Leslie Kelly, Lisa Renee Jones, Kate Hoffmann
TIFFANY SEXY, BAND 56
IMPRESSUM
TIFFANY SEXY erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991 |
Geschäftsführung: | Thomas Beckmann |
Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
Cheflektorat: | Ilse Bröhl |
Produktion: | Christel Borges, Bettina Schult |
Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
Vertrieb: | asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013 |
© 2008 by Leslie Kelly
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Christian Trautmann
© 2007 by Lisa Renee Jones
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Sarah Falk
© 2008 by Peggy A. Hoffmann
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Claudia Biggen
Fotos: Masterfile
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXY
Band 56 - 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Veröffentlicht im ePub Format im 02/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-223-6
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Dass ausgerechnet Maddy ihn ersteigert hat, macht Jake unendlich glücklich. Die bezaubernde junge Frau mit den aufreizenden Kurven unterscheidet sich wohltuend von den anderen dürren High-Society-Ladys. Merkwürdig, dass sie sich so zurückhaltend gibt! Hält sie ihn für käuflich, weil er an der Auktion teilgenommen hat?
Schon beim ersten Treffen mit der neuen Sportreporterin weiß Baseballstar Brad Rogers, dass er Amanda unbe-dingt erobern will. Begeistert geht er auf den Vorschlag eines Mitspielers ein und wettet, dass er die schöne Amanda verführen wird. Brad gewinnt die Wette. Doch selbst der ewige Siegertyp kann einmal verlieren – zum Beispiel sein Herz …
Lange hat Caley sich für das unmoralische Angebot geschämt, das sie Alan vor Jahren gemacht hat. Inzwischen ist sie eine selbstbewusste, erfolgreiche Managerin – aber vergessen hat sie ihre Jugendliebe nie. Beim Wiedersehen mit Alan klopft ihr Herz noch immer wie verrückt. Trotzdem wird sie ihr Angebot von damals garantiert nicht wiederholen …
„Du lieber Himmel, ich kann das nicht, es ist hoffnungslos! Wir werden es nicht schaffen.“
Penny Rausch hörte die Panik in der Stimme ihrer Schwester Janice, die ihre Geschäftspartnerin war, und versuchte die Nerven zu behalten. Eine von ihnen musste ruhig bleiben, sonst würden sie beide den Verstand verlieren – ganz zu schweigen von ihrem jungen Grafikdesign-Unternehmen.
„Beruhige dich, wir haben es doch gleich.“
Janice strich sich durch das stachelige blonde Haar, sodass es noch wilder vom Kopf abstand. Sie war eine gefragte Grafikdesignerin, hatte zwar keinen Sinn fürs Geschäftliche, war aber dafür umso kreativer – nicht nur bei ihren Frisuren. Ihre Grafiken waren fantastisch, ihre Bilder Sammlerstücke, ihr Gespür für Mode unglaublich.
Zu schade, dass sie ansonsten in nahezu jeder Hinsicht hilflos war.
„Du kannst mich erschießen. Ich habe die letzten sechs Fotos durcheinandergebracht.“
Sie sah völlig fertig aus, mit dunklen Ringen unter den Augen und eingefallenen Wangen. Normalerweise achtete Janice sehr auf ihr Äußeres, doch jetzt hatte ihr T-Shirt Flecken, die entweder vom Ketchup oder von der Tomatensauce auf der Pizza stammten, die sie in der vergangenen Nacht gegessen hatten.
Seit sechsunddreißig Stunden hatten sie ihr Büro nicht mehr verlassen – seit Janices teurer, fast nagelneuer Computer abgestürzt war. Dabei waren die meisten Dateien für die topmoderne Hochglanzbroschüre, an der sie arbeiteten, verloren gegangen. Damit drohte ihrem Unternehmen das Aus.
Diese Broschüre war für eine Junggesellenversteigerung im Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung gedacht, und wenn sie die nicht rechtzeitig fertig hatten, waren sie erledigt. Sie würden die Miete nicht mehr zahlen können, mit der sie ohnehin spät dran waren, den Strom nicht und auch nicht die Druckkosten. Über Nacht wären sie nach nur acht Monaten aus dem Geschäft.
„Wir werden das hinbekommen“, beschwor Penny ihre Schwester. „Wir haben es doch schon fast geschafft.“
„Wir könnten Kontakt zu Mrs. Baxter aufnehmen …“
„Nein, das ist völlig unmöglich.“ Die hochnäsige Angehörige der Schickeria durfte nicht erfahren, dass ihnen schon wieder ein Missgeschick unterlaufen war. Dank einiger kleinerer Probleme, wie Janices Erkältung und einer Überschwemmung im Büro, arbeiteten sie schon auf Bewährung. Sollte sie von dem Computerabsturz erfahren, würde die Frau ihnen den Auftrag endgültig entziehen.
„Ich kann sie nicht einmal mehr auseinanderhalten“, jammerte Janice und deutete mit einer wedelnden Handbewegung zu dem mit Fotos und Texten übersäten Tisch. „Nachdem ich mir stundenlang einen attraktiven Mann nach dem anderen angesehen habe …“
„Was für ein harter Job.“
„Das ist nicht witzig. Als wir die Kopien der Fotos gefunden haben, dachte ich, wir wären gerettet. Warum bloß haben wir die Informationen über die Männer nicht sofort auf die jeweilige Rückseite geschrieben, bevor wir die Originale zurückgegeben haben?“
Die Biografien der Junggesellen, die versteigert werden sollten, um Spenden für bedürftige Kinder in Chicago zu sammeln, hatten auf den Originalen gestanden. Aber die waren an Mrs. Baxter, die Organisatorin der Wohltätigkeitsveranstaltung, zurückgegangen, nachdem sie kopiert worden waren. Jetzt hatten sie die eingescannten Fotos auf der Festplatte, die kopierten Fotos sowie die ausgedruckten Biografien. Nur leider hatten sie keine Ahnung, wer wer war.
Sie hätten längst aufgeben müssen, wären nicht wenigstens einige prominente Männer dabei, deren Identität per Internet-Suchmaschine und anhand einiger handschriftlicher Notizen schnell geklärt werden konnte.
„Wir sind doch schon bei den letzten sechs angelangt“, erklärte Penny, zeigte auf die auf dem Tisch ausgebreiteten Fotos und schnappte sich die Karteikarten mit den persönlichen Angaben. „Und vier konnte ich identifizieren.“
„Wirklich?“, meinte Janice erfreut.
Penny heftete die Karten an die entsprechenden Fotos, damit sie nicht wieder durcheinandergerieten. „Ich habe die letzten fünf Stunden damit verbracht, die Archive der Chicago Tribune zu durchforsten, und dabei einige unserer Jungs gefunden. Über begehrte Junggesellen wird offenbar viel und gern berichtet.“
Janice nahm Penny in den Arm und drückte sie. „Dann bleiben nur noch zwei übrig.“
„Leider läuft uns die Zeit davon. Wir haben nicht einmal mehr eine Stunde, bis alles in der Druckerei sein muss.“ Für weitere Recherchen hatten sie keinen Spielraum.
