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2. Auflage 2021

© Copyright 2021 – Prof. Dr. Marco Becker – Alle Rechte vorbehalten

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3753413075

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Vorwort zur 2. Auflage

Qualitätsmanagement unterliegt – wie viele Teildisziplinen der Betriebswirtschaftslehre – einem kontinuierlichen Wandel.

Dieses Lehrbuch wurde für die zweite Auflage komplett überarbeitet. Hierbei wurden insbesondere das vierte Kapitel und Teile des sechsten Kapitels vollständig ersetzt. Kapitel 4 enthält nunmehr einen allgemeinen Exkurs zum Thema Management-Systeme. Kapitel 6.3 enthält nach wie vor eine ausführliche Darstellung des EFQM-Modells für Business Excellence. Das EFQM-Modell wurde turnusmäßig grundlegend überarbeitet und zu Beginn des Jahres 2020 in seiner 5. Revision veröffentlicht. In allen anderen Kapiteln wurden ebenfalls Veränderungen – wenn auch in einem etwas geringeren Umfang – vorgenommen. Somit gibt dieses Lehrbuch nunmehr den aktuellen Stand der Praxis wieder.

Für Anregungen, Kritik und Verbesserungsvorschläge zu diesen Fallstudien bin ich Ihnen stets dankbar. Bitte schreiben Sie an:

mail@marco-becker.net

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Spaß bei der Beschäftigung mit dem Thema Qualitätsmanagement.

Pinneberg im März 2021

Prof. Dr. Marco Becker

Vorwort zur 1. Auflage

Qualitätsmanagement ist – aus akademischer Sicht – eine eher jüngere Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre. In der Praxis hat sie sich hingegen mindestens seit der Einführung der Serienfertigung Anfang des 20. Jahrhunderts durch Henry Ford eine permanente Bedeutung gesichert. Dabei wurde der Begriff Qualität in den letzten rund 120 Jahren einem grundlegenden Strukturwandel unterzogen. In den Anfängen der Industrialisierung ging es primär um die operative Qualitätssicherung – also das Aussortieren von fehlerhaften Produkten, während sich der Qualitätsbegriff zur Jahrtausendwende bereits zum strategischen Qualitätsmanagement – also hin zum Konzept der präventiven Fehlervermeidung – entwickelt hat.

In diesem Lehrbuch sollen die wesentlichen Grundlagen des Qualitätsmanagements in einer kompakten und verständlichen Art und Weise vorgestellt werden.

Für Anregungen, Kritik und Verbesserungsvorschläge zu diesen Fallstudien bin ich Ihnen stets dankbar. Bitte schreiben Sie an:

mail@marco-becker.net

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Spaß bei der Beschäftigung mit dem Thema Qualitätsmanagement.

Pinneberg im Dezember 2018

Prof. Dr. Marco Becker

Inhaltsverzeichnis

  1. Ausgewählte Grundlagen zum Qualitätsmanagement
  2. Überblick über die DIN EN ISO 9000-Familie
  3. Ausgewählte Ansätze zur systematischen Verbesserung
  4. EXKURS: Management-Systeme
  5. Überblick über die DIN EN ISO 9001:2015
  6. Ausgewählte Grundlagen zur Qualitätsverbesserung
  7. Ausgewählte Grundlagen der Qualitätssicherung
  8. Ausgewählte Methoden zur Qualitätsverbesserung
  9. Zertifizierung von Qualitätsmanagement-Systemen
  10. Branchenspezifische Qualitätsmanagement-Systeme

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1-1: Qualitätsarten

Abb. 1-2: Effekte unzufriedener Kunden

Abb. 1-3: Zehnerregel der Fehlerkosten

Abb. 1-4: Qualitätsverständnis im Wandel der Zeit

Abb. 1-5: Strukturwandel im Qualitätsverständnis

Abb. 1-6: Qualitätsmanagement

Abb. 1-7: Funktionen des Qualitätsmanagements

Abb. 1-8: Operativer vs. evolutionärer Regelkreis

Abb. 1-9: Problemlösungszyklus

Abb. 2-1: Aufbau der Normenfamilie der DIN EN ISO 9000 ff.

