Mit unendlicher Dankbarkeit den Lesern der Black Dagger und ein Hoch auf die Cellies – Ich fange gar nicht erst mit den Sofas an. So weit kann ich nicht zählen.
Ich danke euch so sehr: Karen Solem, Kara Cesare, Claire Zion, Kara Welsh.
Dank an euch, Dorine und Angie, dass ihr euch so gut um mich kümmert – und ich danke auch S-Byte und Ventrue für alles, was ihr aus der Güte eures Herzens tut!
Und wie immer Dank an meinen Exekutivausschuss: Sue Grafton, Dr. Jessica Andersen, Betsey Vaughan und meinen Partner. Und mit dem größten Respekt an die unvergleichliche Suzanne Brockmann.
DLB – rate mal: deine Mami liebt dich immer noch × × × NTM – wie immer in Liebe und Dankbarkeit. Wie du weißt.
Und ich muss sagen, nichts von all dem wäre möglich ohne:
meinen liebenden Mann, der immer zu mir hält; meine wunderbare Mutter, die für mich da ist, seit … na ja, von Anfang an;
meine Familie (die blutsverwandte wie auch die frei gewählte); und meine liebsten Freunde.
J. R. Ward begann bereits während ihres Studiums mit dem Schreiben. Nach ihrem Hochschulabschluss veröffentlichte sie die BLACK DAGGER-Serie, die in kürzester Zeit die amerikanischen Bestseller-listen eroberte. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihrem Golden Retriever in Kentucky und gilt seit dem überragenden Erfolg der Serie als neuer Star der romantischen Mystery.
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Eine Woche später …
Vishous nahm die heiße Schokolade vom Herd und schaltete die Platte ab. Als er sie in einen Becher goss, hörte er plötzlich ein Jaulen und ein »Ach, du lieber Gott!«
Auf der anderen Seite der Küche sah er Rhage halb in Jane stehen, als wäre sie ein Swimmingpool, in den er gewatet war. Hektisch sprangen die beiden auseinander, als Vishous die Zähne fletschte und seinen Bruder anknurrte.
Rhage hielt beide Hände hoch. »Ich hab sie nicht gesehen! Ehrlich nicht!«
Jane musste lachen. »Es war nicht seine Schuld. Ich hab mich nicht konzentriert, deshalb wurde ich durchsichtig – «
Mit unterschwellig drohendem Tonfall fiel V ihr ins Wort. »Rhage wird in Zukunft besser aufpassen. Nicht wahr, mein Bruder?«
Im Sinne von: Entweder das oder er würde im Streckverband enden.
»Ja, unbedingt. Klar.«
»Schön, dass wir uns einig sind.« Damit nahm V den Becher und trug ihn zu Jane. Während sie darüberblies, küsste er sie auf den Hals. Knabberte ein bisschen an ihr.
Für ihn fühlte sie sich an wie immer, aber für andere war sie zu etwas völlig anderem geworden. Sie trug Kleidung, aber wenn sie nicht darauf achtete, ihre feste Gestalt zu behalten, und jemand mit ihr zusammenstieß, wurden die Klamotten zusammengeknautscht, als wäre nichts darin, und der andere lief im Prinzip durch sie hindurch.
Das war schon etwas seltsam. Dazu kam, dass V ein Bilderbuch-Revier verhalten an den Tag legte, falls das zufällig einem seiner Brüder passierte. Aber da das jetzt nun mal die neue Realität darstellte, mussten sich eben alle damit abfinden. Er und Jane stellten sich auf ihre veränderte Situation ein, was nicht immer leicht war.
Aber wen interessierte das schon? Sie hatten einander.
»Also, gehst du heute ins Refugium?«, fragte er.
»Ja, mein erster Tag im neuen Job. Ich kann’s kaum erwarten! « Janes Augen leuchteten. »Danach komme ich hierher zurück und gebe die Bestellung für meine Klinikausrüstung auf. Ich habe mir überlegt, dass ich zwei Doggen einstellen und zu Krankenschwestern ausbilden werde. Ich glaube, das ist aus Gründen der Sicherheit das Beste …«
Während Jane von ihren Plänen für die Privatklinik der Bruderschaft und Marissas Refugium erzählte, breitete sich ein Lächeln auf Vs Gesicht aus.
»Was denn?«, fragte sie. Sie sah an sich herunter und strich den weißen Kittel glatt, dann sah sie sich um.
»Komm her, Frau.« Er zog sie an sich und senkte den Kopf. »Hab ich dir in letzter Zeit mal gesagt, wie sexy dein Gehirn ist?«
»Heute Nachmittag hast du dich hauptsächlich für andere Körperteile interessiert, also: nein.«
Ihr trockenes Grinsen brachte ihn zum Lachen. »Ich war wohl anderweitig beschäftigt.«
»Könnte gut sein.«
»Ich komme dann später im Refugium vorbei, ja?«
»Gut. Ich glaube, Marissa hatte ein Problem mit dem Netzwerk, bei dem sie deine Hilfe braucht.«
Ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, zog er sie noch fester an sich und umarmte sie einfach nur. Genau das hatte er sich gewünscht, diese Verflechtung ihres Lebens, diese Nähe, diese gemeinsamen Ziele. Sie beide, zusammen.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte sie leise, damit niemand sie hören konnte.
»Ja. Ja, alles gut.« Dann flüsterte er ihr ins Ohr: »Es ist nur … ich bin daran nicht gewöhnt.«
»Woran gewöhnt?«
»An das Gefühl … ach, ich weiß auch nicht.« Er zog den Kopf zurück, völlig entgeistert, dass er so sentimental wurde. »Vergiss es.«
»Du kannst dich nicht an das Gefühl gewöhnen, dass alles in Ordnung ist?«
Er nickte wortlos, weil er seiner Stimme nicht traute.
Zärtlich legte sie ihm die Hand aufs Gesicht. »Du wirst dich schon noch daran gewöhnen. Genau wie ich.«
»Entschuldigt bitte, Sire.«
V warf Fritz einen Seitenblick zu. »Hey, mein Freund, was gibt’s?«
Der Doggen verneigte sich. »Ich habe, worum ihr gebeten hattet. Es ist im Foyer.«
»Ausgezeichnet. Danke.« Er küsste Jane. »Dann sehen wir uns später?«
»Auf jeden Fall.«
Er spürte ihren Blick in seinem Rücken, als er ging, und er mochte das. Er mochte alles. Er …
Tja, was sollte er sagen. Er war einfach bester Dinge.
