Peter Beutler, geboren 1942, ist in Zwieselberg aufgewachsen, einem kleinen Dorf in den Berner Alpen. Als promovierter Chemiker war er Lehrer am Gymnasium Musegg/Luzern. Seit 2007 lebt er mit seiner Frau in Leissigen am Thunersee.

Dieses Buch ist ein Roman, dessen Handlungen und Personen frei erfunden sind, wenngleich er zum Teil auf wahren Begebenheiten beruht. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.
Im Anhang findet sich ein Glossar.

© 2012 Hermann-Josef Emons Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagmotiv: Istockphoto.com/Aimin Tang
Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch, Berlin
eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
ISBN 978-3-86358-096-4
Originalausgabe

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Interlaken, Januar 2001

Der Nachmittag war schon weit vorgerückt, als am Freitag, dem 5. Januar 2001, zwei Personen den Polizeiposten Flurmühle in Interlaken betraten: eine Frau, um die vierzig Jahre alt, und ein etwa zehnjähriger Junge. An den unsicheren Blicken, mit denen sie sich umsahen, merkte Anna Rieder, dass sie sich in dieser Umgebung nicht besonders wohlfühlten. Die Sekretärin des Polizeipostens stöhnte innerlich auf. Eigentlich hatte sie gehofft, pünktlich ihren Feierabend antreten zu können. Den Dienstvorschriften gemäss setzte sie aber ein höfliches Lächeln auf.

«Kann ich Ihnen helfen?»

Die Frau lächelte dankbar zurück. «Wir möchten eine Beobachtung melden, die Johannes – mein Junge – gemacht hat», sagte sie dann zögernd. «Ich befürchte, etwas sehr Schlimmes ist geschehen.»

Anna Rieder musterte Johannes, ein blasses Kerlchen mit aschblondem Haar, für dessen Schnitt entweder ein schlimmer Stümper unter den Friseuren oder die Mutter selbst verantwortlich war. Ein rascher Blick auf die schon etwas abgeschabte Winterjacke von Frau Bellwald, deren Farbe und Muster vor fünf Jahren einmal modern gewesen waren, liess sie vermuten, dass die Mutter den Haaren ihres Sohnes wohl selbst mit der Schere zu Leibe gerückt war. Für sie waren die paar Franken für den Coiffeur wohl schon zu teuer.

Ob sie die Frau mit ihrem Buben, der vermutlich nur schlecht geträumt hatte, einfach abwimmeln sollte? Aber dann siegte doch ihr Mitgefühl.

«Ich bin hier nur die Sekretärin und kann Ihnen selbst nicht weiterhelfen», sagte sie. «Aber ich schaue einmal nach, wer gerade für Sie Zeit haben könnte.» Mit gerunzelter Stirn ging sie den Schichtplan durch, bis ihr Blick beim Namen Benjamin Luginbühl hängen blieb.

Luginbühl stand nur noch drei Wochen vor dem Eintritt in den Ruhestand. In den letzten Jahren war er häufiger krankgemeldet als anwesend gewesen, deshalb war er schon lange nicht mehr in die regulären Dienstpläne einbezogen, sondern erledigte vor allem Büroarbeiten, auf die andere keine Lust hatten. Er hatte also ausreichend Zeit. Und er war mehrfacher stolzer Grossvater. Bestimmt würde er sich die Sorgen des Jungen anhören, ohne ungeduldig zu werden oder ihn zu erschrecken. Befriedigt von dieser Lösung griff Anna Rieder zum Telefon und wählte Luginbühls Nummer.

Der ältere Polizeibeamte, der Eva Bellwald und ihren Sohn Johannes kurz darauf in sein Büro hineinbat und ihnen fürsorglich die Stühle zurechtrückte, war ihr sofort sympathisch. Trotz seiner Uniform strahlte er eine vertrauenswürdige Gemütlichkeit aus. Als er sich auf seinem Stuhl niederliess, wurde ihr klar, woher diese Ausstrahlung kam: Er sah fast so aus wie der legendäre Schauspieler Schaggi Streuli aus den alten Schwarz-Weiss-Filmen «Polizist Wäckerli».

«Du hast also etwas beobachtet, das die Polizei wissen muss?», fragte er Johannes freundlich. «Es ist sehr lobenswert, dass du uns das melden willst. Was war das denn? Ein Diebstahl?»

Johannes schüttelte den Kopf. «Ein Mord», sagte er fest.

Luginbühl nickte bedächtig, während er im Geiste alle Möglichkeiten erwog, mit einer solchen Behauptung aus dem Mund eines Kindes umzugehen. Sein Bauchgefühl täuschte ihn selten: Der Junge erlaubte sich keinen schlechten Scherz mit ihm. Er meinte ernst, was er sagte; er war wirklich sicher, einen Mord gesehen zu haben.

Möglicherweise war es auch so gewesen. Kinder waren tatsächlich manchmal Zeugen von Straftaten; er hätte Dutzende solcher Fälle aufzählen können. Deshalb wäre es fahrlässig gewesen, eine solche Aussage nicht ernst zu nehmen.

«Ein Mord ist ein sehr schlimmes Verbrechen», sagte er und sah Johannes in die Augen. «Erzähl mir bitte in allen Einzelheiten, was du gesehen hast. Darf ich das Gespräch aufnehmen? Ich lösche das Band wieder, sobald ich das Protokoll geschrieben habe. Denn jetzt möchte ich nicht so gerne mitschreiben, sondern dir lieber ganz genau zuhören.»

Der Junge gab mit einem Nicken sein Einverständnis. Luginbühl schaltete das Band an, und Johannes begann zu erzählen:

«Ich war gestern Abend auf der Burgruine Weissenau. Dort habe ich den Mord gesehen.»

«Um wie viel Uhr war das?», fragte Luginbühl.

Johannes dachte nach.

«Zwischen halb neun und neun Uhr abends», sagte er schliesslich.

«Was hast du denn so spät dort gemacht?»

Eva Bellwald schaltete sich ein. «Wir wohnen nicht so weit von der Burgruine entfernt. Johannes ist fasziniert von Rittergeschichten, also auch von der Burg. Er geht oft dorthin.»

«Auch nach Einbruch der Dunkelheit?», fragte Luginbühl. «Mit oder ohne Erlaubnis?»

«Mit meiner Erlaubnis», betonte die Mutter. «Jedenfalls tagsüber. Dass er auch in der Dunkelheit dorthin geht, davon hatte ich keine Ahnung. Vermutlich hätte ich ihn gebeten, es nicht zu tun – jedenfalls nicht alleine. Wie leicht kann man in der Dunkelheit stürzen und liegt dann vielleicht bis zum Morgen hilflos da, bis man gefunden wird.» Sie seufzte. «Aber Kinder sind nun einmal abenteuerlustig, nicht wahr? Als wir in Johannes’ Alter waren, haben unsere Eltern auch nicht alles erfahren, was wir gemacht haben.»

Luginbühl schmunzelte. Eva Bellwald hatte ins Schwarze getroffen. «Mein Vater hätte mir sicher jeden Tag den Hosenboden versohlt, wenn er geahnt hätte, was ich alles für Unfug getrieben habe», gab er zu. Dann wandte er sich wieder an den Jungen. «War deine Mutter zu Hause, als du losgegangen bist? Oder dein Vater?»

