Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2014 Stefan Pfeiffer

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7357-5168-3

„Die Broschüre ist ganz sicher ein Plädoyer für Autonomie, Selbstbewusstsein und Selbstannahme in der psychischen Erkrankung. Mit teils heiteren, kritischen wie auch wirklich gut erklärten sachbezogenen Antworten gibt es Einblick in Gefühlswelten des „Anders-sein.“

Watraud Etse

Soziotherapeutin

Integrative Therapie

Essen

Einleitung

Bei Ihnen wurde eine psychische Krankheit diagnostiziert. Es gibt Krankheiten, die bekannt und allgemein akzeptiert sind, wie beispielsweise die Depression oder das Burn-Out-Syndrom. Andere Krankheitsbilder sind unbekannter, beispielsweise das der Schizophrenie. Hier trifft man oft auf Ängste und Vorurteile, und sowohl der Kranke als auch deren Angehörige sind verunsichert.

Als Betroffener hat man das Problem, dass auf einen Kranken zwei Krankenpfleger und zehn Angehörige und Freunde kommen, so dass die meiste Literatur zwar über, aber nicht für Kranke geschrieben wurde. Viele Krankheiten galten lange Zeit als unheilbar, deswegen wurden sie behandelt, ohne dass man wusste, ob es dem Erkrankten wirklich gut tat. Literatur über psychische Krankheiten gibt es zu Hauf, aber selten Bücher, die uns Erkrankten wirklich helfen.

Fachliteratur verunsichert eher, als sie hilft, weil sie oft widersprüchliche, einseitige oder falsche Informationen enthält. Auch wenn Sie über Ihre Probleme reden wollen, werden Sie nun oft zu hören bekommen: „Das hängt mit Ihrer Krankheit zusammen“ oder man wird oft von Ihnen Krankheitseinsicht fordern. Als Betroffener erschwert uns das den Umgang mit der Krankheit, weil wir es oft mit einem kritischen und verunsicherten Umfeld zu tun haben, das unsere Probleme noch vermehrt, statt zu helfen.

In der psychiatriekritischen Literatur fordert man, ganz auf Diagnosen zu verzichten, da Menschen damit in Schubladen geschoben würden. In der Praxis sind Diagnosen aber auch sinnvoll, weil man Krankheiten so in Gruppen aufteilen kann, um spezielle Behandlungskonzepte auszuarbeiten oder bei der Krankenkasse abzurechnen. Es gibt nicht die Schizophrenie, sondern Krankheiten aus dem schizophrenen Formenkreis. Entweder man ist gesund, oder man hat einen Schnupfen, dann ist man krank. Bei psychischen Erkrankungen ist das anders. Krank bedeutet nicht automatisch „schlecht,“ und es bedeutet auch nicht, dass alle Schizophrenen die gleichen oder ähnliche Probleme haben.

Vergleichen Sie eine Diagnose mit einem Sternzeichen. Sternzeichen unterteilen Menschen in zwölf Gruppen, aber dennoch darf jeder sein, wie er ist. Man kann Horoskope interessiert lesen, aber zugleich ihren Wahrheitsgehalt in Frage stellen. Die Diagnose sagt also über Ihre Eigenschaften als Mensch nichts aus. Sich als Mensch schlecht oder schuldig zu fühlen, weil man als psychisch krank bezeichnet wird, nennt man Selbststigmatisierung. Hüten Sie sich davor. Sie sind auch mit einer psychischen Erkrankung immer noch ein vollwertiger Mensch. Behalten Sie auch in der Krankheit Ihre Würde.

Vorbereitungen

Es macht Sinn, sich in den Phasen, in denen es einem gut geht, über seine Krankheit zu informieren, um auf die Phasen vorbereitet zu sein, in denen es einem schlecht geht. In den Kliniken werden Ihre aktuellen Symptome behandelt, aber aufgrund der Komplexität psychischer Krankheiten kann wenig Aufklärungsarbeit geleistet werden.

Eigeninitiative ist daher ein wichtiger Faktor bei der Krankheitsbewältigung. Es geht um Ihre Gesundheit, deswegen sollten Sie anderen nicht das Denken überlassen. Bei der Lektüre von Fachliteratur müssen Sie ein wenig umdenken, da diese Literatur eben über, nicht für Kranke geschrieben wurde. Es gibt viele Bücher über Katzen, das ist etwas ganz Normales. Als Katze aber würden Sie sich wundern, was man über Sie schreibt. Lesen Sie also Fachliteratur mit einem lachenden und einem weinenden Auge und glauben Sie nicht alles, was in den Büchern steht.

Die Information über seine eigene Krankheit nennt man Psychoedukation. Bei einer Grippe ist es mit der Einnahme eines Antibiotikums getan. Die Behandlung körperlicher Krankheiten kann man getrost dem Arzt überlassen. Da psychische Krankheiten aber sehr eng mit Ihrem persönlichen Erleben und Fühlen zusammenhängen, sind diese seelischen Erkrankungen etwas sehr Individuelles und Intimes. Bei der Wahl einer politischen Partei würden Sie sich ja auch nicht auf das Urteil Ihres Arztes verlassen, sondern eigene Informationen einholen. Es ist Ihr Leben. Versuchen Sie also, Ihrem Psychiater als gleichwertiger Gesprächspartner gegenüberzutreten.

Sie sind der Experte für Ihre Krankheit, nicht Ihr Arzt. Im Laufe der Zeit werden Sie zum Experten in eigener Sache heranreifen. Selbstkompetenz ist wichtig. Trauen Sie sich, Fragen zu stellen. Treffen Sie Ihre eigenen Lebensentscheidungen trotz oder gerade wegen Ihrer Krankheit.

Ihr Arzt ist gut ausgebildet, aber er führt nicht Ihr Leben. Er kann Ihnen also nur bedingt weiter helfen. Denken Sie selbst, lassen Sie nicht den Psychiater oder Ihre Angehörigen für sich denken oder Lösungen finden. In einem Lokal lassen Sie sich ja auch nicht vom Kellner vorschreiben, welches Essen Sie bestellen. Geben Sie Ihr Leben nicht aus der Hand. Behalten Sie auch in der Krankheit Ihre Autonomie. Werden Sie zum Experten in eigener Sache. Das nimmt Ihnen die Ohnmacht, es hält Sie handlungsfähig und es hilft Ihnen, sich in diesem großen Gesundheitsapparat zurecht zu finden.

Geschichte der Psychiatrie

Viele seelische Krankheiten galten lange Zeit als unheilbar. Lange Zeit wurden psychisch Kranke daher in großen Zentralkrankenhäusern, teilweise über Jahre, aufgenommen und behandelt, oder eher „verwahrt“. Es gab halt keine Alternativen.