Für Erik

Inhaltsverzeichnis

  1. Eine Brücke
  2. Der irreführende Begriff des Menschen
  3. Vom Willen und dem Kreislauf der Welt
  4. Von der höheren Ordnung des natürlichen Zyklus
  5. Der Einfluss der Wahrscheinlichkeiten
  6. Welche Götter wählt der Mensch
  7. Die Entstehung des Schöpfergottes
  8. Massenphänomene
  9. Über den Ort
  10. Geistige Abtrünnigkeit

„Der magisch gebundene Mensch scheut die Einsamkeit deswegen nicht, weil er die leeren Räume einer wirtschaftlich noch nicht genützten Natur mit Göttern und Dämonen bevölkert. Der Mensch jener großen Zeitenwende, dieser Urahn des modernen Massenmenschen, flieht sie, weil ihm dort die Schatten der gemordeten Götter begegnen und weil ihn angesichts der Einsamkeit und des gähnenden Raumes jene große Scheu vor dem Vakuum erfaßt.“

[aus Reck-Malleczwen Friedrich, Das Ende der Termiten]

Viele sind gerufen, doch wenige sind auserwählt. (Mt.22,14)

1 Eine Brücke

Eine Brücke ist ein Wegstück, das eine Seite mit einer anderen verbindet. Zwischen diesen beiden Seiten läuft ein Fluss, eine natürliche Grenze. Die Brücke verbindet diese beiden Welten miteinander. Wer sich auf der Brücke befindet ist nicht hier und er ist noch nicht dort, er bewegt sich in einer Zwischenwelt. Gäbe es keine Brücke, dann wäre man auch nicht versucht sie zu benutzen und es bliebe bei Hier, beim diesseits des Flusses. Ob das Überqueren der Brücke zum Weg gehört, hängt davon ab, ob es eine Brücke gibt, bzw. ob eine Brücke gebaut werden kann.

Die Deutung des Flusses und der Brücke reicht zurück bis in die Antike. In der Mythologie symbolisiert der Fluss Styx die Zwischenwelt, die man zusammen mit dem Fährmann Charon durchqueren muss, um ins Totenreich zu gelangen. In Dantes Göttlicher Komödie wird Dante im Lethe gebadet, um die Erinnerungen an das diesseitige Leben zu verlieren und im Jenseits wiedergeboren zu werden. Die Kraft des Flusswassers hat übernatürliche Macht und wandelt den Zustand der Seele. Wenn die Brücke als die Verbindung von Diesseits ins Jenseits gesehen wird, dann stellen sich mehrere Fragen. Einige mögen durch ihren Glauben der Überzeugung sein, dass ihnen die Brücke gebaut werde und sie nach dem Tode den Weg ins Jenseits antreten können. Wieder andere Verleugnen die andere Seite des Flusses und stehen stur im Diesseits. Weit verbreitet ist die Meinung, dass durch die Ansammlung moralisch guter Werke, die Brücke entstehe. Sei es im Christentum oder in den Religionen, welche Wiedergeburt und Karma lehren.

Beschreitet man die Brücke, kommend von Diesseits, so ist der Weg Erwartung, auf dass die andere Seite erreicht werden kann, auf dass die Brücke nicht ins Nichts führe.

Dass die Brücke allein durch den Wunsch und Willen entstehen könne ist jedoch eine seltene Überzeugung. Die Kräfte des Himmels und die des Jenseits beherrschen unsere Phantasie und ihre Übermächtigkeit wird uns durch den menschlichen Tod gnadenlos vor Augen geführt. In seinen tiefsten Inneren, in jenen Kern und Keim der Seele, welchen Gott innewohnt und beständig beschaut, spürt der Mensch die Gewalt der Ewigkeit. Der Mensch unterscheidet. Dies ist der Kern seines Wesens.

Und er spürt, dass sein Gott ihn erkennt und unterscheidet Die Unterscheidungen des Menschen haben ihren Platz im Diesseits, die Unterscheidungen Gottes wirken vom Hier und Jetzt bis ins Jenseits.

2 Der irreführende Begriff des Menschen

Die Menschen existieren grundsätzlich nur durch ihre Unterschiedenheit. In ihren Unterscheidungen in Völker und Kulturen existieren die Menschen. Eingebettet in einen uralten Entwicklungsprozess findet der Mensch seine Identität in seiner Heimat. Die einzigartige Weise der Ritualisierung des Lebens einer Kultur prägt die Identität. Es ist die Art und Weise der traditionellen Überlieferungen: Wie das Essen zubereitet wird. Welchen Stellenwert und welche Ritualisierung die Liebe erfährt. Im Ganzen betrachtet also das Fortführen der Sitten und Handlungsweisen eines jahrtausendealten Entwicklungsprozesses. Zu dieser Identität gehören auch die Religion des Volkes und der Ort, also das Gebiet oder Staat, welches das Volk besiedelt. Die Religion, also die Art und Weise der Betrachtung der letzten Dinge, ist der genetische Fingerabdruck, der uns in jeden Augenblick unseres Lebens, einer Zeitreise gleich, zu unseren Ahnen zurückführt.