Penny hob die beiden Fotos hoch und betrachtete eingehend die gut aussehenden Gesichter. Beide Männer waren dunkelhaarig, aber da endete die Ähnlichkeit auch schon. Der eine hatte braune Augen, der andere lebhafte blaue. Die Haare des einen waren sehr kurz und konservativ geschnitten, die des anderen waren etwas länger und fielen ihm fast bis auf den Hemdkragen. Im Blick des einen lag ein gefährliches Funkeln, der andere hatte ein sexy Lächeln.
„Einer ist Rettungssanitäter, der andere ein internationaler Geschäftsmann“, meinte Penny, die die Biografien inzwischen auswendig kannte. „Einer von euch ist Jake und einer Sean.“
Janice schaute ihr über die Schulter. Sie war genauso nervös vor Anspannung wie ihre Schwester. Dies war der Augenblick, in dem sie sich entscheiden mussten.
„Das muss der Geschäftsmann sein“, meinte Penny und zeigte auf den mit den kurzen Haaren und den braunen Augen.
Janice nickte und deutete auf den Mann mit dem Lächeln und den längeren Haaren. „Und der sieht eindeutig wie ein Retter aus.“
„Dann sind wir uns einig?“
„Absolut. Kein Zweifel.“
Damit war das erledigt. Penny klemmte die Biografien an die Fotos, froh, dass ihre Schwester sich so sicher war wie sie. Dann machte sie sich daran, die Datei auf ihrem älteren Computer fertigzustellen. Sie tippte, so schnell sie konnte, und versuchte zu überhören, dass ihre jüngere Schwester flüsterte: „Hoffe ich.“
„Unsere liebe Stiefmutter will sich einen Gigolo kaufen.“
Madeline Turner, die gerade einen Stapel Dokumente auf ihrem Schreibtisch unterzeichnete, ließ ihren Füllfederhalter fallen, der prompt einen schwarzen Tintenklecks auf der Gewinn-und-Verlust-Rechnung hinterließ. Es überraschte sie kaum, dass Tabitha, ihre ältere Halbschwester, aufgebracht war.
Aufgebracht, aber schön wie immer. Sie hatte die Größe, die schlanke Figur sowie die blonden Haare und die Eleganz ihrer Mutter geerbt, was bestens zu ihrem Lebensstil passte. Sie dagegen hatte eher die kleine, rundliche Statur ihres Vaters abbekommen. Wie er hatte sie fast schwarzes Haar, lebenslustig funkelnde Augen und Grübchen. Was zu ihrem Leben als hart arbeitende Bankmanagerin überhaupt nicht passte.
Tabitha warf die Tür mit dem Absatz eines ihrer Fünfhundert-Dollar-Schuhe zu. Ihre Designerhandtasche landete auf einem freien Sessel. „Maddy, hast du gehört, was ich gesagt habe?“
„Ich glaube, sogar die Bauarbeiter zwanzig Stockwerke weiter unten haben dich gehört“, murmelte Madeline und fragte sich, warum Tabitha immer so melodramatisch sein musste. Noch etwas, das sie mit ihrer Mutter gemeinsam hatte.
„Diese geldgierige Hexe wird unseren Vater betrügen.“
In Anbetracht der Tatsache, dass Tabitha sowohl einen ihrer Ehemänner als auch einen ihrer Verlobten betrogen hatte, stand es ihr nicht gerade zu, den moralischen Zeigefinger zu heben. Trotzdem hörte Madeline diese Nachricht über die neueste Frau – der vierten – ihres Vaters nicht gern.
Tabby konnte Deborah nicht ausstehen, doch Maddy hatte nie etwas gegen sie gehabt. Die Frau war nicht unbedingt die personifizierte Herzlichkeit, schon gar nicht gegenüber ihren Stieftöchtern, aber sie war immer noch besser als manche der Alternativen. Ihr Vater hätte auch eine Fünfundzwanzigjährige heiraten können, jemanden, der jünger war als sie und ihre Schwester. Deborah war in den Vierzigern und wenigstens kultiviert und erfolgreich. Sie hatte ein gut gehendes Tanzstudio geführt – dort hatte sie auch ihren Vater kennengelernt, und sie schien ihn glücklich zu machen, zuerst als Tanzpartnerin, jetzt als Ehefrau.
Daher hoffte Maddy, dass Tabby sich täuschte. „Woher weißt du das?“
„Ich habe es direkt von Bitsy Wellington gehört.“
Das war die beste Freundin ihrer Stiefmutter. „Warum sollte sie dir so etwas erzählen?“
„Du kennst doch Bitsy. Sie muss ständig für Ärger sorgen.“
Das stimmte. Diese Frau war reinstes Gift.
„Außerdem will sie den Mann für sich selbst. Es ist irgendein europäischer Gigolo, der bei der Wohltätigkeitsgala ‚Give A Kid A Christmas‘ im Inter Continental morgen Abend versteigert werden soll.“
Ein Gigolo, der bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung für Kinder versteigert werden sollte. Das entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Auf die Idee, einen Gigolo zu engagieren, um Geld für eine gute Sache zu sammeln, konnten auch nur die „Ladies Who Lunch“ kommen. Und dann konkurrierten sie auch noch um ihn.
Tabitha setzte sich in einen der Sessel vor Maddys breitem Schreibtisch und rümpfte ein wenig die Nase über das Durcheinander an Papieren. Tabby liebte das Geld, das die Bank einbrachte, die ihr Urgroßvater vor Jahrzehnten gegründet hatte. Was sie weniger mochte, war die Arbeit, die ein solches Unternehmen einem abverlangte. Manchmal fragte Maddy sich, ob nicht eine von ihnen beiden adoptiert war, weil sie so wenig gemeinsam hatten, weder äußerlich noch sonst irgendwie.
Es hieß, dem Charakter nach ähnele sie ihrer Mutter, Jason Turners zweiter Ehefrau, die gestorben war, als Maddy vier war. Angeblich hatte ihr Vater sehr um sie getrauert, obwohl er nie von ihr sprach. Das könnte erklären, weshalb ihre Schwester ihr stets vorgeworfen hatte, der Liebling ihres Vaters zu sein.
Vielleicht war es genau das, was sie gemeinsam hatten. Abgesehen davon, dass sie ihrem Vater ähnlicher sah als Tabby, hatte sie von ihm auch den scharfen Verstand und die Faszination für das Bank- und Finanzwesen geerbt. Darüber hinaus besaß sie die nötige Arbeitsethik, um das Unternehmen zu führen, das seit Generationen im Besitz der Familie war.
