Ein Ratgeber für Patienten
3., überarbeitete und erweiterte Auflage
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© 2015 by W. Zuckschwerdt Verlag GmbH, Industriestraße 1, D-82110 Germering/München.
ISBN 978-3-86371-170-2
eISBN 978-3-86371-282-2
Professor Mella und Dr. Fluge, zwei norwegische Onkologen, haben durch Zufall herausgefunden, dass ein als Krebsmittel eingesetztes Medikament bei Patienten mit CFS die typischen Symptome vorübergehend verschwinden lässt. Der Wirkstoff heißt Rituximab. CFS ist eine Autoimmunerkrankung, sagen sie. Noch müssen weitere Studien durchgeführt werden, bis diese sehr teure Therapie auch in Deutschland bei Patienten mit CFS eingesetzt werden kann.
Es war ein Meilenstein in der Medizin, vergleichbar mit der Entdeckung der Polio-Impfung. CFS ist also keine psychosomatische Erkrankung. Alle an CFS Erkrankte wussten das schon immer.
Szenenwechsel!
Im Januar 2011 sind die Leitlinien „Müdigkeit“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin erschienen. In diesen Leitlinien kommt auch CFS vor. Sehr ausführlich sogar. CFS wird allerdings als psychosomatische Erkrankung dargestellt. CFS, die höchste Steigerungsform von Müdigkeit. Es gibt dort keinen Hinweis auf eine neurologische Erkrankung.
CFS wird ja nach Vorgabe durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit G93.3 kodiert, in den neuen Leitlinien allerdings jetzt mit F48.0 (Neurasthenie). CFS sei eine Hypothese, wird dort behauptet. Es sei nicht durch einen definierten pathologischen Prozess von anderen Erkrankungen bzw. von einem gesunden „Normalzustand“ abzugrenzen. Es sei ein Konzept bzw. eine „Vereinbarung“, um die Kommunikation mit dem Patienten, die prognostische Einschätzung und Behandlung zu strukturieren.
Hier scheinen Parallelwelten aufeinanderzuprallen.
Menschen mit CFS haben es deshalb auch weiterhin in Deutschland sehr schwer, Versicherungsleistungen zu bekommen.
Was sagte Olav Mella im norwegischen Fernsehen TV2? „Wir werden eine Behandlungsmöglichkeit finden. Aber es kann noch ein paar Jahre dauern, bis diese Behandlung dann allen Patienten mit CFS angeboten werden kann.“
Ein Meilenstein liegt hinter uns. Einer englischen Forschergruppe um John McLaren-Howard ist es gelungen, einen biochemischen Test zu entwickeln, wodurch eine Aussage über das Energiedefizit von Patienten mit CFS möglich wird. In der Zwischenzeit steht dieser Test auch in Deutschland zur Verfügung, sodass alle Patienten mit der Verdachtsdiagnose CFS untersucht werden können. Gemessen wird das ATP in weißen Blutkörperchen. Eine aufwendige Gewebsentnahme ist also nicht erforderlich. Es muss lediglich eine Blutabnahme durchgeführt werden.
Dieser Test wird dazu beitragen, dass eine entwürdigende Situation beendet wird. Patienten mit CFS sind nicht psychisch krank. Sie müssen nicht in einer psychosomatischen Klinik behandelt werden. Antidepressiva helfen ihnen nicht, im Gegenteil, sie verschlimmern eher noch die Erkrankung.
Patienten mit CFS leiden an einem Energiemangel aufgrund einer Störung der Mitochondrien ihrer Zellen. Dieser Energiemangel kann jetzt nachgewiesen werden.
Jeder Arzt kennt diese Patienten. Sie kommen in die Praxis und berichten besorgt über diffuse Schmerzen, Herzbeschwerden, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Müdigkeit. Der Bauch tut weh, er ist öfters gebläht. Sie schleppen sich zur Arbeit und auch die Familie macht sich Sorgen. Manchmal haben sie Ringe um die Augen und ein blasses Gesicht. Die Haare sind glanzlos. Verschiedene Untersuchungen werden durchgeführt: Labor, EKG, Sonografie. Aber alles ist in Ordnung, sie haben nichts.
Fachärzte werden konsultiert: Orthopäde, Neurologe, Kardiologe und Gastroenterologe; aber auch sie finden nichts, was die Beschwerden erklären könnte.
