Piraten an Bord
Mit Illustrationen von Jan Saße
KOSMOS
Umschlag- und Innenillustrationen von Jan Saße, Wilhelmsdorf
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© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-14110-6
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Mann, ist das ein Oschi!« Mit großen Augen sah Bob Andrews die Princess of Eternity an, die im Hafen von Los Angeles am Kai lag.
»Aber echt!«, rief Peter Shaw. »Ich habe gelesen, sie gehört zu den größten Kreuzfahrtschiffen der Welt. Mit sechzehn Decks und allem drum und dran. Kletterwand, Kino, drei Restaurants. Es gibt sogar eine komplette Theaterbühne. Also langweilen werden wir uns bestimmt nicht!«
»Jedenfalls nicht, wenn wir endlich an Bord könnten«, fügte Justus Jonas hinzu. Unruhig trat er von einem Bein aufs andere. »Wo bleiben denn nur meine Tante und mein Onkel? Wenn wir in zehn Minuten nicht an Bord sind, legt das Schiff ohne uns ab!«
Peter kicherte. »Jetzt beruhige dich, Just. Sie sind doch nur noch mal kurz zum Auto gegangen. Und wenn ich mich recht erinnere, steht der Pick-up keine zwanzig Sekunden von hier entfernt.«
Justus nickte. Er lebte, seit er fünf Jahre alt war, bei seinem Onkel Titus und seiner Tante Mathilda. Damals waren seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen. Niemanden liebte er mehr als seinen Onkel und seine Tante. Aber niemand konnte ihn auch schneller zur Verzweiflung bringen als Mathilda, wenn sie die drei ???, wie sich die jungen Detektive aus Rocky Beach nannten, zuhause auf dem Jonasschen Schrottplatz zum Aufräumen abkommandierte.
Die drei Freunde standen neben einem wahren Kofferberg auf dem Kai. Über die breite Gangway strömten Passagiere, während vor dem Schiff bereits eine Menge Zuschauer mit Taschentüchern winkten. »Wenn sie nicht bald kommen, können wir uns zu unserer eigenen Abfahrt zuwinken!«, jammerte Justus.
»Keine Panik! Da sind sie!«, rief Bob in diesem Augenblick und zeigte über den Kai, wo Mathilda Jonas, eine gewaltige Schachtel in Händen, in aller Seelenruhe neben ihrem Mann herschritt.
»Ah, Jungs, danke, dass ihr auf die Koffer aufgepasst habt«, verkündete sie strahlend. Sie zwinkerte den drei ??? zu. »Entschuldigt, dass wir euch haben warten lassen. Aber das hier«, sie hob die Schachtel in die Höhe, »solltet ihr keinesfalls auf der Fahrt hierher sehen. Es ist nämlich als Überraschung für die Schiffsreise gedacht!«
»Was ist denn da drin, dass es unbedingt mit aufs Schiff muss?«, rief Justus empört. »Wir haben hier schon hunderttausend Koffer und jetzt auch noch eine Hutschachtel? Tante Mathilda, wir machen eine dreitägige Kreuzfahrt!«
»Aber das weiß ich doch, Justus.« Tante Mathilda lächelte geheimnisvoll. »Deswegen habe ich das hier doch auch mitgebracht. Denn auf dem Schiff bekommt man so etwas bestimmt nicht.«
Sie reichte Peter die Schachtel. »Peter, du scheinst mir im Augenblick etwas ausgeglichener zu sein als mein Neffe. Trag doch bitte das hier für mich an Bord. Und du, Justus, nimm die beiden großen Koffer.« Justus stöhnte auf. Aber ihm blieb keine Zeit zu protestieren, denn soeben erklang die tiefe Schiffssirene.
»Los! Einsteigen!«, rief Onkel Titus.
»Einschiffen heißt das«, knurrte Justus. »Oder an Bord gehen. Einsteigen tut man nur in ein Auto.«
Onkel Titus lachte. »Also gut, entern wir den ollen Kahn, bevor er untergeht.«
»Titus!« Tante Mathilda verzog das Gesicht. »Das mit dem Untergehen möchte ich von dir nicht noch einmal hören. Ich habe bereits Angst genug, dass ich seekrank werde!«
»Ein bisschen Seegang haut doch meine Mathilda nicht um!«, widersprach Onkel Titus. »Und auch wenn ich persönlich noch lange nichts ans Sterben denke, der Ozean als Grab, das ist doch eigentlich eine fantastische Vorstellung. Wo sollte man am Ende seiner Tage besser aufgehoben sein, als in dieser unendlichen blauen Weite? Mathilda, dort würden wir dann gemeinsam jeden Tag einen Walzer tanzen, zwischen Seegras und Delphinen!«
»Ach, Titus!« Gerührt blickte Tante Mathilda ihren Mann an.
