Sabine Meltor

HEIDI KLUM

Sabine Meltor

Heidi Klum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Originalausgabe
1. Auflage 2015
© 2015 CBX Verlag UG (haftungsbeschränkt)
Frankfurter Ring 150
80807 München
info@cbx-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf in keinerlei Form – auch nicht auszugsweise – ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Lektorat: Ulla Bucarey
Umschlaggestaltung: Nina Knollhuber
Umschlagabbildung: Imago/Future Image
Satz: Julia Swiersy
Illustrationen: frilled_dragon / Fotolia.com
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
ISBN: 978-3-945794-04-3

Inhalt

Hinter den Kulissen
Eine glückliche Familie
Das Model ’92 – eine Entdeckung mit Folgen
Harte Zeiten in New York
Hartnäckigkeit siegt
Heidi als Model und Muse
Die Marke »Heidi«
Heidis Gastauftritte in Film und TV
Die eigene Sendung: »Project Runway«
Model-Mama bei »Germany’s Next Topmodel«
Heidi und die Männer
Der Star und die Sterne
Das Phänomen »Heidi«
Heidis Erfolgsrezept
Quellenverzeichnis
Bilderverzeichnis

Hinter
den Kulissen

Heidi Klum ist ein besonders hell leuchtender Stern am Medienhimmel. Ihr kometenhafter Aufstieg in den Olymp der Mode-Welt, ihr strahlendes Lächeln, ihr legendärer Humor und ihr Improvisationstalent machten sie bekannt und berühmt, vor allem im US-Fernsehen. Nicht ohne Grund nannte sie der Spiegel »Deutschlands führender Exportartikel in Sachen Schönheit«.1

In Übersee wurde sie jedoch nicht nur einer der sündig heißen Victoria’s-Secret-Engel, sondern auch die Moderatorin der äußerst erfolgreichen Sendung »Project Runway«, die sogar mit einem Emmy ausgezeichnet wurde.

In Deutschland hingegen ist ihr Format »Germany’s Next Topmodel« so beliebt wie auch umstritten – und das, obwohl es die erste Modesendung im deutschen Fernsehen war.2 Die Kritik entzündet sich hierzulande vor allem am Umgang mit den Nachwuchsmodels. Andererseits konnten nicht wenige von ihnen nach der Show eine beachtliche Karriere hinlegen. Die Model-Ausbildung à la Heidi, die von durchschnittlich 30 Millionen Zuschauern3 gebannt verfolgt wird, bereitet offenbar recht gut auf das reale Berufsleben eines Models vor – womit die Sendung jenseits der Unterhaltung der Zuschauer ihr selbst gestecktes Ziel erfüllt.

Und wenn es um das Erreichen von Zielen geht, zeigen sich Heidis hervorstechendste Eigenschaften: Wille zum Erfolg, Ausdauer und Mut zu Neuem und Außergewöhnlichem. Heidi scheint gar nicht anders zu können als sich immer wieder vom Durchschnitt abzuheben – und das, obwohl ihr vor allem in der Anfangszeit ihrer Karriere nur allzu oft bescheinigt wurde, sie sei mit ihren 1,76 m zu klein und ihre weiblichen Proportionen seinen zu »rundlich«. Heidi ließ sich nicht beirren – und setzte sich schlussendlich durch. Sie zählt laut der Time zu den »100 einflussreichsten Menschen der Welt«4, sie war nach Gisèle Bündchen das Model mit dem zweithöchsten Jahreseinkommen auf der ganzen Welt (14 Mio. Dollar)5, wurde jedoch 2012 nicht mehr rein als Model gezählt, sondern als »business mogul«6.

Ihr Geld verdient sie als Model, Schauspielerin, Moderatorin und Markenrepräsentantin (zum Beispiel für McDonald’s und Diet Coke7). Eigene Parfümserien und Modelinien runden das große Angebot an Heidi-Produkten ab. Doch bei allem Erfolg ist sie immer ein bodenständiger Mensch geblieben, dem die Familie über alles geht. Sie ist ihren Eltern dankbar dafür, dass sie ihr gute Eigenschaften mitgegeben haben: »Den Geschäftssinn habe ich von meinem Vater geerbt, das gute Herz von meiner Mutter.«8

Vater Günther Klum ist bis heute Heidis Manager, die Mutter hilft Heidi mit den vier Kindern – die Klums sind ganz offensichtlich eine Familie, der Zusammenhalt noch etwas bedeutet. Und obwohl Heidi geradezu das Sinnbild der modernen Karrierefrau zu sein scheint, sind ihr Werte wie Treue und Beständigkeit sehr wichtig.

Das Publikum ist immer auch interessiert an Heidis Liebesleben – nicht ohne Grund wird ständig darüber berichtet. Heidi ist immer wieder eine Schlagzeile wert. Doch die Fans lieben ganz besonders die Heidi hinter den Kulissen, auch mal ungeschminkt, beim Herumblödeln mit Fotografen und Regisseuren oder mit Mutter Erna am Set von »Germany’s Next Topmodel«. Hinter den Kulissen – das ist bei Heidi die zweite Showbühne.

Doch wer ist Heidi wirklich? Wer ist die Frau, die alles hat, was man sich nur wünschen kann: Geld, Macht, Schönheit – und Liebe. Wie hat es der Teenager aus Bergisch Gladbach auf die Titelseiten der Hochglanzmagazine geschafft? Was verbirgt sich hinter der schillernden Persönlichkeit, deren Lächeln überall auf der Welt erfolgreich Produkte verkauft? Ist Heidi wirklich bei aller scheinbaren Nähe zum Publikum als Mensch überhaupt greifbar? Oder macht Heidi es einfach nur richtig? Hat sie die Zauberformel für Erfolg gefunden, die jedem helfen könnte, attraktiver und erfolgreicher zu sein? Gibt es sie – die geheime Heidi-Zutat, die nicht nur dem Alltag mehr Würze verleiht, sondern auch die Karriere und das Liebesleben aufpeppt? Werfen wir gemeinsam einen Blick hinter die Kulissen!