Abb. 2-2: QM-Grundsätze nach DIN EN ISO 9001:2015

Abb. 2-3: Qualitätspolitik nach DGQ e.V.

Abb. 2-4: Einflussfaktoren auf ein QM-System

Abb. 2-5: Dokumentationsarten im Qualitätsmanagement-Systemen

Abb. 3-1: Bestandteile des Total Quality Managements

Abb. 3-2: TQM-Prinzip

Abb. 3-3: TQM-Gebäude

Abb. 3-4: Total Quality Management vs. Qualitätssicherung

Abb. 3-5: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Abb. 4-1: Definition

Abb. 4-2: Anforderungen an erfolgreiche Management-Systeme

Abb. 4-3: Zielsystem der Funktionsbereiche

Abb. 4-4: Aufgaben von Management-Systemen

Abb. 4-5: Projektplan zur Einführung eines Management-Systems

Abb. 4-6: Typische Management-Systeme im Unternehmen

Abb. 4-7: Inhaltliche Übereinstimmungen in Management-Systemen

Abb. 4-8: Führende Rolle des Qualitätsmanagements

Abb. 4-9: Umsetzung der Integration in der Praxis

Abb. 4-10: Überblick über die DIN High-Level-Structure

Abb. 5-1: Aufbau der DIN EN ISO 9001:2015

Abb. 5-2: PDCA-Regelkreis

Abb. 5-3: PDCA-Regelkreis im Kontext der DIN EN ISO 9001:2015

Abb. 5-4: Prozessmodell der DIN EN ISO 9001:2015

Abb. 5-5: Zusammenhang der Kernelemente

Abb. 5-6: Dokumente eines Qualitätsmanagement-Systems

Abb. 6-1: Zusammenhang von Effektivität und Effizienz

Abb. 6-2: Prozesshierarchie

Abb. 6-3: Nutzen der Prozessorientierung

Abb. 6-4: Mehrwert für das Unternehmen durch KAIZEN

Abb. 6-5: Historische Entwicklung des EFQM-Modells

Abb. 6-6: Vom Ego- zum Eco-System

Abb. 6-7: Ausrichtung – Realisierung - Ergebnisse

Abb. 6-8: Beziehung zwischen den Kriterien des EFQM-Modells

Abb. 6-9: Lernprozess

Abb. 6-10: 17 Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung

Abb. 6-11: Zusammenfassung EFQM-Modell 2020

Abb. 6-12: Trends, die das EFQM-Modell 2020 beeinflussen

Abb. 6-13: Definition der EFQM RADAR-Logik

Abb. 6-14: EFQM RADAR-Logik im Kontext des EFQM-Modells 2020

Abb. 6-15: EFQM RADAR-Logik als Diagnosetool

Abb. 6-16: Vorlage zur Selbstbewertung

Abb. 6-17: Aktionsplan

Abb. 6-18: Aktionsplan

Abb. 6-19: Nennwerte

Abb. 7-1: Primär-, Sekundär- und Kommandoausfälle

Abb. 7-2: Einflussgrößen auf die Qualität → Ursache-Wirkungs-Diagramm

Abb. 7-3: Fehlerursachen und Maßnahmen → Einflussbereich – Mensch

Abb. 7-4: Fehlerursachen und Maßnahmen → Einflussbereich – Maschine

Abb. 7-5: Fehlerursachen und Maßnahmen → Einflussbereich – Methode

Abb. 7-6: Fehlerursachen und Maßnahmen → Einflussbereich – Material

Abb. 7-7: Fehlerursachen und Maßnahmen → Einflussbereich – Milieu

Abb. 7-8: Fehlerursachen und Maßnahmen → Einflussbereich – Messung

Abb. 7-9: Erweitertes Ursache-Wirkungs-Diagramm

Abb. 7-10: Ansatzpunkte zur Verbesserung der Qualität

Abb. 8-1: Überblick: Statistische Verfahren im Qualitätsmanagement

Abb. 8-2: Qualitätsregelkarten im Überblick

Abb. 8-3: Hypothesentests im Überblick

Abb. 8-4: Pareto-Regel bzw. 80/20-Regel im Überblick

Abb. 8-5: Statistische Versuchsplanung im Überblick

Abb. 8-6: Poor Costs of Quality im Überblick

