Ins Deutsche übertragen von Axel Benning, Gerhard Bronner und Friedrich Torberg
Redaktion: Brigitte Sinhuber-Erbacher

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© für die Originalausgabe: 1985 F.A. Herbig
Verlagsbuchhandlung GmbH, München
mit freundlicher Genehmigung der
Albert Langen Georg Müller GmbH, München · Wien
© für das eBook: 2013 LangenMüller in der
F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Rudolf Angerer, Wien
Herstellung: Franz Nellissen
Satz: Filmsatz Schröter GmbH, München
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-7844-8106-7

Inhalt

Süß ist die Rache

Typisch weiblich

Es bleibt in der Familie

Hiob’s schwerste Prüfung

Nonstop Autostop

Höhere Versicherungspolitik

Im Rausch der Geschwindigkeit

Im Anfang war das Ei

Privatparkplatz

Der letzte Schrei der Medien

Süß ist die Reue

In den Händen der Chauvinisten

Die Gefahren der guten Kinderstube

Jede Münze hat zwei Seiten

Ein verkehrter Verkehrsunfall

Verfolgungswahn

Das Werkstatt-Kabarett

Schade um das Benzin

Auf Ölsuche

Rauchzeichen

Busfahren ist gefährlich

Augenzeugen müssen blind sein

Amtshandlung mit menschlichen Zügen

Rechtsprechung mit menschlichen Zügen

Freund in der Not

Fernsehen hat Vorrang

Für die Katz’

Parkplatz-Safari

Ein Profi am Steuer

Auch Radfahren ist gefährlich

Die Kunst der Höflichkeit

Gottes Hand und Josseles Fuß

Autofahren ist gesund

Ein Tag ohne Dienstwagen

Ein abstrakter Strafzettel

Im Westen nichts Neues

Tour d’Obélisque

Ein vierbeiniger Autofan

Wir gehen in den Untergrund

Ein gewöhnliches Sonderangebot

Und am Ende steht die Parklaterne

Im Anfang war das Benzin und der Vergaser. Dann schuf Gott den Motor und die Karosserie, die Hupe und das Verkehrslicht. Dann betrachtete Er sein Werk und sah, daß es nicht genug war. Darum schuf Er noch das Halteverbot und den Verkehrspolizisten. Und als dies alles geschaffen war, stieg Satanas aus der Hölle empor und schuf die Parkplätze.

Süß ist die Rache

Wir saßen auf der Terrasse unseres Lieblings-Cafes, Jossele und ich, schlürften unseren Lieblings-Espresso und warfen sehnsüchtige Blicke auf die Parkverbotstafeln entlang des Gehsteigs. Um diese dämmerige Abendstunde pflegten wir das »Espresso-Gambit« zu eröffnen, auch »Auto-Adoptivspiel« genannt. Aber noch wollte sich kein Verkehrspolizist zeigen. Es dauerte eine gute Stunde, ehe der erste Vertreter dieser liebenswerten Spezies auftauchte, schlank, rank, schlenkernden Schritts und gestutzten Schnurrbarts.

In fiebriger Anspannung warteten wir, bis er vor einem knallroten, zwischen zwei Parkverbotstafeln parkenden Sportwagen haltmachte und den Strafzettelblock aus seiner Brusttasche zog. Als er den Bleistift ansetzte, also genau im richtigen Augenblick, sprang Jossele auf und stürzte hinzu:

»Halt, halt!« keuchte er. »Ich bin da nur für eine Minute hineingegangen … nur um einen Espresso zu trinken …«

»Herr«, antwortete das Gesetz, »erzählen Sie das dem Verkehrsrichter.«

»Wenn ich doch aber wirklich nur für eine Minute …«

»Sie stören eine Amtshandlung, Herr!«

»Wirklich nur für einen raschen Espresso … Wie wär’s, und Sie drücken ausnahmsweise einmal ein Auge zu, Inspektor?«

Der Polizist füllte mit genießerischer Langsamkeit den Strafzettel aus, befestigte ihn am Scheibenwischer und sah Jossele durchdringend an: »Können Sie lesen, Herr?«