Eine glückliche
Familie

Bergisch Gladbach, die Heimatstadt von Heidi Klum, liegt direkt neben Köln, mit der S-Bahn ist man in 20 Minuten9 in der Metropole. Mit gerade einmal 109.000 Einwohnern gilt Bergisch Gladbach als eine der kleinsten Großstädte von Nordrhein-Westfalen.10 In dem kleinen, eher ruhigen Vorort Paffrath ist Heidi Klum aufgewachsen.11 Von dem vormals kleinen Dorf sind noch einige wenige Fachwerkhäuser und eine romanische Pfarrkirche erhalten geblieben.12 Hier, im Schutz einer nahezu dörflichen Gemeinschaft, konnte die kleine Heidi in einem behüteten Umfeld aufwachsen. Viele der Einwohner Paffraths zu dieser Zeit sind ältere Menschen, die es im Leben aus eigener Kraft zu etwas gebracht haben, die hart für ihren verdienten Ruhestand gearbeitet haben13 – alles Eigenschaften, die Heidi noch zugutekommen werden. Direkt gegenüber von ihrem Elternhaus befand sich Heidis Grundschule. Auch die Integrierte Gesamtschule, auf die sie vom Gymnasium Herkenrath nach sieben Schuljahren wechselte und an der sie 1992 das Abitur machte, war nur einen Kilometer entfernt. Noch heute wohnt ihre Familie hier.14

Man kann sagen, Heidi Klum wurde am 1. Juni 1973 in eine ganz normale Familie hineingeboren – ihr Vater Günther war gelernter Chemiefacharbeiter und die Mutter Erna hatte früher als Friseurin gearbeitet.15 Ähnlich bodenständig16 wie ihre Herkunft sollte sich Heidi Klum im Laufe ihrer Karriere immer wieder zeigen: als fleißige, hart arbeitende Geschäftsfrau und als absoluter Familienmensch. Das Ganze garniert sie mit dem Charme einer ewig gut gelaunten Blondine, die, wenn die Kameras auf sie gerichtet sind, auch gerne mal jodelt17 – vor allem in den USA setzt sie sich damit auf originelle Weise in den Mittelpunkt.18

Heidis Mutter hatte bereits einen Sohn aus erster Ehe: Mit ihrem Halbbruder Michael teilte Heidi über viele Jahre das Kinderzimmer.19 Michael ist zehn Jahre älter als seine kleine Halbschwester und wird später Busfahrer. Er ist mittlerweile verheiratet und Vater zweier Kinder. Da er recht öffentlichkeitsscheu ist, stellte die Bunte bereits die Vermutung auf, Heidi schäme sich für ihren Bruder20. Doch Heidi stellte öffentlich klar, dass sie und ihr Bruder sich sehr nahestehen.21 Der Rummel um den hübschen Star liegt eben nicht jedem, auch wenn es um ein Familienmitglied geht.

Die Kindertage in Bergisch Gladbach verliefen glücklich. Heidi selbst bezeichnet sie als »super Kindheit«22. Zwar hatte das englische Times Magazine auch in der deutschen Presse für einige Aufregung gesorgt, als es die Aussage des Stars zitierte, dass sie als Kind Angst vor ihrem Vater gehabt hätte, weil er sie geschlagen habe. Doch wie sich herausstellte, ging es hierbei um den berühmten »Klaps auf den Hintern«, der in den 1970er-Jahren als »normal« galt. Heidis Medienanwalt Ralf Höcker zitiert sie mit den folgenden Worten: »Es wird jetzt so getan, als hätte mein Vater mich verprügelt. Das hat er nicht. Ich komme aus einer anderen Zeit mit anderen Erziehungsmethoden als heute.«23 Von Züchtigungen, wie von der Presse natürlich vermutet, sei keine Rede gewesen. Heidi selbst jedoch bevorzugt andere Erziehungsmethoden bei ihrem eigenen Nachwuchs. Sie spricht lieber mit ihren Kindern, wenn es Probleme gibt, anstatt sie zu bestrafen.24

Mutter Erna hingegen sorgte für Harmonie, was ebenfalls wie das typische Rollenbild einer Hausfrau aus den Siebzigern klingt. Sie hat zwischen den »Dickköpfen« in der Familie vermittelt (hiermit sind Heidi und Vater Günther gemeint) und ihre Tochter gelehrt, hin und wieder auch diplomatisch vorzugehen.25 Vermutlich verdankt der heutige Star auch ihrer Mutter die Fähigkeit, charmant zu bleiben und zu lächeln, ganz gleich ob im Blitzlichtgewitter oder bei Interviewfragen, die zu persönlich werden26. Der SZ-Journalist Moritz von Uslar nennt ihr Lächeln eine »weltweit eingetragene Marke, Qualitätsprodukt. Es ist ein bisschen ein 9,99-Euro-Wühltisch-Lächeln […]. Deswegen wirkt es ja nicht weniger. Deswegen wirkt ihr Lächeln eher besonders stark. Sie lächelt auch, weil es gerade nichts zu lächeln gibt. Prophylaktisch.«27 Doch dann besinnt er sich auf Heidis rheinische Herkunft: »Im Rheinland kommt die Sonne früher raus als sonst wo in Deutschland.« Und damit könnte er recht behalten: Bergisch Gladbach liegt nicht weit von Köln, einer der Hochburgen des deutschen Karnevals. Heidis rheinisches Gemüt wird also noch ergänzt durch die Vorliebe für das Kostümieren. Bis heute liebt sie es, sich zu verkleiden. Ihre Halloweenideen sorgen in den USA regelmäßig für Medienrummel28, hierfür denkt sie sich die verrücktesten Kostüme aus, wie Betty Boop29, Riesenschmetterling oder Transformer30. Laut eigener Aussage beginnt Heidi mit ihren Planungen für Halloween sogar schon im Juli31 – das zeigt, wie wichtig ihr eine effektvolle und medienwirksame Verkleidung ist. Da Heidi beim jährlichen Karnevalsumzug in Bergisch Gladbach immer noch häufig dabei ist, wird dieser bisweilen sogar vom ZDF landesweit übertragen – nicht so ausführlich wie der große Umzug in Köln, aber immerhin!32