Draußen in der Eingangshalle fand er, was Fritz für ihn auf dem Tisch am Fuße der großen Freitreppe abgestellt hatte. Anfangs wusste er nicht so recht, wie er das Ding anfassen sollte … er wollte es nicht kaputt machen. Schließlich hielt er es einfach vorsichtig in beiden Händen und ging damit in die Bibliothek. Er verschloss die Türen und sandte eine Anfrage an die Andere Seite.
Ja, sicher, er verstieß gegen die Kleiderordnung, aber andererseits war er auch etwas abgelenkt von dem, was er in der Hand hielt.
Als ihm die Erlaubnis gewährt wurde, dematerialisierte er sich in den Innenhof der Jungfrau der Schrift und wurde von derselben Auserwählten begrüßt, die schon beim letzten Mal hier gewesen war. Amalya wollte sich verneigen, hob aber den Kopf, als sie ein Tschilpen aus seinen hohlen Händen vernahm.
»Was hast du mitgebracht?«, flüsterte sie.
»Ein kleines Geschenk. Nicht viel.« Er ging zu dem weißen Baum mit den weißen Blüten und öffnete die Hände. Der kleine Sittich flog heraus und hockte sich auf einen Ast, als wüsste er, dass das ab jetzt sein Zuhause sein würde.
Fröhlich trippelte der leuchtend gelbe Vogel auf dem blassen Zweig auf und ab, die kleinen Füßchen griffen zu und ließen los, griffen zu, ließen los. Er pickte an einer Blüte, stieß ein Trillern aus … hob ein Bein und kratzte sich am Hals.
V stützte die Hände in die Hüften und überschlug im Kopf, wie viel Platz zwischen all den Blüten auf all den Ästen war. Er müsste eine ganze Wagenladung Vögel herbringen.
Die Stimme der Auserwählten bebte vor Rührung. »Sie hat sie für euch aufgegeben.«
»Ja. Und ich bringe ihr neue.«
»Aber das Opfer – «
»Wurde gebracht. Das hier ist ein Geschenk.« Er blickte sich über die Schulter. »Ich werde ihn mit Piepmätzen füllen, ob sie will oder nicht. Was sie dann damit anstellt, ist ihre Sache.«
Vor Dankbarkeit glänzten die Augen der Auserwählten. »Sie wird sie behalten. Und sie werden sie vor der Einsamkeit bewahren.«
V holte tief Luft. »Das ist gut. Denn …«
Er ließ das Wort in der Luft hängen und die Auserwählte sagte sanft: »Du musste es nicht aussprechen.«
Jetzt räusperte er sich. »Dann sagst du ihr also, dass sie von mir sind?«
»Das muss ich nicht. Wer außer ihrem Sohn würde ihr so eine Freundlichkeit erweisen?«
Noch einmal sah sich V nach dem einzelnen gelben Vogel inmitten des weißen Baums um. Er stellte sich alle Zweige wieder belebt vor.
»Das stimmt«, sagte er.
Ohne ein weiteres Wort dematerialisierte er sich zurück in das Leben, das ihm geschenkt worden war, das Leben, das er führte … das Leben, für das er jetzt, und zwar zum ersten Mal, Dankbarkeit empfand.
Ziemlich verlegen und steif lagen V und Jane nebeneinander auf dem Bett. V grübelte fieberhaft, welcher Film Jane wohl am wirkungsvollsten zum Einschlafen bringen würde. Wie wäre es mit Ishtar? Genau, perfekt. Wahnsinnig langweilig. Endlos lang. Und visuell so fesselnd wie ein Salzstreuer.
»Das ist der größte Müll, den ich seit langem gesehen habe.« Jane musste schon wieder gähnen.
Himmel, sie hatte wirklich einen hübschen Hals.
Als Vs Fänge sich zu verlängern begannen, und er die Vision hatte, eine klassische Dracula-Nummer bei ihr abzuziehen und sich dramatisch über ihren hingestreckten Körper zu beugen, zwang er seinen Blick zurück zu Dustin Hoffman und Warren Beatty, die durch den Sand trotteten. Sein Plan war, Jane durch totale Öde besinnungslos zu machen – damit er sich dann in ihren Kopf wühlen und über sie herfallen konnte.
Er gierte danach, sie an seinem Mund kommen zu spüren, selbst wenn es nur in einem gegenstandslosen Traum wäre.
Während er darauf wartete, dass sie vor lauter Langeweile in den Tiefschlaf fiel, musste er, obwohl das absurd war, beim Anblick der Wüste vor sich auf dem Bildschirm an eine Winterlandschaft denken … und an den Winter seiner Transition.
Es geschah nur wenige Wochen, nachdem der Prätrans in den Fluss gefallen und gestorben war. Schon längere Zeit, bevor die Wandlung tatsächlich einsetzte, war er sich der Veränderungen seines Körpers bewusst geworden: Er wurde von Kopfschmer zen gepeinigt. War unentwegt hungrig, doch wenn er aß, wurde ihm übel. Er konnte nicht schlafen, obwohl er erschöpft war. Das Einzige, was gleich blieb, war seine Aggression. Da es zu den Anforderungen des Lagerlebens gehörte, dass man stets auf einen Kampf vorbereitet sein musste, war seinem Verhalten der verstärkte Jähzorn jedoch nicht anzumerken.
Inmitten eines verheerenden, frühen Schneesturms wurde er in sein erwachsenes männliches Selbst geboren.
Infolge der eisigen Temperaturen waren die steinernen Wände der Höhle von Frost überzogen, die Füße gefroren selbst in pelzgefütterten Stiefeln, die Luft war so kalt, dass der Atem vor dem Mund wie eine Wolke ohne Himmel war. Der Wintereinbruch dauerte an, die Soldaten und die Frauen aus der Küche schliefen in großen Haufen aufeinander, nicht aus Fleischeslust, sondern um ihre Körperwärme miteinander zu teilen.
V wusste, dass ihm die Wandlung bevorstand, denn als er aufwachte, war ihm heiß. Zunächst war ihm die Behaglichkeit der Hitze willkommen, doch in seinem Körper tobte ein Fieber, und ein quälender Hunger schüttelte ihn. Er wand sich auf dem Boden hin und her, hoffte auf Linderung, fand keine.
Nach einer kleinen Ewigkeit durchschnitt die Stimme des Bloodletter seinen Schmerz. »Die Frauenzimmer wollen dich nicht nähren.«
Wie benommen schlug V die Augen auf.
