite eingeführt.
Wissensmanagement war von den Verwaltungsprozessen entkoppelt und Selbstzweck.
Wissensmanagement war zu aufwändig.
Zunächst stellt IT lediglich eine Seite des Themas dar, die Motivation zur Wissensteilung ist jedoch mindestens genauso wichtig – ganzheitliches Wissensmanagement ist hier das Schlagwort. Die Instrumente müssen anschlussfähig sein und dürfen die Betroffenen nicht überfrachten – Einführung in Ausbaustufen ist gefragt. Wissensmanagement sollte darüber hinaus natürlich kein Selbstzweck sein, sondern die Arbeit für den Mitarbeiter vereinfachen und den Bürger unterstützen. Die Ansätze sollten schlank und auch während des Tagesgeschäfts realistisch anwendbar sein.
Der Faktor „Mensch“ stellt demnach den eigentlichen Erfolgsfaktor dar. Wie können Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Mitarbeiter intrinsisch zur Wissenspreisgabe und zur Wissensnutzung motiviert sind? Hier sind nicht primär die Methoden und IT-Tools, sondern die Einstellungen und Verhaltensweisen relevant. Deshalb greift das MOVE-Modell auf dieser Seite an und stellt einen wichtigen Schwerpunkt dieses Buchs dar.
1.5 Vergleich mit Wissensmanagement der Privatwirtschaft
Sicher kann man sagen, dass privatwirtschaftliche Unternehmen, insbesondere Großunternehmen, das Thema „Wissensmanagement“ vor der öffentlichen Verwaltung aufgegriffen haben. Aber welche Best Practices können Behörden übernehmen? Welche Besonderheiten gibt es in Behörden? Dazu analysieren wir im Folgenden einige wichtige Unterschiede:
[8]Wettbewerbsdruck und Organisationsziele: Während in der Privatwirtschaft Wissensmanagement nahezu immer zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit betrieben wird, steht dies bei öffentlichen Verwaltungen nicht im Mittelpunkt. Aber auch hier sollten die Ziele des Wissensmanagement aus den normativen und strategischen Zielen der Behörde abgeleitet werden (z. B. Bürgerorientierung, Prozessoptimierung). Hier sei auf den entsprechenden Abschnitt verwiesen.
Datenschutz: Während in der Privatwirtschaft der Datenschutz beim Wissensmanagement immer höhere Priorität gewinnt – man denke an dokumentiertes Erfahrungswissen im Rahmen der Produkthaftung –, spielt dieses Thema in Behörden ggf. eine kleinere Rolle.
Neue Medien: Festhalten kann man, dass privatwirtschaftliche Unternehmen neue Medien bereits stärker nutzen, dieses Thema aber auch in Behörden an Bedeutung gewinnen wird. Man denke hier nur an moderne basisdemokratische Formen der Bürgerbeteiligung.
Nicht alle Methoden möglich: Betrachtet man das Spektrum der Instrumente des Wissensmanagements, sind sicherlich viele Instrumente gleichermaßen anwendbar, jedoch nicht alle. Aus verschiedensten Gründen eignen sich z. B. Job Rotation, Kaffeeecken, Projektreviews und Wikis nicht bzw. nur eingeschränkt für öffentliche Verwaltungen. So setzen z. B. Wikis eine Kultur der offenen und schnellen Wissensteilung voraus, die in Behörden noch nicht selbstverständlich ist. Im Kap. 5 greifen wir diese Einschätzung auch nochmals detailliert auf.
Höhere Bedeutung von Regelungen (z. B. Dienstanweisungen): Trotz Anstrengungen zur Entbürokratisierung scheinen formale Regelungen in Behörden natürlich eine höhere Bedeutung aufzuweisen. Eine intrinsische Motivation zur Wissensteilung oder ein schneller Austausch von Erfahrungen über Wikis scheint deshalb nicht ganz einfach.
Wissenskultur: Starke Wissenskulturen über Leitbilder sind generell noch in sehr wenigen Organisationen etabliert. Dennoch haben dies wahrscheinlich doch bereits mehr privatwirtschaftliche Unternehmen versucht – sicher ohne bereits überall Erfolg zu haben. Auch zieht das Thema des strategischen Managements erst sukzessive in die öffentliche Verwaltung ein.
Organisationsstrukturen: Es ist zu bedenken, dass Behörden ursprünglich aufgabenorientierte und eher hierarchische, weisungsorientierte Organisationen waren. Daher bieten sie erst einmal keinen idealen Nährboden für Wissensteilung. Warum sollten sich die Kollegen aus unterschiedlichen Ämtern vernetzen? Daraus folgt, dass entsprechende Veränderungsprozesse behutsam und gut durchdacht umgesetzt werden sollten.
Lebenszyklus: Während viele Unternehmen bei der Einführung von Wissensmanagement bereits über die Hype-Phase hinaus sind, befinden sich viele öffentliche Verwaltungen noch in der steigenden Phase. Hierbei können diese jedoch aus den Fehlern anderer lernen und so viele „Kinderkrankheiten“ des Wissensmanagements vermeiden.
Innovation: Ferner wird Wissensmanagement in der Privatwirtschaft meist als Unterstützung des Innovationsmanagements gesehen. Dieses Thema spielt in der öffentlichen Verwaltung sicher nur eine sekundäre Rolle.