Abb. 8-7: Minimierung von Verschwendung im Überblick

Abb. 9-1: Projektablauf zur Einfügung eines QM-Systems

Abb. 9-2: Ablaufschema eines Zertifizierungsprozesses für Qualitätsmanagement-Systeme nach DIN EN ISO 9001:2015

Abb. 9-3: Verbesserung durch Audits

Abb. 9-4: Abgrenzung der Auditformen

Abb. 9-5: Auditarten im Überblick

Abb. 10-1: Branchen und ihre Qualitätsmanagement-Systeme

Abb. 10-2: QM-System in der Automobilindustrie

Abkürzungsverzeichnis

AVSQ italienischer Verband der Automobilindustrie
DGQ Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V.
DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
EFQM European Foundation of Quality Management
EN Europäische Norm
FMEA Fehlermöglichkeiten- und Einflussanalyse
IATF International Automotive Task Force
ISO International Standardisation Organisation
KVP kontinuierlicher Verbesserungsprozess
PDCA Plan – Do – Check – Act
QFD Quality Function Development
QM Qualitätsmanagement
QMS Qualitätsmanagement-System
QS Qualitätssicherung
(im Kontext von Qualitätsmanagement-Systemen, wie zum Beispiel QS 9000: Qualitäts-System)
TL Telecom Leadership
TQM Total Quality Management
TS Technical Solution (Norm)
VDA Verband der Deutschen Automobilindustrie e. V.
Kapitel 1

Ausgewählte Grundlagen zum Qualitätsmanagement

LERNZIELE

1 Ausgewählte Grundlagen zum Qualitätsmanagement

1.1 Definition: Qualität

Der Begriff Qualität ist in der einschlägigen Literatur weder einheitlich noch eindeutig definiert. In der Praxis haben sich allerdings folgende Ansätze etabliert:

1. Werner Peppels definiert Qualität als das Vermögen einer Gesamtheit von Produktmerkmalen, Systemen und Prozessen, die Anforderungen von Kunden an anderen Interessenhaltern zu erfüllen.

2. In der Norm DIN EN ISO 9000:2015 folgende Definition enthalten: „Qualität ist der Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale von definierten Anforderungen erfüllt wird.“

Beide Definitionsansätze unterscheiden sich deutlich. Zudem sind diese Ansätze sehr kompliziert und im Allgemeinen für Menschen, die sich das erste Mal mit dem Thema Qualität beschäftigen, kaum greifbar. Die Definition des Qualitätsbegriffs von der Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V. folgt einem pragmatischen und leichter verständlichen Ansatz.

Die DGQ e.V. definiert Qualität als die Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen.

Damit ist die Definition der Deutschen Gesellschaft für Qualität e. V. sehr weit gefasst und eignet sich hervorragend als pragmatische Arbeitsgrundlage für dieses Buch.

1.2 Abgrenzung der Qualitätsarten

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die Qualitätsarten:

Abb. 1-1: Qualitätsarten

Ähnlich wie bei Kennzahlen wird zwischen zeitpunktbezogenen Größen und zeitraumbezogenen Größen unterschieden. Bei der zeitpunktbezogenen Betrachtung geht es um Objekte, deren Qualitätszustand sich im Zeitablauf ändert. Als Beispiel könnte die Qualität eines Konzepts herangeführt werden, bei der in diesem Zusammenhang die Entwurfsqualität beurteilt wird.