Der Bloodletter kniete sich zu ihm. »Du weißt gewiss, warum.«
Mühsam schluckte V durch seine zusammengeschnürte Kehle. »Nein, das weiß ich nicht.«
»Sie sagen, die Höhlenmalereien hätten von dir Besitz ergriffen. Dass deine Hand den Geistern gehorcht, die in den Wänden eingekerkert sind. Dass dein Auge nicht länger dir selbst gehört.«
Da V keine Antwort gab, fuhr der Bloodletter fort: »Du leugnest es nicht?«
Trotz der Trägheit in seinem Kopf bemühte sich V, die Wirkung der beiden vorstellbaren Entgegnungen abzuwägen. Dann hielt er sich an die Wahrheit, nicht um der Aufrichtigkeit willen, sondern zur Selbsterhaltung. »Ich … leugne es.«
»Leugnest du auch, was sie ansonsten behaupten?«
»Was … sagen … sie?«
»Dass du deinen Kameraden mit deiner bloßen Handfläche am Fluss getötet hast.«
Das war eine Lüge, und die anderen jungen Burschen, die dabei gewesen waren, wussten das sehr wohl, hatten sie doch gesehen, wie der Prätrans aus eigener Schuld gestürzt war. Die Frauen jedoch mussten wohl deshalb dieser Annahme sein, weil V in der Nähe gewesen war, als der Tod eintrat. Denn warum sollten seine Altersgenossen den Wunsch verspüren, einen Beweis für Vs Kraft zu bezeugen?
Oder womöglich war es zu ihrem eigenen Vorteil – wenn V keine Vampirin fände, die ihn nährte, dann würde er sterben. Was für die anderen Prätrans kein Schaden wäre.
»Was sagst du dazu?«, donnerte sein Vater.
Da V den Anschein von Kraft benötigte, murmelte er: »Ich habe ihn getötet.«
Der Bloodletter grinste breit unter seinem Bart. »Das habe ich vermutet. Und für deine Leistung werde ich dir eine Frau gewähren.«
Wahrhaftig, eine Vampirin wurde zu ihm gebracht, und er nährte sich. Die Transition war brutal, sie dauerte lange und laugte ihn aus, und als es vorbei war, ragte er an allen Enden über sein Lager hinaus, seine Arme und Beine kühlten sich auf dem kalten Höhlenboden ab wie das Fleisch eines frisch geschlachteten Tiers.
Obgleich sein Geschlecht sich im Anschluss deutlich gerührt hatte, wollte die Vampirin, die man gezwungen hatte, ihn zu nähren, nichts mit ihm zu tun haben. Sie gab ihm eben genug Blut, um ihm durch den Wandel zu helfen; dann überließ sie ihn seinen knackenden Knochen und den bis zum Zerreißen gedehnten Muskeln. Niemand kümmerte sich um ihn, und in seinem Leid rief er im Geiste nach seiner Mutter, die ihm das Leben geschenkt hatte. Er stellte sich vor, wie sie vor Liebe leuchtend zu ihm kam, über sein Haar strich und ihm tröstende Worte zuflüsterte. In seinem kläglichen Traum nannte sie ihn ihr geliebtes Lewlhen.
Geschenk.
Wie gern wäre er jemandes Geschenk gewesen. Geschenke wurden wertgeschätzt und umsorgt und gehegt. Das Tagebuch des Kriegers Darius war für V ein Geschenk gewesen, auch wenn der Gebende nicht gewusst hatte, dass er damit jemandem eine Freude machte. Und dennoch …
Ein Geschenk.
Als Vs Körper seine Wandlung endlich vollzogen hatte, sank er in tiefen Schlaf. Beim Aufwachen verspürte er Hunger auf Fleisch. Seine Kleidung war ihm durch die Transition vom Körper gerissen worden, also wickelte er sich in ein Fell und lief barfuß zur Kochstelle. So wenig gab es dort: einen Knochen, an dem er nagen konnte, einen Kanten Brot, eine Handvoll Mehl.
Noch leckte er sich das weiße Pulver von der Handfläche, als er seinen Vater hinter sich hörte: Zeit zu kämpfen.
»Woran denkst du?«, fragte Jane. »Du wirkst so angespannt. «
Mit einem Ruck kehrte V zurück in die Gegenwart. Und log aus irgendeinem Grund nicht. »Ich denke an meine Tätowierungen.«
»Wann hast du sie bekommen?«
»Vor fast drei Jahrhunderten.«
Sie pfiff. »Huh, so lange lebt ihr?«
»Noch länger. Vorausgesetzt ich beiße nicht in einem Kampf ins Gras, und ihr bescheuerten Menschen sprengt den Planeten nicht in die Luft, bleibe ich noch weitere siebenhundert Jahre auf den Beinen.«
»Wow. Da erscheint einem die Rentenversicherung in einem völlig neuen Licht.« Sie lehnte sich nach vorn. »Dreh mal den Kopf. Ich möchte mir die Tinte auf deinem Gesicht ansehen.«
Noch mitgenommen von seinen Erinnerungen gehorchte er, weil er nicht klar genug im Kopf war, um ein Gegenargument zu finden. Trotzdem zuckte er zurück, als sie die Hand hob.
Ohne ihn zu berühren ließ Jane die Hand wieder sinken. »Die hast du nicht freiwillig bekommen, oder? Und wahrscheinlich um dieselbe Zeit, als man versucht hat, dich zu kastrieren.«
Innerlich krümmte sich V zusammen, doch er rückte nicht von ihr ab. Die ganze Mitgefühlsnummer war ihm unangenehm, aber Janes Stimme blieb dabei völlig sachlich. Direkt. Also konnte er ebenfalls sachlich und direkt reagieren.
»Ja. Um dieselbe Zeit.«
»Ich rate mal drauflos, dass das Warnungen sind, da du sie auf der Hand, der Schläfe, deinen Oberschenkeln und dem Unterleib trägst. Wahrscheinlich geht es um die Energie in deiner Hand, das zweite Gesicht und das Zeugungsthema. «
Warum wunderte ihn ihre Hyperschlussfolgerung bloß nicht? »Stimmt.«
Ihre Stimme wurde lauter. »Deshalb bist du auch in Panik geraten, als ich gedroht habe, dich zu fixieren. Im Krankenhaus. Sie haben dich damals festgebunden.«
Er räusperte sich.
»Oder, V?«
Scheinbar unbeteiligt nahm er die Fernbedienung in die Hand. »Willst du was anderes sehen?«
Schweigen herrschte, während er die Kanäle wechselte.