Allerdings hatte auch Tabby einige Charakterzüge ihres Vaters, zum Beispiel Wankelmütigkeit. Sie, Maddy, schien die Einzige aus der Familie Turner zu sein, die sich nicht ständig neu verliebte.
„Wir müssen etwas unternehmen“, meinte Tabby.
„Gegen was?“
„Gegen diese kleine Betrügerin!“
Maddy seufzte und lehnte sich zurück. „Aber sie hat ihn noch nicht betrogen, oder?“
„Nein, und wir werden dafür sorgen, dass sie es nicht tut.“
Die Haltung ihrer Schwester überraschte Maddy. Da Tabitha Deborah absolut nicht leiden konnte, hätte sie eher erwartet, sie würde sich wünschen, dass Deborah sich auf einen Seitensprung einließ – um sie dabei zu ertappen. Ihr Vater tolerierte vieles bei seinen Ehefrauen. Es störte ihn nicht, dass sie Geld ausgaben, Aufmerksamkeit einforderten und Wutanfälle bekamen. Einen Seitensprung jedoch würde er niemals hinnehmen, wie einige seiner früheren Frauen bestätigen konnten. Einschließlich Tabithas Mutter.
„Ich bin erstaunt, dass du keinen Detektiv angeheuert hast, der sie beschattet, damit du etwas gegen sie in der Hand hast“, meinte Maddy.
Tabitha betrachtete ihre perfekt manikürten Fingernägel.
„Hast du etwa doch? Du meine Güte, Tabby …“
„Das war dumm, und ich habe meine Meinung auch geändert. Ich will das Miststück nicht auf frischer Tat ertappen.“
„Nein?“
„Er liebt sie, und sie macht ihn glücklich. Er wirkt zwanzig Jahre jünger, seit er mit ihr zusammen ist. Ich will einfach nicht, dass er schon wieder verletzt wird.“
„Und was schlägst du vor?“
„Na ja, meine Idee ist ziemlich einfach.“
„Ach?“
„Ja. Sie kann unseren Vater nicht mit diesem Kerl betrügen, wenn jemand sie überbietet.“ Mit einem gewinnenden Lächeln fügte sie hinzu: „Deshalb musst du diesen Gigolo ersteigern.“
Jake Wallace hatte in seiner Funktion als Rettungssanitäter beim vierten Bataillon des Chicago Fire Department den Tod schon Dutzende Male gesehen. Seit er vor fünf Jahren dort seinen Job angetreten hatte, waren Brände und Schießereien, Schlägereien und Fälle häuslicher Gewalt für ihn an der Tagesordnung. Er hatte sich um Menschen mit Herzattacken gekümmert und um Ertrinkende. Und er hatte es schon mit Menschen zu tun gehabt, die mit einem Bein im Jenseits standen und es dann doch noch zurück ins Leben schafften.
Einmal hatte er einen völlig kaputten Junkie überredet, seine verletzte Freundin – die behauptete, der Junkie habe auf sie eingestochen – aus dem Haus holen zu dürfen, um sie notärztlich zu versorgen. Hinterher hatte sein Lieutenant ihn zur Schnecke gemacht, weil er sich über die Vorschriften hinweggesetzt und nicht auf die Polizei gewartet hatte. Als hätte er das Mädchen sterben lassen können.
Keine dieser Situationen hatte ihn eingeschüchtert.
Aber das hier jagte ihm eine Heidenangst ein.
„Warum habe ich mich bloß darauf eingelassen?“, murmelte er vor sich hin.
Nur aus einem Grund – er schuldete seinem Lieutenant einen großen Gefallen. Sein Lieutenant schuldete dem Chief einen Gefallen, und die Frau des Chiefs liebte diese Wohltätigkeitsgala. Ende der Geschichte. Deshalb hatten zwei Kollegen aus seinem Bataillon bereits ihren Auftritt im Scheinwerferlicht absolviert.
„Das habe ich mich auch gefragt“, erwiderte ein ihm fremder Mann.
Jake zupfte vergebens an seiner Fliege, die ihm die Luft abschnürte, und sah zum Junggesellen Nummer achtzehn, der direkt vor ihm an der Reihe war. Der Mann schien über seinen bevorstehenden Auftritt vor einer Horde reicher scharfer Frauen, die zu viel Zeit und zu wenig Selbstachtung hatten, ganz zu schweigen von Selbstbeherrschung, genauso unglücklich zu sein wie er.
„Dabei sollte ich es nicht so eng sehen“, sagte Jake, um sich selbst Mut zu machen. „Schließlich ist es für einen guten Zweck. Es lohnt sich also, einige Minuten Peinlichkeit und ein schreckliches Date durchzustehen.“
Der Mann mit der Nummer zwanzig lächelte schwach und lehnte sich gegen eine Säule. Er wirkte beinah gelangweilt, und Jake beneidete ihn um seine Ruhe. „Was denn, macht es Ihnen keinen Spaß, wenn Frauen für Ihre Dienste zahlen?“, fragte der Fremde. Er klang amüsiert und hatte einen ausländischen Akzent, vielleicht irisch.
Vielleicht haben europäische Männer weniger Hemmungen bei einer derartigen Fleischbeschau, überlegte Jake. Er fühlte sich jedenfalls äußerst unwohl. „Macht es Ihnen etwa Spaß?“
Nummer zwanzig überprüfte lächelnd seine Manschettenknöpfe unter dem offenbar teuren, maßgeschneiderten Smoking. Jake war sicher, dass der nicht gemietet war.
„Es kann ganz unterhaltsam sein.“
Anzug und Auftreten dieses Mannes verrieten, dass er selbst genug Geld hatte, um spenden zu können. Doch die langen Haare, die er zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, wiesen ihn als jemanden aus, der gern einmal etwas riskierte.
Das tat Jake auch. Aber ihm genügte der Nervenkitzel bei Notfällen, zu denen er gerufen wurde. Er konnte getrost darauf verzichten, von einem Haufen fremder, lüsterner Frauen gekniffen, gemustert und begafft zu werden.
„Außerdem ist es für einen guten Zweck, wie Sie schon bemerkten“, fügte der andere hinzu.
Ja, dachte Jake. Er mochte Kinder, auch wenn er selbst noch keine hatte und in den nächsten Jahren auch keine wollte. Sie waren süß, solange sie sich keine Rosinen in die Nase stopften oder in Abwasserkanäle stürzten oder der Familienkatze auf einen Baum hinterherkletterten.
Allerdings, so gern mochte er Kinder nun auch wieder nicht. Nicht genug, um die bevorstehende Demütigung über sich ergehen zu lassen.
Aber dann dachte er an seine kleine Nichte und seine beiden Neffen, die Zwillinge. Es gab nichts, was er nicht für sie tun würde.
Er musste es einfach hinter sich bringen.
