Über das Buch

Vom Outback bis zur Ostsee – wie die Tiere mit der Klimakrise umgehen

Die Wetterextreme nehmen zu. Buschbrände in Australien, Hitzewellen in Deutschland, Dürren in Afrika, schwindende Eisflächen an den Polen. Das »wütende Wetter« bedroht nicht nur uns Menschen, sondern auch die Tierwelt. Possums fallen zu Hunderten tot aus den Bäumen, Koalas umarmen kühle Bäume – und sterben doch. Aber es gibt auch Tiere, die sich erfolgreich anpassen. Die in Australien lebende Wildtierbiologin Lisa Warnecke zeigt, welche Folgen in der Tierwelt schon jetzt zu sehen sind, warum wir die Biologie von Tieren verstehen müssen um ihnen bei der Bewältigung der Klimakrise helfen zu können – und wie dringend wir einen effektiveren Artenschutz brauchen, damit Ökosysteme im Wandel ein neues Gleichgewicht finden können.

Über Lisa Warnecke

Lisa Warnecke wurde 1978 in Frankfurt am Main geboren und studierte Biologie an der Goethe-Universität. Seit 16 Jahren untersucht sie die Anpassung von Wildtieren an Kälte, Hitze und Urbanisierung. Sie hat unter anderem mit Beuteltieren, Fledermäusen und Igeln gearbeitet und dafür in Perth und Armidale (Australien), Winnipeg und Saskatoon (Kanada) und Hamburg geforscht. Nun lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Albury, Australien. 2017 erschien von ihr »Das Geheimnis der Winterschläfer. Reisen in eine verborgene Welt«.

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Lisa Warnecke

Tierisch heiß

Wie Koala, Elefant und Meise auf die Klimakrise reagieren

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Vorwort

Kapitel 1 Extreme – Antworten auf wütendes Wetter

Hitze Welle

Sauer Stoff

Haus Halt

Kost Bar

Irre Parabel

Zebra Finken

Bruch Teil

Aqua Tisch

Klima Anlage

Feuer Säule

Funken Flug

Sonder Gremium

Arten Listen

Ent Kommen

Kont Rolle

Ab Schied

Kapitel 2 Energie – Was Tiere zum Leben brauchen

See Betten

Energe Tisch

Ent Deckung

Thermo Neutral

Tor Por

Zeit Verschiebung

Wild Bahn

Kreide Zeit

Kapitel 3 Anpassungen – Wie Tiere mit Hitze leben

Erd Ferkel

Unter Irdisch

Energie Zufuhr

Wunder Netz

Fett Speicher

Trink Wasser

An Hang

Kurz Strecke

Kapitel 4 Grenzen – Von Nischen, Mobilität und Flexibilität

Plage Geister

Phäno Typisch

Zeit Lich

Mikro Klima

Sternen Tanz

Dienst Leistung

Mobil Ität

Frosch Laich

Schad Stoff

Schild Kröten

Mies Muschel

Süss Wasser

Kapitel 5 Wandel – Zwischen Klimakrise und Artensterben

Eiab Lage

Ur Ban

Rück Gang

Finger Abdruck

Klima Quelle

Klima Puffer

Gene Tisch

Ark Tisch

Jagd Gründe

Mega Fauna

Elfen Bein

Hot Spot

Aus Sterben

Über Leben

Neuan Siedlung

Defau Nation

Zeit Raum

Danksagung

Anmerkungen

Register der erwähnten Tiere

Impressum

Für meine Eltern Ruth und Heinz

Vorwort

Während meine Tochter draußen in der Hitze ihren ersten Schulklimastreik erlebt, sitze ich in der kühlen Bibliothek und frage mich, wie Wildtiere in einer Welt im Wandel zurechtkommen. Neben einem Temperaturanstieg erfolgt eine Zunahme von Wetterextremen. Jahr für Jahr flimmern die Nachrichten von Hitzewellen, Dürren und Waldbränden über die Bildschirme. Welche Auswirkungen hat das auf unsere Wildtiere, wie gut können sie sich an die neuen Bedingungen anpassen?

In diesem Buch erkläre ich physiologische Vorgänge und ökologische Zusammenhänge auf der Suche nach Antworten auf Fragen wie: Welche Reaktionen zeigen Tiere auf Wetterextreme wie Hitzewellen und Feuer? Warum dreht sich alles um Energie und Wasser? Welche Anpassungen an heiße Lebensräume finden wir im Tierreich? Wie verschieben sich Verbreitungsgebiete? Wie hängt der Klimawandel mit dem Artensterben zusammen? Dabei gewähre ich Einblicke in den Alltag der Wildtierforschung durch Beschreibungen der Arbeit von Kolleg:innen weltweit und meiner eigenen Untersuchungen.

