Irina Böhme wurde am 19. September 1973 in Rinteln geboren. Sie arbeitet als Molekularbiologin beim DKMS Life Science Lab in Dresden an modernsten Sequenziermethoden.
Seit dem ersten Schafskontakt während eines Au-pair-Aufenthaltes in Irland hat sie die „Faszination Schaf“ nicht mehr losgelassen. Irina wohnt östlich von Dresden und hält „ein paar Schafen hinter’m Haus“. Ihr Herz schlägt für die nordischen Rassen. Selber hat sie Shetlandschafe und Mixe daraus. Neben Angepasstheit an Haltung und Standort legt sie z.B. großen Wert auf schöne, weiche Wolle, die sie dann auch selber verarbeitet. Die Welt der nordischen Schafrassen fasziniert sie so sehr, dass sie sich mehrere Male auf den Weg in ihre Heimat machte, um „die Länder durch ihre Schafe und Schäfer kennenzulernen“.
In ihrem Blog www.driftwool.blogspot.de lässt sie uns auf eine lebendige Art und Weise teilhaben an ihren Reisen.
Saskia Dittgen wurde am 12. November 1968 in Heidelberg geboren. Sie hat sich 2009 in Krahne/Brandenburg ihren Traum erfüllt vom Leben auf dem Bauernhof. Neben ihren 2 Border Collies, mehreren Katzen und Hühnern hält Saskia rund 40 Schafe. Seit 2016 züchtet sie Shetlandschafe im Herdbuch des SZVBB und leistet damit Pionierarbeit. Mit großem Enthusiasmus widmet sich Saskia in ihrer Freizeit der Vererbungslehre. Sie ist Irina eine hartnäckige Diskussionspartnerin gewesen in der Vorbereitung dieses Buches. Saskia arbeitet freiberuflich als Übersetzerin und Lektorin. Sie ist verantwortlich für den redaktionellen Teil dieses Buches. Aus ihrer Feder stammen auch die gezeichneten Schafe.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2017 Irina Böhme, Saskia Dittgen
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783744891974
Für Flora, Rosa und Violet
drei weiße Skudden, ohne die das alles nicht passiert wäre
Mit großer Spannung habe ich dieses Buch erwartet. Es war schon mehr als überfällig, verstrickten wir uns doch immer wieder in endlosen Diskussionen über die Frage: Welche Farbe hat dieses Schaf? Und warum?
Fundiertes Wissen musste her, wir brauchten wissenschaftliche Grundlagen. Klar, Farbgenetik folgt festgelegten biologischen Regeln, aber welchen??? Irina Böhme und Saskia Dittgen haben es zu Papier gebracht – endlich!
Die Leidenschaft beider Autorinnen für die Farbvielfalt der nordischen Schafrassen gepaart mit fundiertem Fachwissen im Bereich der Genetik und Irinas ganz individuellem Schreibstil verleihen diesem Buch eine Leichtigkeit, die hoffentlich viele Leser so begeistern wird, wie mich. Und ich gehöre sicherlich zu denen, für die Genetik in der Schule ein Buch mit sieben Siegeln war.
Sigrid Heilmann
Dieses Buch ist für alle, die einen ersten Einblick in die Farbvererbung der Schafe bekommen wollen. Die sich vielleicht gewundert haben über ein schwarzes Lamm aus zwei weißen Eltern oder ein braun geschecktes Lamm aus einem schwarzen und einem weißen Elterntier.
Dieses Buch ist vor allem für Schafzüchter, die Freude an „bunten“ Schafen haben und verstehen möchten, wie die ganzen faszinierenden Farben zustande kommen. Es ist aber auch für die, die bestimmte Farben in der Zucht vermeiden wollen und wissen möchten, wie das geht.
Wir haben dieses Buch geschrieben für Leute ohne Grundkenntnisse in Vererbung. Es soll den ersten Einstieg in das Thema „Farbvererbung bei Schafen“ ermöglichen und hoffentlich Spaß auf mehr machen.
Skuddenlamm
Die Natur ist überraschend, faszinierend und einfallsreich in ihrer Vielfalt. Das gilt auch, wenn der Mensch durch gezielte Züchtung eingreift. Manchmal sogar ganz besonders, wenn der Mensch eingreift.
Es gibt nicht „das Schaf“. Trotzdem erkennen wir ein Schaf als ein Schaf. Meistens.
Es gibt auch nicht „die Farbe“. Das weiß jeder, der schon mal eine Diskussion geführt hat, ob dieses T-Shirt nun türkis, hellblau oder petrol ist oder der einer solchen Diskussion fasziniert gelauscht hat. Jeder scheint Farben ein wenig anders zu sehen. Und sicher ist jeder schon mal über das Klischee gestolpert, dass Frauen mehr Farben sehen als Männer. (Die Diskussion „türkis oder hellblau“ führen Männer vermutlich eher selten.)
Die Farben und die Verteilung der Farben beim Schaf (und die Genetik dahinter) sind aber nicht individuell vom Menschen festlegbar, sondern folgen biologischen Regeln. Wir können darüber diskutieren, ob wir das nun Grau nennen oder Blau, Braun oder Rot, aber die Farbstoffe und ihre Verteilung am Schaf ändern sich dadurch nicht.
Dieses Buch soll eine „Sehhilfe“ sein. Und es soll die zugrunde liegenden Regeln erklären, denen die Vererbung folgt. Es soll auch helfen, bei Gesprächen über Farben beim Schaf eine gemeinsame Sprache zu finden. Was der eine „rot-fleckig-meliert“ nennt, ist beim anderen vielleicht einfach „braun“.