Er zupfte erneut an der Fliege seines gemieteten Smokings und spähte durch den Vorhang. Der elegante Ballsaal war voller runder Tische, an denen Frauen in Abend- und Cocktailkleidern saßen. Sie lachten und tratschten und amüsierten sich mit Fruchtcocktails oder Champagner. Alle verfolgten lüstern die Versteigerung des Junggesellen Nummer siebzehn, der gerade die Bühne betreten hatte, und riefen derbe Bemerkungen.
Alle, bis auf eine. Eine Brünette, die drei bis vier Meter vom Vorhang entfernt stand. Sie zog seinen Blick magisch an.
Sie stand im Schatten eines großen Scheinwerfers, der gnadenlos das Geschehen auf der Bühne ausleuchtete, doch was er sah, genügte vollkommen, um sein Interesse zu wecken.
Erstens wegen ihrer üppigen Kurven. Sie war nicht wie die großen mageren Frauen in ihren knappen schwarzen Kleidern, die etwa die Hälfte des Publikums ausmachten. Ihr Körper hatte Rundungen an genau den richtigen Stellen. Sie hatte sinnliche Hüften und volle Brüste, deren Ansatz im Dekolleté ihres tief ausgeschnittenen blauen Seidenkleids zu sehen war und seinen Herzschlag beschleunigte.
Auch ihr Haar war nicht blond gefärbt und zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmt wie bei der Hälfte des Publikums. Nein, ihr Haar waren dunkel und voll. Lange Locken fielen ihr ungebändigt auf die Schultern. Sie sah sehr verführerisch aus, als hätte sie eben erst das Bett verlassen und nicht einen der exklusiven Schönheitssalons auf der Michigan Avenue.
Sie wirkte selbstbewusst und temperamentvoll und auf eine Weise sexy, wie die meisten Frauen es sich heutzutage nicht mehr gestatteten.
Aber es war nicht allein ihr Aussehen, das sein Interesse weckte, sondern ihn faszinierte, dass sie unnahbar und völlig fehl am Platz wirkte.
Die dunkelhaarige Frau lachte nicht mit den anderen reichen Frauen. Sie schien auch nicht wie die anderen darauf bedacht, ihr Glas so zu halten, dass auch jeder ihre kostbaren Ringe sah.
„Soll ich Ihnen verraten, wovor ich am meisten Angst habe?“, fragte Nummer achtzehn, ein blonder Surfertyp, der von sich behauptete, er sei Börsenmakler. „Was ist, wenn niemand mehr als fünfzig Dollar für mich bietet? Wie demütigend wäre das angesichts all dieser reichen Frauen, die wie eine Meute Straßenköter vor dem Schaufenster eines Metzgerladens hecheln?“
Der vornehme Europäer winkte lachend ab, doch Jake verstand die Besorgnis des Börsenmaklers sofort. Panik machte sich in ihm breit. Bisher hatte er gedacht, es sei erniedrigend, ersteigert zu werden, aber noch schlimmer wäre es, sollte keine Frau für ihn bieten. „Holt mich hier raus.“
„Zu spät“, meldete sich eine kecke Stimme zu Wort, die zu einer jungen Frau gehörte, der Inspizientin an diesem Abend. Sie wandte sich an den hübschen blonden Mann. „Sie sind als Nächster an der Reihe.“ Mit ihrem Kugelschreiber zeigte sie dann auf Jake. „Und Sie kommen gleich nach ihm, Nummer neunzehn.“
Neunzehn. So nannte man ihn, seit er sich am Abend angemeldet hatte und man ihn in einen Umkleideraum geführt hatte, in dem sich außer den anderen Kandidaten auch noch die Bosse, Freunde, Geschwister, Mütter oder Kollegen, die sie zu diesem Auftritt überredet hatten, aufhielten.
Jake spähte erneut durch den Spalt zwischen den Vorhängen und flüsterte: „Neunzehn.“
Ihm fielen leicht neunzehn Dinge ein, die er zu der Brünetten sagen könnte, falls er es schaffen sollte, sie kennenzulernen. Neunzehn Wege, um sie überhaupt kennenzulernen. Neunzehn Minuten, die er brauchte, um loszustürmen und sie zu sich nach Hause zu entführen, um sie leidenschaftlich zu lieben …
„Neunzehn? Hallo?“
Jake richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Inspizientin, die ihn erwartungsvoll und ein wenig verärgert ansah. Offenbar hatte er sich einige Minuten lang seiner Fantasie hingegeben.
„Nummer achtzehn ist fertig.“
„Wie viel hat er gebracht?“ Jake konnte sich diese Frage einfach nicht verkneifen.
„Fünfunddreißig.“
Fünfunddreißig. Um Himmels willen, nur fünfunddreißig Dollar? Er würde sein Scheckbuch zücken und das Zehnfache bezahlen, um sofort verschwinden zu können. Und dann würde er sich der Brünetten in dem blauen Kleid vorstellen.
„Fünfunddreißig Hunderter“, fügte die für den reibungslosen Ablauf hinter der Bühne verantwortliche Frau hinzu. Offenbar sprach sein Gesichtsausdruck Bände.
„Heiliger Strohsack.“
Wenn er eine solche Summe aufbringen könnte, würde er ganz bestimmt nicht in einer Ein-Zimmer-Wohnung über einem Blumenladen in Hyde Park wohnen.
„Ihre Biografie wird gerade vorgelesen, also machen Sie sich bereit“, forderte ihn die Inspizientin auf und umfasste tatsächlich seinen Arm, da sie offenbar seinen Wunsch zu fliehen erahnte. Er bezweifelte, dass er der Einzige war, der an diesem Abend diesen Wunsch hegte.
„Na schön“, sagte er. Er hörte dem Ansager gar nicht zu, dessen Stimme aus den Lautsprechern dröhnte. Er ließ den Vorhang los, dann wurde er auf die Bühne geschoben, wo das Licht der Scheinwerfer ihn blendete und ohrenbetäubendes Gejohle beschwipster Frauen ihm entgegenschlug.
So ungefähr müssen die Jungs von den Chippendales sich fühlen, überlegte er. Die Vorstellung, lediglich mit ledernen Beinschützern bekleidet auf der Bühne zu stehen, verursachte ihm Übelkeit.
„Wer bietet zuerst?“
„Fünfhundert!“, rief eine Frau.
Immerhin, das war ein Anfang. Fünfhundert Dollar waren eine achtbare Spende. Damit konnte man eine Menge Weihnachtsgeschenke für bedürftige Kinder kaufen. Im Vergleich zu der Summe, die der Börsenmakler gebracht hatte, war das aber noch mickrig.
„Sechs!“
„Sieben!“
Die Gebote kamen nun in schwindelerregendem Tempo, bis eine entschlossene weibliche Stimme zu hören war. „Fünftausend Dollar!“
Einen kurzen Moment herrschte absolute Stille. Jake hatte keine Ahnung, für welche Summe der teuerste Junggeselle versteigert worden war, aber das Schlusslicht würde er jedenfalls nicht mehr sein.