«Ich bin geschieden», antwortete Eva Bellwald an Johannes’ Stelle. «Donnerstags muss ich bis neun Uhr abends arbeiten.»

Luginbühl nickte dem Jungen aufmunternd zu. «Dann erzähl mal, Johannes, was du gestern Abend bei der Burgruine erlebt hast.»

* * *

Johannes bog in den Fussweg ein, der von der Forststrasse zur Burgruine abzweigte, und knipste seine Taschenlampe an, um nicht über einen der grossen Steine zu stolpern, die verstreut auf dem Pfad lagen. Es war der Abend des 4. Januar 2001 und schon stockfinster. Nebel war aufgezogen, die Temperatur lag um den Gefrierpunkt. Erste Schneeflocken mischten sich in den Nieselregen.

Das Gemäuer der mittelalterlichen Festung ragte im Dunkeln fast bedrohlich empor. Gerade hatte Johannes den Torbogen des Eingangs erreicht, als er ein unerwartetes Geräusch hörte: den Motor eines heranbrausenden Autos. Er drehte sich um und sah einen Wagen genau dort anhalten, wo der Fussweg zur Burg einmündete. Das war eigenartig, denn nur der Forstdienst, die Feuerwehr oder die Polizei durfte diese Strasse mit ihren Fahrzeugen benutzen.

Fünf Gestalten stiegen aus. Johannes sah mehrere Lichter tanzen, wahrscheinlich von Handlampen.

Was wollten sie hier um diese Zeit?

Johannes war schon mehrmals bei Dunkelheit bei der Burgruine gewesen, und er war stolz darauf, dass er nie Angst gehabt hatte. Aber nun bekam er eine Gänsehaut. Noch bei keinem seiner nächtlichen Streifzüge zur Burg war er auch nur einer Menschenseele begegnet. Auf keinen Fall, entschied er, wollte er von diesen Leuten gesehen werden.

Während er sich vom Eingang entfernte, schirmte er den dünnen Lichtstrahl seiner Taschenlampe mit der Hand ab. Als er die Nische in der Burgmauer gefunden hatte, knipste er sie aus, noch bevor er richtig in sein Versteck hineingeschlüpft und in die Hocke gegangen war. Eigentlich wusste er, dass er hier nicht gesehen werden konnte. Trotzdem hätte er vor Schreck beinahe aufgeschrien, als ein Lichtkegel auf einmal ganz in seiner Nähe vorbeihuschte.

Dass eine der fünf Personen sich anders bewegte als die anderen, hatte er bis dahin nicht wahrgenommen. Doch jetzt fiel der Lichtstrahl voll auf diese Gestalt, und er sah einen Mann, dem die Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren. Die Kapuze war ihm übers Gesicht gezogen und ein Seil um die Hüften geschlungen worden, an dem er vom Vorausgehenden den Weg entlanggezerrt wurde. Derjenige, der hinter ihm ging, stiess ihm immer wieder die Faust in den Rücken oder gab ihm einen Fusstritt. Das Ganze geschah lautlos, und es war das Unheimlichste, was Johannes in seinem Leben je gesehen hatte. Als die Gestalten in der Burg verschwanden, wäre er am liebsten weggelaufen, aber er hatte zu grosse Angst, entdeckt zu werden.

Dann vernahm er leise Stimmen, die von der Plattform hoch oben auf dem Turm zu kommen schienen.

«Ich kann nicht mehr … Hört bitte auf», glaubte er zu verstehen. «Ich bin doch auf eurer Seite … Ich bin kein Verräter …»

Es folgte unverständliches Gemurmel. Dann liessen ein klatschendes Geräusch und ein Schmerzensschrei ihn vor Schreck erstarren. «Hört auf!», flehte die Stimme immer wieder. Dann hörte er nur noch Gewimmer, und schliesslich verstummte die Stimme ganz.

«Werft den Dreckskerl runter», sagte auf einmal eine Männerstimme so laut und deutlich, dass er zusammenfuhr.

Einige Sekunden lang geschah nichts, dann gab es kaum mehr als einen Meter von seiner Nische entfernt einen dumpfen Aufprall auf dem grasbewachsenen Boden. In kurzen Abständen fielen weitere schwere Gegenstände herunter, Brecheisen, nahm er an, als einer davon ein paar Meter neben seinem Kopf scheppernd an die Mauer schlug. Der Scheinwerfer einer starken Spotlampe strich über den Boden, blieb an dem ersten heruntergeworfenen Gegenstand hängen, tastete seine Konturen von unten bis oben ab – und Johannes blickte plötzlich in das Gesicht eines Toten. Grosse, leere Augen starrten in den finsteren Himmel. Diesmal war er nicht imstande, einen Entsetzensschrei zu unterdrücken.

«Verdammt, da unten ist jemand!», hörte er von oben, und einen Moment lang fühlte er sich wie gelähmt. Gleich würden die Mörder kommen und auch ihn umbringen! Erst als er Schritte auf der Wendeltreppe im Turminneren hörte, löste sich seine Erstarrung. Johannes sprang auf und begann zu laufen, wie er noch nie in seinem Leben gelaufen war. Keuchend blickte er sich um, als er die Strasse erreicht hatte, und sah das Licht der Taschenlampen, mit denen sie die Gegend nach ihm absuchten.

«Dort drüben ist er!», hörte er eine Stimme.

Johannes rannte weiter, doch dann musste er einsehen, dass er keine Chance hatte, seinen Verfolgern auf der Strasse zu entkommen. Mit dem Auto würden sie ihn in null Komma nichts eingeholt haben. Wenn überhaupt, dann war er im Unterholz des angrenzenden Walds vor ihnen sicher. Dort konnten ihn die Lichtstrahlen und ganz besonders das Auto nicht erreichen. Er war nicht weit von der Pforte des Naturreservates entfernt, und dort kannte er sich gut aus. Man musste sich in Acht nehmen wegen der Sümpfe, aber das schien ihm eher ein Vorteil zu sein, denn er wusste sicherlich besser als seine Verfolger, an welchen Stellen man besonders aufpassen musste.

Wie gerne hätte Johannes seine Taschenlampe angeschaltet, doch damit hätte er seinen Vorteil gegenüber den Verfolgern verschenkt. So erwies sich in der Dunkelheit auch für ihn jeder Schritt als tückisch. Stolpernd und zerkratzt schlug er sich durchs Unterholz, bis er am Rande des kleinen schilfumstandenen Weihers auf der nördlichen Seite angekommen war. Dort versteckte er sich, keuchend vor Anstrengung, hinter einem grossen Baumstrunk und spähte nach seinen Verfolgern aus.

Sie waren an der Weggabelung vor dem Eingang zum Reservat unschlüssig stehen geblieben und beratschlagten sich im Flüsterton. Schliesslich entfernte sich einer Richtung Golfplatz, zwei weitere suchten das Waldstück zum Schiffskanal hin ab. Der Vierte betrat den Pfad zum Naturpark, leuchtete mit seiner starken Lampe in die Sümpfe links und rechts des Weges.