Vermutlich noch früher als ins Karnevalskostüm jedoch schlüpfte sie ins Tutu: Als Fünfjährige erhält Heidi das erste Mal Ballettstunden.33 Und man kann sich regelrecht vorstellen, wie das aufgeweckte Mädchen zwischen den »knatschroten Plastiksofas«34 der damaligen elterlichen Wohnung herumgesprungen ist – ihr ausgeprägter Bewegungsdrang35 ist ihr bis heute erhalten geblieben. Doch nicht nur ihren Body hielt sie schon früh fit. Dass sie sich für Beauty interessierte, könnte auch in den Berufen ihrer Eltern begründet sein36: Ihr Vater arbeitete für den Parfümhersteller 471137 und die Mutter hat als Friseurin die Köpfe ihrer Kunden verschönert38. Kein Wunder also, dass Heidi später ein eigenes Parfüm und sogar eine Schmuckkollektion entwickelt hat.39

Als Teenager hingegen war sie wohl eher unauffällig. Sie trug vier Jahre eine Zahnspange40, litt genauso wie andere Mädchen und Jungen unter den für die Pubertät typischen Pickeln41 (man nannte sie sogar »Pickelgesicht«42 und »Pizzagesicht«43) und trank vermutlich erst mit 18 ihr erstes Kölsch44. Auch die Romanzen dieser Zeit sind ganz normal. Ihren ersten Kuss erlebte sie mit einem Jungen namens Oliver. Beim Kinofilm »Der Name der Rose« hielten sie das erste Mal Händchen. Oliver ist mittlerweile mit einer anderen verheiratet, doch ab und an laufen sie sich noch über den Weg.45

Doch nicht nur ihr Äußeres, auch ihr Vorname war Anlass für Hänseleien. »Es hieß immer nur: Heidi, wo ist der Alm-Öhi? Wo hast du den Peter gelassen?«, erzählt Heidi in einem Interview rückblickend.46 Allzu viel Schaden haben solche Erlebnisse aus ihrer Kindheit und Jugend offensichtlich nicht hinterlassen: Heidi scheint mit ihrem Aussehen heute mehr als zufrieden zu sein, auch wenn ihre Brüste anfangs nicht gleich schnell wuchsen47. Sie macht mittlerweile sogar Witze über ihre Brüste und gibt ihnen lustige Spitznamen: »Hans« und »Franz« nennt sie die beiden.48 Die Namen weisen auf ihre deutsche Herkunft hin, so Heidi – sie ist also mit ihrem Heimatland, mit ihrer Jugendzeit und ihrer Kindheit im Reinen.

Hierfür spricht auch, dass Heidi sogar einen von ihr kreierten Duft ihrer Kindheit gewidmet hat: »Shine« heißt er – vermutlich soll er das schon berühmt gewordene Strahlen des blonden Stars in einem Parfüm widerspiegeln. Hauptsächlich sei »Shine« von Lilien inspiriert – diese Blume pflückte die kleine Heidi einst mit anderen Kindern und steckte sie zu Arrangements zusammen. Die anderen Lieblingsgerüche sind Weihnachtsbeere und Mandarine – das bringt die Romantik eines Weihnachtsabends mit der Klarheit und Reinheit zusammen, die der Lilie zugeschrieben werden. Ein passendes Parfüm für Heidi Klum, die ihre Fans mit ihrer Schönheit bezaubert und dabei meistens den klaren Kopf einer guten Geschäftsfrau behält.49 Ihre Lieblingsblume ist jedoch nicht die Lilie, sondern das Maiglöckchen. Auch diese Blume erinnert sie an die Zeiten in ihrer Kindheit, als sie mit ihrer Freundin im Wald unterwegs war und Maiglöckchen pflückte50 – ein idyllisches Bild vom unschuldigen Mädchen in der Natur. Ein Bild, das Heidi uns nur vermitteln möchte? Oder war es wirklich so? War Heidi schon immer ein Ausbund an Freude und Natürlichkeit? Es gibt keinen Anlass zu glauben, dass es nicht so war. Heidi wirkt eigentlich immer gesund und munter, kaum Skandale, keine Drogenexzesse – ein gesunder Körper, in dem ein gesunder Geist wohnt. Eine rheinische Frohnatur, wie man so sagt. Und den Fans gefällt sie so, wie sie ist: lächelnd, schlagfertig – und wunderschön.