„Wir haben ein Gebot von fünftausend Dollar für diesen guten Zweck“, rief der Auktionator begeistert. „Und ich kann mir vorstellen, dass unser gut aussehender Junggeselle jeden Penny wert ist.“
Ah, wie wunderbar, von einem fetten Kerl mit verschwitzten Wangen und einem schmierigen Grinsen angepriesen zu werden, dachte Jake.
Plötzlich schwenkte das heiße Scheinwerferlicht von seinem Gesicht fort und über die Menge, auf der Suche nach der Frau, die die Auktionsregeln mit ihrem hohen Gebot einfach ignoriert hatte.
Jake hielt den Atem an, denn irgendetwas sagte ihm, dass sie es war – die Brünette, an die er schon die ganze Zeit denken musste.
Der goldene Lichtkreis des Scheinwerfers fing schließlich eine Frau mit sehr blonden Haaren ein.
Mist.
Die Frau mittleren Alters, die sich bemühte, jünger auszusehen, saß ganz vorn an einem der exklusiven reservierten Tische. In ihrer Gesellschaft befanden sich andere, ebenso verlebt aussehende Frauen der Oberschicht. Sie lächelte selbstzufrieden, weil sie den Saal zum Schweigen gebracht hatte.
Doch die Stille hielt nicht lange an, denn ihre drei Freundinnen fingen lautstark an, sie zu überbieten.
„Fünftausendeinhundert!“
„Fünftausendzweihundert!“
„Fünftausendfünfhundert!“
Das ging eine ganze Weile so weiter, bis Jake ganz benommen war. Diese verrückten reichen Frauen waren glatt bereit, eine Summe in Höhe einer Anzahlung für ein Haus zu bezahlen, um einmal mit ihm essen zu gehen und ein Baseballspiel zu besuchen.
Alles für einen guten Zweck, sicher, aber langsam konnte er es nicht mehr hören.
Die Gebote erreichten die Achttausender-Marke. Die Blonde und ihre drei Freundinnen überboten sich lachend gegenseitig. Doch in ihrem Lachen lag eine gewisse Boshaftigkeit. Es mochte für sie als Spaß begonnen haben, doch je weiter sie das Spiel trieben, desto verbissener wurden sie.
Wer weiß, wie lange das so weitergegangen wäre, wenn sie in Hundert-Dollar-Schritten geboten hätten. Aber das Ganze endete, als sich erneut eine Frauenstimme über alle anderen erhob und das Publikum zum Schweigen brachte.
„Fünfundzwanzigtausend Dollar!“
Jake flehte im Stillen, das Schicksal möge ihm wohlgesinnt sein, dann folgte sein Blick dem Scheinwerfer.
Er war erhört worden.
Die Frau mit dem höchsten Gebot war seine wunderschöne Brünette.
„Auf welchen Namen soll ich den Scheck ausstellen?“
Maddy wartete, den Füller über dem Scheckbuch haltend, auf eine Antwort, nachdem sie endlich an der Kasse der Auktion an der Reihe war. Ihr Pech, dass ihr Junggeselle der Vorletzte der Veranstaltung gewesen war. Wäre er einer der früheren „Gewinne“ gewesen, hätte sie längst bezahlen und verschwinden können, um der Gefahr aus dem Weg zu gehen, ihrem legal erworbenen Prachtkerl zu begegnen. Denn das wollte sie auf keinen Fall.
Sie hatte erledigt, weshalb sie gekommen war – weshalb Tabitha gewollt hatte, dass sie an der Auktion teilnahm. Sie hatte ihre Stiefmutter davon abgehalten, sich einen anderen Mann zu schnappen, zumindest für diese Nacht.
Deborahs Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte die keine Ahnung gehabt, dass irgendwer aus der Familie ihres Mannes im Publikum war. Als sie ihre Stieftochter entdeckte, war sie vor Schreck blass geworden und aus dem Saal geflohen, gefolgt von ihrer besten Freundin Bitsy.
Maddy fand es zu schade, dass sie an diesem Punkt nicht mehr überboten worden war, dann hätte sie die fünfundzwanzigtausend Dollar sparen können. Zwar hatte sie schon seit einiger Zeit kein Date mehr gehabt, aber sie war nicht so verzweifelt, ihren „Gewinn“ tatsächlich einzulösen. Wenn er ein normaler Junggeselle wäre, vielleicht. Aber mit dem Wissen, dass er ein Gigolo war, der sich in ihren Augen prostituierte, niemals.
Es ist für einen guten Zweck, sagte sie sich noch einmal. Außerdem unterstützte die Familienstiftung, die sie leitete, ohnehin dieses Kinderhilfsprogramm.
„Ich habe es ein wenig eilig“, erklärte sie der Frau am Kassenschalter, lächelte jedoch dazu, um ihren Worten jede Schärfe zu nehmen. „Es ist ein wunderbares Projekt, das ich gern unterstützt habe, nur muss ich jetzt leider noch anderen Verpflichtungen nachkommen.“
Das war nicht einmal ganz gelogen, da sie eine Verabredung mit ihrer Fernbedienung und ihrer neuesten DVD der Serie „Grey’s Anatomy“ hatte. Das war auf jeden Fall besser, als zu bleiben und mit einem Mann Konversation zu machen, der Geld von gelangweilten, einsamen, reichen Frauen nahm.
„Sie haben Junggesellen Nummer …“
„Neunzehn“, half Maddy der Frau. Auch wenn sie keine Achtung vor diesem Kerl hatte, zumal ihre Stiefmutter ihren Vater mit ihm betrügen wollte, musste sie doch zugeben, dass er fantastisch aussah.
Sie hatte eher einen mageren, femininen Typ wie in dem Film „American Gigolo“ erwartet, nicht diese breiten Schultern und diese muskulöse Brust, die sich unter dem Smokinghemd erahnen ließ. Auch nicht dies volle kurze Haar, durch das sie am liebsten mit ihren Fingern streichen würde, ohne sein markantes Gesicht auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen.
Er war groß und ganz anders als das, was sie erwartet hatte. Allerdings basierten ihre Erwartungen auf Filmen und auf Erfahrungen mit willensschwachen Männern, die Frauen benutzten.
Fang nicht wieder damit an, ermahnte sie sich im Stillen.
„Sie können den Scheck auf ‚Give A Kid A Christmas‘ ausstellen“, erklärte die attraktive dunkelhaarige Frau hinter dem Schalter. „Und vielen Dank für Ihre Spende. Es war die großzügigste des Abends.“
„Ich bin mir sicher, Sie werden sie bestimmt für ein gutes Projekt verwenden.“
„Unbedingt“, versicherte die Frau ihr und deutete zur nächstgelegenen Tür. „Es gibt übrigens einen privaten Empfang, auf dem unsere Bieterinnen und die Junggesellen sich kennenlernen können. Sie wissen schon, um das Eis zu brechen, bevor man sich näherkommt.“
Maddy erwiderte nichts darauf, sondern stellte einfach den Scheck aus, nahm die Quittung entgegen und ging.