Die zeitraumbezogene Betrachtung gliedert sich zum einen in die Qualität der Ausführung, beispielsweise die Fertigungsqualität und zum anderen in die Qualität der Verwendung, die sich in der Zuverlässigkeit des betrachteten Objekts beim Anwender ausdrückt.

1.3 Qualität aus der Sicht von Kunden

1.3.1 Erwartungen von Kunden

Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Kunden keine einheitliche Vorstellung vom Thema Qualität besitzen und somit sehr unterschiedliche Erwartungen an die Qualität von Produkten und Dienstleistungen haben können. Folgende Erwartungen wurden in diesem Zusammenhang besonders häufig beobachtet:

1. Marktgerechter Preis

Kunden erwarten marktgerechte Preise und verschaffen sich häufig vor dem Kauf einen Überblick über den Markt, indem zumindest bei größeren Investitionsentscheidungen die Preise von mehreren Anbietern verglichen werden.

2. Hohe Termintreue

Ein einmal zugesicherter Liefertermin sollte um jeden Preis eingehalten werden, ansonsten wird dieser Lieferant von den Kunden als äußerst unzuverlässig wahrgenommen. Objekte, die einen älteren Stand der Technologie aufweisen, werden daher als veraltet wahrgenommen und verfügen aus der Sicht der Kunden nur über eine minderwertige Qualität.

3. Marktgerechte Qualität

Dieses liegt vor, wenn die Qualität eines Produkts, und hierbei sind ausdrücklich sowohl Güter als auch Dienstleistungen gemeint, den (üblichen) Erwartungen der Kunden entsprecht.

4. Zeitgerechte Technologie

Kunden erwarten üblicherweise, dass ein neu erworbenes Wirtschaftsgut der derzeit zeitgerechten Technologie entspricht, also auf dem technisch neuesten Stand ist. Anders verhält es sich i. d. R., wenn ein zugesagter Liefertermin unterschritten wird. Der Umstand der schnelleren Lieferung wird oftmals als positives Qualitätsmerkmal interpretiert.

Die Schwierigkeit für Unternehmen liegt somit darin, diese vielfältigen und vor allem meist nur implizit vorliegenden Anforderungen der Kunden zu deren vollster Zufriedenheit zu erfüllen.

1.3.2 Effekte unzufriedener Kunden

Kunden drücken ihre Unzufriedenheit im Allgemeinen durch sehr vielfältige Reaktionen und weiterführende Aktionen aus:

Abb. 1-2: Effekte unzufriedener Kunden

Statistisch betrachtet werden sich rund 4 % der unzufriedenen Kunden direkt beim Geschäftspartner – also dem Hersteller bzw. Verkäufer – über die mangelnde Qualität beschweren. An dieser Zahl ist ersichtlich, dass sich nur ein sehr geringer Anteil der unzufriedenen Kunden direkt mit dem Geschäftspartner in Verbindung setzt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich rund 96 % der unzufriedenen Kunden nicht direkt beim Hersteller bzw. Verkäufer beschweren werden. Aber diese Mehrheit an unzufriedenen Kunden wird mit Sicherheit nicht untätig bleiben.

Statistische Erhebungen zeigen, dass rund 90 % der unzufriedenen Kunden fortan nicht nur dieses Produkt, sondern nach Möglichkeit auch weitere Produkte von diesem Hersteller bzw. Verkäufer meiden werden. Dies wird der Hersteller bzw. Verkäufer natürlich durch einen geringen Absatz seiner Produkte zu spüren bekommen. Als Folge sinken der Umsatz und damit auch der Gewinn.

Menschen berichten sehr selten über positive Ereignisse, sondern vielmehr über Ereignisse, in denen sie sich über einen Mitmenschen oder aber über ein Unternehmen geärgert haben. Ein negatives Kauferlebnis wird auf diese Art und Weise mindestens neun weiteren Personen mitgeteilt. Die Anzahl der Personen, die von einem negativen Kauferlebnis erfahren, schwankt sehr stark. Dies hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab, u. a. vom ausgeübten Beruf aber auch von der Kommunikationsfähigkeit der unzufriedenen Käufer. Ein wesentlicher Faktor, der sich insbesondere in den letzten Jahren etabliert hat, ist die Aktivität in sozialen Netzwerken. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung ist es immer einfacher geworden, über soziale Medien wie Facebook, Twitter etc. seine persönlichen Erfahrungen an eine breite Masse von (sogenannten) Freunden oder Followern weiterzugeben.

