Über dieses Buch

Cover

Es sind Zeiten des Umbruchs: Der Islam dringt vor in Afrika, Missionare und Kolonisatoren kommen ins Land, der Sklavenhandel blüht. Maryse Condé hat die faszinierende Geschichte einer versunkenen Welt geschrieben. Sie erzählt von Händlern und Bauern, Eroberern und Sklaven – eine opulente Familiensaga in dramatischen Zeiten.

Maryse Condé

Maryse Condé (*1937 in Guadeloupe) studierte Literaturwissenschaften in Paris und lebte viele Jahre in Westafrika. Bis 2002 war sie Dozentin an der Columbia University in New York. 1988 wurde sie für ihre Familiensaga Segu mit dem LiBeraturpreis ausgezeichnet. 2018 erhielt sie den New Academy Prize für Literatur.

Uli Wittmann, geboren 1948, promovierte in Ethnologie und Literaturwissenschaften. Er übersetzt aus dem Englischen und Französischen, u. a. Werke von J. M. G. Le Clézio, Philippe Djian, Ben Okri, Simone Schwarz-Bart, Alexis Jenni, Noëlle Châtelet und Michel Houellebecq.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Maryse Condé

Segu

Roman

Aus dem Französischen von Uli Wittmann

Der Segu-Zyklus (1)

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die Originalausgabe erschien 1984 unter dem Titel Ségou. Les murailles de terre bei Éditions Robert Laffont, S. A., Paris.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1988 im Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln.

Die Übersetzung aus dem Französischen wurde unterstützt durch litprom – Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V.

Originaltitel: Ségou. Les murailles de terre (1984)

© by Éditions Robert Laffont, Paris, 1984

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30526-7

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Version vom 19.07.2020, 00:05h

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Für meine Bambara-Ahnin

Danksagung

Ich kann nicht all diejenigen hier aufführen, die mir mit ihren bibliografischen Hinweisen geholfen haben oder mich ihre Dokumentation haben einsehen lassen. Dennoch möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich meinen Freunden, den Geschichts- und Geisteswissenschaftlern Amouzouvi Akakpo, Adame Ba Konare, Ibrahima Baba Kake, Lilyan Kestleloot, Elikia M’Bokolo, Madina Ly Tall, Olabiyi Yai, Robert Pageard und Oliveira dos Santos danken. Ihnen habe ich es zu verdanken, dass dieser Roman sich nicht allzu weit von der historischen Wirklichkeit entfernt.

Erster Teil

Worte, die in der Nacht fallen

1

Segu ist ein Garten, in dem die List wächst. Segu ist auf Verrat gebaut. Sprich von Segu außerhalb von Segu, aber sprich nicht von Segu in Segu.

Warum wollte Dusika dieser Gesang der Griots, den er schon so oft gehört hatte, ohne ihn groß zu beachten, nicht aus dem Sinn? Warum wurde er von finsteren Vorahnungen gequält wie eine schwangere Frau von Übelkeit? Warum diese Angst bei Anbruch des Tages? Dusika durchforschte seine Träume, um darin ein Zeichen oder einen Hinweis zu finden, was ihn erwarten mochte. Nichts. Er hatte tief und fest geschlafen, ohne von einem der Ahnen im Traum besucht worden zu sein. Dusika saß auf einer Matte im Vorraum seiner Hütte und nahm etwas dèguè zu sich, jene Mischung aus Hirsebrei, Sauermilch und Honig, die er morgens gern aß. Er fand sie zu flüssig für seinen Geschmack und rief gereizt seine erste Frau Nya herbei, um sie auszuschelten. Während er auf sie wartete, nahm er seinen Kaustab aus n’tomi-Holz, steckte ihn zwischen seine schönen, gefeilten Zähne, damit sich der Saft des Holzes mit seinem Speichel vermischte und seine Körperkraft und seine sexuelle Potenz erhöhte.

Als Nya nicht antwortete, stand er auf, trat aus der Hütte und ging in den ersten Hof des Anwesens, wo seine Frauen wohnten.

Der Hof war leer. Leer? Nur ein paar Kornschwingen für die Hirse lagen neben kleinen Holzschemeln auf dem makellos reinen Sand.