Sie war schon fast am Ausgang, als der Mann mit der Nummer neunzehn ihr den Weg versperrte.
„Hallo“, stellte er sich vor, „ich bin Jake Wallace.“
Ihr Herz schlug schneller, als sie seinen würzigen Duft wahrnahm und seine Wärme spürte.
„Ich weiß, wir sollten uns eigentlich im Empfangsraum treffen“, fügte er hinzu, „aber ich gehe auch lieber an die Hotelbar, falls Sie dorthin wollten. Ich halte es keine weitere Stunde unter diesen Leuten aus.“
Seltsam, dass er schon zu wissen schien, wie wenig sie mit den Besucherinnen dieser Veranstaltung gemein hatte. Finanziell passte sie schon dazu, und ihre Familie gehörte zu den angesehensten in Chicago, doch sie mochte die Gesellschaft der Reichen und Vornehmen nicht und hörte sich lieber Tabithas spöttische Schilderungen an. Ihre sozialen Kontakte beschränkten sich aufs Geschäftliche – Wohltätigkeitsveranstaltungen und Vorstandsessen. Versteigerungen attraktiver Männer gehörten ganz sicher nicht dazu.
„Da wollten Sie doch hin, oder? Sie wollten mich doch nicht sitzen lassen, oder?“, fragte er.
„Ich … also … eigentlich war ich auf dem Weg zur Toilette“, meinte sie ausweichend und hasste sich für diese Ausrede.
Er räusperte sich und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen war. „Das ist dort entlang.“
Seine Hand war gebräunt und kräftig, mit gepflegten kurzen Fingernägeln, die nicht so aussahen, wie sie sich die eines Gigolos vorstellte, der sich von Frauen aushalten ließ. Sie sahen eher wie die Hände eines hart arbeitenden Mannes aus. Bei der Vorstellung, von diesen Händen berührt zu werden, überlief Maddy ein sinnlicher Schauer.
„Ich werde Sie begleiten“, erklärte er.
„Ich fürchte, ich wollte gerade gehen“, gestand sie schließlich, um der Geschichte ein Ende zu machen, bevor er sie tatsächlich zur Toilette begleitete und ihr wer weiß was für Dienste im luxuriösen Vorraum anbot.
Du lieber Himmel, was für eine Fantasie.
Sie nahm sich zusammen. „Es ist ein Wochentag.“
„Wie bitte?“
„Ein Wochentag. Ich bin nur wegen der Wohltätigkeitsgala hergekommen und muss morgen wieder arbeiten. Deshalb gehe ich jetzt.“
Er berührte sanft ihren Ellbogen. „Hören Sie, ich würde wirklich gern etwas mit Ihnen trinken, nicht weil es zu unserem Date gehört, sondern um mich dafür zu bedanken, dass Sie für mich geboten haben. Immerhin haben Sie mich davor bewahrt, der billigste Kerl des Abends zu werden.“
„Als wenn das hätte passieren können.“
„Man weiß nie. Der Börsenmakler versprach ein ungestörtes Wochenende oben im Norden.“
„Und was haben Sie versprochen?“, erkundigte sie sich nur aus Neugier, nicht aus echtem Interesse. Ganz bestimmt nicht, sagte sie sich.
„Einen Platz beim nächsten Heimspiel der Cubs im Wrigley Field, anschließend Chicken Wings und Bier in einer Kneipe.“
Maddy runzelte die Stirn.
„Das wussten Sie nicht, als Sie fünfundzwanzigtausend bezahlt haben?“
„Nein“, erwiderte sie, „aber das hätte auch keine Rolle gespielt.“
Kein bisschen, denn weder Bitsy Wellington noch ihre Stiefmutter wären mit ihm zu einem Baseballspiel gegangen. Das Date wäre auf diesen Abend beschränkt gewesen und hätte oben in einer der luxuriösen Suiten geendet. Deborah war zwar um einiges älter als dieser Mann, aber sie hatte das Geld, das Aussehen und den Charme, um genau das zu bekommen, was sie wollte, ob Jake Wallace nun ein gewöhnliches Date im Sinn gehabt hatte oder nicht.
Für Maddy klang ein Baseballspiel jedoch wunderbar. Sie war noch nie bei einem Profispiel gewesen, sondern hatte die Spiele stets nur im Fernsehen verfolgt, wenn sie ihrer geheimen Sportbegeisterung – die kaum zum Image der verwöhnten reichen Frau passte – frönte.
Aber wenn sie unbedingt ein Baseballspiel besuchen wollte, konnte sie die Logenplätze ihres Vaters benutzen und musste nicht mit ihrem Gigolo hingehen.
„Sie müssen wissen, dass ich schon mit dem Schlimmsten gerechnet habe“, meinte er. „Wenn jemand nur zwanzig Dollar geboten hätte, hätte ich mir diese Peinlichkeit von meinen Schwestern ewig anhören müssen.“
Bei der Vorstellung, dass der Mann vor ihr für diesen lächerlichen Betrag ersteigert wurde, musste sie unwillkürlich lachen. So viel würde er ihr wahrscheinlich pro Minute berechnen.
„Sie haben Grübchen“, bemerkte er.
Sofort wurde sie wieder ernst.
„Die sind hübsch.“
„Nein, die sind albern.“
„Wundervoll.“
„Im Gesicht einer Fünfjährigen oder am Po eines Babys vielleicht.“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, bei einer wunderschönen Frau.“
Maddy erschauerte bei diesen Worten, obwohl sie natürlich wusste, dass dieser Mann sich vermutlich auf derartige Sprüche verstand und darauf, einer Frau das Gefühl zu geben, schön und begehrenswert zu sein. Bei ihr funktionierte es jedenfalls.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Damit meinte ich selbstverständlich das Gesicht einer wunderschönen Frau.“
Bei dem Gedanken an den zweiten Teil ihrer Bemerkung musste sie ein Aufstöhnen unterdrücken, weil sie ihm eine solche Vorlage geliefert hatte.
„Sie sind wirklich etwas Besonderes“, meinte er, und es klang überhaupt nicht nach billiger Anmache. „Eine intensiv leuchtende Flamme neben all diesen Eisprinzessinnen.“
Maddy schluckte. Er konnte sie und ihren Ruf unmöglich kennen – oder? Nein, er ließ einfach seinen Charme spielen, wandte seine Tricks an und erzählte ihr, was sie seiner Ansicht nach hören wollte, wie jeder echte Profies tun würde. Sie war alles andere als eine „leuchtende Flamme“ und genoss den Ruf, Chicagos kälteste Geschäftsfrau zu sein.