Auf einmal traf Johannes der Lichtkegel. In panischer Angst sprang er auf und rannte los. Der Mann setzte ihm nach, doch dann verhedderte er sich offenbar im am Boden liegenden Geäst oder sank in den sumpfigen Boden ein, denn er folgte Johannes nicht sofort weiter.

«Kommt hierher!», hörte Johannes ihn rufen, während er um sein Leben lief und das alptraumhafte Gefühl hatte, viel zu langsam vorwärtszukommen. Immer wieder musste er den Sümpfen ausweichen. Die Männer aber, die ihn jetzt gemeinsam verfolgten, waren noch langsamer. Unablässig versuchten sie, zum Schilf vorzudringen, doch sie mussten sich stets nach wenigen Schritten wieder auf festen Boden zurückziehen. Von Zeit zu Zeit traf ihn der Lichtkegel der Handlampen durch das im Winter stark gelichtete Unterholz und Schilf, deshalb gelang es ihm nicht, seine Verfolger abzuschütteln. Dafür war er jetzt schon ganz in der Nähe des Gasthauses «Neuhaus» angelangt, dessen Fenster hell erleuchtet waren.

Plötzlich war von der Strasse her ein Motorengeräusch zu hören. «Bert, setz du dem Kerl allein weiter nach!», hörte Johannes. «Wir müssen sofort zum Auto zurück.»

Er schöpfte neue Hoffnung. Jetzt nur noch das Strandhotel «Neuhaus» erreichen. Noch hundert Meter über das offene Feld, und er war in Sicherheit! Als er aber zum Spurt ansetzte, fand er sich auf einmal im Strahl der Leuchte seines Verfolgers wieder. Im grellen Lichtschein stolperte er, fiel hin und rappelte sich wieder auf. Der Abstand zwischen Jäger und Gejagtem war nun auf wenige Meter zusammengeschmolzen.

Als Johannes sich dem Haus näherte, begann er laut um Hilfe zu rufen, um jemanden auf sich aufmerksam zu machen. Aber im Haus rührte sich nichts. Hätte er doch alle seine Kraft lieber eingesetzt, um seinen Vorsprung vor seinem Verfolger nicht kleiner werden zu lassen! Denn als er die seeseitige Hausecke gerade erreicht hatte, spürte er, wie eine Hand seinen Ärmel packte. Johannes schrie vor Angst wie am Spiess.

Und da ging – endlich – doch noch die Tür auf, ein heller Lichtschein drang heraus, und Johannes sah eine Serviererin am Eingang zum erleuchteten Speisesaal stehen. Hinter sich hörte er einen Fluch, der Ärmel wurde losgelassen, und sein Verfolger suchte das Weite.

* * *

Es hatte geraume Zeit gedauert, bis es der Kellnerin gelungen war, dem zitternden und schluchzenden Jungen seinen Namen und seine Telefonnummer zu entlocken und seine Mutter zu verständigen.

«Ich bin dann gleich mit dem nächsten Bus hingefahren», erklärte Eva Bellwald. «Ich hatte mir schon grosse Sorgen gemacht, weil der Junge nicht daheim war. Sonst ist er immer so zuverlässig, deshalb wusste ich gleich, dass etwas passiert war.» Tränen traten ihr in die Augen. «Sie können sich gar nicht vorstellen, wie bittere Vorwürfe ich mir mache, dass ich meinen Jungen so oft sich selbst überlassen muss! Aber ich kann mir meine Arbeitszeiten nun mal nicht aussuchen.»

Luginbühl überlegte kurz, ob sich der Junge die Sache vielleicht doch nur ausgedacht hatte. Kinder taten die merkwürdigsten Dinge, um mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Das nicht selten auf Kosten der Wahrheit. Aber sein kriminalistischer Instinkt sagte ihm deutlich, dass etwas an der Sache dran war. Und so oder so: Ein Team musste in jedem Fall zur Burgruine geschickt werden, um zu überprüfen, ob es dort Spuren gab. Wenn dem so war, stellte sich die Frage, ob dort wirklich jemand ums Leben gekommen war oder ob sich vielleicht nur irgendwelche Jugendlichen einen makabren Scherz erlaubt hatten.

Es gab unter Interlakens jungen Leuten aber schon den einen oder anderen, dem Luginbühl einen Mord zugetraut hätte.

«Erkannt hast du aber niemanden, den du anderswo schon einmal gesehen hast, Johannes?», vergewisserte er sich, und als der Junge den Kopf schüttelte, fragte er weiter: «Kannst du die Männer denn beschreiben? – Es waren doch Männer? Oder kann auch eine Frau dabei gewesen sein?»

Johannes schüttelte wieder den Kopf. Nein, es seien alles Männer gewesen. Aber es sei viel zu dunkel gewesen, um sie genau zu erkennen.

«Waren sie alle gleich gross?», fragte Luginbühl weiter.

«Nein, einer war ein ganzes Stück grösser als die anderen …» Johannes zögerte kurz, dann fügte er hinzu: «Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, er hatte eine Glatze.»

Luginbühl hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr richtig Luft zu bekommen. Vor seinen Augen verschwamm es.

«Ist alles in Ordnung mit Ihnen?», hörte er Eva Bellwalds Stimme wie aus weiter Ferne. Das half ihm, sich zusammenzureissen. Tief einatmen!, wies er sich selbst an. Und dann ausatmen. Langsam wurde sein Blick wieder klar, und er lächelte, wenn auch noch etwas gequält.

«Keine Sorge, mir geht’s gut», sagte er, dann wandte er sich wieder Johannes zu. «Da hast du ein sehr gefährliches Erlebnis gehabt. Und trotzdem hast du sehr genau beobachtet, so wie ein guter Polizist das auch gemacht hätte. Vielleicht gehst du ja einmal zur Polizei, wenn du erwachsen bist? Solche gescheiten Jungen wie dich könnten wir hier schon gebrauchen.»

Johannes wirkte auf einmal mehr stolz als ängstlich.

«Du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben. Wir von der Polizei werden uns um alles kümmern», fuhr Luginbühl fort. «Wenn wir diese Männer finden, dann kommen sie ins Gefängnis. Dürfen wir in den nächsten Tagen zu dir kommen und dir noch ein paar Fragen stellen, falls wir noch etwas von dir wissen möchten?»

Johannes warf seiner Mutter einen Blick zu; als sie ihr Einverständnis gab, nickte er.

Luginbühl begleitete die beiden hinaus, verabschiedete sich von ihnen, dann begab er sich zurück in sein Büro. Nach einem Blick auf die Uhr seufzte er und begann, seinen Schreibtisch aufzuräumen. Fast eine Stunde zu spät würde er heute zum Nachtessen kommen. Auch wenn seine Frau ihm so etwas nicht übel nahm, er musste für heute unbedingt Schluss machen.

Eigentlich hätte er am liebsten auf der Stelle den Postenchef über diese Sache informiert, auch wenn er ihn damit nach seinem Feierabend stören musste. Aber nach einigem Nachdenken musste er einsehen, dass das nicht klug gewesen wäre. War Adolf Imobstgarten diesmal wirklich in einen Mord verwickelt, oder fing er vielleicht nur wieder an, sich in etwas hineinzusteigern? Sah er in dieser Geschichte Dinge, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden waren? In den letzten Jahren war ihm das schon mehr als einmal passiert.