Und es ist eine glückliche Heidi, die auf den unzähligen Fotos und auf dem Fernsehbildschirm so strahlt. Wann immer sie von ihrer Kindheit spricht, weiß man, dass schon früh die Weichen dafür gestellt wurden, dass Heidi auch ein erfülltes Leben führen würde: Ihr Vater motivierte sie dazu, viel von sich selbst abzuverlangen und entsprechend selbstbewusst zu sein. Von ihrer Mutter lernte sie eine positive Lebenseinstellung und Unabhängigkeit. Heidi schreibt in ihrem Buch über das Aufwachsen in ihrer Familie: »Wir haben viel Zeit miteinander verbracht – wie oft haben wir um den Esstisch herum gesessen und über unseren Tag in der Schule oder auf der Arbeit, unsere Ferienpläne, unsere Freunde geplaudert. Rückblickend kann ich sagen, dass ich Glück hatte, mich geliebt und geborgen zu wissen sowie die Wichtigkeit guter Manieren, allgemeiner Höflichkeit und gegenseitiger Achtung zu lernen. Dank dieses Gefühls der Sicherheit in meinem Familienleben bin ich mit genug Urvertrauen aufgewachsen, um unterschiedliche Wege im Leben auszuprobieren, ohne ständig Angst zu haben oder gehemmt zu sein.«51 Wenn Heidi über ihre Familie spricht oder schreibt, fühlt man regelrecht ihre Zuneigung und Dankbarkeit. Denn sie weiß, eine unbeschwerte Kindheit zu erleben, ist nicht selbstverständlich, viele Menschen hatten weniger Glück als sie. Bis heute ist die Familie ihr Rückhalt. Hier in Bergisch Gladbach ist sie wirklich zu Hause. Sie kann sein, wie sie ist, und wird auch so geliebt: als ganz normaler Mensch, als Tochter – und nicht als Star.

Doch das Star-Dasein wurde ihr schon in die Wiege gelegt: Ihr Vorname Heidi, der in ihrer Jugend wegen der gleichnamigen Kinder-Zeichentrickserie für allerlei Spötteleien sorgte, ist eine Kurzform von Adelheid und bedeutet »von edlem Wesen«52. Und wenn sie elegant über den Laufsteg oder über einen roten Teppich schreitet, weiß man, dass ihre Eltern bei der Namensgebung richtig gelegen haben. Die Bedeutung des Namens Klum hingegen hat sich zum Glück nicht bewahrheitet: Im mittelhochdeutschen Sprachgebrauch wurde so jemand bezeichnet, der »klamm« war, also wenig Geld besaß. »Klim« konnte jedoch auch jemand sein, der ständig mit etwas beschäftigt ist53 – diese Wortbedeutung passt schon besser zu der vielgereisten Geschäftsfrau und vierfachen Mutter. Übrigens ist der Nachname Klum schon seit dem 19. Jahrhundert in Bergisch Gladbach zu finden54, Heidis Familie gehört also zu den Alteingesessenen. Dass aus der kleinen Heidi jedoch einmal ein internationales Topmodel und eine erfolgreiche Geschäftsfrau werden sollte, haben ihre Verwandten wohl nicht gedacht – und sie selbst auch nicht55.

Das Model ’92 –
eine Entdeckung
mit Folgen

Vielleicht moderiert Heidi Klum deshalb mit so viel Leidenschaft und Hingabe die Sendung »Germany’s Next Topmodel«, in der sie jungen Mädchen die Chance bietet, eine Modelkarriere zu starten, weil ihre eigene Laufbahn ganz ähnlich begann: In der Show »Gottschalk Late Night« veranstaltete der Moderator Thomas Gottschalk im Jahr 1992 einen Model-Wettbewerb, in dessen Verlauf sich die damals 18-jährige Heidi gegen sage und schreibe 25.000 andere Mädchen durchsetzte.56 Und wie man an ihrem kometenhaften Aufstieg im Mode-Business gut ablesen kann, ist Heidi der lebende Beweis dafür, dass eine Modelkarriere durchaus mit einer TV-Sendung beginnen kann.

Wie das unter Jugendlichen häufig so ist, gab die beste Freundin den Ausschlag dazu, sich zu bewerben. Heidi, die schon früh öffentliche Auftritte als Tänzerin hatte (sie lernte neben Ballett auch Stepptanz, Jazztanz und Bauchtanz), liebte es, im Rampenlicht zu stehen.57 Ihre Freundin Karin lag also gar nicht so falsch, als sie Heidi vorschlug, sich bei Thomas Gottschalks Modelwettbewerb anzumelden. Erst machten sich beide darüber lustig, doch Karin blieb dann doch hartnäckig – zum Glück für Heidi, die diesen Moment sogar in ihrem Buch »Natürlich erfolgreich« festhält: »Aus Jux schlüpfte ich in meine schimmernde Tanzstrumpfhose und einen Badeanzug (eine absolute Modesünde!), toupierte mir die Haare und schmierte mir jede Menge Rouge ins Gesicht. Wir machten Polaroidfotos, füllten den Coupon aus und schickten alles ein.«58 Dass Heidi und Karin heute immer noch eine Freundschaft pflegen, zeigt wiederum, dass Heidi die Unterstützung anderer Menschen nicht vergisst, sobald sie berühmt wird.59

Es gingen nach Heidis Bewerbung einige Monate ins Land, ohne dass etwas geschah, fast hätte sie den Wettbewerb schon vergessen, da klingelte das Telefon: Heidi wurde zum Casting nach München eingeladen. Schon am Tag nach diesem Event kam sie in die Endauswahl für die Fernsehshow. Die ersten Aufgaben kamen auf die Model-Anwärterin zu: vor einem Spiegel zu einem Song singen und auf einer Luftmatratze im Wasser paddeln und dabei gut aussehen. Aufnahmen unter einem künstlichen Wasserfall waren auch dabei60 – alles ähnliche Aufgaben, wie sie später die Kandidatinnen bei Heidis Castingshow »Germany’s Next Topmodel« bewältigen müssen! Heidi sagt also die Wahrheit, wenn sie erzählt, dass sie selbst diese Hürden im Verlauf ihrer Karriere schon genommen hat (auch Extreme wie das Tauchen mit Haien).61 Damals bei Gottschalk wurde per TED (Voting per Telefon) abgestimmt, wer diese Aufgaben am besten umgesetzt hatte – und Heidi gewann!62