»Ich habe mich auf der Beerdigung meiner Schwester übergeben.«
Vs Daumen schwebte regungslos über den Knöpfen, sie blieben bei Das Schweigen der Lämmer hängen. Er wandte ihr den Kopf zu. »Ehrlich?«
»Der peinlichste Augenblick meines Lebens. Und nicht nur wegen des Zeitpunkts. Ich habe über meinen Vater gespuckt. «
Während vor ihm Clarice Starling auf dem Stuhl vor Lecters Zelle Platz nahm, sehnte sich V nach Informationen über Jane. Er wollte alles über ihr Leben erfahren, von der Geburt bis zum heutigen Tag. Und zwar jetzt sofort.
»Erzähl mir davon.«
Jane räusperte sich, als müsste sie sich innerlich stählen, und er konnte die Parallelen zu dem Film nicht ignorieren: Er war das eingesperrte Monster und Jane die Quelle des Guten, die Einzelheiten ihres Lebens preisgab, damit das Monster sie verzehren konnte.
Doch er brauchte dieses Wissen so dringend zum Überleben wie Blut. »Was ist geschehen, Jane?«
»Tja, also … mein Vater war ein großer Anhänger von Haferschleim.«
»Haferschleim?« Als sie nicht fortfuhr, drängte er. »Erzähl weiter.«
Jane verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihre Füße an. Dann sah sie ihm in die Augen. »Nur, dass wir uns hier richtig verstehen: Ich habe nur davon angefangen, damit du dann auch über das sprechen kannst, was dir passiert ist. Eine Hand wäscht die andere. Das ist, als ob man sich gegenseitig seine Narben zeigt. Du weißt schon, die aus dem Sommerlager, wo man aus dem Stockbett gefallen ist. Oder wo man sich an der Konservendose geschnitten hat, oder wo man sich selbst aus Versehen mit einem – « Sie runzelte die Stirn. »Okay, das sind alles keine so tollen Beispiele, wenn man bedenkt, wie schnell bei euch jede Verletzung abheilt. Aber du weißt schon, was ich meine.«
V musste lächeln. »Ja, ich hab’s kapiert.«
»Ich denke eben, das wäre nur gerecht. Wenn ich die Hose runterlasse, dann musst du auch. Einverstanden?«
»Shit …« Andererseits wollte er wirklich mehr über sie erfahren. »Na gut, einverstanden.«
»Also. Mein Vater und der Haferschleim. Er …«
»Jane?«
»Was denn?«
»Ich mag dich. Sehr. Das musste ich schnell loswerden.«
Sie blinzelte ein paar Mal. Dann räusperte sie sich wieder. Mann, diese zarte Röte stand ihr gut.
»Du warst beim Haferschleim.«
»Genau … also … wie gesagt war mein Vater ein großer Befürworter von Haferschleim. Jeden Morgen gab’s das zum Frühstück, selbst im Sommer. Meine Mutter, meine Schwester und ich würgten dieses Zeug für ihn runter, und er erwartete, dass wir unsere Schüsseln leeraßen. Dabei ließ er uns nicht aus den Augen, als würden wir Golf spielen, und er müsste aufpassen, dass wir uns keine falsche Schlaghaltung angewöhnten. Ich schwöre dir, er hat den Winkel bemessen, in dem ich meine Wirbelsäule hielt und den Löffel zum Mund führte. Beim Abendessen hat er immer – « Sie hielt inne. »Ich komme vom Thema ab.«
»Und ich könnte dir stundenlang zuhören, also meinetwegen musst du dich nicht zurückhalten.«
»Tja, aber … es ist wichtig, einen Fokus zu haben.«
»Nur, wenn man ein Mikroskop ist.«
Sie lächelte schwach. »Zurück zum Haferschleim. Meine Schwester starb an meinem Geburtstag, in der Nacht von Freitag auf Samstag. Die Beerdigung wurde in aller Eile organisiert, da mein Vater am darauf folgenden Mittwoch zu einer wissenschaftlichen Präsentation nach Kanada flog. Später fand ich heraus, dass er den Termin für diese Präsentation an dem Tag vereinbart hatte, als Hannah tot in ihrem Bett gefunden wurde – zweifellos, um die Angelegenheit zu beschleunigen. Jedenfalls … am Tag ihrer Beerdigung stand ich morgens auf und fühlte mich schrecklich. Hundeelend. Mir war furchtbar schlecht. Hannah … Hannah war das einzig Reale in einem von oben bis unten sterilen und ordentlichen Haus gewesen. Sie war unordentlich und laut und glücklich und … ich liebte sie so sehr und konnte einfach nicht ertragen, dass man sie unter die Erde bringen wollte. Sie hätte es gehasst, so eingesperrt zu sein. Tja, meine Mutter hatte mir für die Beerdigung so ein durchgeknöpftes Kleid gekauft, natürlich in Schwarz. Das Blöde war nur, dass es mir nicht passte, als ich es an dem Morgen anziehen wollte. Es war zu klein, und ich bekam keine Luft.«
»Was natürlich die Übelkeit noch verschlimmerte.«
»Genau. Vor dem Frühstück musste ich zwar einige Male würgen, aber es kam nichts. Du liebe Güte, ich weiß noch, wie die beiden aussahen. Sie saßen einander gegenüber, ohne sich anzusehen. Mutter sah aus wie eine Porzellanpuppe, die die Qualitätskontrolle nicht ganz bestanden hatte – sie war geschminkt, die Haare frisiert, doch alles war ganz leicht daneben. Der Lippenstift hatte die falsche Farbe, sie hatte das Rouge vergessen, in ihrer Hochsteckfrisur konnte man die Haarnadeln sehen. Vater las die Zeitung, und das Geräusch der umblätternden Seiten war so laut wie ein Pistolenschuss. Keiner von beiden sagte ein Wort zu mir.