Er war lange in ärztlicher Behandlung gewesen, weil Imobstgarten für ihn zeitweise zu einer Art fixer Idee geworden war. Luginbühl wollte die letzten drei Wochen seines Arbeitslebens am Schreibtisch verbringen, nicht in ärztlicher Behandlung, also durfte er jetzt keinesfalls überstürzt vorgehen. Am besten, entschied er, gehe ich erst einmal selbst zur Weissenau und schaue mich dort um. Gleich morgen, sobald es hell geworden ist. Erst wenn ich sicher bin, dass es dort wirklich etwas zu untersuchen gibt, verständige ich den Chef.

Luginbühl verstaute das Bandgerät in der Schublade und schloss sie ab, so wie er es immer tat, nachdem er es benutzt hatte. Das Protokoll konnte warten, seine Frau nicht mehr.

Als Luginbühl mit seiner Frau am Esstisch sass, begann ihm auf einmal wieder alles vor den Augen zu verschwimmen.

«Beni, was hast du?», fragte seine Frau besorgt.

Er antwortete noch: «Ich weiss auch nicht … Alles dreht sich …», dann fiel er vom Taburettli.

Knapp zehn Minuten später raste die Ambulanz mit Benjamin Luginbühl in Richtung Bezirksspital; von dort wurde er mit dem Helikopter weitertransportiert. Er hatte eine Hirnblutung erlitten, die man nur in der «Insel», dem Berner Universitätsspital, stillen konnte.

Interlaken, April 1998

Bruno Tadic und Dölf Imobstgarten begegneten einander in einer Disco in Interlaken. Es war purer Zufall: Dölf, eigentlich Adolf, Imobstgarten hatte zuvor noch nie eine Disco besucht. Und er wäre auch diesmal nicht hingegangen, hätte ihn nicht ein Arbeitskollege dazu überredet. Seine Eltern hatten ihm immer erzählt, dass in Discos Drogen konsumiert würden und dort Schwule verkehrten. Aber alle seine Arbeitskollegen waren schon einmal in einer Disco gewesen, und Imobstgarten wollte nicht anders sein als die anderen. Also ging er eben hin.

Die Musik dort gefiel ihm nicht. Die Mädchen dagegen schon. Man konnte da einfach herumzucken, plötzlich stand man neben einem Mädchen, das lachte einen an und kam so nahe, dass es einen berührte. Man wurde von ihm berührt und musste es nicht selbst tun. Denn dazu hätte sich Imobstgarten niemals durchringen können. Auch dazu hatten seine Eltern eine sehr bestimmte Einstellung.

Imobstgartens Eltern waren gläubig und gehörten einer Freikirche an – keiner Sekte im engeren Sinne, sondern einer Glaubensgemeinschaft, die auch den Besuch der Landeskirche zuliess. Man war einfach noch eine Spur frömmer als die gewöhnlichen Mitglieder der offiziellen evangelisch-reformierten Kirche. Zu jeder Mahlzeit wurde ein Gebet gesprochen und mindestens einmal pro Woche in der Bibel gelesen. Man war überzeugt davon, dass die Erde nicht älter als sechstausend Jahre war und dass Gott sie in sechs Tagen erschaffen hatte.

Es gab viele Familien dieser Art auf dem Bödeli, wo man von Haus aus sehr konservativ war. Man schätzte Veränderungen nicht, war Neuerungen gegenüber misstrauisch, und zugezogene Nachbarn galten noch nach zwanzig oder dreissig Jahren als «fremde Fötzel».

Die Imobstgartens waren nicht arm, aber auch nicht reich. Der Vater, Abraham Imobstgarten, arbeitete auf dem Flugplatz, wo er für die Ordnung auf den Liegenschaften zuständig war. Der Flugplatz gehörte dem Militär, also der Eidgenossenschaft. Imobstgarten senior hatte damit eine sichere Stelle.

Sicherheit und Ordnung, das stand in der Familie Imobstgarten nach dem Glauben gleich an zweiter Stelle. Politik war kein grosses Thema. Man setzte sich für den Erhalt der Schweizer Armee ein und kämpfte gegen fremde Einflüsse, die als verderblich angesehen wurden. Abraham Imobstgarten wählte die Partei der Eidgenössischen Christen. Nur er. Die Mutter, Sarah, nicht. Politik blieb bei den Imobstgartens Männersache. Auch das war auf dem Bödeli nicht unüblich.

An diesem Abend in der Disco hatte Dölf Imobstgarten ein Mädchen besonders im Auge und arbeitete sich ungelenk in ihre Nähe. Tanzen war für ihn völlig ungewohnt, und irgendwie schaffte er es nicht, seine Bewegungen auf den Takt der Musik abzustimmen – er schaffte es so wenig, dass es nicht nur anderen, sondern auch ihm selbst auffiel. Aber er war gross und stattlich, das machte wohl einiges wieder gut, denn das Mädchen rief ihm etwas zu und lachte freundlich. Erst verstand er nichts, weil es so laut war, dann zog sie ihn zu sich heran und rief es ihm noch einmal laut ins Ohr:

«Wenn du mir an der Bar etwas zu trinken spendierst, erkläre ich dir, wie du tanzen musst!»

Imobstgarten folgte ihr und rückte den Barhocker so zurecht, dass er möglichst nahe bei ihr sitzen konnte. Sonst höre ich ja nichts bei der lauten Musik, dachte er. Die Musik war aber so laut, dass er trotzdem wenig von dem verstand, was das Mädchen zu ihm sagte. Als sie wieder auf den Tanzboden gingen, tanzte Imobstgarten nicht besser als vorher. Das hätte er durchaus verkraftet, denn das Mädchen schien es nicht zu stören. Doch plötzlich tauchte ein anderer Junge auf, und der war nicht nur einige Zentimeter grösser als er, sondern er tanzte auch viel besser. Das gefiel dem Mädchen. Sie liess sich von dem anderen umarmen und hatte plötzlich kein Interesse mehr an ihm.

Imobstgarten fühlte sich wie jemand, den man um seinen Besitz gebracht hatte.

«Du frecher Siech, was bildest du dir eigentlich ein?», schrie er und riss seinen Rivalen am Ärmel.

Der lächelte nur überlegen und wandte sich ab. Das brachte Imobstgarten noch mehr in Rage. Doch als er den Fremden erneut zu sich herumreissen wollte, um ihm noch deutlicher die Meinung zu sagen, waren schon zwei Saalordner zur Stelle und fassten ihn unsanft an den Armen. «So, jetzt raus, aber subito. Wir wollen keine Schlägerei hier drinnen.» Sekunden später lag er auf dem Trottoir vor der Disco.

Am folgenden Tag erkundigte sich Imobstgarten bei seinen Kollegen nach dem Namen desjenigen, der ihm in der Disco sein Mädchen ausgespannt hatte.