Bewertungen auf Handelsplattformen wie beispielsweise Amazon oder eBay spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle. Studien haben gezeigt, dass sich potenzielle Käufer eher an den negativen Erfahrungsberichten orientieren und dann von dem Kauf des jeweiligen Produkts Abstand nehmen, als sich von vielen positiven Bewertungen, die das gleiche Produkt möglicherweise von anderen Käufern bzw. Nutzern erhalten hat, umstimmen zu lassen. Diese negativen Informationen verstärken den Absatzrückgang und somit die Verminderung des Umsatzes und in der Folge den Gewinn des Unternehmens zusätzlich. Dabei hat sich herausgestellt, dass jeder Fehler über dem akzeptablen Durchschnitt eines Marktführers, einen Rückgang des Verkaufsvolumens um mindestens 3 % verursacht.

Die Strategie der Unternehmen sollte darauf abzielen, die wahrgenommene Qualität zu steigern und Fehler nach Möglichkeit zu vermeiden. Auf diese Weise werden die Folgen eines Fehlers im Idealfall gar nicht erst entstehen, zumindest aber so gut es geht abgemildert.

1.3.3 Zehnerregel der Fehlerkosten

Die Ursache für schlechte Qualität ist grundsätzlich im Auftreten von Fehlern zu sehen. Um eine gute Qualität zu gewährleisten muss das Auftreten von Fehlern folglich vermieden werden. Zudem ist das Auftreten von Fehlern mit erheblichen Kosten sowie Folgekosten verbunden. Je später einen Fehler erkannt wird, desto höher sind die durch diesen Fehler ausgelösten Kosten. In der Praxis kann beobachtet werden, dass sich die Fehlerkosten im Durchschnitt je Produktionsstufe verzehnfachen. Die Zehnerregel der Fehlerkosten beschreibt den progressiven Effekt von Fehlern und den damit verbundenen Kosten. Beim Großteil dieser Kosten handelt es sich um Opportunitätskosten, also entgangenem Nutzen bzw. entgangenem Gewinn, der durch das Auftreten eines Fehlers entstanden ist.

Die folgende Abbildung soll die Zehnerregel der Fehlerkosten veranschaulichen:

Abb. 1-3: Zehnerregel der Fehlerkosten

Auf der Abszisse dieses Koordinatensystems sind die wertschöpfenden Stufen eines Produktionsprozesses von der Planung des Produkts bis zum Absatz an den Kunden aufgeführt. Die Ordinate enthält die durchschnittlichen Kosten je Fehler.

In der ersten Phase, in der sowohl die Planung und die Entwicklung zusammengefasst sind, geht es inhaltlich um die präventive Fehlervermeidung. Die Kosten für eine präventive Fehlervermeidung sind i. d. R. sehr gering, da die hierzu notwendigen Maßnahmen bereits in den Entwicklungsprozess eines Produkts einfließen und zu einem Großteil organisatorischer Natur sind. Alle Fehler, die bereits in dieser Phase vermieden werden, können später nicht zu weiteren Kosten (bzw. Folgekosten) führen. In diesem Beispiel sind die Fehlerkosten in dieser Phase exemplarisch mit 0,10 € angenommen.

In der zweiten Phase „Beschaffen und Herstellen“ erfolgten die Arbeitsvorbereitung sowie die Fertigung des Produkts. Werden Fehler bzw. Fehlerquelle erst in dieser Phase entdeckt, so sind die notwendigen Maßnahmen zur Korrektur schon deutlich teurer als in der Phase der Planung und Entwicklung. Dies ist in erster Linie auf den Umstand zurückzuführen, dass in dieser Phase neben organisatorischen Maßnahmen auch Veränderungen am Produktionsprozess sowie Investitionen notwendig sind. In diesem Beispiel verzehnfachen sich die Fehlerkosten von 0,10 € auf 1,00 €.