»Gewiß.«

»Dann lesen Sie, was auf dieser Tafel steht!«

»Parken verboten von 0 bis 24 Uhr«, murmelte Jossele schuldbewußt. »Aber wegen einer lächerlichen Minute … wegen einer solchen Lappalie …«

»Noch eine einzige derartige Bemerkung, Herr, und ich bringe auch den Paragraph 17 in Anwendung, weil Sie zu weit vom Randstein geparkt haben.«

»Sehen Sie?« fragte Jossele. »Das ist der Grund, warum die Menschen Sie hassen.«

»Paragraph 17«, antwortete der Ordnungshüter, während er ein neues Strafmandat ausschrieb. »Und wenn Sie mich noch lange provozieren, verhafte ich Sie.«

»Warum?«

»Ich schulde Ihnen keine Erklärung, Herr. Ihre Papiere!«

Jossele reichte sie ihm.

»Herr! Ihre Krankenkasse interessiert mich nicht! Wo ist Ihr Führerschein?«

»Ich habe keinen.«

»Sie haben keinen?! Paragraph 23. Haben Sie einen Zulassungsschein? Eine Steuerkarte? Eine Unfallversicherung?«

»Nein.«

»Nein?«

»Nein. Ich habe ja auch keinen Wagen.«

Stille. Lastende, lähmende Stille,

»Sie haben … keinen … Wagen?« Das Auge des Gesetzes zwinkerte nervös. »Ja, aber … wem gehört dann dieses rote Cabriolet?«

»Wie soll ich das wissen?« replizierte Jossele, nun schon ein wenig verärgert. »Ich bin ja nur für einen raschen Espresso hier ins Café gegangen. Das ist alles, und das versuche ich Ihnen die ganze Zeit zu erklären. Aber Sie hören ja nicht zu …«

Das Amtsorgan erbleichte. Seine Kinnladen bewegten sich lautlos, wenn auch rhythmisch. Langsam zog er das zweite Strafmandat hinter dem Scheibenwischer hervor und zerriß es in kleine Teilchen, einen Ausdruck unendlicher Trauer in seinem Gesicht. Dann verschwand er in der Dunkelheit.

Der arme Kerl wird nie mehr derselbe sein.

Typisch weiblich

Der erste Wagen, den wir besaßen, die beste Ehefrau von allen und manchmal ich, wurde seiner französischen Herkunft wegen »Mademoiselle« geheißen – sie war ein großartiges Produkt.

»Klopfen wir auf Holz«, sagte ich demnach eines Morgens beim Abschied vor der Haustür. »Jetzt fahren wir unseren lieben kleinen Wagen schon zwei Jahre, und er weiß noch immer nicht, wie eine Reparaturwerkstätte von innen aussieht!«

Ich winkte und fuhr los.

Als ich kurz danach aufs Gas stieg, begann der liebe kleine Wagen vehement zu husten und zu stottern, vollführte einen Riesensprung nach vorn, dann nach hinten, produzierte ein wahres Sperrfeuer von Fehlzündungen und hatte gerade noch Kraft genug, um die Werkstatt von Mike dem Auswechsler zu erreichen.

Mike ist mein Lieblingsmechaniker, ein hervorragender Fachmann, ein angenehmer, gefälliger, fleißiger Zeitgenosse mit einem goldenen Herzen und einem einzigen, allerdings verhängnisvollen Laster: er wechselt leidenschaftlich gerne Bestandteile aus. Bei der geringsten Erwähnung eines Autobestandteils, sei’s auch in lobendem Sinn, bricht unwiderstehlich sein Tatendrang hervor, und in Sekundenschnelle ist der betreffende Bestandteil durch einen neuen ersetzt. Der alte erweist sich dann immer als schadhaft, zumindest für Mikes scharfe Augen. Ich meinerseits kann noch so angestrengt hinschauen und sehe keinen Schaden.