Es folgte damals eine weitere Runde gegen die anderen Wochensiegerinnen, dann standen sechs Kandidatinnen fürs Finale fest – darunter auch Heidi. Sie selbst schreibt rückblickend, dass sie glaubte, »keine Chance« gegen die anderen Mädchen zu haben, die in ihren Augen alle »hübsch und talentiert« waren.63 Dennoch verstanden sich die Mädchen untereinander gut, von Zickenkrieg, wie er im heutigen Fernsehen gezeigt wird, keine Spur: Jahre später berichtete die Mitkonkurrentin Caroline Duss, die unter die letzten drei Kandidatinnen gekommen war, vom Spaß und vom Zusammenhalt der Model-Anwärterinnen. Mit der dritten Finalistin Sheba Dorsey hatten sie sich sogar ein Zimmer geteilt und »viel gequatscht: übers Modeln, übers Reisen, über unsere Freunde«.64 Das klingt eher wie der Aufenthalt in einer Jugendherberge bei einer Klassenfahrt, nicht wie die Dramen, die heute aus der Model-Villa im Rahmen der Casting-Show »Germany’s Next Topmodel« gesendet werden. Vielleicht lag das auch daran, dass sich die jungen Mädchen im Jahr 1992 noch gar nicht vorstellen konnten, welche Chance sich ihnen wirklich bot. Caroline Duss berichtet sogar davon, dass sie damals davor zurückschreckte, ein Jahr nach New York zu ziehen, was die Bedingung für den Model-Vertrag war, den man gewinnen konnte.65

Heidi erlebte in ihrer Heimat zwiespältige Reaktionen. Die Bewohner von Bergisch Gladbach verfolgten die Sendung mit Begeisterung und Heidi wurde eine Art »lokale Berühmtheit«, doch im Alltag erlebte die Jugendliche leider das Gegenteil: »In der Schule wurde ich gehänselt, und die anderen Mädchen tuschelten neuerdings hinter meinem Rücken, wahrscheinlich aus Neid. (Damals fing ich an, mir einen Schutzschild gegen aufdringliche Fragen und Kritik aufzubauen.)«66 Fast macht es traurig zu lesen, wie wenig andere ihr den Erfolg gönnten, den sie sich immerhin hart erarbeitet hatte – die zahlreichen Tanztrainings und Auftritte machten sich nun ganz offensichtlich bezahlt.

Doch Heidi ließ sich nicht davon abhalten, in Thomas Gottschalks Show zu glänzen: Sie bewältigte tapfer Aufgaben wie das Backen von Krapfen und schließlich eine Modenschau.67 Per TED wurden dann drei von sechs Mädchen ausgewählt. »Caroline, Sheba und Heidi sind in der Endrunde«, verkündete Gottschalk anschließend und eine Musik ertönte, die ähnlich einer Fanfare klang.68 Danach absolvierten die drei Finalistinnen noch einmal einen Gang über den Laufsteg69 und wurden von einer fünfköpfigen Jury bewertet70. Endlich hieß es dann: »Und die Gewinnerin ist … Heidi Klum!« Im Glitzer-Konfetti-Regen schritt sie dann die Treppen hinab, die Kamera fing ihre langen Beine ein71 – ein traumhafter Auftritt und einer Siegerin würdig.

Mit den Blumen wurde dem frisch gebackenen »Model ’92« auch der Gewinn überreicht72: ein Vertrag als Fotomodell über drei Jahre im Wert von 300.000 US-Dollar.73 »Heidi, dein Leben wird sich jetzt beträchtlich ändern, das nimmst du billigend in Kauf?«, fragte Moderator Thomas Gottschalk. »Ja«, antwortete die junge Heidi schüchtern, aber sichtlich glücklich. Zum Ende hin erwies sich Gottschalk dann als ein Mensch, der Potenziale erkennt: »Nach Claudia Schiffer jetzt unsere Heidi«, verkündete er dem Fernsehpublikum.74 Und tatsächlich sollte es sich bewahrheiten: Neben Claudia Schiffer ist Heidi heute eines der bekanntesten deutschen Models der Welt – oder ist sie mittlerweile sogar bekannter?

Bei Thomas Gottschalk sollte Heidi immer wieder mal auftreten, zum Beispiel bei »Wetten dass …« im Jahr 2000, bei welcher Gelegenheit er mit ihr ein Tänzchen wagte75. Im Jahr 2010 wurde im Rahmen seiner Show von Heidi ein Blitz-Casting für die neue Staffel von »Germany’s Next Topmodel« durchgeführt. Die Saalwette von Gottschalk bestand nämlich darin, ein Mädchen aus der Umgebung zu finden, das es bei Heidi später unter die ersten zehn Plätze schaffen würde.76 Wieder sollte ein Mädchen die Chance erhalten, Karriere zu machen – nur diesmal unter Heidis Regie.

Thomas Gottschalk ist nach Angaben von Heidi mittlerweile ein »guter Freund und Ratgeber«, dem sie sogar in der Bild-Zeitung offiziell dafür dankt, dass er damals »den Ball ins Rollen gebracht hat«.77 Sie haben auch immer noch Kontakt: »Er lädt uns schon mal ein zu ihm nach Hause«, berichtet sie in einem Interview aus dem Jahr 2011, und sie geht sogar so weit, wortwörtlich zu sagen: »Ich liebe Thomas.«78 – und vielleicht ist das die schönste Art, Danke zu sagen.