Mein Interesse gilt dem Gebiet, wo Ökologie und Physiologie aufeinandertreffen. Um der Frage nachzugehen, wie Tiere unter extremen Bedingungen überleben, habe ich an den unterschiedlichsten Orten geforscht. Für meine Dissertation untersuchte ich in Australien die Überlebensstrategien kleiner Beuteltiere in Trockengebieten. Darauf folgte Kanada, wo ich Fledermäuse in der bitterkalten Prärie unter die Lupe nahm. Hamburg war die nächste Station, dort beschäftigte ich mich mit dem Winterschlaf von Igeln im Großstadtdschungel. Seit einigen Jahren lebe ich nun mit meiner Familie im australischen Albury, wo der Sommer gefühlt acht Monate dauert und Hitzewellen im Januar zum Alltag gehören. Hier bekomme ich die Folgen des anthropogenen Klimawandels direkt vor meiner Haustür zu spüren und bin der Frage nachgegangen, wie Tiere mit dem wütenden Wetter umgehen.

Nur wenn wir verstehen, wie ein Tier in seinem derzeitigen Lebensraum zurechtkommt und welche Rolle Energie, Wasser und Temperatur für sein Überleben spielen, können wir Vorhersagen für die Zukunft wagen. Keiner weiß genau, welche Arten sich erfolgreich anpassen werden können, zu komplex sind die Interaktionen in einem Ökosystem – jedoch gibt es eine Menge Menschen, die tierische Reaktionen auf Umweltveränderungen untersuchen. Anhand aktueller Beispiele für entsprechende Forschungsprojekte möchte ich Sie einladen zu einer gemeinsamen Suche nach den Antworten der Wildtiere auf die Klimakrise.

Kapitel 1

Extreme –
Antworten auf wütendes Wetter

Mächtige Bäume heben sich als schwarze Silhouetten vom Nachthimmel ab. Es knirscht und knackt im Wald. Forsche Schritte bahnen sich einen Weg durch die Dunkelheit. Der Lichtstrahl einer Taschenlampe läuft an jedem Baum auf und ab. Gebannte Augen folgen ihm erwartungsvoll. Seit zwei Stunden sind die Forscher auf der Suche nach einem Baumbewohner mit Ringelschwanz. Ohne Erfolg. Ein Kauz fliegt auf, einige Kängurus springen eilig davon, und hochfrequente Klickrufe verraten die Anwesenheit von Fledermäusen. Sonst ist es ruhig. Zu ruhig. Da! Endlich verrät die Reflektion von Augen aus der Dunkelheit, dass dort ein Tier ist. Es ist die gewünschte Art, wie an der Form des Schwanzes eindeutig zu bestimmen ist. Nun muss es schnell gehen. Das Tier wird per Hand gefangen und in einen Beutel gesetzt, wo es sofort ruhig wird. Zufrieden macht sich das Team auf den Rückweg zum Fahrzeug, querfeldein und durch den Wald.

Bei dem Tier handelt es sich um einen Östlichen Ringelschwanzbeutler. Dieses katzengroße Beuteltier gehört zu den Possums, die nicht zu verwechseln sind mit den Opossums, die auf dem amerikanischen Kontinent leben. Das Possum wird für 24 Stunden zu Gast an der Universität sein, um dann wieder am gleichen Baum freigelassen zu werden. Projektführer ist mein Mann Jamie Turner, Wildtierbiologe an der Charles Sturt University im australischen Albury. Unterstützung bei der Feldarbeit bekommt er von Freunden, Unikolleg:innen oder anderen naturbegeisterten Menschen, die sich nachts gerne im Wald tummeln. So auch heute, wo ein Vater und sein jugendlicher Sohn mithelfen. Sie sind einfach gerne draußen, um Wildtierforschung live mitzuerleben. Es ist fast Mitternacht, als das Possum-Team nach einer kurzen Fahrt das Universitätsgelände erreicht. Dort setzt Jamie seine Helfer mit einem Dankeschön an deren Auto ab und fährt mit dem Possum auf der Rückbank zum Ökologiegebäude. Dort wird er die Anpassung des Tieres an seinen Lebensraum untersuchen.

Hitze Welle

Wie jede Tierart zeigt der Ringelschwanzbeutler bestimmte Merkmale, die ihm helfen, mit den Bedingungen in seinem Lebensraum zurechtzukommen. Damit sind Anpassungen im Verhalten, in der Physiologie oder in der Morphologie gemeint. Die Physiologie beschreibt die Abläufe im Körperinneren und die Morphologie die Gestalt und Form. Durch entsprechende Änderungen können sich Tiere prinzipiell auf kurzfristige Wetterverhältnisse, jahreszeitliche Variationen und langfristige klimatische Veränderungen einstellen. Der Umgang mit hohen Temperaturen ist dabei die größte Herausforderung. Wenn es heiß ist, müssen Tiere Wärme an die Umgebung abgeben, um eine Überhitzung abzuwenden. Schwierig wird es, wenn die Umgebungstemperatur die Körpertemperatur des Tieres übersteigt. Und noch schwieriger wird es, wenn dieser Zustand über Stunden oder Tage anhält. Und die Extremwetterform, die Tiere genau vor diese Aufgabe stellt, sind Hitzewellen.