Sah er sie tatsächlich anders?
„Von der Bühne aus sahen Sie im Gegensatz zu allen anderen Frauen hier wirklich lebendig aus“, setzte er hinzu.
Dieser Mann verstand sich offenbar darauf, eine Frau mit einschmeichelnden Worten herumzukriegen. Viel zu gut, vor allem, da sie wusste, dass sie ihn auf keinen Fall haben konnte. Wenn sie sich vorstellte, was zwischen ihm und ihrer Stiefmutter passiert wäre, wenn sie nichts unternommen hätte, wurde ihr übel.
Ganz abgesehen davon war sie fest entschlossen, nie wieder mit jemandem zusammen zu sein, der in einem Monat mit mehr Partnern Sex hatte, als sie in ihrem ganzen bisherigen Leben. Das kannte sie alles schon. Der einzige Unterschied war, dass ihr Ex sich dafür nicht hatte bezahlen lassen. Das war auch nicht nötig gewesen, da er es gern mit jeder trieb, die ihn ranließ.
Eines musste sie diesem Jake aber lassen – er war wenigstens offen und machte keinen Hehl aus dem, was er war.
Damit hatte es sich aber auch schon. „Ich muss gehen“, sagte sie.
„Gehen Sie noch nicht“, bat er. „Sie müssen sich wenigstens ein Bier von mir spendieren lassen, weil Sie mir vor dieser blutrünstigen Menge eine Demütigung erspart haben.“
„Und vor Ihren Schwestern.“
„Die absolut gnadenlos sind.“
„Ich habe auch so eine“, gestand sie. „Die ist besonders gnadenlos, wenn es darum geht, ihren Willen durchzusetzen.“
„Ich habe den Eindruck, dass Sie sich ganz gut behaupten können.“
„Den gleichen Eindruck habe ich von Ihnen.“
Sie sahen sich einen Moment in die Augen, und Maddy spürte deutlich das Knistern zwischen ihnen. Was würde erst passieren, wenn er sie berührte?
„Bitte sagen Sie ja“, bat er.
Ihr fiel plötzlich etwas ein, was Tabitha ihr über den Mann gesagt hatte. „Sie haben gar keinen Akzent!“
„Sollte ich einen haben?“
„Schon gut, vergessen Sie es, Mr. Wallace. Jedenfalls schulden Sie mir gar nichts. Es hat mich gefreut, dass ich Sie davor bewahrt habe, sich vor Ihren Schwestern lächerlich zu machen.“ Sie musste daran denken, weshalb sie überhaupt an der Auktion teilgenommen hatte, und fügte hinzu: „Die können einem wirklich zusetzen.“
„Na schön, gehen wir etwas trinken und tauschen uns über unser Familien aus. Und dann schauen wir im Sportteil der Zeitung nach, wann das nächste Heimspiel ist. Sie sind doch Cubs-Fan, oder?“
„Ich glaube, es ist hier illegal, das nicht zu sein.“
„Dann hindert uns doch nichts daran, miteinander auszugehen.“
„Wenn ich sage, dass ich Fan der Cardinals bin, schlagen Sie sich diese alberne Idee dann aus dem Kopf?“ Er hob eine Hand an die Brust und machte ein entsetztes Gesicht, was sie zum Lachen brachte. „War nur Spaß.“
„Sie würden so weit gehen, um nicht den Abend mit mir verbringen zu müssen?“, fragte er, und es klang, als würde es ihm wirklich etwas bedeuten.
Maddy wandte sich zum Gehen. „Es geht nicht darum, ob ich mit Ihnen einen Abend verbringe oder nicht. Ich hatte meine Gründe, weshalb ich heute hier war. Ein Date gehörte nicht dazu. Es gibt also keinerlei Verpflichtung für Sie.“
„Aber das Geld …“
„… war für die Kinder.“ Und für meinen Vater, fügte sie im Stillen hinzu. „Eine Gegenleistung wird nicht erwartet.“ Obwohl die Reaktion ihres Körpers wenigstens nach einer kleinen Gegenleistung von diesem Mann verlangte. Doch handelte es sich eindeutig nicht um echte Gefühle. Ihr waren lediglich die Möglichkeiten in den Sinn gekommen, besonders da ihr dieser freundliche, amüsante Mann nicht unsympathisch war.
Es kam jedoch einfach nicht infrage. Sie würde sich wie immer mit ihrer Arztserie begnügen. Ohne große Hoffnung nahm sie sich vor, ihre Entscheidung nicht zu bereuen, auch wenn sie nicht wusste, wie sie die lange, einsame Nacht überstehen sollte, ohne von den Möglichkeiten zu fantasieren.
„Leben Sie wohl, Mr. Wallace“, sagte sie und verschwand aus seinem Leben.
Jake zog nicht einmal in Erwägung, ihr zu folgen. Von seinen Schwestern hatte er gelernt, dass es keinen Sinn hatte, eine Frau umstimmen zu wollen, wenn sie sich einmal entschlossen hatte. Außerdem brauchte er ihr nicht zu folgen. Chicago war zwar eine große Stadt, doch die Welt der Superreichen war überschaubar. Er würde sich einfach am Kassenschalter nach ihr erkundigen.