Die Patienten kommen immer wieder, die meisten sammeln selbst Informationen über das Internet. Der Arzt kommt in große Verlegenheit. Er will dem Patienten helfen, aber er weiß nicht weiter. Er will nicht hilflos vor seinen Patienten stehen. Unerklärliche Krankheiten müssen psychisch sein. Wir haben schon im Studium gelernt: „Wenn Patienten über mehr als drei verschiedene Symptome klagen, die nicht zusammenpassen, dann ist es psychisch bedingt“. Es gehört zu den besonderen psychischen Belastungen von Ärzten, die Unsicherheit und Hilflosigkeit angesichts schwerer chronischer Erkrankungen und das Fehlen einer Erklärung dafür nicht aushalten zu können.
Diese Menschen sind am chronischen Erschöpfungssyndrom, auch CFS genannt, erkrankt. An CFS erkranken Menschen jeden Alters, aller sozialen Schichten und ethnischen Gruppen. Es erkranken mehr Frauen als Männer; am häufigsten tritt CFS im mittleren Lebensalter auf. In Deutschland gibt es bisher keine Untersuchungen zur Häufigkeit der Erkrankung. Es wird geschätzt, dass in Deutschland etwa 300 000 Menschen an CFS leiden. Damit ist CFS keine seltene Erkrankung.
CFS ist die Folge einer Erkrankung, die verschiedene Organsysteme betrifft (Multisystemerkrankung). Ganz im Vordergrund steht das Energiedefizit: Die Mitochondrien in den Zellen liefern zu wenig Energie. Es handelt sich also primär um eine körperliche Erkrankung. Zu den Multisystemerkrankungen gehören das chronische Erschöpfungssyndrom (CFS), das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) und die multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS).
In diesem Buch wird erklärt, warum es zu diesem Energiemangel kommt. Und es wird versucht, einen Behandlungsweg aufzuzeigen.
Dieses Buch ist innovativ. Es wird sicherlich Diskussionen hervorrufen. Es soll Anstoß geben, auf diesem Gebiet weiter zu forschen, um den betroffenen Menschen noch besser helfen zu können.
Dank
an meine Frau, Jutta Stoerl-Strienz, für die verständnisvolle Begleitung und wichtige Impulse während des Entstehungsprozesses des Buches,
an Dr. Anne Glöggler vom Zuckschwerdt-Verlag für die gute redaktionelle Betreuung.
Vorwort zur dritten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur ersten Auflage
Einleitung
Was bedeutet chronisches Erschöpfungssyndrom?
Wie wird die Diagnose gestellt?
Wie wird die Krankheit behandelt?
Die Lebenssituation der Erkrankten
Wie häufig kommt CFS vor?
Welche Schweregrade gibt es bei CFS?
Ist CFS eine psychische Erkrankung?
Geschlechtsspezifische Unterschiede bei CFS
Warum sind Frauen anfälliger für CFS?
Eine Patientin berichtet
Gabriele H., eine Patientin mit CFS, berichtet über ihre Erkrankung
Woher kommt der Name CFS? Ein historischer Überblick
„Fukuda-Definitionen“
Empfehlungen für die Untersuchung von Patienten mit Verdacht auf CFS
Tipps zum Leben mit CFS
Wie lange werde ich krank sein?
Wie sieht die Behandlung aus?
Coping? Pacing?
Wer soll mich ärztlich betreuen?
Was ist wichtig beim Arztbesuch?
Ist CFS ansteckend?
Darf ich Blut spenden?
Wer erkrankt an CFS?
Wie häufig ist CFS in Deutschland?
Familie und Partnerschaft
Kann ich weiter meinen Beruf ausüben?
Soll ich meine Diagnose CFS meinen Freunden mitteilen, wie verhalte ich mich am Arbeitsplatz?
Was ist sonst noch wichtig?