Man könnte denken, dass so ein paar heiße Tage im Jahr wenig anrichten in einem Ökosystem. Tatsächlich hat sich die Forschung lange vor allem mit den Auswirkungen langsamer, gradueller Temperaturveränderungen auf Ökosysteme beschäftigt. Wetterextreme wurden eher als Ausnahme mit geringem Langzeiteffekt behandelt. Jedoch können solche Ereignisse trotz ihrer kurzen Dauer einen großen, dauerhaften Einfluss auf Ökosysteme haben1. An langsame Änderungen in Temperatur und Niederschlag in ihrem Lebensraum können Tiere sich bis zu einem gewissen Grad anpassen. Auf eine kurze Phase sehr hoher Temperaturen hingegen kann man sich kaum vorbereiten, und die Auswirkungen können fatal sein.

Was genau macht eigentlich eine Periode heißer Temperaturen zu einer Hitzewelle? International gibt es keine einheitliche Definition, generell muss es an drei Tagen in Folge heißer sein, als es normalerweise in diesem Zeitraum ist. Eine geläufige Methode bildet für jeden Tag des Jahres einen Mittelwert der Maximaltemperatur, und zwar basierend auf den zurückliegenden 30 Jahren als Referenzperiode. Steigt die Temperatur nun an drei oder mehr aufeinanderfolgenden Tagen über diesen Wert, so wird von einer Hitzewelle gesprochen. Definitionen können sich aber auch auf andere Faktoren wie die Minimaltemperatur beziehen. Die beste Aussagekraft hängt von der jeweiligen Fragestellung ab. Ingenieure könnten sich beispielsweise für die Höchsttemperaturen interessieren, um die Belastung auf Material abzuschätzen und Gebäude oder Transportwege entsprechend zu konstruieren. Für das Gesundheitswesen sind die Minimaltemperaturen besonders wichtig, denn eine ausbleibende Linderung in der Nacht hat große Auswirkungen auf die Erholung von Patienten, vor allem für Ältere und Kranke stellt dies eine große Belastung dar2. Auch die Luftfeuchtigkeit während einer Hitzewelle ist entscheidend, denn sie kann die Wirkungen hoher Temperaturen zusätzlich verstärken.

Hitzewellen werden aufgrund des Klimawandels weiter zunehmen. Das heißt sowohl in der Häufigkeit als auch in der Intensität und Dauer3. Im Sinne des Leseflusses benutze ich in diesem Buch den Begriff »Klimawandel« als Synonym für die gegenwärtige menschenverursachte globale Erwärmung, auch wenn das nicht ganz korrekt ist, da Klimawandel sich auch auf andere erdgeschichtliche Änderungen beziehen kann. Die prognostizierten intensiveren, längeren und öfter auftretenden Hitzewellen werden Ökosysteme weltweit auf die Probe stellen.

Wie genau sieht der Einfluss von Hitzewellen auf Wildtiere aus, und wie gehen einzelne Arten damit um? Einige sehr schlecht. Wenn Kühlungsmechanismen nicht ausreichen und die Körpertemperatur über eine Toleranzgrenze hinweg ansteigt, hat das tödliche Folgen. Flughunde, Possums und Koalas beispielsweise fallen tot von den Bäumen. Sie sind Baumbewohner, die den vorherrschenden Umgebungstemperaturen kaum entkommen können. Bewohner von Höhlen und unterirdischen Bauten suchen ein geschützteres Mikroklima auf. Baumbewohner hingegen sind starke tageszeitliche Schwankungen der Umgebungstemperatur gewohnt und können diese normalerweise gut ertragen. Doch wenn eine Hitzewelle ein Gebiet heimsucht, dann werden plötzlich sicher geglaubte Lebensräume und Gewohnheiten zur tödlichen Falle. Es kann zu starken Populationseinbrüchen kommen. Eine Population umfasst alle Tiere einer Art, die im gleichen Raum leben und sich miteinander fortpflanzen könnten.

Ein drastisches Beispiel hierfür sind Flughunde, worunter man größere, fruchtfressende Fledermäuse versteht. Unglaubliche 45 500 Individuen sind an einem einzigen Tag aufgrund einer Hitzewelle gestorben! Dokumentiert wurde das von drei Flughunde-Arten im australischen Bundesland Queensland im Januar 2014. Von den gestorbenen Tieren waren 96 Prozent Schwarze Flughunde, und der Verlust machte mehr als die Hälfte der Population in der Gegend aus4. Solche Nachrichten sind keine Einzelfälle und werden auch aus anderen Teilen der Welt berichtet.

Bedenklich ist das vermehrte Vorkommen solcher Massensterben nicht nur im Hinblick auf den Artenschutz, sondern auch für die Funktion von Ökosystemen. Fledermäuse sind für die Pflanzenbestäubung und die Ausbreitung von Samen unentbehrlich. Neben den toten Tieren gibt es zusätzlich Tausende stark dehydrierte Individuen, deren Überleben und Fortpflanzungserfolg unsicher sind, wodurch die Population weiterhin geschwächt wird. Anhand von Szenarien-Rechnungen wurde eine kritische Temperatur für das Sterben von Flughunden ermittelt. Die Analyse von vier Temperaturstufen zeigt, dass 42 °C der Schwellenwert ist, bei dem ein Massensterben großflächig eintritt5.