Dusika war ein yèrèwolo, ein Mann aus adligem Geschlecht, Mitglied des königlichen Rats, persönlicher Freund des Mansa, Vater von einem Dutzend legitimer Söhne, und er herrschte in seiner Eigenschaft als fa, das heißt als Patriarch, über fünf Familien, und zwar zunächst über seine eigene und dann über jene seiner jüngeren Brüder, die mit ihm zusammen dort wohnten. Dusikas Anwesen spiegelte die Stellung wider, die er in der Gesellschaft von Segu einnahm. Die hohe Lehmfassade zur Straße hin war mit Skulpturen und dreieckigen Zeichnungen verziert, die in die Wand geritzt waren, und endete in ungleich hohen Türmchen, was einen sehr gelungenen Effekt erzielte. Im Inneren setzte sich das Anwesen aus einer Reihe von Lehmhütten zusammen, die alle flache Dächer hatten und durch mehrere Innenhöfe miteinander verbunden waren. Im ersten Hof stand ein prachtvoller dubale-Baum mit einem riesigen Blätterdach, gestützt von etwa fünfzig Säulen, die aus den am Hauptstamm herabwachsenden Wurzeln gebildet wurden.

Der dubale-Baum war in gewisser Weise der Zeuge und Hüter des Lebens der Traoré. Unter seinen mächtigen Wurzeln war die Nachgeburt zahlreicher Ahnen nach der glücklichen Entbindung vergraben worden. In seinen Schatten setzten sich Frauen und Kinder, um sich Geschichten zu erzählen, und die Männer, um Entscheidungen über das Leben der Familie zu fällen. In der Trockenzeit schützte er vor der Sonne. In der Regenzeit gab er Feuerholz. Und wenn die Nacht hereingebrochen war, versteckten sich die Geister der Ahnen in seinem Laub und behüteten den Schlaf der Lebenden. Wenn die Geister unzufrieden waren, ließen sie es wissen, indem sie eine Folge schwacher Laute von sich gaben, die zugleich geheimnisvoll und transparent wie eine verschlüsselte Botschaft waren. Dann nickten diejenigen mit dem Kopf, denen die Erfahrung die Macht gab, die Laute zu entschlüsseln: »Achtung, unsere Väter haben heute Abend gesprochen!«

Alle, die die Schwelle des Anwesens der Traoré überschritten, wussten, mit wem sie es zu tun hatten. Sie errieten sofort, dass die Leute, die hier wohnten, genügend Klafter guter Erde besaßen, die mit Hirse und Baumwolle bepflanzt war und von Hunderten von Haussklaven und Gefangenen bestellt wurde. In den Vorratskammern häuften sich die Säcke mit Kaurimuscheln und Goldstaub, den der Mansa großzügig verschenkte, und in einer Einfriedung hinter den Hütten schnaubten Araberpferde, die den Mauren abgekauft worden waren. Der Reichtum ließ sich an tausend Zeichen erkennen. Und nun war der erste Hof leer, in dem es gewöhnlich von Menschen nur so wimmelte? Von Mädchen, die bis auf eine Perlen- oder Kaurikette um die Hüften nackt waren, und Jungen, die stattdessen einen Baumwollfaden trugen; von Frauen, die Hirse stampften oder worfelten, die Baumwolle spannen und dabei den Scherzen eines Spaßmachers oder den epischen Gesängen eines Griot lauschten, der um einen Teller to bat; von plaudernden Männern, die ihre Pfeile für die Jagd vorbereiteten oder ihre Ackergeräte schärften. Mit zunehmender Verärgerung betrat Dusika den zweiten Hof, an dem die Hütten seiner drei Frauen und seiner Konkubine Sira lagen.

Er fand Sira auf einer Matte ausgestreckt, mit einem Ausdruck des Leidens, der ihr hübsches, schweißglänzendes Gesicht verzerrte. Er herrschte sie an: »Wo sind sie denn alle?«

Sie versuchte sich aufzurichten und flüsterte in ihrem schlechten Bambara: »Am Fluss, kokè

Er brüllte beinah: »Am Fluss? Was machen sie denn alle am Fluss?«

Sie stieß mit Mühe hervor: »Ein weißer Mann! Ein weißer Mann ist am Ufer des Joliba!«

Ein weißer Mann? Was fantasierte diese Frau? Dusikas Blick senkte sich bis auf ihren Bauch, der sich unter dem lose geknüpften Wickeltuch hoch aufwölbte, und glitt dann erschrocken wieder an den Wänden der Hütte hoch, die aus einer Mischung von Lehm und Kaolin bestanden. Allein mit einer Frau, die kurz vor der Niederkunft war! …