«Tadic, Tadic Bruno heisst der Typ. Ein Scheiss-Jugo. Er geht ins Gymnasium», bekam er zur Antwort. Die Wut, die Imobstgarten ohnehin schon verspürt hatte, wurde noch gesteigert. Leute mit der Namensendung ‹ic›, das war ihm daheim vermittelt worden, waren minderwertige Menschen, die nur für niedrigere Beschäftigungen taugten und den Einheimischen zuzudienen hatten. So einer hatte nicht nur die Finger von den hiesigen Mädchen zu lassen. Auch auf dem Gymnasium hatte er nichts zu suchen.

Beim Mittagessen im Familienkreis schnitt er das Thema an – allerdings sagte er nichts davon, dass er am Vortag in einer Disco gewesen war, und auch das Mädchen erwähnte er nicht. Ein Jugo habe ihn auf der Strasse angerempelt, behauptete er.

Der Vater reagierte empört. «Ich hoffe, du hast dir das nicht bieten lassen. Der liebe Gott hat dir nicht umsonst eine so beachtliche Körpergrösse und kräftige Muskeln geschenkt.»

Die Mutter hatte dagegen Bedenken und zitierte den Bibelspruch: «‹Wenn dich einer auf die linke Backe schlägt, dann halt ihm auch die andere hin›, hat Jesus gesagt.»

«Das verstehst du nicht, Frau», widersprach der Vater. «Mit solchen Worten leitest du nur Wasser auf die Mühlen der Pazifisten und Kommunisten. Was wir zurzeit hier erleben, ist eine Art Krieg. Diese fremden Strolche machen unser Land kaputt. Wir haben die göttliche Pflicht, uns dagegen zu wehren. In der Bibel gibt es auch gerechte Kriege. Gott hat auf diese Weise ganze Völker vernichtet. Wenn wir auf deine Ratschläge hören würden, könnten wir unsere Armee glatt abschaffen. Dann hätte ich keine Arbeit mehr, und wir würden armengenössig.»

Sarah Imobstgarten widersprach nicht, denn die Stimme ihres Mannes war immer zorniger geworden. Wenn er sich in seine Wut hineinsteigerte, wusste sie, dass Schweigen angezeigt war; andernfalls bestand die Gefahr, dass er zuschlug. Vor Jahren hatte sie sich einmal einem Autokauf widersetzt und sich danach fast einen Monat lang wegen ihres verunstalteten Gesichts nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen können. Seitdem war ihre Nase leicht abgewinkelt. Das komme von einem Treppensturz, redete sie sich heraus, wenn sie darauf angesprochen wurde.

Aber das war lange her. Inzwischen war sie vorsichtiger geworden und reizte ihren Mann nicht mehr ohne Not. Die Wahrheit nicht auszusprechen kostete sie aber jedes Mal Beherrschung, denn ihr kam dann unweigerlich immer das Gebot «Du sollst nicht lügen» in den Sinn. Doch etwas anderes zählte noch mehr: «‹Die Frau ist dem Manne untertan›, so steht es schwarz auf weiss im Heiligen Buch», pflegte ihr Mann immer und immer wieder zu sagen. Das war unzweifelhaft wahr, denn sie hatte es selbst in der Bibel gelesen. Also war dieses Gebot wohl dem anderen, «Du sollst nicht lügen», übergeordnet? Sie hätte das gerne genauer gewusst, aber sie wagte es nicht, danach zu fragen.

* * *

Bruno Tadic vergass den Zusammenstoss in der Disco rasch wieder, aber für Imobstgarten war es ein Ereignis, das sein Leben in eine neue Richtung lenkte. Was ihm widerfahren war, empfand er als eine derart unerträgliche Demütigung, dass er Tag und Nacht daran denken musste. Wochenlang schlief er schlecht, und manchmal hätte er am liebsten einfach sein Sturmgewehr genommen – oder eine der anderen Schusswaffen aus seiner kleinen, aber liebevoll gepflegten Sammlung – und seinen «Feind» kurzerhand über den Haufen geschossen. Aber dann wäre er ins Gefängnis gekommen. Das wollte Imobstgarten dann auch wieder nicht.

Wenn er mit einem Arbeitskollegen, einem Nachbarn oder einem Bekannten ins Gespräch kam, lenkte er es schon nach den ersten Sätzen auf die Frechheiten, die sich Ausländer erlaubten. Was er dabei erlebte, war für Imobstgarten eine ganz neue Erfahrung. Sonst interessierte sich nie jemand für das, was er sagte, aber bei diesem Thema fand er fast überall offene Ohren. Beinahe jeder wusste eigene Erlebnisse zu berichten oder ihm allgemeine Gründe zu nennen, warum und in welcher Weise Fremde wie dieser Tadic dem Vaterland Schaden zufügten. Imobstgarten vernahm dabei manches, was ihm nicht nur neu war, sondern auch interessant vorkam. Er kaufte deshalb ein kleines Wachstuchheft, das er von da an immer bei sich trug. Nach jedem Gespräch machte er sich darin Notizen: Name, Zeit und Inhalt. Aber auch wenn ihm eine fremde Person im Quartier auffiel, schrieb er es auf. Meist waren es Touristen, in einigen Fällen aber Neuzuzüger, die im Städtchen eine Wohnung mieteten. Er scheute sich dann nicht, diesen Leuten bis in die Hauseingänge zu folgen. Vom Türschild oder Briefkasten schrieb er die Namen ab. Häufig klangen sie fremdländisch. Das Wachstuchheft aber behielt er für sich, es war sein Geheimnis. Niemand, nicht einmal seine Familie und seine engsten Freunde, erfuhr je etwas davon.

Schon von Haus aus hatte Imobstgarten Respekt vor der Rechtsordnung. Die Gesetze durfte man nicht brechen, Polizei und Militär mussten darüber wachen, das hatte ihm sein Vater eingebläut. Was für eine schwere Aufgabe die Polizei hatte in einem Land, in dem sich fremde Gesetzesbrecher immer mehr breitmachten! Einer von denen zu sein, die die Einhaltung der Rechtsordnung überwachten und diejenigen ihrer gerechten Strafe zuführten, die sie nicht einhielten, diese Vorstellung gefiel ihm. Sie gefiel ihm sogar noch besser, wenn er sich vorstellte, es wäre Tadic, den er einer Missetat überführte. So setzte er sich mit dem Gedanken auseinander, in den Polizeidienst einzutreten. Als er diese Idee seinem Vater gegenüber äusserte, war dieser hell begeistert und bot ihm seine Hilfe an.

Aus den Bewerbungsunterlagen erfuhr er, man müsse militärdiensttauglich sein, eine Berufslehre abgeschlossen oder die Maturaprüfung bestanden und das zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben. Diese Voraussetzungen erfüllte Imobstgarten. Doch das allein reichte nicht aus: Er musste auch noch eine Prüfung bestehen. Imobstgarten füllte das Anmeldeformular aus. Einen Monat später wurde er zur Aufnahmeprüfung nach Bern aufgeboten.