Ich saß also auf meinem Stuhl und konnte den Blick nicht von dem leeren Platz mir gegenüber abwenden. Die Schale Haferschleim landet vor mir auf dem Tisch. Marie, unser Dienstmädchen, legte mir die Hand auf die Schulter, als sie die Schüssel vor mir abstellte, und fast wäre ich in Tränen ausgebrochen. Doch dann schnalzte mein Vater mit der Zeitung, als wäre ich ein Hundwelpe, der auf den Teppich gemacht hat, und ich hob den Löffel auf und begann zu essen. Ich quälte mir den Brei herunter, bis ich würgen musste. Und dann fuhren wir los.«
V wollte sie berühren und hätte beinahe die Hand ausgestreckt. Stattdessen aber fragte er nur: »Wie alt warst du damals?«
»Dreizehn. Als wir bei der Kirche ankamen, war sie schon überfüllt, weil jeder in Greenwich meine Eltern kannte. Meine Mutter bemühte sich verzweifelt um Fassung, und mein Vater war steif und ungerührt, insofern war also alles wie gewohnt. Ich weiß noch, dass ich dachte, die beiden wären genau wie immer, mal abgesehen von dem miserablen Make-up meiner Mutter und davon, dass mein Vater die ganze Zeit mit dem Kleingeld in seiner Hosentasche spielte. Was völlig untypisch war. Er hasste Hintergrundgeräusche jeglicher Art, und ich war überrascht, dass das unentwegte Klimpern der Münzen ihn nicht störte. Ich schätze mal, es war deshalb okay, weil er selbst den Lärm kontrollierte. Ich meine, er hätte jederzeit damit aufhören können, wenn er gewollt hätte.«
Als sie stockte und den Blick auf die gegenüberliegende Wand richtete, sehnte sich V danach, in ihren Kopf zu gelangen, er wollte genau sehen, was für Erinnerungen sie gerade neu durchlebte. Doch er tat es nicht – und zwar nicht, weil er sich nicht sicher war, ob es klappen würde. Was sie freiwillig von sich preisgab, war viel kostbarer als alles, was er sich nehmen könnte.
»Erste Reihe«, murmelte sie. »In der Kirche hatte man uns in die erste Reihe gesetzt, direkt vor den Altar. Gott sei Dank lag Hannah in einem geschlossenen Sarg, obwohl ich sie mir wunderschön vorstellte. Sie hatte rötlich blondes Haar, meine kleine Schwester. So wellig und üppig, wie man es von Barbies kennt. Meins war fad und glatt. Egal …«
Flüchtig schoss V der Gedanke durch den Kopf, dass sie diese Geschichte erzählte, als schriebe sie sie auf eine volle Tafel. Nach jedem Abschnitt wischte sie die Kreide wieder weg, um Platz für mehr Erinnerungen zu schaffen.
»Die erste Reihe also. Der Gottesdienst begann mit Orgelmusik. Und die Sache war die: Diese Pfeifen ließen den Boden vibrieren. Warst du schon mal in einer Kirche? Wahrscheinlich nicht. Auf jeden Fall kann man die tiefen Töne spüren, wenn es wirklich laut wird. Natürlich fand der Trauergottesdienst in einem riesigen Bau statt, und die Orgel hatte mehr Pfeifen als Caldwells Kanalisation Rohre. Lieber Himmel, wenn das Ding gespielt wurde, dann kam man sich vor wie in einem Flugzeug beim Start.«
Wieder hielt sie inne und holte tief Luft. V wusste, dass diese Geschichte sie aufwühlte, sie an einen Ort versetzte, an dem sie sich nicht gern oder häufig aufhielt.
Ihre Stimme klang heiser, als sie fortfuhr. »Ungefähr den halben Gottesdienst hatte ich schon überstanden, aber mein Kleid war zu eng, und mein Magen fühlte sich schrecklich an, und dieser verdammte Haferschleim meines Vaters hatte gemeine Wurzeln ausgetrieben und sich an die Innenseite meiner Gedärme geheftet. Und der Priester kam nach vorn an sein Pult, um die Trauerrede zu halten. Er sah aus wie aus dem Bilderbuch, weißes Haar, tiefe Stimme, gekleidet in eine elfenbeinfarbene Robe mit goldenen Säumen. Er war damals der Episkopalbischof von ganz Connecticut, glaube ich. Jedenfalls fing er an, über die Gnade zu schwafeln, die uns im Himmel erwartet, und diesen ganzen Blödsinn von Gott und Jesus und der Kirche. Seine Rede wirkte eher wie ein Werbespot für seinen Verein als ein Gedenken an Hannah.
Da saß ich also und war nicht so ganz bei der Sache, als mein Blick auf die Hände meiner Mutter neben mir fiel. Sie waren fest ineinander verschränkt, die Knöchel schon ganz weiß, als säße sie in der Achterbahn. Dann sah ich nach links und betrachtete die Hände meines Vaters. Seine Handflächen lagen auf seinen Knien, und alle Finger gruben sich ein, außer dem kleinen Finger der rechten Hand. Der klopfte mit einer Art Parkinson’schem Zittern auf den Wollstoff seiner Hose.«
V ahnte schon, worauf das hinauslief. »Und deine«, fragte er leise, »was war mit deinen?«
Jane stieß ein kurzes Schluchzen aus. »Meine … meine lagen ganz still, vollkommen entspannt. Ich fühlte nichts außer diesem Haferschleim im Magen. Du lieber Gott, meine Schwester war tot, und meine Eltern, die doch so gefühllos waren, wie es überhaupt möglich ist, waren betroffen. Und ich? Nichts. Ich weiß noch, dass ich dachte, Hannah hätte bestimmt geweint, wenn ich dort in dem Sarg läge. Sie hätte für mich geweint. Aber ich, ich konnte nicht.