Solche theoretischen Berechnungen helfen, Tierverluste durch Wetterbedingungen abzuschätzen und vorherzusagen. Flughunde sind relativ große, vegetarisch lebende Fledertiere mit einer Spannweite von häufig über einem Meter, die oft in riesigen Kolonien leben, deren Standort den lokalen Umweltbehörden bekannt ist. Daher kann ihr Massensterben vergleichsweise gut dokumentiert werden. Das macht sie zu idealen »Bioindikatoren« für andere Arten, bei denen solche Ereignisse aufgrund der solitären Lebensweise oder der kleinen Körpergröße sehr schwer nachzuweisen sind. Dazu gehören beispielsweise Hummeln, Schmetterlinge oder Vögel. Auch beim Koala sind Massensterben meist schwer zu belegen, aber Studien berichten von Populationseinbrüchen von über 60 Prozent nach Hitzewelle und Dürre6. Eine weitere Tiergruppe, die unter sehr hohen Temperaturen leidet, sind Possums. Hunderte von ihnen fallen bei großer Hitze tot aus den Bäumen. Und Jamie möchte herausfinden, warum das so ist. Da der Bedarf an Energie und Wasser direkt von der Umgebungstemperatur abhängig sind, eignen sich diese Parameter hervorragend zur Untersuchung der physiologischen Antwort eines Tieres auf eine simulierte Hitzewelle.

Sauer Stoff

Kalibrieren und eichen, überprüfen und kontrollieren. Alles muss exakt eingestellt sein und genau funktionieren. Den gesamten Tag hatte Jamie damit zugebracht, die verschiedenen Messgeräte der Stoffwechselanlage für seinen nächtlichen Gast vorzubereiten. Nun hat er das frisch gefangene Possum mitgebracht, und die erste Messung kann losgehen. Das Tier verbringt die Nacht in einem kastenförmigen Gefäß, in dem es sich nach Belieben bewegen kann. Ringelschwanzbeutler sind ausgesprochen gelassene Tiere. Nach einer kurzen Inspektion der neuen Umgebung putzt sich das Possum ausgiebig und legt sich dann ruhig hin. Und nur so ist eine Messung sinnvoll, schließlich soll der Ruhestoffwechsel gemessen werden. Das Messgefäß hat zwei kleine Öffnungen, an die Luftschläuche angeschlossen sind. An einer Seite wird mithilfe einer Pumpe Luft zugeführt, die an der anderen Seite ausströmt. Diese Atemluft wird dann von speziellen Messgeräten analysiert, um Veränderungen in Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid oder Luftfeuchtigkeit zu berechnen. Jamie rollt seine Isomatte auf dem harten Boden aus. Die ganze Nacht über hat er das Wohl des Tieres per Infrarot-Kamera im Blick und überprüft die Funktion der Geräte.

Die Messung läuft über Nacht bei einer angenehmen Temperatur von 20 °C. Am folgenden Morgen beginnt die Wärmebelastung. Dazu erhöht Jamie die Temperatur langsam, in 2 °C-Schritten, bis zu einem Maximalwert von 39 °C am frühen Nachmittag. Diese Temperatur wurde als Maximum gewählt, da es selbst bei größter Hitze unwahrscheinlich ist, dass das Mikroklima in einem Possum-Nest diesen Wert überschreitet. Falls das Tier Anzeichen von Stress zeigen sollte, würde die Messung sofort abgebrochen. Doch Possums in dieser Gegend sind die Hitze gewöhnt, denn Hitzewellen gehören hier im Sommer dazu. In der Tat war es im Untersuchungsgebiet nur wenige Wochen vor Jamies Projektbeginn tierisch heiß: Über fünf Tage hinweg überstieg die Maximaltemperatur 43 °C, und für mehr als zehn Stunden pro Tag war es über 35 °C! Entsprechend lässt sich das Tier von der Untersuchung nicht aus der Ruhe bringen. Nachdem die Messungen bei 39 °C abgeschlossen sind, reduziert Jamie die Temperatur langsam wieder bis auf 20 °C und lässt das Possum kurz nach Sonnenuntergang wieder wohlbehalten an seinem Baum frei. Und es wundert sich wohl, ob das alles nur ein merkwürdiger Traum war!

Die ersten paar Nächte bleibt Jamie vor Ort, um alles im Blick zu behalten. Mehr als zehn Jahre Erfahrung mit solchen Untersuchungen zahlen sich aus, die Messungen laufen nach Plan. Kamera und Geräte können auch per Internet überprüft werden, so dass Jamie sich in den kommenden Wochen zumindest ab und an mal zu Hause blicken lassen kann. Gegen 1 Uhr nachts fällt er nach mehreren Stunden Possum-Suche müde ins Bett und flitzt um 7 Uhr früh schon wieder los zur Uni. Zum Abendessen kommt er kurz nach Hause, liest unseren Kindern noch etwas vor, um dann wieder in der Finsternis zu verschwinden. So geht das Tag für Tag, Nacht für Nacht. Nach drei Wochen sind erst mal genug Daten gesammelt. Gut, denn alle Beteiligten sind erschöpft! Aber solche Phasen gehören eben dazu zum Biologendasein. Dafür sind die Arbeitszeiten außerhalb der Feldarbeit relativ frei zu gestalten, was für den Familienalltag Gold wert ist. Außerdem ist zumindest unsere Tochter mit ihren sechs Jahren schon alt genug, um abends manchmal mit ins Feld zu gehen, um ein Possum wieder freizulassen. So werden Kindheitserinnerungen geschaffen!