Um sein Entsetzen zu verbergen, fragte er schroff: »Was ist mit dir los?«

Sie stammelte im Ton der Entschuldigung: »Ich glaube, es ist so weit …«

Seit mehreren Monaten suchte Dusika die zum zweiten Mal schwangere Sira aus Rücksicht auf das Leben, das sie in sich trug, nicht mehr auf. Ebenso musste er sich während der gesamten Wehen von ihr fernhalten und durfte erst nach der Entbindung zusammen mit dem Fetischpriester auftauchen, wenn sie das Neugeborene bereits in den Armen hielt. Würde seine Anwesenheit zu einem Zeitpunkt, da ihre Wehen bereits eingesetzt hatten, nicht die Ahnen erzürnen? Er zögerte noch, sich zurückzuziehen und sie allein zu lassen, als Nya mit einem Kind auf dem Rücken auftauchte und zwei weiteren Kindern, die sich an ihre mit Indigo gefärbten Baumwollwickeltücher klammerten. Er explodierte: »Wo warst du? Ich kann verstehen, dass alle hier den Kopf verlieren, aber du?«

Ohne ein Wort der Erklärung oder gar der Entschuldigung ging Nya an ihm vorbei und beugte sich über Sira: »Leidest du schon lange?«

Sira flüsterte: »Nein, es hat eben erst angefangen!«

Bei keiner anderen Frau hätte Dusika ein derart respektloses Benehmen, das an Unverschämtheit grenzte, geduldet, aber Nya war seine erste Frau, seine bara muso, der er einen Teil seiner Autorität übertragen hatte, und daher konnte sie wie eine Gleichgestellte mit ihm umgehen. Außerdem war sie eine geborene Kulubari, verwandt mit dem alten Herrschergeschlecht von Segu, und Dusika, wenn auch adliger Abstammung, konnte sich nicht einer solch ruhmvollen Herkunft brüsten. Nyas Vorfahren hatten diese Stadt am Ufer des Joliba gegründet, die schnell zum Zentrum eines riesigen Reiches geworden war. Die Brüder ihrer Vorfahren regierten über Kaarta. Daher steckte in Dusikas Liebe zu ihr auch ein großer Teil Respekt, beinah Furcht. Er zog sich zurück und stieß im ersten Hof auf einen Boten des Palasts. Der Mann warf sich zum Zeichen des Respekts in den Staub und grüßte ihn in dieser Haltung: »Du und der Tag!«

Dann rasselte er die Devise der Traoré herunter: »Traoré, Traoré, Traoré, der Mann mit dem langen Namen zahlt nicht für seine Flussüberquerung.1«

Und schließlich übermittelte er seine Botschaft: »Traoré, der Mansa bittet dich, sofort in den Palast zu kommen! …« Dusika war überrascht: »In den Palast? Aber heute ist doch nicht der Tag der Ratsversammlung!«

Der Mann hob den Kopf: »Es geht nicht um eine Ratsversammlung. Ein weißer Mann ist am Ufer des Flusses und möchte vom Mansa empfangen werden …«

»Ein weißer Mann?« Sira hatte also doch nicht fantasiert? Dusika hatte allerdings auch schon von diesem weißen Mann gehört. Reiter, die aus Kaarta zurückgekehrt waren, hatten berichtet, sie hätten ihn auf einem Pferd reiten sehen, das ebenso erschöpft war wie er selbst. Aber Dusika hatte es für eine jener Geschichten gehalten, mit denen die Frauen abends die Kinder unterhalten, und hatte ihr keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Nachdem er seine kegelförmige Kappe aufgesetzt hatte, denn die Sonne stieg am Himmel allmählich höher, verließ Dusika sein Anwesen.

Im Jahre 1797 war Segu – die Stadt mit den 1444 heiligen balanza-Bäumen, der irdischen Verkörperung von Pemba, dem Gott der Schöpfung, und Hauptstadt des gleichnamigen Bambara-Reiches – eine weitläufige Siedlung aus vier Stadtvierteln am Ufer des Joliba, der an dieser Stelle gut dreihundert Meter breit war. In Segu-Koro befand sich das Grabmal des Stadtgründers Biton Kulubari, während sich in Segu-Sikoro der Palast des Mansa Monzon Diarra erhob. Im Umkreis mehrerer Tagesmärsche hätte man keinen belebteren Ort finden können. Der wichtigste Markt fand auf einem großen, viereckigen Platz statt, der von Schuppen mit Holz- oder Mattenwänden und Dächern aus gestampftem Lehm umstanden war, unter denen Frauen alles Erdenkliche zum Verkauf anboten: Hirse, Zwiebeln, Reis, Süßkartoffeln, geräucherten Fisch, frischen Fisch, Gewürze, Karitefett und Junghennen, während Handwerker ihre Produkte über Seile gehängt hatten: gewebte Baumwollbänder, Sandalen, Pferdesättel und kunstvoll verzierte Kalebassen. Links vom Markt befand sich der Basar, in dem dicht gedrängt und mit den abgerissenen Zweigen junger Bäume aneinander gefesselt die Kriegsgefangenen untergebracht waren. Dusika schenkte diesem allzu vertrauten Anblick keinerlei Beachtung. Selbst auf die Gefahr hin, seine Würde aufs Spiel zu setzen, eilte er daran vorbei und wies mit entschlossener Geste die Griots zurück, die überall auf den Straßen darauf warteten, einen Lobgesang auf die Männer von hoher Geburt anzustimmen.