Wieder erklang die Schiffssirene. Schnell schnappte Bob sich seinen und Justus’ Seesack und drückte Peter den dritten in die freie Hand. »Schluss mit dem Landrattengeschwätz«, rief er munter. »Jetzt geht’s los. Es ist einfach super, dass Justus diese Kreuzfahrt gewonnen hat!« Er sah Tante Mathilda und Onkel Titus an. »Und Walzer tanzen können Sie beide bestimmt auch am Abend im Festsaal des Schiffes. Das steht jedenfalls im Prospekt.«
Tante Mathilda lächelte, während sie sich in Bewegung setzte. »Ich wollte schon mein Leben lang eine Kreuzfahrt machen. Und ich hätte nie gedacht, dass es wirklich einmal dazu kommt, so teuer wie das ist. Aber Justus mit seinem Genie, hat doch tatsächlich alle Antworten auf die Rätselfragen in der Radiosendung gewusst. Das werde ich dir nie vergessen, Justus!« Sie strich ihrem Neffen stolz über den Kopf.
Da glitt zum ersten Mal seit einigen Minuten ein breites Lächeln über Justus’ Gesicht. »Wenn das so ist, Tante Mathilda, verzeihe ich dir natürlich auch das viele Gepäck«, verkündete er. »Für deine erste Kreuzfahrt ist es ja eigentlich auch gar nicht so viel.« Und damit wuchtete er die beiden großen Koffer in die Höhe und stolperte auf die Gangway zu.
Bob und Peter folgten ihrem Freund. »Also echt, Just, das war eine Meisterleistung!«, rief Peter, während er die Gangway betrat. »Das werden bestimmt superspannende Tage!«
»Willkommen an Bord«, empfing sie ein Steward in weißer Uniform zum Check-in, als die drei ???, Tante Mathilda und Onkel Titus das Deck betraten. An seiner Uniform war ein Namensschild befestigt, auf dem Rang und Name standen: Chefsteward O. Raymond. Onkel Titus reichte ihm die Tickets, und der Steward gab ihnen im Gegenzug die persönlichen Boarding-Pässe. Überrascht blickte er auf. »Sie sind ja die Gewinner des Preisausschreibens!« Der Steward nickte Onkel Titus hochachtungsvoll zu. »Die Fragen über die Seefahrt waren nicht leicht zu beantworten, Sir. Meine Hochachtung.«
Onkel Titus lächelte. »Nicht ich habe die Fragen beantwortet, sondern mein Neffe Justus.« Er nickte stolz zu Justus hinüber.
Mit großen Augen sah der Steward den pummeligen Jungen an. »Du wusstest, was ein Blauer Peter ist? Meinen Glückwunsch! Und auch sonst scheinst du dich in der Seefahrt wirklich gut auszukennen!«
Justus verbeugte sich leicht. »Offen gestanden, Mr Raymond, mich interessiert alles, was es zu wissen und zu erforschen gibt. Das Leben und Treiben der Menschen steckt voller Geheimnisse und Merkwürdigkeiten, dass ich mich daran einfach nicht sattsehen kann. Auf diese Weise hatte ich auch schon von dem Blauen Peter gelesen, dem blauen Wimpel, der am Tag des Auslaufens am Mast gehisst wird. Aber offen gestanden …«, Justus musterte mit raschem Blick das Deck des Kreuzfahrtschiffes, »ich frage mich, wo bei einem Schiff ohne Mast, so ein Wimpel eigentlich gehisst werden soll?«
Mr Raymond lachte tief. »Eine gute Frage. Und ich werde sie euch beantworten. Wenn es Ihnen recht ist, Familie Jonas, wird sich einer meiner Stewards um Ihr Gepäck kümmern und es in die Kabinen bringen, während Sie mit mir zum Kommandodeck kommen können.« Der Chefsteward zeigte nach oben zur Kommandobrücke.