„Mir ist da ein Missgeschick passiert“, erklärte er der hübschen jungen Frau am Schalter. Er erinnerte sich daran, dass sie die Leiterin der Organisation war, die von der Auktion profitierte. Sie richtete für Mütter und Kinder in Chicagos Frauenhäusern ein traditionelles Weihnachtsfest aus. Noelle Santori hieß sie. Sie war ernsthaft und freundlich gewesen. Jedenfalls hatte sie ihn nicht so belustigt taxiert, wie einige andere Organisatorinnen es bei seiner Ankunft getan hatten. „Ich habe die Frau, die mich ersteigert hat, gehen lassen, ohne dass wir unser Date verabreden konnten. Und jetzt weiß ich nicht, wie ich Kontakt zu ihr aufnehmen soll.“
Die Frau blickte skeptisch. „Wie lautet ihr Name?“
„Sie hat ihn mir nicht gesagt. Ich fürchte, sie hat kalte Füße bekommen, obwohl sie fünfundzwanzig Riesen für mich hingeblättert hat.“
Die Miene der Frau hellte sich auf. „Ah, ja, ich erinnere mich an sie.“ Als wollte sie ihn trösten, fügte sie hinzu: „Sie sagte, sie habe noch eine weitere Verpflichtung heute Abend. Sie hatte es bestimmt eilig und hat völlig vergessen, Ihnen ihren Namen und ihre Telefonnummer zu geben.“
„So wird es gewesen sein. Ich wäre Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe.“
„Es dürfte nicht schwer sein, sie zu finden, schließlich gab es nur einen Scheck in dieser Höhe.“ Sie blätterte durch einen Stapel Schecks in einer Stahlkassette, zog einen heraus und rief: „Aha!“ Aber dann stutzte sie. „Oje, es ist eine Stiftung, keine Privatperson. Ihr Name ist nicht aufgedruckt, und ihre Unterschrift sieht sehr unleserlich aus.“
„Sie heißt Madeline Turner“, meldete sich eine Frau hinter ihnen zu Wort. Jake drehte sich um und entdeckte eine schlanke, attraktive Blondine, die ihn mit unverhohlenem Interesse musterte. „Hier“, sagte sie und reichte ihm eine Visitenkarte. „Maddy arbeitet in einer Bank in der Innenstadt. Das ist die Adresse. Es war sicher ein Versehen, dass sie gegangen ist, ohne zu bekommen, wofür sie bezahlt hat. Also machen Sie sie ausfindig.“
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und zog die für das Wetter eher unpassende Stola fester um ihre Schultern. Im Weggehen hörte Jake sie noch leise hinzufügen: „Möglicherweise sind Sie die Antwort auf meine Gebete.“
„Entschuldigen Sie bitte, Miss Turner. Da ist jemand, der Sie sprechen möchte.“
Madeline schaute auf und musterte ihre Sekretärin, die in der Tür zu ihrem Büro stand. Dass sie so formell angesprochen wurde, war ein Hinweis auf die düstere Stimmung ihrer Mitarbeiterin. Die effiziente, aber temperamentvolle junge Frau meldete sich für gewöhnlich über die Gegensprechanlage, um sie an einen Termin zu erinnern, verbunden mit einem kleinen frechen Scherz. Ella liebte es, ein Lächeln auf dem Gesicht ihrer Chefin zu sehen, wenn einer dieser gut situierten geschäftlichen Besucher ihr Büro betrat.
Diesmal jedoch klang Ella beinah ehrfürchtig und machte ein entsprechendes Gesicht.
„Verdammt, ist es schon wieder der Kongressabgeordnete? Ich habe ihm doch erklärt, dass wir seinen Kreditrahmen nicht erweitern können.“
„Nein, es ist ein Fremder.“ Die Sekretärin räusperte sich. „Also, wenn der Kerl sich hier einzuschleichen versucht und Sie ihn gar nicht kennen, dann schmeiße ich ihn raus und nehme ihn mir gründlich vor, um ihm Benehmen beizubringen. Wahrscheinlich das ganze Wochenende lang.“
Ella war zwar keine verknöcherte Bankangestellte, aber flatterhaft war sie nicht. Das bedeutete, dass der Besucher fähig sein musste, eine ansonsten ausgeglichene junge Frau in einen sexuell aufgedrehten und aufgekratzt vor sich hin plappernden Trottel zu verwandeln.
„Du liebe Zeit“, murmelte Maddy, da ihr plötzlich klar wurde, wer da vor ihrer Tür stand. Nur ein Mann, den sie in letzter Zeit kennengelernt hatte, war in der Lage, einer Frau innerhalb weniger Sekunden auf diese Weise den Kopf zu verdrehen. „Schicken Sie ihn herein“, sagte sie, wohl wissend, dass ihr ungefähr dreißig Sekunden blieben, bis Ella draußen war und Nummer neunzehn hereinkam. Gerade genug Zeit, um ihre Frisur zu überprüfen, die Bluse glatt zu streichen und die Beine übereinanderzuschlagen.
Sie stellte die Füße wieder nebeneinander und rollte mit dem Sessel näher an den Schreibtisch, als er eintrat. Ihr Rock war nicht zu kurz, nur kam ihr die Pose zu offensichtlich vor, zu einladend. Als wollte sie ihn sexuell ermutigen und ihm zeigen, dass sie seit ihrer Begegnung nur noch an ihn gedacht hatte.
Dass das den Tatsachen entsprach, änderte nichts an ihrer Entscheidung, sich ganz geschäftsmäßig zu geben.
„Hallo“, begrüßte er sie. „Hab Sie gefunden.“
„Ja, das haben Sie, Mr. Wallace.“
„Schön, Sie wiederzusehen, Miss Turner.“ Er schaute sich in ihrem vollgestopften Büro um, dessen Regale mit Büchern und Aktenordnern überladen waren. Auch ihre Ablage für Posteingänge quoll über. Sein Blick ging zur Fensterfront, die eine Aussicht auf Chicago bot, eine der besten in dem ganzen Hochhaus. Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus und meinte: „Ich nehme an, Sie haben einen echten Job.“
„Warum sollte ich keinen haben?“
Er sah sie an, sagte aber nichts.
„Na schön“, meinte sie. „Wahrscheinlich arbeiten die meisten Bieterinnen, die auf der Auktion waren, höchstens an ihrer Bräune.“
„Sie haben keine. Das heißt, dass Sie zu viel arbeiten.“
„Es könnte eine natürliche Blässe sein, die sehr sonnenempfindlich ist.“ Es könnte allerdings auch daran liegen, dass sie seit dem vergangenen Sommer keinen einzigen Tag mehr auf dem Boot ihres Vaters gefaulenzt hatte. Das musste sich unbedingt ändern.
„Irgendwie tippe ich eher darauf, dass Sie jeden Tag zwölf Stunden hier drin verbringen und die Sonne nur von Ihrem Fenster aus sehen.“
Kluger Mann. Und einer, der gleich anfing, sich ganz wie zu Hause zu fühlen, indem er sich unaufgefordert in den Sessel vor ihrem Schreibtisch setzte. Durch seine Gegenwart schien ihr Büro zu schrumpfen, sodass sie sich seiner Nähe plötzlich sehr bewusst war. Zum Glück war der Schreibtisch zwischen ihnen. Andernfalls wäre sie vielleicht in Versuchung geraten, näher an ihn heranzurutschen, bis ihre Knie sich berührten. Oder ihre Schenkel. Oder ihre Lippen.
Aufhören!
„Warum haben Sie mich einfach stehen lassen?“
„Warum haben Sie mich aufgespürt?“, konterte sie.
„Ha, ich habe Ihnen eine schwierige Frage gestellt und Sie mir eine ganz einfache.“ Er grinste. „Ich habe Sie aufgespürt, weil ich Ihnen ein Date schulde und zu meinem Wort stehe.“
Das war alles. Er stand zu seinem Wort. Na, da fühlte sie sich doch gleich besser.
„Jetzt sind Sie an der Reihe.“
„Es ist gar nicht so kompliziert.“ Sie schaffte es, ein wenig gelangweilt zu klingen. „Vielleicht habe ich Sie einfach stehen lassen, weil ich nicht interessiert war.“
„Fünfundzwanzigtausend Dollar sind eine ganze Menge Desinteresse“, konterte er selbstbewusst.
„Es war für eine gute Sache.“