Als er im Zug zurück nach Interlaken sass, war er davon überzeugt, bestanden zu haben. Am besten war es im sportlichen Teil gelaufen. Mit der Schriftsprache hatte er zwar etwas Mühe gehabt, aber im Rechnen, glaubte er, war er schon zurechtgekommen. Dann hatte es noch einen Psychotest gegeben. Darunter hatte er sich nichts vorstellen können. Aber den Äusserungen seiner Mitkandidaten hatte er entnommen, dass diese Psychologie sowieso ein Seich sei und nicht ernst genommen würde.

Einige Wochen später lag ein Kuvert der Polizeidirektion des Kantons Bern im Postkasten. Die Mutter legte es in den Korb, aus dem immer vor dem Mittagessen der Vater vor der versammelten Familie Briefe und Pakete herausnahm und öffnete. Auch solche, die an die Mutter gerichtet waren oder an Dölf. Imobstgarten senior nahm das Kuvert und schien schon, bevor er den Brief öffnete, zu ahnen, was im Schreiben der Polizeidirektion stand. Beim Lesen legte sich seine Stirn erst in tiefe Falten, dann verzog sich sein Gesicht zu einem spöttischen, gemeinen Grinsen. Er schaute die Mutter an.

«Ich hab es schon immer gesagt, der Dölf hat deine Dummheit geerbt. Er wird Maler bleiben und sein Leben lang krampfen müssen.»

Imobstgarten war am Boden zerstört, denn einen Grund für die Ablehnung, die in dem Brief nicht erklärt worden war, konnte er sich nicht vorstellen. Da war etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen! Ob das vielleicht doch etwas mit diesem Psychotest zu tun hatte? Er musste an die Worte von Traugott Frank denken, dem Führer der Rütlipartei: «In den staatlichen Verwaltungen haben sich die Linken und die Gutmenschen eingenistet. Die classe politique verhöhnt das Volk. Sie treibt Schindluderei mit unserem Kulturgut.»

Was mit Kulturgut gemeint war, wusste Imobstgarten nicht so recht. Und unter classe politique konnte er sich überhaupt nichts vorstellen, obwohl man das in letzter Zeit immer wieder hörte. Aber er fühlte sich in der Tat verhöhnt durch diese Zurückweisung seines aufrichtig gemeinten guten Willens, das Vaterland zu schützen. Dass jemand anders als die Linken und Gutmenschen, die nun offenbar auch die Polizei erobert hatten, für diese Ablehnung verantwortlich sein konnte, war ihm unvorstellbar.

Imobstgartens bisheriges Vertrauen in die staatlichen Institutionen schlug in heftige Zweifel um. Als er dies seinem Vater anvertraute, stiess er damit nicht nur auf Unverständnis, sondern auf blanke Wut, sodass nun auch Vater und Sohn hintereinandergerieten. Zwischen ihnen entwickelte sich ein so tiefes Zerwürfnis, dass es bald in eine offene Fehde umschlug. Dölf zog schliesslich weg von zu Hause in Unterseen und mietete in Matten eine billige Zweizimmerwohnung.

Daheim hatte er es nicht gewagt, sich eine Glatze zu scheren, denn sein Vater hätte das nicht geduldet. Jetzt aber wohnte er alleine und brauchte sich nicht mehr um das zu kümmern, was sein Vater wollte. Seine Freunde bewunderten ihn dafür. Die meisten von ihnen waren ungefähr Gleichaltrige aus der Nachbarschaft seiner Eltern in Unterseen und wohnten noch daheim. Die Zahl der «Skinheads» unter ihnen wurde dennoch bald grösser.

Selbstzweifel wegen der erfolglosen Bewerbung an der Polizeischule kamen bei Dölf nicht auf. Es waren die Linken und Gutmenschen, denen er diese Niederlage zu verdanken hatte. Und weil das so war, lag in der Gesellschaft wohl noch viel mehr im Argen, als er zuvor geglaubt hatte, und eine Veränderung war umso nötiger. Die Schweiz wurde von innen durch eine Unzahl von zuströmenden Fremden bedroht und von aussen durch die EU und die UNO, die nur darauf lauerten, die Schweiz aufzusaugen und ihr die jahrhundertelang bewahrte Eigenständigkeit zu nehmen. Das Vaterland musste gerettet werden! Aber wie? So genau wusste Imobstgarten das nicht zu sagen. Vage hatte er aber das Gefühl, dass Geld nötig wäre, um ein solches Ziel zu erreichen. Das machte ihm schwere Sorgen, denn sein Verdienst als Maler war gerade ausreichend, um davon zu leben. Der einzige Luxus, den er sich leistete, war, zuweilen seine Waffensammlung um das eine oder andere Exemplar zu vergrössern. Darauf verzichten mochte er nicht – und ausserdem: Waren es nicht gerade Waffen, die vermutlich besonders nötig sein würden, wenn es einmal anzutreten galt, das Vaterland zu retten?

So kam er auf den Gedanken, durch den Handel mit Drogen zusätzliches Geld zu verdienen. Das war zwar unschön und zudem verboten. Dennoch sah er darin eine Art Kavaliersdelikt; einige aus seinem Bekanntenkreis verdienten so reichlich Geld. Kein Problem, sofern man nicht selber Rauschmittel konsumierte und süchtig wurde, redete er sich ein. Das Geld, das er auf diese Weise verdiente, wollte er sparen, um es bei gegebener Zeit für den richtigen Zweck einzusetzen.

* * *

Benjamin Luginbühl war schon sehr lange Polizist. Im Städtchen Unterseen kannte er jede Hausecke, jedes Gässchen, viele Wohnungen von innen, und er kannte auch die Menschen im Ort, fast alle jedenfalls. Er vermittelte ihnen das Gefühl, bei ihm gut aufgehoben zu sein. Besonders schätzten sie es, dass er auch einen aufmerksamen Blick auf junge Burschen warf, von denen er glaubte, sie könnten auf Abwege geraten.

In den letzten Jahren waren das eindeutig mehr geworden. Einige von ihnen waren Ausländer, die Mühe hatten, mit den Schweizer Gepflogenheiten zurechtzukommen. Luginbühl hatte Verständnis für Menschen aus anderen Kulturkreisen, aber dass sie sich den hiesigen Verhältnissen anpassten, schien ihm eine berechtigte Forderung. Nicht unbedingt in den eigenen vier Wänden, aber auf der Strasse und in den öffentlichen Lokalen. Aber dass einer Drogen konsumierte oder – noch schlimmer – mit ihnen handelte, duldete Luginbühl auf gar keinen Fall. Dabei spielte es keine Rolle, ob derjenige aus dem Ausland stammte oder reinrassiger Schweizer war.

Manche dieser Drogenhändler wurden auf frischer Tat ertappt und verrieten, um die eigene Strafe zu mildern, wer noch alles seine Finger in den unsauberen Geschäften hatte. Auf diese Weise kam Luginbühl einem auf die Spur, an dessen patriotischer Gesinnung niemand zweifeln konnte. Der junge Mann hatte sich sogar am Oberarm einen Wilhelm Tell tätowieren lassen. An der Antenne seines Wagens war eine kleine Schweizerfahne befestigt, das Heck war gepflastert mit Klebern wie «Die Schweiz den Schweizern» oder «Der beste Asylant ist ein toter Asylant».