Segu war auf dem Gipfel seines Ruhms. Bis zu den Märkten von Dschenne, der großen Handelsstadt am Ufer des Bani, erstreckte sich seine Macht. Segu war gefürchtet bis nach Timbuktu am Rand der Wüste. Die Fulbe aus Massina waren seine Vasallen und zahlten Segu jährlich hohe Abgaben an Vieh und Gold. Das war jedoch nicht immer so gewesen. Hundert oder hundertfünfzig Jahre zuvor hatte Segu unter den Städten des Sudans2 noch keinerlei Bedeutung. Es war nur ein Dorf, in dem Niangolo Kulubari Zuflucht gesucht hatte, während sich sein Bruder Barangolo weiter nördlich niederließ. Und dann war sein Sohn Biton zum Freund des Gottes Faro geworden, dem Herrn des Wassers und des Wissens, und hatte unter seinem Schutz eine Ansammlung von Lehmhütten in ein stolzes Gebilde verwandelt, dessen Name allein Somono, Bozo, Dogon, Tuareg, Fulbe und Sarakole zum Zittern brachte … Mit all diesen Völkern führte Segu Krieg und erhielt dadurch Sklaven, die es auf den Märkten verkaufte oder von denen es seine Felder bearbeiten ließ. Der Krieg war der Antrieb seiner Macht und seines Ruhms.

Der Grund für Dusikas Eile lag darin, dass der Ruf des Mansa ihn beruhigte und überzeugte, dass er nicht in Ungnade gefallen war, wie er befürchtet hatte. Am Hofe fehlte es nicht an Leuten, die auf seine allzu große Vertrautheit mit Monzon Diarra und die besondere Beziehung, die zwischen ihnen bestand – jene Bande der Freundschaft, des scherzhaften Spottes und der gegenseitigen Unterstützung –, eifersüchtig waren. Daher hatten sie seine Einstellung zum Krieg als Vorwand benutzt, um Monzon ins Ohr zu flüstern: »Dusika Traoré ist der Einzige, der sich deinem Ruhm entgegenstellt. Er sagt, die Bambara hätten genug vom Krieg, und das alles, weil er auf dich und deinen Reichtum eifersüchtig ist. Vergiss nicht, dass seine Frau eine Kulubari ist!«

Und nach und nach bemerkte Dusika, wie das Misstrauen im Blick von Monzon aufkam und jedes Mal, wenn dieser ihn ansah, sich eine Frage darin abzeichnete: »Ist er mein Freund oder mein Feind?«

Dusika betrat den Hof des Palastes. Es war ein prächtiges Gebäude, erbaut von Maurern aus Dschenne. Eine Mauer aus Lehmziegeln umgab es, die ebenso dick war wie eine Stadtmauer, mit nur einem einzigen Tor, vor dem immer Wächter standen; sie waren mit Gewehren bewaffnet, die über die Sklavenhändler von der Küste gekommen waren. Dusika durchquerte sieben Vorräume voller Tondyons, bis er zum Raum der Ratsversammlung gelangte, vor dessen Tür Fetischpriester damit beschäftigt waren, die Zukunft mithilfe von Kolanüssen und Kaurimuscheln zu entziffern, während Höflinge auf das Wohlwollen der Griots warteten, um beim Mansa eingeführt zu werden.

Monzon Diarra lag auf einem Rinderfell, das auf einem Podest ausgebreitet war, und hatte den linken Ellbogen auf ein mit Schnörkeln verziertes Kissen aus Ziegenleder gestützt. Er machte einen besorgten Eindruck. Mit der einen Hand streichelte er einen der beiden dicken Zöpfe, die vom Scheitel aus geflochten waren und sich unterm Kinn kreuzten. Mit der anderen drehte er den Ring, der sein linkes Ohr schmückte. Drei Sklaven fächelten ihm Luft zu. Zwei andere, die nicht weit davon hockten, bereiteten in kleinen Mörsern den Tabak zu, bevor sie ihn ihm in schweren goldenen Tabakdosen reichten.