Als also der Priester dann mit seiner Reklame fertig war, wie toll Gott doch sei und was für ein Glück Hannah habe, bei ihm zu sein, und das ganze Blabla, donnerte die Orgel los. Das Vibrieren der Basspfeifen stieg durch den Fußboden hinauf durch die Sitzbank und traf genau die richtige Frequenz. Beziehungsweise die falsche, müsste ich wohl sagen. Ich spuckte den ganzen Haferschleim über meinen Vater. «
Ach, verdammt, dachte V. Er nahm ihre Hand. »Verdammt …«
»Ja. Meine Mutter stand auf, um mich rauszubringen, aber mein Vater wies sie an, zu bleiben. Er ging mit mir zu einer der Küsterinnen und sagte ihr, sie solle mich auf die Toilette bringen, dann ging er selbst in den Waschraum. Ich wurde zehn Minuten lang allein in einer Kabine gelassen, dann kam die Küsterin zurück, steckte mich in ihr Auto und fuhr mich nach Hause. Das Begräbnis habe ich verpasst.« Sie schluckte. »Als meine Eltern wieder zu Hause waren, kam keiner von ihnen, um nach mir sehen, obwohl ich die ganze Zeit darauf wartete, dass jemand ins Zimmer treten würde. Ich hörte sie im Haus herumlaufen, aber schließlich wurde es ganz still. Dann ging ich nach unten, holte mir etwas aus dem Kühlschrank und aß im Stehen, weil es uns nicht gestattet war, Essen mit nach oben zu nehmen. Noch immer weinte ich nicht, obwohl es eine windige Nacht war, was mir normalerweise Angst einjagte, und das Haus dunkel war, und ich das Gefühl hatte, die Beerdigung meiner Schwester ruiniert zu haben.«
»Du standest sicherlich unter Schock.«
»Ja. Komisch … ich machte mir Sorgen, sie könnte frieren. Du weißt schon, eine kalte Herbstnacht. Kalter Boden.« Jane wedelte mit den Händen. »Am nächsten Morgen verschwand mein Vater, noch bevor ich aufstand, und er kam erst zwei Wochen später zurück. Wieder und wieder rief er an und teilte meiner Mutter mit, er werde sich noch mit einem weiteren komplexen Fall irgendwo im Land befassen. In der Zwischenzeit stand Mutter jeden Tag auf und zog sich an und brachte mich zur Schule, aber sie war nicht wirklich anwesend. Die einzigen Themen, über die sie sprach, waren das Wetter und was im Haus oder beim Personal schiefgelaufen war, während ich in der Schule gewesen war. Irgendwann kam mein Vater zurück, und weißt du, woher ich wusste, dass seine Ankunft bevorstand? Hannahs Zimmer. Jeden Abend setzte ich mich in ihr Zimmer zu ihren Sachen. Ich konnte einfach nicht begreifen, warum ihre Kleider und Bücher und Bilder noch da sein konnten, sie aber nicht. Die Gleichung ging einfach nicht auf. Ihr Zimmer war wie ein Auto ohne Motor, alles war an seinem Platz, und trotzdem war alles nur theoretisch damit in Ordnung. Nichts davon würde je wieder benutzt werden.
Am Abend, bevor Vater zurückkam, öffnete ich die Tür zu Hannahs Zimmer und … alles war weg. Mutter hatte alle Regale ausgeräumt und die Tagesdecke ausgetauscht und andere Vorhänge aufgehängt. Der Raum wurde von Hannahs Zimmer zum Gästezimmer. Daher wusste ich, dass mein Vater nach Hause käme.«
V rieb mit dem Daumen über Janes Handrücken. »Ach, Jane …«
»So, das war also mein Geheimnis. Ich habe Haferschleim gekotzt, statt zu weinen.«
Er konnte ihr ansehen, dass sie nervös war und sich wünschte, sie hätte sich das Bekenntnis verkniffen, denn ihm war es bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen er Persönliches erzählt hatte, ebenso ergangen. Immer weiter streichelte er ihre Hand, bis sie ihn ansah. Die Stille dehnte sich aus, und er wusste, worauf sie wartete.
»Ja«, murmelte er. »Sie haben mich festgehalten.«
»Und du warst die ganze Zeit bei Bewusstsein, hab ich Recht?«
Seine Stimme klang jetzt durchdringend. »Ja.«
Sanft berührte sie sein Gesicht, fuhr ihm mit der Hand über die inzwischen stoppelige Wange. »Hast du sie dafür getötet?«
Er hob die Hand mit dem Handschuh. »Die hier hat das übernommen. Ein Leuchten blitzte in meinem gesamten Körper auf. Alle, die ihre Finger auf mir hatten, sind sang-und klanglos umgekippt.«
»Gut.«
Mist … er war so wahnsinnig in sie verliebt. »Du hättest eine gute Kriegerin abgegeben, weißt du das?«
»Ich bin eine. Der Tod ist mein Feind.«
»Das stimmt.« Natürlich, es leuchtete ihm völlig ein, dass er sich an sie gebunden hatte. Sie war eine Kämpferin – wie er. »Dein Skalpell ist dein Dolch.«
»Genau.«
Sie verharrten so, die Hände und die Blicke ineinander verflochten. Bis sie ihm völlig ohne Vorwarnung mit dem Daumen über die Unterlippe strich.
Als er mit einem Zischen die Luft einsog, flüsterte sie: »Ich muss nicht schlafen, weißt du.«
Als John wieder zu Bewusstsein kam, glühte er vor Fieber: Seine Haut stand in Flammen, sein Blut war ein Lavastrom, sein Knochenmark der Ofen, der alles befeuerte. In dem verzweifelten Versuch, sich abzukühlen, rollte er herum und wollte sich die Kleider ausziehen. Nur, dass er weder Hemd noch Hose trug. Nackt wand er sich auf dem Bett.
»Nimm mein Handgelenk.« Die Frauenstimme kam von oben links, und er neigte den Kopf in Richtung des Klanges, Schweiß lief ihm wie Tränen über das Gesicht. Oder vielleicht weinte er?
Tut weh, formten seine Lippen.
»Euer Gnaden, nehmt mein Handgelenk. Die Haut ist schon durchbohrt.«
Etwas wurde an seine Lippen gedrückt und befeuchtete sie mit köstlichem Wein. Instinkte regten sich in ihm wie in einem Tier. Das Feuer war in Wirklichkeit brüllender Hunger, und was ihm dargeboten wurde, war die Nahrung, die er brauchte. Er griff nach dem, was sich als Arm herausstellte, öffnete den Mund weit und trank in gierigen Zügen.
Gütiger … es schmeckte nach Erde und nach Leben, berauschend und mächtig und süchtig machend. Die Welt begann zu kreiseln, eine Pirouette, ein Karussell, ein Whirlpool, endlos. Und er, im Zentrum der Kreisbewegung, schluckte verzweifelt, wissend, dass das, was ihm da durch die Kehle rann, das einzige Gegenmittel gegen das Sterben war.
Das Nähren dauerte Tage und Nächte, ganze Wochen verstrichen. Oder war es nur ein Wimpernschlag? Es erstaunte ihn, dass es überhaupt je aufhörte.
Er löste seine Lippen und schlug die Augen auf.
Layla, die blonde Auserwählte, saß neben ihm auf dem Bett, ihr Gewand war so strahlend weiß wie das Sonnenlicht für seine wunden Augen. Drüben in der Ecke standen Wrath und Beth, die Arme umeinandergeschlungen, mit besorgten Blicken.
Die Wandlung. Seine Wandlung.
Er hob die Hände und fragte mit zittrigen Bewegungen: Ist es das?
Wrath schüttelte den Kopf. »Noch nicht, es kommt.«
Kommt?
»Atme tief durch«, sagte der König. »Du wirst es brauchen. Und vergiss nicht, wir sind hier, okay? Wir lassen dich nicht allein.«
Shit, das stimmte ja. Die Transition bestand aus zwei Phasen. Und die härtere von beiden stand ihm noch bevor. Um sich Mut zu machen, erinnerte er sich daran, dass Blay es geschafft hatte. Genau wie Qhuinn.