„Die sehen doch alle gleich aus!“ oder „Das soll die gleiche Farbe sein?“ Wir wollen helfen, Unterschiede zu sehen, die eine genetische Grundlage haben (die wir dann für unsere Zuchtziele nutzen können). Und Gemeinsamkeiten, die sich hinter der Individualität (fast) verstecken.
Manches kann man direkt sehen. Anderes ist rätselhafter und man sieht nur dann, was sich da auf welche Art vererben könnte, wenn man mehrere verwandte Tiere kennt und genau dieses Merkmal in der Abstammung verfolgt. Auch dazu wollen wir Hilfestellung geben.
Weil es nicht nur auf das korrekte Sehen ankommt, sondern auch auf möglichst eindeutige Beschreibungen, führen wir einiges an international üblicher Nomenklatur ein. Keine Sorge! Wir brauchen nicht viele Fachbegriffe! Sehr viel schwieriger wird es da, wo wir Alltagsbegriffe verwenden! Die lassen sich oft nicht so leicht von der Alltagssprache abgrenzen und führen zu Verwirrung. Ganz besonders schwierig ist der Begriff Farbe. Wir benutzen Farbe in diesem Buch für den farblichen Gesamteindruck der Tiere. Das Schaf sieht irgendwie so graubraun meliert aus. Das ist seine Farbe.
Diese Farbe setzt sich aus verschiedenen genetischen Komponenten zusammen. Unter anderem einer Farbstoffvariante. Dafür verwenden wir den Begriff Grundfarbe.
Schafhaltung hat eine lange Tradition. Dementsprechend gibt es viele regionale Begriffe rund um die Schafhaltung. Das weibliche Schaf ist in der einen Region die Zibbe, in einer anderen die Mutter und wieder woanders die Aue. Für dieses Buch haben wir uns für den Begriff Aue für das weibliche Schaf entschieden. Das weibliche Lamm bezeichnen wir in diesem Buch als Auenlamm.
Das männliche Zuchttier ist im Rahmen dieses Buches der Bock.
Schafe waren für Jahrhunderte – nein, Jahrtausende – vor allem eins: Faserlieferanten. Bei der Verwendung der Wolle spielte natürlich auch die Farbe eine große Rolle. Blütenweiße Wolle lässt sich in allen erdenklichen Schattierungen färben. Dunkle Wolle muss man gar nicht erst färben – viele Trachten haben zum Beispiel Jacken oder Mieder aus naturschwarzem Wollstoff.
Einige Schafe wurden hauptsächlich zur Gewinnung von Pelzen genutzt, und da scheint ein schönes, gleichmäßiges Silbergrau besonders beliebt zu sein. Die Verwendung und der Markt spielten lange eine zentrale Rolle bei züchterischen Entscheidungen. Und die Mode. All das gilt noch heute! Der Hobbyhalter erfreut sich vielleicht an einer besonders bunten Herde, Handspinner und Filzer sind fasziniert von den Nuancen der Naturfarben.
Farbe springt ins Auge und hat einen großen Einfluss auf unseren optischen Eindruck.
Aber letztendlich ist Farbe nur das i-Tüpfelchen. Ob für uns gilt „ein gutes Schaf hat keine Farbe“, ob „blütenweiß“ oder „so kaffeebraun changierend“ das eigene Zuchtziel und den eigenen Geschmack trifft: Wer weiß, wie’s funktioniert, kann besser Einfluss nehmen.
Und Spaß macht’s auch!
brauner Skuddenbock
Vererbung ist ganz schön kompliziert! Aber trotzdem zu einem großen Teil vorhersagbar.
Einer der ersten, der herausgefunden hat, nach welchem „System“ Eigenschaften von der Elterngeneration auf die Nachkommen übertragen werden, war der Mönch Gregor Mendel. Er hat Zuchtversuche mit Erbsen gemacht, um herauszufinden, wie die verschiedenen Merkmale weitergegeben werden. Aus seinen Beobachtungen hat er ein Modell entwickelt, mit dem man sich das Ganze wunderbar erklären kann. Dieses Modell hat er im Jahr 1865 veröffentlicht. Auch wenn wir dank der immensen Fortschritte in der Wissenschaft heute sehr viel besser wissen, was da genau passiert, ist dieses Modell immer noch gültig. Weil es genau das ist: ein Modell! Nicht mehr und nicht weniger. Ein Bild, um fürchterlich komplizierte Vorgänge anschaulicher zu machen.
Die meisten kennen die „Mendelschen Regeln“ aus der Schule. Einigen ist das ganz logisch, für andere ist das immer ein „Buch mit sieben Siegeln“ geblieben.
Deshalb hier mal ein anderer Ansatz, diese Regeln zu erklären: Farbgenetik als Kartenspiel
Ein bisschen Glück, ein bisschen Können und ganz viel Spaß: Farbgenetik ist wie ein Kartenspiel!
Ein klein wenig Hintergrundwissen ist auch für diese Art der Erklärung nötig. Sonst würde das Spiel eher wie ein Glücksspielautomat funktionieren, bei dem wir in jeder Runde aufs Neue auf „drei Zitronen“ hoffen.
Der Bauplan eines Lebewesens ist in seinem Erbgut codiert; in der DNA. Die DNA ist in langen Strängen organisiert, den Chromosomen. Auf jedem Chromosom gibt es verschiedene Abschnitte, die Gene, die kleine funktionale Einheiten bilden. Die Gene werden abgelesen und übersetzt. Beim Beispiel „Farbe“ werden anhand des Bauplans Proteine mit einem bestimmten Auftrag hergestellt: „Gehe in diese Zellen an dieser Stelle des Körpers und bau dort diesen Farbstoff ein!“ (Na ja, nicht ganz so – aber als Bild gut geeignet.)
Die Nachkommen erhalten jeweils einen halben Chromosomensatz vom Vater und von der Mutter