In der anschließenden Phase, die inhaltlich das „Ausliefern und Einsetzen“ der Produkte betrifft, verzehnfachen sich die Fehlerkosten von Stufe zu Stufe erneut. In der Stufe Qualitätskontrolle wird das Beheben eines bemerkten Fehlers in diesem Zahlenbeispiel mittlerweile 10,00 € kosten. Noch drastischer wird es, wenn der Fehler erst beim Kunden entdeckt wird. Hier verzehnfachen sich die Fehlerkosten erneut, insbesondere weil diese unzufriedenen Kunden nunmehr als negativer Multiplikator für das betrachtete Unternehmen auftreten werden und aller Wahrscheinlichkeit nach ihre negativen Kauferfahrungen an sehr viele Bekannte, Freunde oder sogar fremde Personen weitergeben werden. Die Behebung eines einzigen Fehlers kostet in dieser Phase bereits 100,00 €.

Präventive Fehlervermeidung ist somit wesentlich effektiver und kostengünstiger als eine nachgelagerte Qualitätskontrolle oder gar eine Entdeckung eines Fehlers durch den Kunden. Je eher ein Fehler erkannt und geeignete Gegenmaßnahmen zur Minimierung der Fehler Folgen auf der einen Seite und der Wahrscheinlichkeit des erneuten Auftretens dieses Fehlers auf der anderen Seite angeleitet werden, desto niedriger sind die direkten und indirekten Kosten dieses Fehlers.

1.4 Qualitätsverständnis im Wandel

Das Qualitätsverständnis hat in den letzten gut 100 bis 120 Jahren einen sehr deutlichen Strukturwandel erlebt. Dieser ist in der folgenden Abbildung schematisch zusammengefasst:

Abb. 1-4: Qualitätsverständnis im Wandel der Zeit

Mit dem Beginn des Industriezeitalters Anfang des 20. Jahrhunderts kam der Qualitätsbegriff erstmalig auf. Mit der Etablierung der Fließbandfertigung, die erstmalig von Henry Ford beim Modell T angewendet wurde, stieg die Notwendigkeit für Qualitätskontrollen und insbesondere das Aussortieren von fehlerhaften Vorprodukten und Produkten. Der Fokus lag hierbei ganz klar auf dem Produkt und der Reaktion auf bereits unterlaufene Fehler.

Mit Beginn der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts hat sich das Qualitätsverständnis zum ersten Mal signifikant gewandelt. Aus Qualitätskontrollen und Aussortieren von fehlerhaften Produkten – also der Fokussierung auf ein Produkt – wurde die Fokussierung auf den gesamten Fertigungsprozess gerichtet. Indem Qualitätsprüfungen auf statistischer Basis durchgeführt wurden, konnte zum ersten Mal eine Steuerung auf Basis von Qualitätsdaten realisiert werden. Die Qualitätskontrolle hat sich somit zur Qualitätssicherung weiterentwickelt.

In den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts erfolgte dann zum zweiten Mal ein grundlegendes Umdenken in Bezug auf das Thema Qualität. Mit der Veröffentlichung des Toyota-Produktionssystems wurde der Fokus vom Fertigungsprozess auf den Entwicklungsprozess gelegt, um zukünftig präventiv Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung in allen Bereichen umsetzen zu können. Hiermit hat sich ein Strukturwandel von der Qualitätssicherung zum Qualitätsmanagement vollzogen.

Weitere 20 Jahre später, also in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts, erfolgte dann die Ausrichtung des Qualitätsbegriffs auf die Wertschöpfungskette. Seither werden verstärkt auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen umfangreiche Qualitätskonzepte und Qualitätsmanagement-Systeme eingesetzt, um das Thema Qualität im gesamten Unternehmen zu integrieren.