Diese vaterländischen Parolen änderten nichts daran, dass jener Bursche namens Imobstgarten in den einschlägigen Kreisen dafür bekannt war, am gewerbsmässigen Handel mit Haschisch und Kokain mitbeteiligt zu sein. Um das zu unterbinden, galt es, ein Auge auf ihn zu haben und ihn möglichst in Aktion zu ertappen. Mit einem rechnete Luginbühl allerdings nicht: dass Imobstgarten von einem Komplizen gewarnt worden war, also wusste, wer ihn beschattete und vor allem, warum.

* * *

An einem lauen Juniabend schlenderte Dölf Imobstgarten durch die Marktgasse Richtung Unterseen. Vor dem Bahnübergang bog er gemütlich nach links in die schmale dunkle Aareckstrasse ein. Dort huschte er in eine Nische des grossen Gebäudes auf der linken Seite und erwartete seinen Verfolger.

Als Luginbühl ahnungslos in die Gasse einbog, traf ihn ein Schuss, und er ging zu Boden. Was Imobstgarten, der sich sofort vom Ort des Geschehens zurückzog, jedoch nicht ahnte: Er hatte schlecht gezielt und den Polizisten nur in den Oberschenkel getroffen. Luginbühl nahm über Funk sofort mit seinem Posten Kontakt auf und gab die Daten seines Angreifers durch. Eine Viertelstunde später wurde Imobstgarten verhaftet, und der Gerechtigkeit konnte Genüge getan werden.

Doch es gab keine Gerechtigkeit für Luginbühl, sondern etwas ganz anderes geschah: Im nachfolgenden Gerichtsverfahren, das im Spätherbst stattfand, wurde die patriotische Gesinnung Imobstgartens als strafmildernd gewertet. Man hielt ihm sogar zugute, dass er ehrlich geglaubt habe, für den Kampf wider die Anmache der Ausländer gegenüber Schweizer Mädchen benötige er so dringend finanzielle Mittel, dass seine Drogengeschäfte ihm unausweichlich vorkamen.

Imobstgartens Anwalt verteidigte seinen Mandanten geschickt und verschaffte ihm viel Gelegenheit, sich als naiver, nicht übermässig gescheiter, aber eigentlich nicht bösartiger junger Bursche zu präsentieren, der nun die gebührende Reue zeigte: Leider habe er sich zu einer unüberlegten Handlung hinreissen lassen. Niemals wäre es seine Absicht gewesen, auf einen Polizisten eine Kugel abzufeuern. Seinen Verfolger habe er für einen Jugoslawen gehalten, der ihn bedrohen wollte. Der abgegebene Schuss sei ein Akt reiner Selbstverteidigung gewesen, weil er um sein Leben gefürchtet habe.

«Ich bin der Polizei wohlgesinnt und wünschte sehnlichst, es gäbe viel mehr davon», versicherte er treuherzig.

Dölf Imobstgarten wurde zu einer bedingten Gefängnisstrafe von anderthalb Jahren verurteilt. Für Luginbühl war das ein Schock. Aus seinem Unverständnis über das Gerichtsurteil machte er kein Geheimnis. Auch im Polizeiposten nicht, und dass er gerade dort keine Zustimmung fand, verbitterte ihn umso mehr. Schüsse auf einen Polizisten abzugeben, das war doch ein schweres Vergehen – wer so etwas tat, der gehörte eigentlich für sein halbes Leben ins Zuchthaus!

«Er hat doch nicht gewusst, dass du Polizist bist.»

Diesen Satz, den so viele sagten, konnte Benjamin Luginbühl bald nicht mehr hören. «Und das wäre für euch auch eine Entschuldigung gewesen, wenn er mich totgeschossen hätte?», fragte er dann aufgebracht zurück. Nein, natürlich nicht, antworteten die Kollegen. Aber er war ja nicht totgeschossen worden. Es war doch gar nichts passiert. Na ja, fast gar nichts.

Fast gar nichts! Und was war mit seiner Schussverletzung im Oberschenkel?

Wenn Luginbühl auf die politische Gesinnung Imobstgartens hinwies, auf dessen Hasstiraden gegen Ausländer, vor allem gegen Moslems und Menschen aus dem Balkan, dann stiess er damit auf Gleichgültigkeit.

«Jedes Mal, wenn er auf einen Burschen aus dem Balkan getroffen ist, hat er es auf eine Schlägerei angelegt!», ereiferte sich Luginbühl.

«Schlägereien zwischen Burschen in diesem Alter sind doch normal», wiegelten die Kollegen ab.

Sie wollten einfach nicht begreifen, dass Imobstgarten eine Gefahr für die Gesellschaft war. Luginbühl war überzeugt davon, dass das milde Urteil dazu führen würde, dass er sich im Recht sah, weiterzuhetzen und Unfrieden zu stiften. «Eines Tages begeht er dann wirklich einen Mord! Ihr werdet schon sehen!»

Auch ausserhalb der Polizei schien es niemand sonderlich schlimm zu finden, dass Benjamin Luginbühl im Dienst beinahe erschossen worden und der Täter mit einer Bewährungsstrafe davongekommen war. Das galt zu seinem Verdruss besonders für die lokalen Medien. Dort wurde zwar ausführlich über die Gerichtsverhandlung berichtet, aber auch in diesen Artikeln klang es, als habe der Angeklagte nichts als eine verzeihliche Dummheit begangen. Ein breiter Protest aus der Bevölkerung gegen das milde Urteil blieb aus.

Auf ein anderes Vergehen, das in die gleiche Zeit fiel, reagierten die Leute zu Luginbühls Verbitterung weitaus heftiger: Eine Gruppe von osteuropäischen Roma war verhaftet worden, als sie gerade im Begriff war, in der Garderobe des Schulgebäudes von Bönigen, wo ein Altersnachmittag abgehalten wurde, die Taschen und Mäntel der betagten Gäste zu durchsuchen. Die nachfolgenden Ausgaben der Zeitungen brachten zahlreiche Leserbriefe, die endlich eine Lösung des «Romaproblems» forderten.

Luginbühl schrieb eine kritische Replik darauf, die nur aus den wenigen Worten bestand: «‹Romaproblem›? Vor sechzig, siebzig Jahren jammerte man über das ‹Judenproblem›!» Am nächsten Tag fackelte ihm jemand das Schrebergartenhäuschen ab. Der Brandstifter konnte nie gefasst werden, aber Luginbühl war sicher, dass auch diese Tat auf das Konto Imobstgartens ging.

Dölf Imobstgarten, der nach dem Prozess als reuiger Sünder wieder in den Schoss seiner Familie zurückgekehrt war, wurde zu Benjamin Luginbühls persönlicher Obsession. Wenn eine Schlägerei oder irgendeine Aktion gegen Ausländer gemeldet wurde, dann war ihm nur noch eines wichtig: War Imobstgarten darin verwickelt? Das war aber nie der Fall; der junge Mann verhielt sich in den Wochen nach dem Urteil mustergültig.