Irreführend ist der Begriff Mensch

Irreführend ist die Begrifflichkeit des Menschen zudem, da in der westlichen Welt kein einheitliches Bild des Menschen existiert. Im wesentlichen gibt es drei Hauptströmungen:

Zum einen die christlich-jüdische Sichtweise, jene des von Gott erschaffenen Menschen, vom Paradies und Sündenfall.

Des weiteren die evolutionsbiologische Sichtweise, die der Darwinismus aufgezeichnet hat. In jener ist der Mensch nur eine Stufe der Evolution aus der Tierwelt heraus. Der Mensch zeichnet sich nur durch den Entwicklungsgrad seiner Fähigkeiten und Überlebenstechniken aus. Zuletzt tragen die antikgriechische Denker den Begriff des Logos, welchen den Mensch in die Sonderstellung eines Wesen mit Vernunft erhebt.

Diese drei Hauptsichtweisen sind untereinander unverträglich und widersprüchlich. Dennoch ist es meist eine Mischung dieser drei Gedankenwelten, welche die Bewohner der westlich-abendländischen Welt in sich tragen. Diese meist nur sublim wahrnehmbare Mischung ist geschichtlich gewachsen und sie führt uns deutlich vor Augen, dass es ein einheitlich-abendländisches Menschenbild nicht gibt. So dass mit absoluter Sicherheit proklamiert werden kann: „Es gibt ihn also nicht, den Menschen im Sinne aller All-Gleichheit, sondern nur in seiner höchst eigenen Identität, die sich selbst nach allen Seiten scharf zum nächsten abgrenzt.“

3 Vom Willen und dem Kreislauf der Welt

3.1 Der Wille

Ein Wille ist klar erkennbar an Taten und Worten. Unterworfen wird der Wille des einzelnen jedoch von subtileren Einflüssen, die ihn bilden, nähren und ihm Ausdruck gewähren lassen. Diese Einflüsse sind vielfältiger Natur. Im Willen bildet sich der Spiegel zur Außenwelt. Er teilt durch sein Wirken mit Wer er ist. Als Spielball von äußeren und inneren Einflüssen ist der Wille der Tat gleich zu setzen. Eine Stufe tiefer symbolisiert er nichts weiter als den Überlebenstrieb.

Im Willen formiert sich der Einfluss des jeweiligen Weltzeitalters. Wir werden zu einer Gesamtschau einer erlebten Zeitepoche.

Die Bildung des Willens ist ein kontinuierlicher Vorgang, dem im Regelfall eine an einen Handlungserfolg gebundene Tat folgt. Auf die Wendung oder Beibehaltung eines Zustands hat der Wille durch die hervorgebrachte Tat direkten Einfluss, wobei er stets ein Produkt von äußeren und inneren Einflüssen bleibt. Diese sind bewusster und unbewusster Natur. Das Gesetz der Wahrscheinlichkeit ist der Charakter der verschiedenen Einflüsse.

Da die Willensbildung und damit die Tat durch das Abwägen von Wahrscheinlichkeiten mehrerer Wahlmöglichkeiten geschieht, entspricht das Ergebnis der Tat nicht immer dem gewollten Ausgang. Deshalb gibt es als weitere Wahlmöglichkeit die Nicht-Tat, die dann gewählt wird, wenn durch eine Tat ein Misserfolg wahrscheinlich wird. Auf eine Zustandsänderung hat der Wille so nur einen indirekten Einfluss. In diesem Fall bleibt das Visier des nicht Handelnden geschlossen. Es findet keine Offenbarung des Willens statt.

Einflüsse auf den Entscheidungsprozess

Von höchst subtiler Art sind die vielfältigen Einflüsse auf die Willensbildung. Die Kombination dieser Einflüsse erzeugt Wahlmöglichkeiten. Die Erschaffung dieser Wahlmöglichkeiten im Geist ist Teil des Entscheidungsprozesses, also des Abwägens der Wahlmöglichkeiten im Zusammenspiel mit ihren Wahrscheinlichkeiten auf eine gewünschte Zustandsänderung.

Wahlmöglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten während des Abwägens sind höchst eigene Schöpfungen des Geistes. Ihre Natur ist Subjektiv, bezogen nur auf die innere Welt.

3.2 Der natürliche Zyklus der Welt