Seit der Jahrtausendwende vollzieht sich erneut ein grundlegender Strukturwandel in Bezug auf das Qualitätsverständnis. Das Thema Qualität wird nunmehr unternehmensübergreifend betrachtet, wobei eine zunehmende Integration zwischen Kunden und Lieferanten erfolgt. Ebenso verzahnen sich die Qualitätsmanagement-Systeme mit anderen Management-Systemen des Unternehmens (z.B. in Bezug auf die Themen Umweltschutz oder Arbeitssicherheit). Auf diese Weise entstehen integrierte Management-Systeme, mit denen die Unternehmen zunehmend ganzheitlich gesteuert werden können.1

Das Qualitätsverständnis hat sich in den letzten rund 100 Jahren somit von der reinen Qualitätskontrolle hin zu einem umfassenden Qualitätsmanagement-System entwickelt, welches im Idealfall sogar unternehmensübergreifend umgesetzt wird. Dieser Prozess der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Qualitätsmanagement-Systems wird sich auch in der Zukunft fortsetzen, denn der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) ist ein zentrales Element des Systems und bezieht sich – konsequenterweise – auch auf das Qualitätsmanagement-System selbst.

Abb. 1-5: Strukturwandel im Qualitätsverständnis

Dieser Evolutionsprozess im Bereich des Qualitätsmanagements wäre ohne eine umfangreiche Prozessorientierung nicht möglich gewesen. Gepaart mit einer konsequenten Kundenorientierung und einer Orientierung auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens sind im Laufe der Zeit umfassende Qualitätsmanagement-Konzepte entstanden und konsequent weiterentwickelt worden.2 Auch wenn das Thema Qualitätsmanagement früher nur für große Unternehmen und Konzerne von Bedeutung war, so kommt in der heutigen Zeit kein Unternehmen mehr daran vorbei. Hinzu kommt, dass das Thema Qualität in seinen Anfängen ausschließlich Spezialisten im Unternehmen vorbehalten war. Mittlerweile hat sich auch hier ein grundlegender Strukturwandel vollzogen, denn in erfolgreichen Unternehmen wirken alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur an der fehlerfreien Herstellung der Produkte mit, sondern unterstützen die wirkungsvolle Umsetzung und Verbesserung des Qualitätsmanagement-Systems.

Das Thema Qualität wird also nicht mehr isoliert betrachtet, sondern ist im Laufe der Jahre und Jahrzehnte – insbesondere in erfolgreichen Unternehmen – zu einem festen Bestandteil der Unternehmenskultur geworden und somit an nahezu jedem Arbeitsplatz eines Unternehmens präsent. Dabei stehen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur die Erwartungen der Kunden in Bezug auf die Qualität im Vordergrund. Sie haben das Ziel eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung des gesamten Unternehmens zu erzielen und auf diese Weise jeden Tag etwas dazu zu lernen und sich Stück für Stück zu verbessern.

1.5 Qualitätsmanagement

1.5.1 Funktionen des Qualitätsmanagements

Das Qualitätsmanagement eines erfolgreichen Unternehmens umfasst in der Regel die Bereiche Qualitätsplanung, Qualitätslenkung sowie die Qualitätsprüfung. Die folgende Abbildung zeigt den Zusammenhang dieser drei Elemente:

Abb. 1-6: Qualitätsmanagement

Die Qualitätsplanung ist dabei die gedankliche Vorwegnahme der zukünftigen Beschaffenheit, die ein Produkt bzw. eine Dienstleistung benötigt. Sie umfasst insbesondere das Auswählen, klassifizieren und Gewichten von Qualitätsmerkmalen.

Zu den typischen Instrumenten der Qualitätsplanung zählen u. a.: 3

  • Advanced Product Quality Planning – APQP
  • Fehlermöglichketen und Einfluss-Analyse – FMEA
  • Produktionslenkungsplan
  • Prüfpläne

Im Rahmen der