Vergeblich suchte Luginbühl nach einer Gelegenheit, ihm etwas nachzuweisen. Dabei ging sein Engagement weit über den normalen Diensteifer hinaus. Er begann, ihm auch in seiner Freizeit nachzustellen, und trieb sich viele Abende beim Haus der Imobstgartens herum. Verliess der junge Imobstgarten dieses, folgte ihm Luginbühl diskret. Meist stellte er fest, dass Imobstgarten mutterseelenallein eine oder zwei Stunden durch die Gassen Untersees und Interlakens spazierte und wieder nach Hause zurückkehrte, ohne jemanden zu treffen. Einige Male läutete er an einer Wohnungstüre in der Nachbarschaft. Ein halbwüchsiger Junge, den Luginbühl schon als Knirps gekannt hatte, öffnete ihm. Auf dem Briefkasten neben der Glocke stand der Name Blaser. Die Blasers gehörten zu der Sorte unbescholtener Bürger, die der Polizei nie auffielen. Hoffentlich verführt dieser Kriminelle den jungen Blaser nicht, dachte Luginbühl düster.

Doch jedes Mitglied der Familie Imobstgarten war aufmerksam. Hinter den Vorhängen bemerkte man dort fast alles, was ums Haus herum vorging. Eines Tages tauchte Vater Imobstgarten im Polizeiposten auf und verlangte den Postenleiter zu sprechen. Die Sekretärin Anna Rieder berichtete, dass Anton Binggeli ihn nach einem längeren Gespräch sehr freundlich verabschiedet und sie dann angewiesen habe, Luginbühl unverzüglich zu ihm zu schicken.

Was sie genau besprochen hatten, wusste sie nicht. «Denkt ihr, ich lausche beim Chef an der Tür?», fragte sie spitz, als der Gefreite Blatter so taktlos war nachzufragen. Aber da Benjamin Luginbühl am Tag danach krankgemeldet und auch nach Wochen nicht wieder aufgetaucht war, machten bald Gerüchte die Runde: Luginbühl, so wurde getuschelt, sei zur Behandlung in eine Nervenklinik eingewiesen worden. Er habe Imobstgarten ständig anonyme Briefe voller Drohungen und Beschimpfungen geschrieben. Andere hatten gehört, dass Vater Imobstgarten ihn nachts dabei ertappt habe, wie er versucht hatte, in sein Haus einzudringen. Wieder andere glaubten zu wissen, dass er die Familie mit nächtlichen Telefonanrufen terrorisiert habe.

* * *

Bruno Tadics Wege hatten sich seit der Begegnung in der Disco nicht mehr mit denen seines Kontrahenten gekreuzt. Dennoch wurde Dölf Imobstgartens Hass gegen ihn immer grösser. Mittlerweile hatte er sogar Erkundigungen über seinen Feind eingeholt. Dabei hatte er erfahren, dass Tadic in Bremgarten bei Bern geboren war und seine Eltern seit vielen Jahren im Besitz des Schweizer Passes waren – und es empörte ihn zutiefst. Die Leute trugen den Namen Tadic, also konnten sie keine richtigen Schweizer sein! Davon war Imobstgarten überzeugt, und viele andere auf dem Bödeli dachten so ähnlich. Sie hielten die Tadics für noch minderwertiger als die «Schwaben», diese arroganten Papierlischweizer, die man auch nicht mochte.

«Sämtliche ics sind Jugos und dafür bekannt, das Schweizer Bürgerrecht durch unlautere Methoden zu erschleichen», sagte Imobstgarten zu jedem, der es hören wollte. Viele waren der gleichen Meinung, und von den anderen widersprach ihm auch fast niemand. Seine Statur und sein glatt rasierter Schädel mahnten zur Vorsicht. Mit einem «Skinhead» legte man sich besser nicht an.

Mit all dem, was er herausgefunden hatte, hätte Imobstgarten sich vielleicht noch abfinden können, obwohl es ihn wurmte, dass Tadic mit einem Meter fünfundneunzig um fünf Zentimeter grösser war als er. Aber dass er das Gymnasium besuchte, war ihm unerträglich. Ein Jugo, der studieren durfte, während er selbst, ein Schweizer mit reinem Stammbaum, sich mit einer Berufslehre als Maler begnügen, hart arbeiten und jeden Rappen umdrehen musste, bevor er ihn ausgeben konnte – das ging seiner Meinung nach zu weit.

Seine Kumpels – manchmal waren es nur drei, manchmal aber mehr als zehn – störten solche Dinge auch. Nicht dass sie grundsätzlich etwas gegen Jugos gehabt hätten. Das versicherten sie immer wieder scheinheilig. Man wollte ja nicht als Rassist dastehen. Viele der Jugos arbeiteten wie Imobstgarten und seine Kumpels auf dem Bau oder in einem Handwerksberuf, und dort herrschten klare Verhältnisse. Der Vorarbeiter, der Polier, der Meister, das waren Schweizer. Und die Handlanger, das waren Jugos, manchmal auch Türken oder Portugiesen. Bei Bruno Tadic aber war zu befürchten, dass er dereinst etwas Besseres würde, Arzt vielleicht, Anwalt oder sogar Architekt.

Tadic als künftiger Architekt, diese Vorstellung war für Imobstgarten eine wahre Katastrophe. Wurde er Architekt, dann musste man eines Tages von ihm Befehle entgegennehmen. Ausserdem würde er natürlich seine Landsleute bevorzugen. Denn Jugo blieb Jugo, auch wenn er ein Schweizer Bürgerrecht ergaunert hatte, da war sich Imobstgarten sicher.

Bruno Tadic wurde für Imobstgarten zur Verkörperung einer mit Händen zu greifenden Gefahr, die dem Vaterland drohte – einer grossen Gefahr sogar. Wollte man nicht riskieren, einmal als Untertan im eigenen Land von diesen Eindringlingen aus dem Balkan geknechtet zu werden, musste man handeln und die Schlimmsten von ihnen jetzt schon aus dem Verkehr ziehen.

«Und diesen Tadic als Allerersten!», forderte Imobstgarten und schlug so kräftig auf den Tisch, dass das Bier in den Gläsern überschwappte. Seine Kumpane grölten zustimmend.

Nicht nur seiner imponierenden Statur wegen war es meist Imobstgarten, der unter ihnen das grosse Wort führte, sondern auch weil er reden konnte wie ein Buch – «Fast wie ein Studierter!», fand der Jüngste in der Runde, Markus Blaser. Vermutlich war es seine unverhohlene Bewunderung für Imobstgarten, die ihm den Platz unter seinen Kumpels verschafft hatte, denn er war einige Jahre jünger als die anderen und noch nicht einmal volljährig. Jedenfalls war Imobstgarten empfänglich genug, um Markus Blasers Heldenverehrung zu geniessen.

Obwohl Handwerker wie alle anderen in seinem Freundeskreis, hatte Imobstgarten unter ihnen nach und nach die Führungsrolle übernommen. Auch seinen Glatzenlook kopierten längst alle. Wenn er befand, Tadic müsse aus dem Verkehr gezogen werden, dann fanden die anderen das auch. Nur wie sollte man das anfangen? Bert Glauser stellte diese praktische Frage. Einfach würde das nicht werden, denn Tadic war nicht nur kräftig, sondern auch eigentlich nie allein.