Doch zurück ins für Heidi schicksalhafte Jahr 1992. Drei Ereignisse waren damals noch bemerkenswert – und vielleicht auch zukunftsweisend für die junge Frau:

1. Der letzte Gang über den Laufsteg vor ihrem Sieg wird begleitet von dem Song »Crazy« ihres späteren Ehemannes Seal.79

2. Ihr Vater, der bei der Preisverleihung dabei ist, sorgt dafür, dass Heidi den Vertrag nicht gleich unterzeichnet, sondern nimmt ihn an sich, um ihn von einem Anwalt prüfen zu lassen.80 Der Grundstein für die spätere Heidi Klum GmbH ist gelegt: Ihr Vater wird sich um die Geschäfte seiner Tochter kümmern und sie vor Knebelverträgen und falschen Darstellungen in der Presse schützen, wo er nur kann.81

3. Heidi hatte bereits einen Ausbildungsplatz als Modedesignerin in Düsseldorf in der Tasche, verzichtete jedoch darauf zugunsten der Modelkarriere.82 Doch vorher macht sie – ganz bodenständig – noch das Abitur.83 Sie lässt also nicht einfach alles stehen und liegen, um den Traum zu verfolgen, Model zu werden, sondern trifft Entscheidungen für sich, die eine gesunde Mischung aus realistischem Denken und einer guten Portion Optimismus enthalten.

1993 zieht sie schließlich nach kurzen Aufenthalten in Hamburg, Paris, Mailand und Miami nach New York84, um ihre ersten Schritte als Profi-Model zu machen. Denn einen Preis zu gewinnen, war in Heidis Fall nur ein gelungener Startschuss für eine Karriere. Etwas aus dieser Chance zu machen, das sollte eine ganz andere Geschichte werden.

Harte Zeiten
in New York

So grandios Heidis Erfolg als »Model ’92« in Deutschland auch war, der Modelvertrag bot ihr in der Modewelt nur einen »kleinen Vorteil« gegenüber den anderen Mädchen, denn »später kräht da kein Hahn nach«.85 Sich als Model zu etablieren, war harte Arbeit – die Heidi in Kauf nahm, um ihre Ziele zu erreichen. Zu den Schwierigkeiten, die sie zu überwinden hatte, gehörten nicht nur die vielen Absagen, die ein Anfängermodel hinnehmen muss, sondern auch widrige Umstände wie die lange Trennung von der Familie und Wohnungen, in denen es kein Warmwasser, aber dafür jede Menge Kakerlaken gab86.

Zuallererst reiste das junge Model nach Paris und Mailand, doch waren die Aufenthalte dort nicht besonders erfolgreich. Im eigenen Land lief es besser: Kleinere Aufträge wie eine Seite in der Zeitschrift Freundin waren für Heidi ein »Anfang«.87 Häufiger als Fotojobs bekam sie Kritik, denn ihre Proportionen waren gemessen an der Mode der 90er Jahre zu weiblich: »Ich hatte einen großen Busen und geschwungene Hüften«88, schreibt Heidi rückblickend. Dass sie später ein Schönheitsidol werden würde, hat sie zu dieser Zeit vermutlich nicht geglaubt. Schlimmer noch, man legte ihr nahe, Schlankheitsdrinks zu sich zu nehmen. Heidi lehnte ab. »Sie zogen mich aus, wogen mich, maßen mich und führten über alles genauestens Buch. Ich fühlte mich wie ein Stück Fleisch.«89 Aber Heidi wäre nicht Heidi, wenn sie dies lange mitgemacht hätte: Sie entschied sich lieber dazu, in den USA ihr Glück zu versuchen.90

Die erste Station im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war Miami. Dort sollte sie Probefotos machen, um sie später den Casting-Agenten vorlegen zu können. Heidi erinnert sich vor allem an die Absteige, in der damals jede Menge Models untergebracht waren, und dass man von einem Shooting zum nächsten geschickt wurde. Auf die Partys, für die Miami bekannt ist, ging sie jedoch nicht91 – und auch die Strategie anderer Mädchen verfolgte sie nicht: mit Männern ausgehen, um wenigstens etwas Gutes zu essen zu bekommen92. Schließlich setzte sie erneut ihren Willen bei ihrer Agentur durch und flog endlich nach New York, ihrem lang ersehnten Ziel.93

Ihre Agentur brachte sie in einer Wohngemeinschaft mit zwei weiteren Models unter, die Julia und Bianca hießen. Für Heidi war es aufregend zu erleben, dass Julia zu dieser Zeit mit dem Weltstar Prince zusammen war – das Lied »The most beautiful girl in the world« hatte er damals für sie geschrieben.94 Heidi konnte zu diesem Zeitpunkt schließlich nicht ahnen, dass sie selbst einmal die Ehefrau des Sängers Seal werden würde. Damals jedoch schaute sie zusammen mit Bianca sehnsüchtig der Limousine nach, in der Prince ihre Mitbewohnerin abzuholen pflegte.95

Heidis Leben war zu dieser Zeit alles andere als ein Märchen und einen Prinzen sollte sie erst später kennen lernen. Häufig fühlte sie sich allein96 und auch das Heimweh machte ihr zu schaffen97. Doch sie biss die Zähne zusammen und ging zu so vielen Castings wie möglich, »bis zu zehn pro Tag«. Doch sie war »nur eines von Tausenden neuer Mädchen, die ihr Glück als Model in New York suchten, und jede von ihnen sah umwerfend aus«. Heidi beschreibt das tagtägliche Prozedere so: »In der Regel wartete ich in der Schlange, dann sah sich der Kunde meine Mappe an, dankte mir und schickte mich wieder heim. Es war echt beschissen, so ein kleiner Fisch im großen Teich zu sein.«98 Doch im Nachhinein sieht sie auch vieles wieder positiv: Es sei auch ein »Lernprozess« gewesen – und dieser bezieht sich nicht nur darauf, sich in einer Metropole wie New York zu orientieren.99