»Wenn Sie ihn sehen könnten«, belehrt mich Mike ein wenig von oben herab, »hätte der Wagen sich nicht mehr von der Stelle gerührt.« Angeblich hat Mike schon manch ein Fahrzeug komplett ausgewechselt, Stück für Stück. Man darf seiner Gründlichkeit blindlings vertrauen. Ich brachte ihm also meine vom Heuschnupfen befallene Mademoiselle, stieg aus und schilderte ihm, was geschehen war.

Mike setzte sich ans Steuer, startete, trat aufs Gas – und Mademoiselle hustete weder noch spukte sie, gab keine Fehlzündung von sich und keinerlei störendes Motorengeräusch.

»Der Wagen ist vollkommen in Ordnung«, sagte Mike. »Ich weiß nicht, was Sie wollen.«

Um sicherzugehen, öffnete er die Haube, kontrollierte den Vergaser und wechselte einen Verteilerarm aus.

Ich fuhr ab. Mademoiselle glitt majestätisch die Straße entlang.

An der nächsten Straßenecke erlitt sie einen neuen, heftigen Hustenanfall, dem eine Fehlzündungskanonade folgte.

Wütend kehrte ich zu Mike zurück. Er ließ ein anderes inzwischen angelangtes Opfer stehen, startete Mademoiselle und fragte: »Wollen Sie mich zum Narren halten?«

Ich gab ihm mein Ehrenwort, daß Mademoiselle, kaum daß wir ihn verlassen hatten, in ihren alten Husten verfallen war.

Mike schnitt eine Grimasse, wechselte zwei Zündkerzen aus (sie waren schadhaft) und sagte:

»Sie sollen bis ans Lebensende so gesund sein wie dieser Wagen.«

Ohne zu wissen, womit ich mir diesen Fluch verdient hatte, fuhr ich los. Diesmal dauerte es etwas länger, ehe Mademoiselle ihren nächsten Anfall bekam. Ich fühlte, wie mir das Blut zu Kopf stieg, aber da half nichts. Ich ließ den Wagen stehen und begab mich zu Fuß in die Werkstatt.

»Mike«, sagte ich, »Sie müssen mit mir kommen.«

Mike verfärbte sich, und die Ausdrucksweise, derer er sich bediente, ließ an Ordinärheit nichts zu wünschen übrig. Er hätte den Wagen zweimal kontrolliert, sagte er, und ich verstünde vielleicht etwas vom Schreiben, aber in bezug auf Autos wäre ich ein Analphabet.

Schließlich gab er meinen flehentlichen Bitten nach und ging mit mir.

Mademoiselle erwartete uns am Straßenrand. Mike startete sie.

»Zum Teufel!« brüllte er. »Der Wagen läuft wie ein Uhrwerk!«

»Ja, jetzt«, brachte ich zitternd hervor. »Aber fahren Sie doch einmal mit ihr.«

Wir fuhren eine halbe Stunde in einer zum Bersten angespannten Stimmung. Wohlgelaunt war nur Mademoiselle. Sie ging mit unbeschreiblicher Eleganz in die Kurven, steigerte beim Überholen mühelos ihr Tempo und gebärdete sich überhaupt musterhaft.

Wieder in der Garage angelangt, wandte sich Mike mit angewidertem Gesichtsausdruck an mich:

»Hysterie ist eine gefährliche Krankheit. Sie brauchen eine Behandlung, nicht der Wagen.«

»Mike, bitte glauben Sie mir!« Ich lag beinahe im Staub vor ihm. »Solange Sie da sind, macht der Wagen keine Schwierigkeiten. Aber wenn er weiß, daß er mit mir allein ist …«

»Blödsinn.«

»Tun Sie mir einen einzigen Gefallen, Mike«, flüsterte ich. »Sagen Sie laut und deutlich ›Schalom, auf Wiedersehen‹ schlagen Sie die Tür zu und tun Sie so, als ob Sie weggingen. Aber in Wirklichkeit bleiben Sie neben mir sitzen.«

»Sind Sie verrückt geworden?« Mike wandte sich zornig ab. Er weigerte sich sogar, irgendeinen Bestandteil auszuwechseln.