Der Rat war vollzählig versammelt, und Dusika stellte voller Wut fest, dass er der Letzte war. Er verbeugte sich tief, wie es der Brauch war, schlug sich dabei auf die Brust und rutschte auf den Knien zu seinem Platz neben seinem Todfeind Samaké.

Monzon Diarra hatte die Schönheit seiner Mutter Makoro geerbt, die die Griots noch immer besangen. Seine ganze Persönlichkeit flößte Respekt und Grauen ein, als habe die Königswürde, die sein Vater Ngolo den Nachfahren von Biton Kulubari entriss, in ihm ihre Legitimität gefunden. Er hatte ein weißes Baumwollhemd an, das aus den besten Webstühlen von Segu stammte, und eine ebenfalls weiße Hose, die an der Taille von einem breiten Gürtel gehalten wurde. Er trug ein Stirnband aus Baumwolle, und seine muskulösen Arme waren mit Tierhörnern und -zähnen geschmückt, die ihn beschützen sollten, aber auch mit Amuletten, die von Marabuts hergestellt worden waren: kleine, sorgsam gefertigte Ledersäckchen, die Koranverse enthielten. Er senkte den Blick auf Dusika und fragte spöttisch: »Nun, Dusika, welche von deinen Frauen hat dich denn so lange zurückgehalten?«

Die spottlüsterne Versammlung der Höflinge brach in Lachen aus, während Dusika sich mit unterdrücktem Zorn entschuldigte: »Herr der Kräfte, dein Bote hat mich erst vor sehr kurzer Zeit benachrichtigt. Sieh, ich bin so schnell gegangen, dass ich jetzt noch schwitze …«

Nach dieser Unterbrechung erhob sich Tiétiguiba Danté, der oberste Griot, der der Versammlung die Worte des Mansa übermittelte, und sagte: »Der Herr der Götter und der Menschen, der auf dem königlichen Fell lagert, der große Mansa Monzon hat euch aus folgendem Grund einberufen: Ein weißer Mann – weiß und mit zwei Ohren rot wie ein glimmendes Holzstück – befindet sich am anderen Ufer des Flusses und möchte vom Mansa empfangen werden. Was will er?«

Daraufhin setzte sich Tiétiguiba wieder, und dem Zeremoniell entsprechend erhob sich ein anderer Griot. Tiétiguiba wurde von allen gefürchtet wegen seiner großen Vertrautheit mit dem Herrscher. Er war auf recht eindrucksvolle Weise mit einem indigoblauweißen Baumwollkaftan gekleidet und trug einen Kopfschmuck aus Raubtierfell und Kaurimuscheln. Da er gleichzeitig als Spion fungierte, ließ er seinen Blick langsam über jedes Ratsmitglied schweifen, als wolle er jeden Einzelnen abschätzen und Bericht über ihn erstatten. Als der zweite Griot verstummt war, erhob er sich erneut und sagte: »Dieser weiße Mann behauptet, er sei kein Maure und habe nichts mit ihnen gemein. Er will nichts verkaufen und nichts kaufen. Er sagt, er sei gekommen, um sich den Joliba anzusehen …«

Schallendes Gelächter. Gab es im Land des Weißen keine Flüsse? Und ähnelt ein Fluss nicht dem anderen? Nein, die Sache musste einen Haken haben, und der weiße Mann wollte nicht die wirk-liche Absicht seines Besuchs verraten. Dusika meldete sich zu Wort: »Sind die Seher und Marabuts befragt worden?«

Samaké spottete leise: »Meinst du, wir hätten erst auf dich gewartet, um darauf zu kommen?«

Dusika schluckte erneut seinen Zorn herunter und wiederholte seine Frage. Tiétiguiba antwortete ihm: »Sie äußern sich nicht!«

Sie äußerten sich nicht? Das konnte nur ein Zeichen dafür sein, wie ernst die Situation war. Tiétiguiba fuhr fort: »Sie sagen, was immer wir auch mit diesem weißen Mann machen, es werden andere kommen, die so sind wie er und sich unter uns vermehren.«

Verblüfft blickten sich die Ratsmitglieder an. Weiße Männer, die sich in Segu niederließen und unter den Bambara lebten? Freunde oder Feinde, das schien unmöglich! Dusika beugte sich vor und flüsterte in Richtung seines Freundes Kone, der nicht weit von ihm saß: »Hast du ihn gesehen, den weißen Mann?«