Situation von CFS-Patienten in Deutschland
Symptome von CFS
Basisuntersuchungen
Anamnese
Körperliche Untersuchung
Laboruntersuchungen
Ausgewählte weitere Untersuchungen
Psychologische Untersuchung
Entstehung von CFS
Messung des ATP-Gehalts der Zelle
Ergänzende Untersuchungen zum Nachweis einer Mitochondropathie
Parameter, die eine erhöhte Produktion von NO anzeigen
Parameter, die eine Schädigung der Hirnzellen anzeigen
Parameter, die eine Störung der Mitochondrienfunktion anzeigen
Parameter zur Beurteilung der Stoffwechselsituation
Neurostress
Akuter Stress
Dauerstress
Diagnostik zur Abklärung von Neurostress
Kortisol im Speichel
Therapie der Neurotransmitterstörung
Anamnese als Grundlage für Therapieentscheidungen
Herzklopfen, erhöhter Ruhepuls, Druck über der Herzregion
Starke Erschöpfung, die psychophysische Belastbarkeit ist gering
Der Schmerz steht im Vordergrund. Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen
Unterzuckerung, Hungergefühl, Esszwang, Müdigkeit nach dem Essen
Vegetarische Kost
Sodbrennen
Muskelzuckungen, Restless-Legs-Syndrom
Migräne
Histaminintoleranz
CFS und Kryptopyrrolurie (KPU)
Was bedeutet KPU?
Woher kommt das Pyrrol?
Was passiert bei der Ausscheidung über die Nieren?
Wie häufig kommt diese Krankheit vor?
Ist diese Krankheit erblich?
Ist diese Krankheit ansteckend?
Wie wird KPU im Labor festgestellt?
Welche Symptome sprechen für KPU?
Ist KPU heilbar?
Kryptopyrrolurie und Mitochondropathie
Fazit
Basistherapie, Stabilisierungsphase, der erste Schritt
Medikamente zur Linderung der Beschwerden
Energiemanagement
Therapie der Mitochondropathie, der zweite Schritt
Spurenelemente
Vitamine
Vitamin B12
Schwefelverbindungen
Carnitin
Die Stabilisierung der Mitochondrienmembran durch Omega-3-Fettsäuren
Die Therapie mit Coenzym Q10
Therapie der Hormonstörungen
Störungen der Schilddrüsenhormone
Störung der Hormone der Nebennierenrinde
Ausgleich des Vitamin-D-Mangels
Störung der Sexualhormone
Low-Dose-Naltrexon (LDN)
Opioide und Opioid-Antagonisten
Wirkung von Naltrexon
Rituximab bei CFS
Behandlung mit Rituximab
Nebenwirkungen von Rituximab
Bei welchen Patienten sollte Rituximab nicht verwendet werden?
Therapiekosten
Wie geht es weiter?
Zytokine und CFS
CFS und Borreliose
CFS ist keine psychische Erkrankung
Depressionen
Angsterkrankungen
Trauerreaktionen
Kinder mit CFS
Fibromyalgie-Syndrom (FMS)
Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS)
Das Modell der neurogenen Entzündung und die zentrale Rolle des NMDA-Rezeptors
Das Phänomen der positiven Rückkopplung
Erweiterte Diagnostik bei MCS
Therapie von MCS
Soziale Aspekte von CFS
Der Umgang mit Behörden
Vorbereitung auf ein Gutachten
Beim Gutachter
Der Umgang mit dem Arzt
CFS-Checkliste Diagnostik
CFS-Checkliste Therapie
Anhang
Die Mitochondrien und die Atmungskette
Der Citratzyklus, die Drehscheibe des Stoffwechsels
Die Störung der Mitochondrienfunktion
ATP – Die „Energiewährung“
Stoffwechselwege der Neurotransmitter
Literatur und weitere Informationen
Bücher zum Thema
Selbsthilfeorganisation
Labore
Websites
Das chronische Erschöpfungssyndrom (chronic fatigue syndrome = CFS) ist eine komplexe Erkrankung, die sich vor allem in einer extremen Erschöpfung oder einer raschen Erschöpfbarkeit äußert. Dieser Zustand muss mindestens sechs Monate andauern und zu einer schwerwiegenden Leistungsminderung gegenüber dem früher Gewohnten führen. Die lähmende Erschöpfung macht jedoch nur einen Teilbereich der Erkrankung aus. Es bestehen weitere schwerwiegende Symptome, die zusätzlich zu einer Leistungsminderung beitragen.
Zu CFS gehören auch Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, druckempfindliche Lymphknoten, ein nicht erholsamer Schlaf, eine anhaltende Verschlechterung des Zustandes und eine verminderte Leistungsfähigkeit nach körperlichen Anstrengungen.