Aufgeben kam für Heidi keinesfalls in Frage und so geschah es schließlich, dass sie ihren ersten größeren Auftrag ergatterte: das Cover für eine Mode-Zeitschrift namens Mirabella. Doch als die Ausgabe erschien, erstarb ihre Freude im Keim: Von der Titelseite schaute sie eine Fremde an. Es stellte sich jedoch heraus, dass es kein echtes anderes Model gewesen war, sondern dass der Fotograf die Bilder von sechs Frauengesichtern – darunter natürlich Heidis – zu einem verschmolzen hatte, denn er wollte die Abbildung der »perfekten Frau« kreieren. Doch die junge Frau – wie so oft – interpretierte es positiv: »Na ja, wenigstens hatte ich ein Sechstel einer Titelseite.«100 Der Anfang war also gemacht – und viele ganze Cover sollten noch folgen.

Doch immerhin kamen nach dem Mirabella-Shooting immer mehr Aufträge, wenn auch kaum größere Jobs dabei waren (eine Ausnahme war das Cover von Self im Jahr 1995). Heidi schlug sich unter anderem mit Katalogfotos durch. Die Modemarke, für die sie bald hauptsächlich tätig war, hieß Newport News und machte sie als Katalogmodel bekannt.101 Heidi verdiente zwar immer mehr Geld, doch ihr wurde der Job bald langweilig.102 Denn es wurden von ihr immer wieder die gleichen oder ähnliche Körperhaltungen verlangt, es gab wenig Raum für Abwechslung.103

Für eine andere Art der Abwechslung, nämlich Partys, hatte Heidi in dieser Zeit wenig übrig. Sie hielt sich lieber fit, sorgte für ausreichend Schlaf und blieb bodenständig. Auch gibt sie später zu, Angst gehabt zu haben vor den exzessivem Feiern, Drogen und scheinheiligen Menschen: »In New York als 18-jähriges Mädchen rumzulaufen, in irgendwas reinzurutschen, wo ich nachher nicht mehr rauskomme – das Risiko wollte ich gar nicht eingehen.«104

Wenn man die schwierigen Anfänge von Heidis Karriere nach dem Startschuss in der Show von Thomas Gottschalk kennt, versteht man vielleicht, warum sie heute als Moderatorin von »Germany’s Next Topmodel« den Kandidatinnen so viel abverlangt: Sie will sie auf das reale Modelleben vorbereiten, das erst nach der Show beginnt. Denn auch manche der so genannten »Challenges« (Aufgaben) im Rahmen der Sendung ahmen die Bedingungen nach, die Heidi in den 90er Jahren erlebte: beengte Wohnverhältnisse, wenig Zeit, um von einem Casting zum nächsten zu kommen, strenge Kritik und häufige Ablehnungen. Insofern steht wohl der Gedanke dahinter: Wenn sie es in der Sendung durchhalten, sind sie vielleicht in der Lage, dies auch im realen Leben zu schaffen – vielleicht.

Hartnäckigkeit
siegt

Heidi gab also nicht auf – trotz aller Widrigkeiten. »Selbst ist die Frau!«, so lautete das Sprichwort, das die junge Frau sich ganz offenbar zu Herzen genommen hatte. Die Welt nennt es »harte, harte Arbeit« und »Mut«, die notwendig waren, um bis an die Spitze zu kommen. »Keine Angst vor Absagen zu haben. Sich durchkämpfen, sich durchfragen, Tipps einholen. Sich rühren! Visagisten und Fotografen kennenlernen, und Anwälte. Im Katalog von 〉Victoria’s Secret〈 landen, dem in den USA populären Dessoushersteller.«105 Und genauso hat Heidi es gemacht. Mit Durchhaltevermögen, Biss, den richtigen Kontakten, einem wunderschönen Körper – und einer gehörigen Portion Charme.

Als Heidi Model für Victoria’s Secret werden wollte, erhielt sie zuerst eine Absage. Doch die junge Frau zeigte Stärke und sorgte dafür, dass sie Kontakt zur Firmenzentrale in London bekam.106 Ihr Durchhaltevermögen wurde belohnt: Die Aufnahme in den Model-Olymp bei Victoria’s Secret war ein großer Karriereschritt. Doch bevor Heidi mit Flügeln versehen in der feinen Spitzenunterwäsche über den Laufsteg schweben durfte, stand ein erstes Foto-Shooting an. Und Heidi hatte Glück: Sommer, Sonne und Strand auf Mustique (eine abgeschiedene Insel in der Karibik) entsprachen genau ihrem fröhlich-sinnlichen Naturell. Auch ihre kollegiale Art zu arbeiten kam gut an. Heidi gab natürlich alles – es war ihr großer Traum, ein echter »Angel« zu werden107. »Engel« heißen die Models, die bei den großen Shows von Victoria’s Secret laufen. Sie tragen auf dem Rücken zarte, kleine oder imposant gestaltete, riesige Flügel – aber am Körper fast nichts (außer natürlich den Dessous der Marke).