Dieses Kapitel sollte zeigen, dass die öffentliche Verwaltung an dem Thema „Wissensmanagement“ nicht vorbeikommt, da es zur Lösung der aktuellen Herausforderungen[9] unumgänglich ist. Außerdem wurde bereits für die kritischen Erfolgsfaktoren sensibilisiert.
1.6 Studie „Wissensmanagement – Öffentliche Verwaltung“
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels haben sich der Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz in Halberstadt und die Materna GmbH 2013 dem Thema „Wissensmanagement in öffentlichen Verwaltungen“ angenommen und eine bundesweite Studie in Form einer teilstandardisierten Online-Befragung entwickelt und durchgeführt. Insgesamt wurden 510 Behörden aus Bund, Ländern und Städten ab 30 000 Einwohnern befragt. 148 Behörden antworteten. Die Antworten zeigen, dass Wissensmanagement sich langsam, aber nachhaltig im Bereich der öffentlichen Verwaltungen durchsetzt. Ergebnis der Studie ist ein differenziertes Bild von Wissensmanagement als einem neuen Managementinstrument. Die Kernergebnisse der Studie lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen.
Verwaltungen und Behörden stehen alle vor ähnlichen Problemen: Es gibt eine erhebliche Überalterung und eine personelle Konsolidierung. Daher wird die Bedeutung des Themas Wissensmanagement allgemein als hoch beurteilt. Die organisatorische Verortung von Wissensmanagement ist jedoch unterschiedlich, da sie stark von der Größe der Organisation abhängig ist. Die bisher genutzten Maßnahmen des Wissensmanagements sind in den meisten Verwaltungen noch überschaubar. Am häufigsten eingesetzt werden:
organisatorischer Bereich: Arbeitsplatz- und Dienstpostenbeschreibungen sowie regelmäßige Besprechungen;
Personalbereich: Fortbildungen, mit großem Abstand gefolgt von Verfahren beim Ausscheiden von Personal;
IT-Bereich: Internet-, Intranet- und Content-Management-Systeme.
Die Ergebnisse zum Stellenwert des Wissensmanagements und der Umgang mit Wissen an sich belegen, dass das Thema in vielen Verwaltungen noch am Anfang steht. Als die drei zentralen Beweggründe zur Einführung von Wissensmanagement zeigten sich die folgenden:
Erhalt der Qualität der Dienstleistungen,
horizontale und fachbereichsübergreifende Vernetzung,
Prozess- und Verfahrensmanagement.
Um die entsprechenden Erfahrungen bei der Einführung von Wissensmanagement zu sammeln, kommen Pilotprojekte zum Einsatz. Die Verwaltungen wünschen sich vor allem Starthilfen in Form von Schulungen und strukturierter Begleitung bei der Einführung. Die größten Barrieren und Herausforderungen für das Wissensmanagement sind laut Studie die Folgenden:
erhöhter Arbeitsaufwand,
fehlende materielle Ressourcen,
zeitliche Überforderung der Mitarbeiter.
Fehlende Kenntnisse oder „Wissensegoismus“ sowie die traditionelle und hierarchische Verwaltungskultur werden seltener angeführt. Als Handlungsempfehlungen wurden die folgenden Punkte abgeleitet:
[10]Mit Pilotprojekten beginnen, damit die Verwaltung gemeinsam Erfahrungen sammelt.
Die Verwaltungsleitung sollte von der Notwendigkeit des Wissensmanagements überzeugt sein.
Zur nachhaltigen Umsetzung muss eine neue Vertrauens-, Fehler- und Umgangskultur entstehen.
Bei der Einführung von Wissensmanagement sollten Ergebnisse und Anforderungen des Change-Managements berücksichtigt werden.
Prioritäten setzen und dabei die Personalsituation berücksichtigen. Es lässt sich nicht alles auf einmal umsetzen.
1.7 Die wichtigsten Handlungsempfehlungen in Kürze
Wo scheiden bei Ihnen in den nächsten Jahren wichtige Know-how-Träger aus? Schaffen Sie Transparenz über die Fach- und Führungskräfte, die exklusives Erfahrungswissen besitzen und in den nächsten ein bis fünf Jahren in den Altersruhestand gehen. Dies kann zentral über Altersstrukturanalyse der Personalentwicklung oder auch dezentral in ihren Bereichen erfolgen. Leiten Sie bei diesen Personen gezielt Maßnahmen zur Wissenssicherung und zur Wissensweitergabe ein.
Wo liegen Ihre größten Barrieren? Wie steht es mit Ihrer Wissens- und Fehlerkultur? Sind Ihre Mitarbeiter bereit, ihr Wissen preiszugeben? Basis für erfolgreiches Wissensmanagement ist immer eine entsprechende Wissenskultur und ein entsprechend vermitteltes Leitbild von unten.
Verzetteln Sie sich nicht! Fokussieren Sie Ihre Aktivitäten und konzentrieren Sie sich auf Maßnahmen, die anschlussfähig sind und Ihnen schnelle Erfolgserlebnisse garantieren. Im Zentrum sollte immer der Bezug zu Ihrer Bürgerorientierung stehen. Wissensmanagement ist kein Selbstzweck!