Wie alle Brüder.
Wie seine Schwester.
Er sah Beth in die dunkelblauen Augen, und aus dem Nichts flog ihn eine verschwommene Vision an. Er war in einem Club … in einem Goth-Club mit … Tohrment. Nein, er beobachtete Tohr im Gespräch mit jemandem, einem großen Vampir, einem Bruder, dessen Gesicht John nicht erkennen konnte.
Er zog die Brauen zusammen, fragte sich, warum um alles in der Welt sein Gehirn ein solches Bild produzieren sollte. Und dann hörte er den Fremden sprechen:
Sie ist meine Tochter, Tohr.
Sie ist ein Mischling, D. Und du weißt, was Wrath von Menschen hält. Tohrment schüttelte den Kopf. Meine Ur-Urgroßmutter war auch ein Mensch. Und, quatsche ich in seiner Gegenwart darüber? Nein.
Sie sprachen über Beth, richtig? Was bedeutete, dass der Fremde mit den verschwommenen Zügen Johns Vater war. Darius.
John strengte sich an, um das unklare Bild zu schärfen, um wenigstens nur ein einziges Mal das Gesicht seines Vaters zu erkennen. Während Darius die Hand hob, um die Aufmerksamkeit der Kellnerin zu erregen, und danach auf seine leere Bierflasche und Tohrments fast leeres Glas zeigte, betete John um einen deutlichen Blick.
Ich werde nicht noch eines meiner Kinder sterben lassen. Nicht, wenn eine Chance besteht, sie zu retten. Abgesehen davon kann niemand sagen, ob sie überhaupt jemals die Wandlung vollziehen wird. Sie könnte genauso gut ein glückliches Leben als Mensch führen, und nie etwas von dem Erbe erfahren, das ich ihr mitgegeben habe. So was hat es schon gegeben.
Hatte ihr gemeinsamer Vater überhaupt von ihm gewusst? Wahrscheinlich nicht, da John ja an einer Bushaltestelle geboren worden und dann einfach dort auf der Toilette liegengelassen worden war: Ein Mann, der sich so um seine Tochter sorgte, hätte sich auch um einen Sohn gekümmert.
Die Vision verblasste allmählich, und je heftiger sich John bemühte, sie festzuhalten, desto schneller löste sie sich auf. Unmittelbar bevor sie verschwand, warf er einen Blick auf Tohrs Gesicht. Der militärische Haarschnitt, die markanten Züge und die scharfsichtigen Augen versetzten John einen Stich in der Brust. Genau wie die Art und Weise, wie Tohr den Mann ihm gegenüber ansah. Die beiden standen sich nah. Beste Freunde, so schien es.
Wie wunderbar es doch gewesen wäre, dachte John, sie beide in seinem Leben zu haben …
Der Schmerz, der jetzt einsetzte, war von kosmischen Ausmaßen, ein Urknall, der John in Stücke riss und seine Moleküle aus seinem Inneren an die Luft katapultierte. Jeglicher Gedanke, jegliche Vernunft wurden ausgelöscht, und ihm blieb keine andere Wahl, als sich zu unterwerfen. Er öffnete den Mund und schrie ohne einen Laut.
Jane konnte nicht fassen, dass sie einen Vampir anschaute und betete, er möge Sex mit ihr haben. Und doch war sie sich noch nie im Leben einer Sache so sicher gewesen.
»Schließ die Augen«, sagte V.
»Weil du mich küssen wirst?« Bitte, lieber Gott, lass es so sein.
V strich ihr mit der unbedeckten Hand über das Gesicht. Seine Handfläche fühlte sich warm an und roch nach dunklen Gewürzen. »Schlaf, Jane.«
Sie sah ihn unwillig an. »Ich möchte lieber dabei wach bleiben.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»So ist es ungefährlicher.«
»Moment, meinst du, ich könnte schwanger werden?« Und was war mit Geschlechtskrankheiten?
»So etwas kann gelegentlich bei Menschen passieren, aber du hast gerade keinen Eisprung. Das würde ich riechen. Was Geschlechtskrankheiten betrifft: Ich habe keine, und du könntest mich sowieso nicht anstecken, aber darum geht es hier gar nicht. Es ist ungefährlicher, dich zu nehmen, wenn du nicht wach bist.«
»Sagt wer?«
Unruhig, rastlos wälzte er sich auf dem Bett herum. Erregt. »Es kann nur im Schlaf passieren.«
Na super, genau bei ihr musste er den Gentleman rauskehren. Mistkerl.
Jane rutschte von ihm ab und stand auf. »Träume interessieren mich nicht. Wenn du nicht möchtest, dass wir real zusammen sind, dann lassen wir es einfach ganz sein.«
Sie warf ihm einen bösen Blick zu, der zum Teil sexueller Frustration geschuldet war und zum Teil weibliches Selbstbewusstsein ausdrückte. »Ich halte mehr aus, als man mir ansieht. Und offen gestanden geht mir dieser ganze männliche Ich-will-doch-nur-dein-Bestes Blödsinn total auf den Zeiger.«
Mit hoch erhobenem Kinn wandte sie sich ab, dann fiel ihr leider ein, dass sie nirgendwohin konnte. Ganz großer Abgang, Jane.
Wegen absolutem Mangel an Alternativen ging sie ins Badezimmer. Unschlüssig wanderte sie zwischen der Dusche und dem Waschbecken auf und ab, fühlte sich wie ein Löwe im Zwinger –
Ohne jegliche Vorwarnung wurde sie von hinten gepackt, mit dem Gesicht voraus an die Wand gepresst und mit einem stahlharten Körper, der doppelt so groß war wie ihr eigener, festgeklemmt. Erst keuchte sie vor Schreck, dann vor Lust, als sie spürte, wie V sich an ihren Hintern drängte.
»Ich hab es versucht«, knurrte er, vergrub die Hand in ihrem Haar und zerrte ihren Kopf zurück. Als sie aufschrie, wurde sie feucht zwischen den Beinen. »Ich hab versucht, nett zu sein.«
»O … Gott – «
»Beten hilft jetzt auch nichts mehr. Zu spät, Jane.« In seiner Stimme schwang Bedauern mit – und erotischer Stahl. »Du hattest die Chance, es zu deinen eigenen Bedingungen zu bekommen. Jetzt machen wir es auf meine Art.«
Sie wollte es. Sie wollte ihn. »Bitte – «
»Sch-sch.« Mit einer Drehung seines Handgelenks riss er ihren Kopf zur Seite und entblößte ihre Kehle. »Wenn ich will, dass du bettelst, dann sage ich es dir.« Seine Zunge war warm und nass, als sie an ihrem Hals emporstrich. »Jetzt frag mich, was ich mit dir machen werde.«
Sie machte den Mund auf, konnte aber nur hecheln.