© Claudia Hautumm/PIXELIO
CFS-Kranke können außerdem zusätzlich an Nervenschmerzen, Zuckungen und Kribbeln am Körper, Allergien, Depressionen, Ohrgeräuschen, Schwindel, Benommenheit, Sehstörungen, Fieber bzw. Fiebergefühl, wiederkehrenden Infekten, Magen-/Darmbeschwerden und anderen Symptomen leiden. Als verwandte Erkrankungen gelten das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) und die multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS).
Der Beginn der Erkrankung ist unterschiedlich. Bei der Mehrzahl der Betroffenen beginnt es schlagartig, andere berichten von einer schleichenden Verschlechterung ihres Befindens. Die Beschwerden können jahrelang anhalten.
Über die Ursachen und Krankheitsmechanismen des CFS liegen erste Forschungsergebnisse vor. Alles deutet darauf hin, dass als Auslöser der Erkrankung eine Störung der Mitochondrienfunktion vorliegt. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Zellen genügend Energie bekommen, denn ohne Energie kann eine Zelle nicht richtig funktionieren.
CFS ist eine Erkrankung, die Ärzten und auch Betroffenen oft nicht bekannt ist. Es gibt für CFS bislang keine Labortests, die die Krankheit nachweisen können. So führte bisher der Weg zur Diagnose über eine gründliche Anamnese, eine eingehende körperliche Untersuchung und den Ausschluss anderer Erkrankungen, die ebenfalls eine andauernde Erschöpfung verursachen können.
Eine allgemeine Therapieempfehlung gibt es bisher nicht. Es muss individuell ausgetestet werden, welche Medikamente das Krankheitsbild bessern können. Je nachdem, wie sich die Krankheit bei dem jeweiligen Patienten zeigt, können der Ausgleich von Mangelzuständen, die Behandlung chronischer Infektionen, eine Ernährungsumstellung, eine Behandlung mit Mikronährstoffen und auch psychotherapeutische Unterstützung hilfreich sein.
CFS-Kranke leiden nicht nur unter ihrer Krankheit, sondern auch unter den sozialen, psychischen und materiellen Folgen ihrer Erkrankung.
Sie stoßen mit ihrer nicht sichtbaren Behinderung in einer unzureichend informierten Gesellschaft häufig auf Unverständnis. Leider werden sie auch oft von Ärzten nicht ernst genommen. Sie werden häufig vorschnell als psychisch labil angesehen. Manche Patienten verheimlichen ihre Symptome und versuchen mit letzter Kraft, ihre Einschränkungen, z. B. am Arbeitsplatz, zu kompensieren. Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor andauernder Arbeitsunfähigkeit und Scham über das reduzierte Leistungsvermögen können eine zusätzliche Belastungen sein. Auseinandersetzungen mit Krankenkassen und anderen Leistungsträgern zu Diagnostik, Therapie, Rehabilitation oder Berentung verschlimmern in vielen Fällen die Situation der Erkrankten.
Über die Verbreitung von CFS gibt es für Deutschland keine gesicherten Angaben. Nach neuesten Untersuchungen liegt die Häufigkeit in der Bevölkerung zwischen 0,24 % und 0,42 %. Das bedeutet, dass in Deutschland etwa 200 000 bis 300 000 Menschen mit CFS leben. In den USA wird CFS als schwerwiegende Krankheit angesehen. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) hat CFS in die Liste der Krankheiten mit höchster Priorität für die weitere Erforschung aufgenommen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet CFS in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) unter dem Diagnoseschlüssel G 93.3.
CFS kommt bei Frauen häufiger als bei Männern vor. Auch Kinder und Jugendliche können von CFS betroffen sein. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass diese meist einen günstigen Verlauf aufweisen.
Die Schwere der Erkrankung und die Ausprägung der Symptome können bei CFS sehr unterschiedlich sein. CFS wird in vier Schweregrade eingeteilt:
1.Leicht: Der Patient ist mobil und kann selbst für sich sorgen. In der Regel ist er noch arbeitsfähig. Soziale Kontakte und Freizeitaktivitäten sind auf ein Minimum reduziert. Um durchzuhalten müssen immer wieder freie Tage genommen werden. Das Wochenende wird benötigt, um die Woche zu überstehen.
2.Mäßig: Die Mobilität ist bereits eingeschränkt, alle Aktivitäten des Alltags sind begrenzt. Die Arbeit musste aufgegeben werden. Nachmittags sind ein bis zwei Stunden Schlaf nötig. Der Nachtschlaf ist schlecht.