Haus Halt

Tiere sind stets bemüht, ihre Körpertemperatur genau zu regulieren. Die damit verbundenen Mechanismen und Vorgänge werden als Thermoregulation bezeichnet. Säugetiere und Vögel unterscheiden sich vom Rest der Tierwelt darin, dass sie eine innere Wärmeproduktion haben. Dadurch können sie ihre Körpertemperatur unabhängig von der Umwelt regulieren und werden als endotherm bezeichnet. Alle anderen Tiere sind ektotherm, ihre Körpertemperatur hängt ab von ihrer Umgebung. Oft werden endotherme Tiere als gleichwarm, homoiotherm oder warmblütig bezeichnet. Ektotherme Tiere hingegen werden wechselwarm, poikilotherm oder kaltblütig genannt. In der Tierphysiologie werden die Begriffe endotherm und ektotherm gebraucht, da sie zutreffend den Ursprung der Wärme beschreiben, mit den griechischen Präfixen »ekto« für außen und »endo« für innen. Einige ektotherme Tiere wie Fluginsekten oder Thunfische können jedoch bestimmte Körperregionen erwärmen.

Säugetiere und Vögel müssen ein Gleichgewicht schaffen zwischen ihrer inneren Wärmeproduktion und der Wärmeabgabe nach außen. Genannt wird dies der Wärmehaushalt: Die durch den Stoffwechsel produzierte Wärme muss ausbalanciert werden mit der Wärmeaufnahme von externen Wärmequellen und mit der Wärmeabgabe an die Umwelt. Das hierfür verantwortliche Steuerzentrum der Temperaturregulation ist der Hypothalamus. Er ist Teil des Zwischenhirns und erhält ständig Informationen über die aktuelle Temperatur in verschiedenen Teilen des Körpers. Übersteigt ein Wert den Sollwert, so werden Kühlungsmechanismen aktiviert. Eng verwoben ist der Wärmehaushalt mit dem Wasserhaushalt und dem Elektrolythaushalt. Tiere müssen all das regulieren, wenn die Umgebungstemperatur steigt. Bei diesen Überlegungen ist es wichtig, Temperatur und Wärme nicht durcheinanderzubringen. Temperatur wird in Grad gemessen, Wärme dagegen in Joule. Im Alltag ist die Einheit Kalorie geläufiger, dabei entspricht 1 Kalorie 4,2 Joule. Wärme fließt immer von einer Stelle mit höherer Temperatur zu einer Stelle mit niedrigerer Temperatur, sie folgt dem Temperaturgefälle.

Landtiere können Wärme auf vier verschiedenen Wegen abgeben und aufnehmen: Wärmeleitung, Wärmeübertragung, Wärmestrahlung und Verdunstung. Bei direktem Kontakt mit einem Gegenstand oder dem Boden kann ein Tier durch Wärmeleitung Wärme abgeben oder aufnehmen, was auch Konduktion genannt wird. Damit eng verbunden ist die Wärmeübertragung oder Konvektion, die die Wärmebewegung in der Luft beschreibt. An der Körperoberfläche wird Wärme von der Luft weggetragen, und dieser Anteil nimmt zu, wenn es windiger wird oder wenn der Temperaturunterschied zwischen Haut und Luft größer wird. Bei der Wärmestrahlung oder Radiation wird Wärme über elektromagnetische Strahlung ausgetauscht, die keinen direkten Kontakt benötigt.

Nun zum vierten und effektivsten Weg der Wärmeabgabe: Verdunstung oder Evaporation. Hierbei wird Wasser an der Haut in Wasserdampf umgewandelt. Um 1 Gramm Wasser von der flüssigen Phase zu Dampf umzuwandeln, benötigt es mehr als fünfmal so viel Energie, wie es braucht, um die gleiche Wassermenge vom Gefrierpunkt zum Siedepunkt zu bringen! Durch Verdunstung wird überschüssige Körperwärme abgeführt, das Tier kühlt sich auf diese Weise ab. Verdunstung kann entweder durch Schwitzen, Hecheln oder Einspeicheln erzielt werden. Schwitzen können vor allem große Tiere. Dazu gehören Huftiere wie Rinder, Antilopen, Kamele oder Pferde und natürlich wir Menschen.

