Klaus-Dieter Thill

Konfliktmanagement für niedergelassene Ärzte

Professionelle Prävention und Lösung von personellen Problemsituationen

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

1. Teamorientierung: Das Erfolgskonzept moderner Praxisführung

2. Konfliktmanagement

3. Zusammenfassung „Prävention von Konflikten im medizinischen Team“

4. Zusammenfassung „Konfliktlösung im medizinischen Team“

Impressum neobooks

Vorwort

Die Voraussetzung für Qualität und Erfolg der Praxisarbeit ist ein funktionierendes Mitarbeiterinnen-Team. Einen entscheidenden Einfluss auf dessen Funktionalität hat die Teamharmonie. Sie bezieht sich nicht nur auf den „Gleichklang“ von Arbeitsleistung und –motivation, sondern auch auf die Verträglichkeit der Teammitglieder untereinander. Ist die Harmonie in einem der genannten Bereiche gestört, kommt es zu Konflikten. Diese sind – auch bei größter Teamharmonie – nahezu unvermeidlich und sozusagen „system(team)immanent“. Über ein angepasstes Konfliktmanagement lassen sich jedoch Häufigkeit, Intensität und Auswirkungen von Konflikten so steuern, dass die Praxisarbeit nicht beeinträchtigt wird. Hierzu stehen Instrumente zur Verfügung, die eine Konfliktprävention ermöglichen, d.h. mit denen die Entstehungsursachen für Konflikte weitgehend vermieden oder abgemildert werden können. Kommt es dennoch zu Konflikten, kann diesen mit angepassten Lösungen begegnet werden, die darauf zielen, die Ursachen zu beseitigen und die Konfliktparteien zu einer Einigung zu bringen.

Dieser Ratgeber skizziert die wichtigsten Konfliktarten in Arztpraxen mit ihren Aus-wirkungen und Ursachen. Anschließend erfolgt eine Darstellung, wie konkrete Konfliktpräventions- und -lösungsmaßnahmen aussehen können, die abschließend in Präventions- und Aktionsplänen für den Praxiseinsatz zusammengefasst sind.

 

1. Teamorientierung: Das Erfolgskonzept moderner Praxisführung

1.1. Die Vorteile einer optimierten Teamstruktur für die Arztpraxis

Die Dienstleistung einer Arztpraxis kann – von Sonderformen wie der „Wohnzimmer-Praxis“ einmal abgesehen – immer nur arbeitsteilig erbracht werden, denn bei der Betreuung der Patienten fällt eine Vielzahl von Aufgaben an – vom Empfang über administrative Tätigkeiten bis hin zur Vor- und Nachbereitung von Untersuchungen -, für deren sachgerechte und schnelle Erledigung Hilfe von Mitarbeiterinnen benötigt wird.

Anstelle von „den Mitarbeiterinnen“ wird in Arztpraxen auch häufig von „dem Team“ gesprochen. Diese Organisationsform unterscheidet sich von anderen betrieblichen Zusammenarbeitsformen – z. B. dem Einzelpersonen-Verbund oder der Gruppe – dadurch, dass eine für alle gemeinsam eine verbindende, verbindliche Zielsetzung existiert und die Aufgaben innerhalb der Praxis so aufgeteilt und koordiniert sind, dass jede Mitarbeiterin ihren Fähigkeiten entsprechende Arbeitsbereiche betreut.

Diese Definition trifft auf etwa 1/3 der Belegschaften in deutschen Arztpraxen zu – hierbei handelt es sich um sog. „echte“ Teams. In weiteren 30% nennt man sich zwar „Team“, ist aber hinsichtlich gemeinsamer Ziele und koordiniertem Arbeiten von der Definition weit entfernt. In den restlichen Praxen besitzt die Teambildung keine Bedeutung.

Ist bei einem „echten“ zudem die Teamstruktur optimiert, d.h. besteht das Team aus den „richtigen“ Mitarbeiterinnen, die für ihre Aufgaben qualifiziert sind und wird es den Bedürfnissen der Einzelnen entsprechend geführt, so dass die Teammitglieder motiviert sind, entsteht aus Teamarbeit Synergie. Das bedeutet, dass das Arbeitsergebnis des Teams nicht aus einer bloßen Addition der Einzelleistungen besteht, sondern das Resultat einer Potenzierung aller Arbeitskräfte ist. Das Team leistet also mehr als eine gleich große Gruppe nur wenig kompatibler Einzelpersonen, da es pro Zeiteinheit mehr leistet, ohne jedoch hierfür länger zu arbeiten.