In dem allgemeinen Schweigen wurde diese etwas kindische Bemerkung unglücklicherweise von allen gehört. Der Mansa richtete sich auf und entgegnete ihm ironisch: »Wenn du ihn sehen willst, er ist am andern Ufer des Joliba. Dort triffst du Frauen und Kinder und die Männer der niederen Kasten …« Die Versammlung brach noch einmal in ein hämisches Gelächter aus. Und Dusika stand erneut im Mittelpunkt des Spottes und des Hohns. Was warf man ihm eigentlich vor? Dass er in gewisser Weise ein doppeltes Spiel trieb, dass er seinem Hass auf den Krieg bei jeder Gelegenheit Ausdruck verlieh, aber dennoch seinen Teil an der Kriegsbeute einstrich und sich somit auf leichte Art bereicherte, da er nur selten an den Expeditionen teilnahm. Außerdem schienen ihm seine Vertrautheit mit dem Mansa und die königliche Abstammung seiner Frau derart zu Kopf gestiegen zu sein, dass er alle Leute mit Verachtung behandelte: Kurz, man warf ihm Arroganz und Überheblichkeit vor. Manche sagten, er müsse das wohl von seinem Vater Fale geerbt haben, der der stolzeste yèrèwolo war, den es je in der Stadt gegeben hatte, sodass die Götter ihn mit einem schmachvollen Tod bestraft hatten: Sein Pferd hatte ihn mitten in einem Sumpf abgeworfen, wo er stundenlang mit dem Tod gerungen hatte.

Man ging zwar nicht so weit, Dusika ein ähnliches Ende zu wünschen, aber dennoch waren alle am Hofe der Meinung, eine ordentliche Lehre könne ihm nicht schaden.

Währenddessen beugte sich Nya über Sira.

Die beiden Frauen waren nicht mehr allein. Die Zahl jener, die den weißen Mann sehen wollten, war derart groß gewesen, dass die Pirogen, die den Joliba überquerten, dem Ansturm nicht gewachsen waren. Nach mehrstündiger Wartezeit hatten daher viele Sklaven tief betrübt in ihr Anwesen zurückkehren müssen, um ihren Pflichten nachzukommen.

Nya hatte eilends Suka holen lassen, jene Matrone, die alle Frauen von Dusika entbunden und mit ihren geschickten Händen mehr als einen Säugling, der noch zögerte, in die Welt des Sichtbaren einzutreten, zum Leben erweckt hatte. In der Zwischenzeit verbrannte sie schon Pflanzen, um böse Geister zu vertreiben und das Einschießen der Milch zu erleichtern. Dann kehrte sie wieder zu Sira zurück, die in der Hocke saß, um die Ausstoßung zu erleichtern.

Sira nahm eine Sonderstellung im Anwesen ein. Sie war keine Bambara, sondern eine Fulbe. Der Mansa Monzon hatte auf einer Strafexpedition gegen seine Fulbe-Vasallen aus Massina, deren Ardo nie ihre Steuer entrichteten, als Druckmittel ein Dutzend Jungen und Mädchen aus den besten Familien der Hauptstadt Tenenku festnehmen lassen. Er hatte vor, sie freizulassen, sobald die Schuld getilgt war. Aber eines Tages hatte Dusika, als er auf dem Weg zur Ratsversammlung durch einen der Innenhöfe des Palasts kam, Sira gesehen und sie sich als Konkubine erbeten. Aufgrund der engen Beziehung, die zwischen den beiden Männern bestand, hatte Monzon sie ihm trotz seines Missfallens nicht versagen können. Als anschließend die Steuern bezahlt worden waren, hatte Siras Familie eine Delegation geschickt, um sie zurückzuholen. Aber Dusika hatte sich geweigert zu gehorchen. Im Übrigen war es zu spät, denn Sira war bereits schwanger. Da sie jedoch aus einem fremden Volk stammte und noch dazu eine Gefangene war, hatte Dusika sie nicht heiraten können. Dennoch war es klar, dass er sie seinen rechtmäßigen Ehefrauen vorzog, die dieselbe Sprache sprachen und dieselben Götter verehrten wie er.