Schweren Herzens machte ich mich auf den Heimweg. Eine Weile ging es ganz gut. Aber in der Arlosoroffstraße fing es wieder an. Und diesmal war es kein gewöhnlicher Husten, sondern ein richtiges Asthma.

Ich drehte um, Richtung Werkstatt. Zwischen den einzelnen Fehlzündungen probte ich den Text für Mike.

»Da bin ich wieder«, sagte ich. »Mademoiselle macht immer noch die alten Mucken. Hören Sie selbst, Mike.«

Und während ich so sprach – zuerst wollte ich’s gar nicht glauben –, aber es konnte kein Zweifel sein: während ich noch sprach, verfiel Mademoiselle allmählich in eine normale Gangart.

»Hören Sie mich, Mike?« Ich steigerte meine Stimme. »Was habe ich Ihnen gesagt? Jetzt glauben Sie mir hoffentlich, Mike.«

Mademoiselles Tempo war klaglos und gleichmäßig. Das Summen ihres Motors klang wie Musik.

Und dabei ist es dann geblieben. Wenn sie mich mit Mike sprechen hörte, benahm sie sich wie ein wohlerzogenes Auto. Die kleine Anstrengung und das gelegentliche Kopfschütteln der Passanten, besonders wenn die Verkehrsampel auf Halt steht, mußte ich eben auf mich nehmen.

Es bleibt in der Familie

Im vorliegenden Fall rühren die erwähnten Kümmernisse hauptsächlich von Autofahrten im Kreis der Familie her. Kaum bin ich zehn Meter gefahren, stößt die beste Ehefrau von allen ihren ersten schrillen Schrei aus: »Rot! Rot!« Oder: »Ein Radfahrer! Gib auf den Radfahrer acht!«

Diese Begleittexte kommen immer paarweise: der erste mit einem Rufezeichen, der zweite im Sperrdruck. Früher einmal versuchte ich meiner Gattin beizubringen, daß ich seit meiner Kindheit einen Führerschein besitze und noch keines einzigen Vergehens gegen die Verkehrsordnung schuldig geworden bin, daß ich ebenso viele Augen habe wie sie, vielleicht sogar mehr, und daß ich sehr gut ohne ihren Sperrdruck auskommen kann. Seit einigen Jahren habe ich diesen Zuspruch aufgegeben. Es hilft nichts. Genausogut könnte man den Arabern zureden, sich mit der Existenz Israels abzufinden. Sie hört mir einfach nicht zu. Sie ihrerseits hat schon elf Verkehrsstrafen bekommen, aber an denen bin ich schuld. Es kann geschehen, daß wir durch eine völlig menschenleere Straße fahren – und plötzlich dringt ihr Schreckensruf an mein Ohr:

»Ephraim! Ephraim!«

Ich reiße das Steuer herum, gerate auf den Gehsteig, stoße zwei Koloniakübel um und krache in den Rollbalken einer Wäscherei. Dann stelle ich die Reste des Motors ab und blicke um mich. Weit und breit ist nichts und niemand zu sehen. Die Straße ist so verlassen wie der unwirtlichste Teil der Negev-Wüste.

»Warum hast du geschrien?« erkundige ich mich und füge im Sperrdruck hinzu: »Warum hast du geschrien?«

»Weil du unkonzentriert gefahren bist. Überhaupt – wie du fährst! Wie du fährst!« Und sie schnallt demonstrativ ihren Sicherheitsgurt etwas fester.