Bei manchen Arten sind die Schweißdrüsen auf eine bestimmte Körperregion beschränkt, bei anderen sind sie dagegen über den ganzen Körper verteilt. Auch die Anzahl der Schweißdrüsen variiert sehr stark. Ein Nachteil des Schwitzens ist, dass mit dem Wasser auch Salz verloren geht und starkes Schwitzen daher einen Salzmangel hervorrufen kann. Viele Tiere hecheln anstatt zu schwitzen, wie etwa Ziegen, Schafe und Fleischfresser. Durch die schnelle und flache Atmung wird die Verdunstung im oberen Atmungstrakt stark erhöht, ohne dabei viel Muskelwärme zu produzieren. Vom Prinzip sind Schwitzen und Hecheln ähnlich, nur dass beim Hecheln die Wärme über die Atemwege abgegeben wird anstatt wie beim Schwitzen über die Haut.

Hunde besitzen zwar einige Schweißdrüsen, aber den Hauptanteil der Verdunstungskühlung erreichen sie über das Hecheln. Dafür steigern sie ihre Atemfrequenz von 30 auf 300 Atemzüge pro Minute. Für Hunde gibt es keine goldene Mitte, entweder atmen sie normal oder sie hecheln. Schafe und Kängurus zeigen dagegen einen graduellen Anstieg der Atemfrequenz. Auch Vögel sind ohne Schweißdrüsen auf das Hecheln angewiesen. An heißen Tagen kann man sie oft mit geöffnetem Schnabel beobachten. Zusätzlich können sie durch die Oszillation ihres Rachenbodens Verdunstungskühlung schaffen.

Manche Tiere nutzen den dritten Weg der Verdunstungskühlung: das Einspeicheln. Indem Tiere sich das Fell lecken, wird über Verdunstung Wärme abgeben. Beispielsweise erhöhen Kängurus bei Hitze den Blutfluss zu ihren Vorderextremitäten, um dort durch Einspeicheln Verdunstungskühlung zu ermöglichen. Nagetiere sind auf das Einspeicheln angewiesen, da sie weder hecheln noch schwitzen können. Viele Tierarten nutzen jedoch nicht nur einen Weg der Verdunstungskühlung, sondern kombinieren Schwitzen, Hecheln oder Einspeicheln je nach Bedarf und äußeren Umständen.

Welchen Weg der Wärmeabgabe ein Landtier nutzt, hängt von der Umgebungstemperatur ab. In einer kühlen Umgebung kann es theoretisch alle genannten Möglichkeiten ausschöpfen. Bei Kälte machen Leitung und Strahlung einen Großteil aus, während Verdunstung gering ist. Der kritische Punkt der Wärmeabgabe beginnt für Säugetiere und Vögel, wenn die Umgebungstemperatur die eigene Körpertemperatur übersteigt. Ab diesem Punkt ist Wärmeabgabe nur noch durch Verdunstung möglich, sprich: Schwitzen, Hecheln oder Einspeicheln. Die anderen Möglichkeiten fallen weg, da sie auf einem Temperaturgefälle beruhen, wofür der Körper wärmer als die Umgebung sein muss. Doch Verdunstung kostet Wasser, und das ist bei hohen Temperaturen oft knapp.

Wie wirksam Verdungstungskühlung ist, hängt ab vom Wasserdampfdruck. Dieser ist wiederum abhängig von der Temperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit. Damit das Schwitzen klappt, muss auf der Haut ein höherer Wasserdampfdruck herrschen als in der Luft. Bei einer Umgebungstemperatur von 37 °C und sehr hoher Luftfeuchtigkeit ist kaum Verdunstung möglich. Ist die Luft jedoch trocken, kann auch bei 50 °C noch geschwitzt werden. Es geht also um die Effektivität des Schwitzens, die vom Wasserdampfdruck abhängt. Unter Wasser sieht es etwas anders aus, denn dort fallen Verdunstung und Strahlung als Wege des Wärmeaustauschs fast ganz weg. Die Wärmeleitfähigkeit von Wasser ist mehr als doppelt so hoch wie die von Luft. Das bedeutet, dass Wärme von Wasser besser geleitet wird als von Luft.

Kost Bar

Nachdem die Datenaufnahme mit den Possums im Feld abgeschlossen ist, macht sich Jamie an die Analyse der Ergebnisse. Dabei geht es um den Verbrauch von Sauerstoff, die Produktion von Kohlenstoffdioxid, den Wasserhaushalt, die Atmung und die Körpertemperatur der Possums. Die Daten müssen statistisch ausgewertet und im Bezug zu anderen Publikationen diskutiert werden. Es geht dabei um die Frage: Ab wann wird es einem Possum eigentlich zu warm? Wann muss es aktiv beginnen, Wärme an die Umgebung abzugeben, um sich vor Überhitzung zu schützen? Denn dieser Punkt ist nicht für alle Tiere gleich, sondern es gibt eine artspezifische Grenze. Veröffentlicht wird Jamies Artikel schließlich in der Fachzeitschrift »Journal of Experimental Biology«. Die Ergebnisse zeigen, dass Possums während einer Hitzewelle zu Kamelen werden! Der berühmteste Vertreter der großen Wüstenbewohner ist das Dromedar, das seine Körpertemperatur bei Wärmebelastung selbstbestimmt ansteigen lässt. Wie Jamies Daten zeigen, behelfen sich auch Possums mit dieser sogenannten fakultativen Hyperthermie7. Die Körpertemperatur steigt um einige Grad fast linear mit der Umgebungstemperatur an. Das spart kostbares Wasser, das sonst für Kühlung per Verdunstung nötig gewesen wäre.