Zunächst hatte Nya Sira gehasst. Es war allerdings nicht das erste Mal, dass Dusika sich eine Konkubine nahm. Die Anzahl der Sklavinnen, die sich nachts in seiner Hütte ablösten, war nicht mehr zu zählen. Aber keiner von ihnen hatte er so viel Wertschätzung zukommen lassen. Nya täuschte sich nicht; sie konnte seine Leidenschaft an tausend kleinen Zeichen ablesen, die den anderen unsichtbar blieben. Und dann waren ihr Hass und ihre Eifersucht ohne eigentlichen Grund in eine Mischung aus Mitleid, Solidarität und Zuneigung umgeschlagen. Das Schicksal, das Sira beschieden war, hätte auch ihr widerfahren können. Die Gewalt der Männer oder die Laune eines Einzelnen hätte sie dem Haus ihres Vaters, den Armen ihrer Mutter entreißen und sie zum Objekt eines Tauschhandels werden lassen können. Und so hatte sie zum Erstaunen aller begonnen, ihre frühere Rivalin in ihren Schutz zu nehmen.

Trotz ihrer eisernen Selbstbeherrschung stöhnte Sira auf. Nya, die nicht wollte, dass man ihrer Nebenfrau nachsagen könne, im Augenblick der obersten Prüfung keinen Mut gezeigt zu haben, legte ihr schnell die Hand auf den Mund. Gleichzeitig nahm sie sich vor, eine weitere Opfergabe in der Hütte mit den Opferaltären im hintersten Hof des Anwesens niederzulegen, sobald Suka eintraf. Sie hatte zwar schon kurz nach dem Aufwachen jene Pflicht erfüllt, aber da sie wusste, dass Sira in der letzten Regenzeit ein totes Kind zur Welt gebracht hatte, war doppelte Vorsicht geboten. Sie hatte noch einen weißen Hahn zurückbehalten, dessen Farbe dem Gott Faro gefallen würde, der Tag und Nacht über den Gang des Universums wachte.

Suka trat ein. Sie war schon ziemlich alt und mit einem Schmied verheiratet, der wie alle Männer seiner Kaste zugleich das Amt eines Fetischpriesters ausübte. Aber auch sie selbst stand mit den Schutzmächten im Bund und hatte eine starke Ausstrahlung. Um den Hals trug sie eine Kette aus Tierhörnern, die mit Pulvern und Heilsalben gefüllt waren. Ein Blick auf Sira überzeugte sie davon, dass diese noch viele Stunden vor sich hatte, und sie begann, Wurzeln und Blätter in einem Mörser zu zerstampfen, und murmelte dabei Gebete, die nur sie kannte. Beruhigt über ihre Ankunft ging Nya fort, um ein wenig Ziegenmilch zu holen, denn es würde dem Neugeborenen guttun, ein paar Tropfen davon zu trinken, bevor es die Muttermilch bekam.

In den verschiedenen Innenhöfen des Anwesens herrschte wieder ein geschäftiges Treiben. Alle schienen vom Fluss zurückgekommen zu sein. Nieli, Dusikas zweite Frau, saß vor der Tür ihrer Hütte und verschlang mit Heißhunger Hirsekrapfen, n’gomi, die eine ihrer Sklavinnen ihr zubereitet hatte. Nya machte sich Vorwürfe, dass sie es nicht fertigbrachte, Nieli wie eine kleine Schwester zu behandeln. Doch wie sollte sie sich auch mit deren Faulheit, Launen und ständigem Gezeter abfinden? Aber Nieli konnte eben nicht vergessen, auf welche Weise sie in die Sippe gekommen war. Jahre zuvor hatte Dusikas Vater Fale den Mansa Ngolo Diarra nach Niamoma begleitet. Als er den Abend bei einem befreundeten Bambara-Edlen verbrachte, bemerkte er, dass die Frau seines Gastgebers schwanger war. Dem Brauch folgend bat er sich das Kind als Braut für seinen Sohn aus, falls es ein Mädchen sein sollte.

Dusika war ein respektvoller Sohn. Er hatte diese Ehefrau, die er nicht gewählt hatte, stets gerecht behandelt, aber nie geliebt. Seit Sira im Haus war, hatte Nieli unter diesem Gefühlsunterschied gelitten, der sich an unzähligen Einzelheiten und kleinen Gesten ablesen ließ.