Doch selbst als sie endlich für ihre Traummarke modeln durfte, war sie zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht so erfolgreich wie ihre Kolleginnen Claudia Schiffer oder Gisele Bündchen.108 Gut, dass Heidi in ihrer Anfangszeit in New York Desirée Gruber kennengelernt hatte. Diese arbeitete damals für die PR-Agentur Rogers & Cowan, deren wichtigster Kunde Victoria’s Secret war. Desirée wusste also genau, was das Unternehmen sucht und was Heidi ihnen bieten kann.109

Desirée Gruber gab ihr dann auch den entscheidenden Tipp für das Casting, das Heidi bestehen musste, um für Victoria’s Secret bei der berühmten Show mitlaufen zu dürfen. Wenn sie dieses Vorlaufen bestehen würde, wäre wieder ein riesiger Schritt geschafft. Desirée riet Heidi, die Frage nach bereits vorhandener Laufstegerfahrung einfach mit Ja zu beantworten – obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nur wenig Erfahrung hatte. Und Desirée sollte Recht behalten: Heidi wurde nach einem Probelaufen und der richtigen Antwort auf die entscheidende Frage als »Angel« engagiert.110 Doch dieser Glücksfall war zugleich eine große Herausforderung für das Model, das auf dem Laufsteg noch nicht allzu oft vor Publikum gelaufen war: Um als bisher nahezu Unbekannte unter all den Topmodels zu bestehen, musste Heidi gleich bei ihrer ersten Fashion-Show für eine Marke von dieser Größenordnung unbedingt brillieren.111 Sie begann zu trainieren, was das Zeug hält. Immerhin musste sie neben internationalen Topmodels laufen, die schon kilometerweise Laufstege abgelaufen waren. Sie kaufte sich »superhohe Glitzerpumps« und übte mit Hilfe von Aufzeichnungen früherer Sendungen die Bewegungsabläufe, denn sie wollte sich genauso »miezenhaft bewegen« können wie die Topmodels.112

Doch nur sehr gut zu laufen und wunderschön auszusehen, genügte nicht. Die Presse benötigte mehr. Das wusste Expertin Desirée genau. Um das charmante und immer herzliche junge Model am Tag ihrer ersten Fashion-Show als Model bekannt zu machen, gelang ihr ein erstaunlicher Schachzug: Sie sorgte dafür, dass Heidi in der Klatschspalte der New York Post erwähnt wurde– als diejenige, die nun den Namen »The Body« trage, der vormals dem Topmodel Elle Macpherson gehörte.113 Als die Fotografen vor der Show dem neuen Model Heidi weniger Aufmerksamkeit schenkten als den bereits bekannten Models, wies Desirée die Journalisten darauf hin, dass dort das Mädchen sitze, das am Morgen auf »Page Six« gewesen sei.114 Nun war die Presse neugierig auf die »Neuentdeckung bei Victoria’s Secret«115. Und schon ging das Blitzlichtgewitter los.

Elle Macpherson, die vom Time Magazine seinerzeit als Erste die Bezeichnung »The Body« erhalten hatte, war darüber natürlich wenig erfreut und wollte im Jahr 2006 dagegen sogar klagen. Doch als das Topmodel den Dalai Lama besuchte, gab dieser ihr den weisen Rat, davon abzulassen.116

Für Heidi, ihre »Nachfolgerin« als »The Body«, begann jedoch ein großer Medienrummel. Und so gab Heidi ihr TV-Debüt bei David Letterman – entsprechend ihres neuen Titels in einem Kleid, das ebendiesen »Body« entsprechend in Szene setzte: zwei Stoffstreifen, vorne und hinten, wurden durch schmale Zwischenstücke zusammengehalten – von der Seite gesehen bestand ihre Silhouette fast nur aus nackter Haut.117 Ihr Erscheinungsbild sorgte für »einen Hauch von Sex in der Sendung«.118

Doch Heidi wäre nicht Heidi, wenn sie nur durch ihre körperlichen Reize die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen würde: Sie setzte noch einen drauf und jodelte in der Show.119 »Jodeln hat in Amerika Seltenheitswert«120. Doch nicht nur das ist daran so interessant: Heidi zeigte sich im amerikanischen Fernsehen als fröhliches deutsches Mädel, das heiter, sexy und um keinen Spaß verlegen ist.121 Später würde Heidi immer mal wieder in der Öffentlichkeit jodeln – unter anderem in ihrer Gastrolle in der Serie »Spin City«122. Hier jodelte sie nach dem Sex mit dem Charakter Mike Flaherty, gespielt von Michael J. Fox.123

Doch nicht nur für Heidis Präsenz im Fernsehen war ihr Auftritt als »Angel« bei der Live-Show von Victoria’s Secret von ausschlaggebender Bedeutung. Sie wusste vermutlich nicht, dass unter anderem Elaine Farley im Publikum saß, die für Heidis nächsten Karriereschritt verantwortlich sein sollte.124 Die neue Redakteurin bei Sports Illustrated war begeistert von ihrem Auftritt auf dem Laufsteg und von dem Videoband mit der Aufzeichnung der Letterman-Show mit Heidi.125 Ihre Fotos überzeugten sie anfangs nämlich nicht, sie zu buchen.126 Es war ihre Präsenz, die schließlich den Ausschlag gab: Heidi flog für die Bademoden-Ausgabe von Sports Illustrated auf die Malediven. Die Zeitschrift wollte ein Mädchen mit einem »schönen Busen«, das über ein »gesundes, natürliches Aussehen« verfügt.127

Heidis perfekter »Body« kam nicht von ungefähr. Zu der Zeit, in der sie sich auf das Bademoden-Shooting vorbereitete, engagierte sie den Fitnesstrainer David – für damals 350 Dollar pro Stunde.128 Die Investition sollte sich auszahlen: Heidi kam mit sportlichem Körper, gebräunter Haut und mit aufgehelltem Haar129 zum Shooting. »Strandnixe mit stahlhartem Body«, so nannte Heidi ihr damaliges Trainingsziel.130

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