Nur solange die Umgebungstemperatur unterhalb der Körpertemperatur liegt, kann Wärme passiv an die umgebende Luft abgegeben werden. Steigt sie darüber, dann bleibt Verdunstung die einzige Möglichkeit zur Kühlung. Während des ersten Teils der Messung zeigen die Possums eine normale Körpertemperatur von 36,1 °C. Wenn es jedoch heißer als 29 °C wird, dann lassen die Tiere ihre Körpertemperatur bis 38,6 °C mitansteigen. Erst dann beginnen sie mit dem Kühlen durch Verdunstung. Mithilfe dieses Anstiegs zögern sie den Zeitpunkt hinaus, an dem die Umgebungstemperatur ihre Körpertemperatur übersteigt. Dadurch sparen sie pro Stunde 10 Milliliter Wasser, das während einer Hitzewelle so kostbar ist.

Die Verhaltensbeobachtungen zeigen, dass Possums ab einer Umgebungstemperatur von 38 °C mit dem Kühlen beginnen. Da sie weder schwitzen noch hecheln können, bleibt ihnen als Weg der Verdunstungskühlung nur das Einspeicheln. Sie lecken ihr Fell, um auf diese Weise die Wärmeabgabe zu erhöhen. Wichtig ist, dass die gemessene Hyperthermie der Possums fakultativ ist – sie geschieht willkürlich und unterscheidet sich damit von einer ungewollten Hyperthermie mit negativen Folgen. Doch natürlich ist der Anstieg der Körpertemperatur nur bis zu einem gewissen Wert möglich. Schwer wird es für die Tiere, wenn die hohen Temperaturen bei einer Hitzewelle zu lange andauern oder wenn der Wasserverlust nicht ausgeglichen werden kann.

Vegetarier wie Possum und Koala haben es besonders schwer, wenn es um den Umgang mit Hitze geht. Das liegt an ihrer Nahrung. Viele Pflanzen produzieren Substanzen, die Tiere davon abhalten sollen, ihre saftigen Blätter zu fressen. Diese Abwehrstoffe sind »sekundäre Pflanzenstoffe«, und viele können toxisch wirken. Bei Nutztieren wird sichergestellt, dass ihre Nahrung reich an Nährstoffen ist und nur geringe Mengen dieser schädlichen Stoffe enthält. Wildtiere hingegen müssen beim Fressen abwägen, wie viel von welchen Blättern oder Gräsern sie aufnehmen können, ohne Schäden davonzutragen. Das gilt sowohl für die Wahl jeder einzelnen Mahlzeit als auch für längerfristige Zeiträume von Tagen und Wochen.

Fast alle Tiere würden beim Speiseplan eines Koalas an Vergiftung sterben! Die Wirkungsweise dieser Pflanzenstoffe ist sehr komplex, sie kommen in den verschiedenen Pflanzenarten in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Konzentrationen vor. Mithilfe von Darmbakterien kann ein Großteil unbeschadet ausgeschieden werden, jedoch müssen Tiere ihre Einnahme kontrollieren, um schädliche Wirkungen zu minimieren. Mein befreundeter Kollege Bill Foley beschreibt in einer Studie, wie Koalas innerhalb eines Waldes den Besuch einzelner Eukalyptusbäume sorgsam abwägen. Drei Kriterien spielen eine Rolle: Das Alter des Baumes, ein verhältnismäßig geringer Gehalt an Toxinen in den Blättern und ein hoher Stickstoffgehalt in den Blättern8. Für diese Untersuchung analysierten Bill und ein Kollege die chemische Zusammensetzung von 857 einzelnen Bäumen von zwei Eukalyptusarten in dem Koala Conservation Centre auf Phillip Island, einer schönen Insel südöstlich von Melbourne. Über zehn Jahre hatten dort Parkangestellte und Freiwillige den Besuch von etwa 20 Koalas auf den verschiedenen Bäumen dokumentiert. Das Zusammenführen dieser beiden eindrucksvollen Datensätze von Pflanzen und Tieren in einem Gebiet ermöglichte es, die Vorliebe von Koalas für bestimmte Bäume zu erklären.

Und es gibt noch einen weiteren Grund, warum Koalas innerhalb eines Waldes einige Bäume gezielt aufsuchen: Die kühlende Antwort auf eine heiße Umarmung! Denn für Tiere, die mit einer Hitzewelle konfrontiert sind, ist die Situation besonders prekär. Erstens verursachen die Pflanzenstoffe in den Zellen der Tiere einen sogenannten Entkopplungsmechanismus, der den Stoffwechsel erhöht und zusätzlich Wärme freisetzt. Zweitens wirken die Blätter bei Hitze stärker toxisch. Die Tiere können zwar ihre Nahrungsaufnahme reduzieren, um den negativen Effekt abzuwenden, doch birgt diese Strategie das Risiko des Energie- und Wassermangels. Daher hat der Koala sich eine besondere List ausgedacht, um etwas Kühlung zu erlangen: Er umarmt Bäume! Und zwar nicht seine normalen Futterbäume, von denen eben die Rede war, sondern er sucht bei großer Hitze andere Bäume aus und schmiegt sich eng an deren dicken Stamm.