Nieli hörte auf, an ihren n’gomi zu kauen, und fragte: »Hat die Fremde entbunden?«

Sie nannte Sira nie anders. Nya überging den Ausdruck und entgegnete nur: »Nein, der kleine Unbekannte ist noch nicht unter uns. Mögen die Ahnen ihm eine unbeschwerliche Reise gewähren …«

Nieli war wohl oder übel gezwungen, das übliche Gebet zu murmeln. Nya war auf dem Weg zu der kleinen Hütte mit den Opferaltären. Es war ein geheimnisumwobener Ort, zu dem nur die der Familie nahe stehenden Fetischpriester, die Oberhäupter der verschiedenen Familienzweige und einige Frauen Zugang hatten, die wie sie selbst eine gewisse Autorität besaßen. Im zweiten Hof stieß sie auf Dusika, der vom Palast zurückgekommen war und sie offensichtlich suchte. Er sagte: »Monzon hat mich wieder einmal gekränkt und …«

Sie unterbrach ihn: »Mach den Gürtel an deiner Hose auf. Sira liegt in den Wehen …«

Konnte sie ihren Groll nicht beherrschen? Es war nicht mehr Siras Anwesenheit, die sie Dusika vorwarf, sondern die Tatsache, dass die Zeit seine Gefühle für sie verbraucht hatte, dass er sie nicht mehr begehrte. Die Routine in ihrer Beziehung. In den Nächten, die sie in seiner Hütte verbrachte, schliefen sie jetzt, ohne sich zu berühren. Ihre Gespräche drehten sich nur noch um die Kinder, den Besitz und die Sorgen des öffentlichen Lebens. Ach, wie schwer ist es doch, zu altern!

Er sagte in bittendem Tonfall: »Hör zu! Ich sag dir, dass Monzon sich zweimal mitten in der Ratsversammlung über mich lustig gemacht hat … Lass Kumaré kommen …«

Nya blickte auf den Boden aus weißem Sand, der mit fein zerstampften Steinen vermischt war: »Wann willst du ihn sehen?«

»So schnell wie möglich! …«

Kumaré war der Schmied und Fetischmeister, Hoher Priester des Komo, der seit Jahren für Dusika die Zeichen des Unsichtbaren und des Sichtbaren interpretierte und bemüht war, ungünstige Ereignisse abzuwenden. Er hätte in jedem Falle bald geholt werden müssen, sobald Siras Kind geboren war, damit er es mit schützenden Mitteln umgab. Nya ging weiter. Aber als sie an den Durchgang zum dritten Hof gelangte, hatte sie Mitleid mit Dusika, der unbeweglich auf der Stelle stehen geblieben war und nicht wusste, ob er ihr folgen oder in seine Hütte zurückgehen sollte. Sie drehte sich um und sagte gutmütig: »Warte auf mich. Ich komme sofort -wieder.«

Er blickte ihr nach, hin- und hergerissen zwischen dem Kummer über ihre Gleichgültigkeit und dem Wunsch, sich wie ein kleines Kind an den Zipfel ihres Wickelrocks zu klammern. Wie alt war sie? Er wusste es nicht, genauso wenig wie er sein eigenes Alter kannte. Sie waren seit sechzehn Trockenzeiten verheiratet. Sie musste dann wohl zweiunddreißig sein. Ihre Taille war kräftiger geworden. Ihre Brüste waren schlaff geworden, und die Falten der Verantwortung unterstrichen bereits ihre stolzen, feinen Züge, die sie mit allen Kulubari gemein hatte; deshalb wurde von ihnen gesagt, sie seien die schönsten unter den Bambara. Sie hatte oft einen Ausdruck im Gesicht, den man für Strenge halten konnte, aber wenn sie lächelte, kam ein strahlender Glanz in ihre mandelförmigen Augen. Er brauchte Nyas Kraft. Warum verweigerte sie sie ihm?

Nya betrat die Hütte mit den Opferaltären, in der sich ein Holzstamm befand, der pembélé genannt wurde und den Gott Pemba darstellte; dieser Gott hatte die Erde geschaffen, indem er im Kreis herumgewirbelt war, während der Gott Faro den Himmel und die Gewässer für sich beanspruchte. Rund um den pembélé waren rote Steine platziert, die die Ahnen der Familie darstellten, und boli, Fetische aus den unterschiedlichsten Stoffen wie Hyänenschwänzen, Skorpionschwänzen, Baumrinden und Baumwurzeln, die regelmäßig mit Tierblut begossen wurden: symbolische Konzentrate der Mächte des Universums, die der Familie Glück, Wohlstand und Fruchtbarkeit gewähren sollten.

Nya ergriff einen kleinen Besen aus Pflanzenfasern und fegte sorgfältig den Boden. Alles war in Ordnung, nur das Blut, das die boli bedeckte, war eingetrocknet. Sie würde bald wiederkommen, um ihnen eine Erfrischung zu bringen, sie hatten sicher Durst.