„Echte“ Praxisteams sind deshalb immer durch eine hohe Arbeitsproduktivität und –qualität gekennzeichnet. Das liegt zum einen an objektiven Gründen – der Zielgerichtetheit und der Koordination, zum anderen spielen aber auch subjektiv-emotionale Gründe eine Rolle. Das Arbeitsergebnis und seine positive Würdigung durch den Praxisinhaber spornt die Teammitglieder nicht nur an, sondern erhöht auch ihre Arbeitszufriedenheit. Sie können mit Recht stolz auf ihre Leistung sein. Da zwischen der Arbeitszufriedenheit und der Arbeitsproduktivität ein linearer Zusammenhang beststeht, wirkt sich jede Steigerung der Zufriedenheit auch auf die Produktivität aus.

Ein „echtes“ Team bietet Ihnen für die Erbringung Ihrer Praxis-Dienstleistung eine Vielzahl von Vorteilen:


1.2. Gestaltungselemente einer optimierten Praxisteam-Struktur

Um Ihr Praxisteam zu den Leistungen zu bringen, zu denen es fähig ist, benötigen Sie einen ganz bestimmten Gestaltungsrahmen. Existiert er nicht oder nur teilweise, kommen die genannten Vorteile nicht oder eben nur teilweise zum Tragen.


Ziele

Teamziele sind vorweggenommene Vorstellungen, die Sie gemeinsam mit Ihren Mit-arbeiterinnen über das Ergebnis Ihrer Praxistätigkeit entwickelt haben. Sie geben dem Team und jedem einzelnen Teammitglied eine Antwort auf die Frage „Was soll mit unserer / meiner Arbeit in der Praxis erreicht werden?“ Teamziele helfen Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen, die Arbeit zu koordinieren, zu steuern und zu kontrollieren. Sie geben allen Orientierung, aber vor allem der gemeinsamen Aufgabe und den einzelnen Arbeitsanteilen einen Sinn. Insofern haben Ziele auch eine starke Motivationsfunktion, die Teammitglieder befähigt, ihre volle Leistung in den Dienst der Praxis zu stellen.


Aufgaben

Ihre Teammitglieder müssen wissen, welche Aufgaben sie wann erledigen müssen und welche Kompetenzen sie bei der Erledigung ihrer Aufgaben besitzen. Diesen Aspekt regelt Ihre Aufbauorganisation. Sie umfasst alle Dinge, die mit der strukturellen Gestaltung Ihrer Praxis verbunden sind. Hierzu zählen die Arbeitsplätze, auch als Stellen bezeichnet sowie die hierarchische Ordnung der Stellen zu Ihnen und untereinander.


Abläufe

Die Umsetzung der Aufgaben erfolgt im Praxisalltag in den Arbeitsprozessen, die zwischen Ihren Mitarbeiterinnen stattfinden. Für einen reibungslosen Prozessablauf muss sich ihr Personal in Bezug auf die Arbeit mit Ihnen und untereinander abstimmen (Koordination) und kontinuierlich verständigen (Kommunikation), um stets das Situationsnotwendige zu tun. Die Regelungen hierzu treffen Sie mit den ablauforganisatorischen Festlegungen Ihrer Praxis.


Führung

Mit Hilfe der Aufbau- und Ablauforganisation haben Sie den Rahmen für die Arbeit Ihres Mitarbeiterinnen-Teams gesetzt. Die Festlegung der zugehörigen Parameter ist eine unbedingt notwendige, aber doch nicht ausreichende Maßnahme, Ihr Team zu seiner optimalen Leistung zu führen. Immer wieder entstehen während der Arbeit Situationen, in denen Sie korrigierend, fördernd, lobend oder erklärend tätig werden müssen, damit Ihr Team in der „Zielspur“ bleibt. In diesen Situationen praktizieren Sie Führung. Die Art, wie Sie das tun – freundlich- geduldig, sachlich fordernd, autoritär-anordnend oder auch gar nicht - ist Ihr Führungsstil. Führung und Führungsstil bestimmen darüber, wie sie miteinander umgehen uns somit das Betriebsklima Ihrer Praxis.


Qualifizierung

Ziele, Aufgaben, Abläufe und Führung können nur bedingt ihre Zwecke erfüllen, wenn die Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiterinnen nur teilweise oder gar nicht den gegenwärtigen und zu erwartenden Anforderungen genügen. Hierfür müssen sie qualifiziert werden. Professionelle Mitarbeiterqualifizierung ist ein kontinuierlich angelegter, geplanter Prozess, der einen Gleichklang der strategischen Praxisziele und der Mitarbeiterfähigkeiten anstrebt. Qualifizierung ist jedoch nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch ein Instrument, Mitarbeiterinnen an die Praxis zu binden und stabile, langfristig beständige Teams zu bilden, da für einen Großteil der Mitarbeiterinnen nicht nur das Gehalt, sondern vor allem auch ihre Arbeit wichtig ist.