Jeder weiß, dass Koalas in Bäumen sitzend und kauend den Tag verbringen. Doch die normale leicht gebeugte Haltung in einer Astgabel bei milden Temperaturen verlagert sich bei Hitze in eine enge Baum-Umarmung, bei der der gesamte Körper an den Stamm gepresst wird. Messungen mit Wärmekameras konnten in der Tat zeigen, dass er dadurch seine Wärmeabgabe an die Umgebung steigern kann. Dieses Verhalten spart ihm kostbares Wasser, das er sonst zur Kühlung verbraucht hätte. Denn bei sehr hohen Temperaturen ist Wärmeabgabe nur durch Verdunstung möglich, wobei Wasser an der Haut in Wasserdampf umgewandelt wird. Als baumlebendes Tier kann der Koala sich nicht in eine unterirdische Höhle verkriechen. Doch wie diese Studie aus dem Jahr 2014 erstmals zeigt, bereitet der Stamm ein signifikant kühleres Mikroklima9. Dahinter stehen komplexe Prozesse wie der Wärmeaustausch durch wasserleitende Gefäße im Baum, und noch ist nicht ganz klar, warum welcher Baum wann wo am meisten Kühlung bereitet. Diese Untersuchung unterstreicht die wichtige Rolle von verschiedenen Baumarten in einem Lebensraum, und die Ergebnisse könnten auch für andere Baumbewohner bedeutend sein.

Entsprechende Verhaltensänderungen zur Reduzierung der Wärmebelastung sind bei hohen Umgebungstemperaturen sehr wichtig. Neben dem Aufsuchen von kühleren Orten in ihrem Lebensraum vermeiden Tiere zusätzlich Prozesse, die Wärme produzieren. Dazu gehört Bewegung, die durch Muskelarbeit Hitze freisetzt. Tiere reduzieren ihre Aktivität oder verschieben sie auf kühlere Tageszeiten. Auch beim Fressen entsteht innerlich Wärme, etwa durch Kauen, Schlucken, Magen- und Darmbewegungen sowie Zersetzung und Verarbeitung von Nahrung. Durch reduzierte Nahrungssuche und Nahrungsaufnahme können Tiere die innere Wärmeproduktion verringern, wenn auch auf Kosten der Energie- und Wasserzufuhr.

Tiere reagieren auch auf zellulärer Ebene auf Hitze. Bestimmte Proteine werden vermehrt gebildet, wenn die Zelle unter Stress gerät, zum Beispiel durch Wärmebelastung. In der Tat tut sich unglaublich viel in den Zellen, wenn es ihnen zu heiß wird: Bereits innerhalb der ersten Stunde werden dort als Antwort auf Temperaturstress 1500 verschiedene Gene angeschaltet und 8000 Gene abgeschaltet10. Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang sind die sogenannten Hitzeschockproteine. Diese Gruppe von Proteinen hat eine bedeutende Funktion für den Schutz der Zellen, indem sie beispielsweise denaturierte Proteine repariert.

Irre Parabel

Von molekularen und zellulären Prozessen über physiologische Abläufe bis hin zu Verhaltensänderungen – Tiere zeigen eine Vielzahl an Mechanismen als Reaktion auf Wärmebelastung. Sie sind jedoch alle in ihrem Wirkungsgrad limitiert. Wenn sie an ihre Grenzen stoßen, dann steigt die Körpertemperatur. Meist kann der Körper jedoch nur einige Grad Anstieg über die normale Körpertemperatur tolerieren, bevor irreparable Schäden an Gewebe und Organen entstehen. Die normale Körpertemperatur eines endothermen Tieres liegt je nach Art zwischen 31 °C und 41 °C. Am unteren Ende der Temperaturspanne finden wir mit 31–32 °C die eierlegenden Säugetiere Ameisenigel und Schnabeltier und am oberen Ende Vögel mit häufig über 40 °C. Die normale Körpertemperatur sagt an sich allerdings nichts darüber aus, wie gut ein Tier mit Hitze umgehen kann!

Der Unterschied zwischen normaler Körpertemperatur und Hitzetoleranz ist sehr wichtig. Vergleichen wir dafür einmal zwei Tiere mit unterschiedlicher Körpertemperatur: Eine Spitzmaus (37 °C) und ein Ameisenigel (31 °C). Die Spitzmaus hat eine höhere normale Körpertemperatur, jedoch ist sie viel anfälliger für Überhitzung und stirbt schon nach einer Stunde bei 32 °C Umgebungstemperatur. Der Ameisenigel hingegen kann noch 42 °C Umgebungstemperatur tolerieren, da er sich effektiv kühlen kann. Die normale Körpertemperatur sagt nichts darüber aus, wie effizient ein Tier sich kühlen kann – sie verändert jedoch den Zeitpunkt, an dem die Wärmebelastung einsetzt.