Die Kinder nehmen natürlich Partei für Mammi. Das erste Tier, das meine kleine Tochter Renana erkennen lernte, war ein Zebrastreifen. Ein Zebrastreifen! Auch ihr Großvater stellt oft und gerne fest, daß ich wie ein Verrückter fahre. Wie ein Verrückter! Neulich nahm er mich zur Seite, um von Mann zu Mann ein paar mahnende Worte an mich zu richten:

»Du hast doch Sorgen genug, mein Junge. Du bist ein schöpferischer Mensch. Du denkst beim Fahren an alles mögliche. Warum überläßt du es nicht meiner Tochter?«

Auch die Kinder haben es schon gelernt:

»Pappi«, tönt es von den Hintersitzen, »du bist nicht konzentriert. Laß doch Mammi … laß doch Mammi …«

Diese entwürdigenden Sticheleien finden ihre Fortsetzung, wenn ich nach Hause komme:

»Es ist nur Pappi«, ruft mein rothaariger Sohn Amir in die Küche. »Nichts ist passiert.«

Warum soll etwas passiert sein? Und warum »nur« Pappi?

Und ihre Mutter unterstützt sie noch:

»Ich würde lachen, wenn dich jetzt ein Verkehrspolizist erwischt! Ich würde lachen!« Oder: »Das kostet dich den Führerschein! Das kostet dich den Führerschein!«

Laut eigener Aussage kann sie sich nur entspannen, wenn sie selbst fährt. Manchmal entwindet sie mir das Lenkrad mit Gewalt und unter lautem Beifall der Galerie. Bisher ist sie zweimal mit je einem Fernlaster zusammengestoßen, einmal mit einem Klavier, hat mehrere Parkometer umgelegt und ungezählte Katzen überfahren.

»Weil deine wilde Fahrerei mich ansteckt«, erläutert sie.

Neuerdings beteiligt sich sogar unsere Hündin Franzi an der gegen mich gerichteten Verschwörung. In jeder Kurve steckt sie den Kopf zum Fenster hinaus und bellt laut und scharf: »Wau! Wau!« Zweimal. Das zweite Mal im Sperrdruck. Sie will, so dolmetscht meine Mitfahrerin, zum Ausdruck bringen, daß ich das Lenkrad mit beiden Händen halten soll. Wie jeder andere. Wie jeder andere!

Es gibt auch rückwirkende Zurechtweisungen. Zum Beispiel passiere ich glatt und anstandslos zwei Fußgänger und werde nach ein paar Metern vorwurfsvoll gefragt:

»Hast du sie gesehen? Hast du sie gesehen?«

Natürlich habe ich sie gesehen. Natürlich habe ich sie gesehen. Sonst hätte ich sie ja niedergefahren oder wenigstens gestreift, nicht wahr.

»Was machst du denn, um Gottes willen!« lautet der nächste Mahnruf. »Was machst du?«

»Ich mache 45 Kilometer in der Stunde.«

»Du wirst noch im Krankenhaus enden. Oder im Gefängnis. Oder im Krankenhaus!«

Sie selbst fährt einen Stundendurchschnitt von 120 km, was ungefähr der Schnelligkeitsrate ihrer Kommentare entspricht. Unlängst riß sie den Wagen an sich, sauste zum Supermarkt und wurde unterwegs von einer Verkehrsampel angefahren. Sie kroch unter den Trümmern hervor, bleich, aber ungebrochen, und seither folgt mir ihr vorwurfsvoller Blick auf Schritt und Tritt.

»Stell dir vor, du armer Kerl«, will dieser Blick bedeuten, »stell dir vor, was für ein Unglück es gegeben hätte, wenn du gefahren wärst.«

Ich bin nach längerem Nachdenken zu dem Entschluß gelangt, mir die bewährte »Do-it-yourself«-Methode zu eigen zu machen, und tatsächlich geht es jetzt viel besser. Um meiner Familie jede Aufregung zu ersparen, stoße ich selbst die entsprechenden Vorwarnungen aus: »Nach 50 Metern kommt ein Stoppzeichen«, verlautbare ich bei einer Stundengeschwindigkeit von 30 km. »Ein Stoppzeichen nach 50 Metern!« Oder: »Nicht bei Gelb, Ephraim! Nicht bei Gelb!« Und nachdem ich über eine harmlose Kurve hinweggekommen bin: »Wie ich fahre! Wie ich fahre!«

Auf diese Weise herrscht in meinem Wagen nun doch eine Art von Fahrerfrieden. Die beste Ehefrau von allen sitzt mit zusammengepreßten Lippen neben mir, die Kinder verachten mich stumm, der Hund bellt zweimal, und ich fahre langsam aus der Haut.