Motivation

Motivation ist das positive Einwirken auf die Arbeitsbereitschaft Ihrer Mitarbeiterin-nen. Sie entsteht durch die Kombination von drei Motivationsarten:

Ziel der Mitarbeiterführung in der Arztpraxis ist die Arbeitszufriedenheit. Ist diese positiv ausgeprägt, macht nicht nur allen die Arbeit mehr Spaß und alles geht einfach leichter, sondern auch die Produktivität sowie die Patientenzufriedenheit werden nachhaltig beeinflusst.


2. Konfliktmanagement

2.1 Konfliktarten in der Arztpraxis

Was ist ein Konflikt? Von der Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend ab, wann Sie als „Teamleiter“ aktiv werden müssen. Ist schon eine Meinungsverschiedenheit über die Frage, wer einen Termin falsch vergeben hat, eine Situation, in der Sie handeln müssen oder ist das erst notwendig, wenn zwischen Mitarbeiterinnen „nichts mehr geht“? Am besten nähert man sich der Frage von der betriebswirtschaftlich-unternehmerischen Seite. Ein Konflikt ist, aus dieser Perspektive, eine Situation in Ihrer Praxis,

bei der sich mindestens zwei unterschiedliche Ansichten, Vorstellungen oder Interessen gegenüberstehen,

die aus eigener Kraft nicht harmonisierbar sind und

bei Fortbestehen kurz-, mittel- oder langfristig die Arbeitsproduktivität ein-schränken können.

Diese Definition unterscheidet die „echten“ Konflikte von Meinungs- und Auffassungsunterschieden bzw. Problemen, die von allen Beteiligten akzeptiert werden und die in jedem Team existieren, denn schließlich arbeiten immer Menschen mit unter-schiedlichen Persönlichkeiten, Temperamenten und Qualifizierungsniveaus miteinander (Teamtoleranz).

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Erkennbarkeit von Konflikten. Existieren Konflikte im Verborgenen und werden nicht ausgetragen, spricht man von latenten (im Gegensatz zu offenen) Konflikten, die für alle Teammitglieder sichtbar und spürbar sind. Je früher Konflikte erkannt werden – also möglichst noch in ihrer Latenzphase – desto weniger Schaden kann durch sie angerichtet werden.

Die o.a. Konfliktdefinition bezieht sich auf mehrere Konfliktebenen, denn in Abhängigkeit von der Praxisgröße sind Konflikte nicht nur auf zwei Personen beschränkt, sondern können auch zwischen einer und mehreren Mitarbeiterinnen bestehen. Ein Beispiel hierzu: Frau B., die Erstkraft der Praxis Dr. Z., kämpft an zwei Fronten: bei Frau A. hat sie das Gefühl, dass diese alles tut, um sie bei der Praxisinhaberin Z. schlecht zu machen, um ihre Position einzunehmen. Frau S., ihre zweite Kollegin, ist faul, kommt immer wieder zu spät und verrichtet ihre Arbeit nicht sorgfältig. Auf entsprechende Hinweise von B. reagiert sie kaum.

Eine andere Situation sind Konflikte zwischen einer einzelnen Person und einer Gruppe von Mitarbeiterinnen: Frau N. verfügt über brillante PC-Kenntnisse und beherrscht auch das Schreibprogramm der Praxis P., die sehr viele Gutachten erstellt, bis ins Detail. Alle Mitarbeiter der Praxis müssen im Wechsel Gutachtentexte schreiben. Im Vergleich zu ihren Kolleginnen schafft N. dies in kürzester Zeit. Praxisinhaber P. hält allen Mitarbeitern Frau N. als Beispiel vor, die Kolleginnen sehen in N. eine Bedrohung für ihr Arbeitspensum.
Aber auch Konflikte zwischen Mitarbeitergruppen sind nicht selten: die Praxis X. arbeitet sowohl konservativ als auch operativ. Für beide Bereiche existieren separate Mitarbeiterteams, die an den Schnittstellen der beiden Bereiche immer wieder zusammenarbeiten müssen. Das funktioniert nur unzureichend, da das Team der konservativen Patientenbetreuung den Eindruck hat, dass das OP-Team ihm von den beiden Praxisinhabern vorgezogen wird. Es wird von diesen ständig betont, dass die Praxis ohne die Einnahmen des OP-Bereichs gar nicht überlebensfähig wäre.

 

Die zweite Konfliktebene besteht aus Konflikten zwischen dem Arzt / den Ärzten und dem Team. Auch hier existieren verschiedene Varianten:

Für Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften ist zudem noch eine dritte Ebene wichtig: die Konflikte im Arzt-Team, z. B. in Form von

Die beiden letztgenannten Konfliktebenen bergen noch ein weiteres Konfliktpotential in sich. Sobald Sie als Praxisinhaber selbst in Konfliktsituationen geraten und diese nicht kurzfristig lösen können, entsteht mittelfristig die Gefahr einer Gruppenbildung bzw. einer Verhärtung der schon existierenden Polarisierung. Hierzu ein Beispiel: Dr. H. fällt immer wieder auf, das Helferin J. Patienten höüääüüüä