3.Schwer: Der Patient kann nur noch wenige ganz einfache Tätigkeiten, wie etwa Zähne putzen, ausführen. Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme sind ausgeprägt. Zeitweise ist ein Rollstuhl nötig. Nach Belastungen verschlimmern sich die Symptome.
4.Sehr schwer: Der Patient ist bettlägerig und pflegebedürftig. Lärm und Licht werden schlecht vertragen.
CFS ist keine psychische Erkrankung. Die Ursache von CFS ist eine gestörte Funktion der Mitochondrien in den Zellen, wodurch ein Energiemangel entsteht. Psychische Veränderungen entstehen als Reaktion auf die Erkrankung. Psychotherapie und Psychopharmaka führen nicht zur Heilung. Psychotherapie kann jedoch dabei helfen, besser mit der Erkrankung umzugehen. Oft verschlimmern Psychopharmaka die Beschwerden.
Frauen erkranken häufiger an CFS als Männer; und sie haben eine helle Hautfarbe. Diese Aussage war das Ergebnis früherer Studien. Statistisch gesehen kam auf drei erkrankte Frauen ein Mann. Kinder waren seltener betroffen. Am häufigsten erkrankten Menschen im Alter zwischen 30 und 45 Jahren.
Grundsätzlich können aber Menschen aller Altersgruppen betroffen sein. Alle sozioökonomischen Schichten einer Bevölkerung können an CFS erkranken. Möglicherweise hatten aber die farbige Bevölkerung und Randgruppen weniger Möglichkeiten, einen Arzt aufzusuchen, sodass in dieser Bevölkerungsgruppe die Erkrankung seltener diagnostiziert wurde. Dies ist auch der Grund, weshalb die Häufigkeit der Erkrankung bisher unterschätzt wurde. Wurde bisher von einer Zahl von etwa 250 Erwachsenen mit CFS unter 100 000 Menschen ausgegangen, erhöhte sich die Zahl auf über 400 von 100 000, wenn auch Untersuchungen in sozialen Randgebieten von Städten mit medizinischer Unterversorgung durchgeführt werden.
In Gemeinden mit einem hohen Anteil an Migranten betrug die Erkrankungsrate sogar über 700 von 100 000. Neuere Studien zeigen, dass zunehmend auch farbige Menschen an CFS erkranken und der Frauenanteil nur noch etwa 2 zu 1 beträgt. Statistisch gesehen tritt CFS 10-mal häufiger auf als Lungenkrebs oder Brustkrebs. CFS ist bei Frauen 40-mal häufiger als AIDS. CFS ist somit eine der bedeutendsten Erkrankungen bei Frauen. Auch die Altersstruktur hat sich in den neueren Studien etwas verschoben. Dort war die Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen am stärksten vertreten.
Um das herauszufinden, wurden die Hormone überprüft, die Botenstoffe (Neurotransmitter) des Gehirns untersucht, das Immunsystem abgeklärt und genetische Untersuchungen durchgeführt. Oder sind auch traditionelle Geschlechterrollen mitbeteiligt?
Die Hormone als Erstes zu untersuchen macht Sinn. Die Basishormone Östrogen und Testosteron beeinflussen das zentrale Nervensystem und die Schmerzverarbeitung. Testosteron, also das männliche Hormon, hat protektive Eigenschaften auf die Muskulatur und verzögert die Ermüdung der Muskulatur. Frauen verfügen über weniger Testosteron und sind deshalb anfälliger dafür.
Frauen haben auch weniger Kortisol, das klassische Stresshormon, zur Verfügung. Stressbelastungen werden deshalb von Frauen weniger gut toleriert; eingeschlossen sind Krankheiten, Überanstrengungen oder das morgendliche Aufstehen. Auch ein Progesteronmangel bei Frauen verstärkt die Krankheitserscheinungen, denn der Körper wandelt Progesteron in Kortisol um. Eine interessante Beobachtung dazu ist, dass Frauen, die in ihrer Partnerschaft unzufrieden sind, durchschnittlich niedrigere Kortisolspiegel im Blut haben. Bei Männern findet man keine Unterschiede. Dieses Beispiel soll zeigen, dass Frauen durch bestimmte Lebensbedingungen stärker mit Veränderungen ihrer Hormonlage reagieren als Männer.