Hiob’s schwerste Prüfung

In der Stadt Tel Aviv lebte ein Mann, der hieß Hiob Grodetzky. Er war ein rechtschaffener Mann, befolgte das Gesetz und tat kein Übel, und mit der Zeit wurden ihm sieben Söhne geboren.

Es betrieb aber dieser Mann Hiob einen Lieferwagen, und betrieb ihn sonder Fehl und Tadel, und lenkte ihn tugendhaft und achtete darauf, niemals eine Geschwindigkeitsgrenze zu überschreiten, nicht in der Stadt noch auf den Überlandstraßen, und fuhr kreuz und quer durch das Land und hinauf und hinab, und immer auf der rechten Bahn, und nicht zu schnell. Und hat kein Verkehrspolizist jemals Hand an ihn gelegt oder ihm ein Strafmandat ausgestellt. Und zahlte dieser Mann Hiob seine Einkommensteuer schon vor dem Fälligkeitstermin und war der einzige im ganzen Land, der solches tat.

Es geschah aber eines Tages, daß sich die Schergen der Stadtverwaltung vor dem Bürgermeister versammelten, und gesellte sich Satanas zu ihnen.

Und sprach der Bürgermeister, zu Satanas gewandt:

»Kennst du meinen Knecht Grodetzky, welcher ein rechtschaffener Mann ist, der das Gesetz befolgt und kein Übel tut?«

Und Satanas antwortete dem Bürgermeister, und sprach: »Der hat leicht rechtschaffen sein, der Kerl, da du ihn doch mit einer Schutzhecke umgeben hast und keine Versuchung an ihn heranlässest. So du aber deine Hand ausstreckst und ihm Schwierigkeiten in den Weg legst, wird er seiner Tugend und wird dir fluchen, daß es dir in den Ohren gellt.«

Und schlossen Satanas und der Bürgermeister eine Wette, und sprach der Bürgermeister zu Satanas, und sprach:

»Siehe, fortan ist dieser Mann Grodetzky in deiner Hand, und darfst du ihm alles antun, nur keine Gewalt.«

Satanas aber nickte und entfernte sich vom Angesicht des Bürgermeisters.

Nicht lange, da erhob sich Hiob Grodetzky am Morgen von seinem Lager, und ging in den Hof seines Hauses, wie er’s zu tun pflog an jedem Morgen, um mit seinem Lieferwagen auszufahren. Denn er parkte den Lieferwagen immer und stets im Hof seines Hauses. Denn er wohnte in einer von geparkten Autos überfüllten Geschäftsstraße, und fand keinen andern Platz als seinen Hof, um den Wagen darin zu parken und am Morgen mit ihm auszufahren. An diesem Morgen aber, als er den Hof betrat, fiel bleicher Schrecken auf ihn, und er erbebte vor dem Anblick des gewaltigen Lastwagens, der da in der Ausfahrt stand und ihm den Weg versperrte.

Und Hiob begann zu rufen und zu hupen, und ging zu den Inwohnern des Hauses, um nach dem Fahrer des Lastwagens zu fragen, und ging in die umliegenden Häuser und fragte, und wurde ihm weder Antwort noch Fingerzeig. Erst gegen elf Uhr vormittags kam gemessenen Schrittes ein Mann daher, das war Eliphas der Parker, und Hiob schrie ihm entgegen, und schrie:

»Sähest du nicht mit dem Blick deiner Augen, daß hier eine Ausfahrt ist und daß du hier nicht parken kannst?«

»Ich sehe nichts«, widerredete ihm der andere, »und ich kann parken, wo ich will.«