Er zog fester an ihren Haaren. »Frag mich. Sag: ›Was wirst du mit mir machen?‹«
Sie schluckte. »Was … was wirst du mit mir machen?«
Er schob sie etwas zur Seite, ohne den Druck seiner Hüften auf ihren Hintern zu lockern. »Siehst du das Waschbecken da, Jane?«
»Ja …« Ihr Heiligen, sie hatte fast einen Orgasmus …
»Ich werde dich über das Waschbecken beugen, und du hältst dich an den Seiten fest. Dann ziehe ich dir die Hose runter.«
O Himmel.
»Frag mich, was dann kommt, Jane.« Er leckte ihr wieder über den Hals, dann bohrte er ihr etwas ins Ohr. Sie wusste, es war ein Fangzahn.
»Was … dann?«, hauchte sie.
»Dann gehe ich auf die Knie.« Sein Kopf sank tiefer und er knabberte an ihrem Schlüsselbein. »Sag jetzt zu mir: ›Und was dann, V?‹«
Inzwischen schluchzte sie schon beinahe, sie war so erregt, dass ihre Beine nachgaben. »Und was dann?«
Er zupfte an ihrem Haar. »Du hast den letzten Teil vergessen. «
Den letzten Teil … den letzten Teil … »V.«
»Und jetzt nochmal von vorne. Von Anfang an.« Er schob seine Erregung in sie hinein, ein harter Grat, der ganz unmissverständlich jetzt sofort in sie eindringen wollte. »Fang nochmal von vorne an, und diesmal machst du es richtig.«
Aus heiterem Himmel rollte ein Orgasmus heran, angeheizt vom Kratzen seiner Stimme in ihrem –
»O nein, noch nicht.« Er rückte von ihr ab. »Jetzt kommst du nicht. Wenn ich es sage, dann darfst du kommen. Vorher nicht.«
Desorientiert und mit einem undeutlichen Schmerz im Unterleib sackte sie in sich zusammen, als der drängende Höhepunkt sich wieder zurückzog.
»Und jetzt sag die Worte, die ich hören möchte.«
Wie war das noch? »Und was dann, V?«
»Ich gehe auf die Knie und streiche dir mit den Händen hinten über die Oberschenkel, und dann spreize ich sie weit für meinen Mund.«
Der Orgasmus kam wieder angerast und brachte ihre Beine zum Zittern.
»Nein«, knurrte er. »Noch nicht. Und nur, wenn ich es sage.«
Er drückte sie ans Waschbecken und machte exakt das, was er angekündigt hatte. Beugte sie vor, legte ihre Hände seitlich auf das Becken und befahl: »Festhalten.«
Gehorsam umklammerte sie das Porzellan.
Mit beiden Händen fuhr er ihr unter das Shirt, umfing ihre Brüste. Dann glitten sie nach unten auf ihren Bauch und die Hüften.
Mit einem einzigen heftigen Ruck zog er die Hose herunter. »O ja. Genau das will ich.« Seine in Leder gehüllte Hand umfasste ihre Pobacken und massierte sie. »Heb das Bein.«
Sie fügte sich und die Hose rutschte ihr über den Fuß. Dann wurden ihre Oberschenkel auseinandergedrückt und … ja, seine Hände, eine mit Handschuh, eine ohne, wanderten höher. Ihr Zentrum wurde heiß und lüstern, als sie spürte, wie entblößt sie für ihn war.
»Jane …«, flüsterte er ehrfürchtig.
Es gab kein Vorspiel, kein Hinübergleiten in das, was er mit ihr machte. Es war sein Mund und ihre Mitte. Zwei Lippenpaare trafen aufeinander. Gleichzeitig gruben sich seine Finger in ihre Pobacken und hielten sie fest, während er sich an die Arbeit machte, und sie verlor jeden Überblick, was seine Zunge oder sein bärtiges Kinn oder sein Mund war. Zwischen Lecken und Saugen fühlte sie, wie sie penetriert wurde, hörte das Geräusch von Haut auf Haut, erkannte seine Herrschaft über sie.
»Komm für mich«, forderte er, den Mund an ihrem Zentrum. »Jetzt sofort.«
Der Orgasmus traf sie mit vernichtender Wucht, ihre Knie gaben nach, und eine ihrer Hände rutschte ab. Nur Vs Arm, der blitzschnell nach oben schoss und ihr Halt gab, hinderte sie daran, zu Boden zu stürzen.
Sein Mund gab sie frei, und er küsste sie auf beide Seiten ihres Pos, dann ließ er die Hand mit der Innenfläche über ihre Wirbelsäule gleiten, als sie sich wieder auf ihren eigenen Armen abstützte. »Jetzt werde ich in dir kommen.«
Das Rascheln seiner Pyjamahose, die abgestreift wurde, war lauter als ihr Atem, und bei der ersten Berührung ihrer Hüfte durch seine Erektion kam sie beinahe gleich nochmal.
»Ich will das.« Seine Stimme klang kehlig. »Mein Gott … ich will das.«
Mit einem einzigen harten Stoß drang er in sie ein, seine Hüften trafen auf ihr Gesäß. Und obwohl sie es war, die seinen riesigen Umfang aufnehmen musste, war er derjenige, der aufschrie. Ohne jedes Zögern begann er, in sie hineinzupumpen, hielt sie an der Hüfte fest, bewegte sie vor und zurück, um seinen Stößen zu begegnen. Mit offenem Mund, offenen Augen, und begierigen Ohren klammerte sie sich am Waschbecken fest und wieder wurde sie von einem Orgasmus überrollt. Als sie erneut kam, fiel ihr das Haar ins Gesicht, ihr Kopf hüpfte auf und ab, ihre beiden Körper klatschten aneinander.
Nie zuvor hatte sie so etwas erlebt. Es war Sex hoch eine Million.
Und dann spürte sie, wie seine behandschuhte Hand ihre Schulter umklammerte. Er richtete sie auf und ritt sie weiter, heftig, rein und raus, rein und raus. Seine Hand glitt an ihrem Hals hoch, umfasste ihr Kinn und kippte ihren Kopf nach hinten.
»Mein«, knurrte er und stieß weiter zu.
Und dann biss er sie.