Und ließ nicht ab zu parken, wo er geparkt hatte, und parkte dortselbst am folgenden Tag und am Mittwoch, und der Mann Hiob konnte zur Nacht den Segen des Schlafes nicht finden aus lauter Furcht, daß am Morgen die Ausfahrt blockiert wäre und seinem Lieferwagen den Weg versperren würde, und brauchte er doch den Lieferwagen, um damit sein Brot zu verdienen. Und sann der Mann Hiob auf Abhilfe, und besann dieses und jenes, und ging in tiefer Nacht vor sein Haus und trat an den falsch geparkten Lastwagen heran und schob ein Blatt Papiers unter den Scheibenwischer, darauf stand geschrieben wie folgt: »Ich warne Dich zum letztenmal, Du Arschloch, und wird großes Unheil über Dich kommen, so Du noch einmal hier parkest!« Aber es fruchtete ihm nichts, denn Eliphas der Parker war größer und stärker als er, und überragte ihn um Haupteslänge, und hatte viel Fett an seinem Körper, und unter dem Fett viele Muskeln.

Und es wurde aus dem Manne Hiob ein Wrack und ein Schatten seiner selbst und ein Nervenbündel, aber er sündigte nicht und wich nicht vom Pfade der Tugend, und fluchte weder der Stadtverwaltung noch dem Bürgermeister, sondern machte sich auf zur nächsten Polizeistube und erhob Beschwerde wider Eliphas den Parker.

»Da können wir gar nichts machen«, antwortete ihm die Polizeistube. »Wir können nur etwas machen, wenn vor dem Ein- und Ausfahrtstor ein amtliches Parkverbotszeichen angebracht ist. Dann können wir etwas machen. Sonst nicht.«

Und Hiob war es zufrieden und folgte den Worten des Propheten Jeremiah: »Du sollst Zeichen und Wegweiser aufrichten für die Kinder Israels«, und ließ sich nicht Zeit noch Mühe verdrießen, um an sein Ziel zu gelangen. Und ging des Weges zum Magistrat, Abteilung Straßenverkehr, Unterabteilung Verkehrszeichen, und machte eine Eingabe. Und wurde diese Eingabe unverzüglich abgelehnt. Und machte der Mann Hiob eine zweite Eingabe, welche unverzüglich abgelehnt wurde, und eine dritte, ebenso, und eine vierte, und ließ nicht locker. Und siehe, es erschienen eines Tages zwei Amtsorgane im Hof seines Hauses, und befanden, daß der Hof sich für Parkzwecke wohl eigne, und bewilligten das Gesuch, und siehe, kaum zwei Jahre später waren rechts und links von der Ein- und Ausfahrt die amtlichen Tafeln aufgerichtet, und verkündigten einem jeden: »Parken verboten.«

Und es brach großer Jubel aus im Hause des Hiob Grodetzky, und freuten sich alle, und schlachteten einen Hammel und tranken vom Wein.

Als aber Hiob Grodetzky am Morgen erwachte und sich vom Lager erhob, um auszufahren mit seinem Lieferwagen durch das Tor, da stand vor dem Tor der große Lastwagen abermals, und versperrte ihm den Weg.

Und entrang sich ein großer Schrei der gequälten Brust des Mannes Grodetzky, und drang er mit aufgehobenen Händen auf den in der Nähe patroullierenden Verkehrspolizisten ein.

Dieser aber besänftigte ihn, und sprach:

»Ich weiß, Herr, ich weiß. Schreien Sie nicht. Ich habe dem Parksünder bereits ein Strafmandat erteilt.«

Es verhielt sich jedoch so, daß in der Zwischenzeit die Zahl der Wagen sich vervielfacht hatte, und mußten die Bürger der überfüllten Stadt jedes freie Plätzchen ausnützen, um ihre Wagen zu parken, und entrichteten sie willig die Buße für Verletzungen des amtlichen Parkverbots.

»Das ist es mir wert«, sprach Eliphas der Parker zu Hiob. »Ich lasse es mich gern ein paar Schekel kosten, wenn ich irgendwo parken kann.«

Und parkte er fröhlich weiter vor dem Hause des Hiob, und blockierte ihm die Ausfahrt, und zahlte den Bußeschekel.