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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

10.

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12.

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14.

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17.

18.

19.

20.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2170

 

Das Reich der Güte

 

Acht Galaxien in Harmonie – doch die Zeitbombe tickt

 

von Leo Lukas

 

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Im April 1312 Neuer Galaktischer Zeitrechnung hat sich die Lage am Sternenfenster beruhigt: Der mit technischen Hilfsmitteln gigantischer Natur geöffnete Durchgang in die fremde Galaxis Tradom ist nach wie vor in der Hand der Terraner und ihrer Verbündeten. Alle Angriffe der Inquisition der Vernunft konnten bislang abgewehrt werden.

Über die nächsten Schritte sind sich Perry Rhodan und seine Mitstreiter nicht im Klaren. Um dauerhaften Frieden für die Bewohner der Milchstraße zu sichern, müssen sie den Kampf gegen die Herrscher des Reiches Tradom intensivieren.

Beim Versuch, das letzte Raumschiff der Eltanen zu retten, werden die Terraner von der LEIF ERIKSSON und die Arkoniden von der KARRIBO in eine Raumschlacht mit einer Flotte des Reiches Tradom verwickelt. Gemeinsam mit dem Schiff der Eltanen, an dessen Bord gerade Zeitexperimente abliefen, werden sie in die Vergangenheit geschleudert.

Perry Rhodan und seine Begleiter erkennen, dass sie 160.000 Jahre von der Gegenwart entfernt sind, in einer Zeit vor dem Reich Tradom. Der vorliegende Roman zeigt erneut das Leben in dieser Zeit – über Tradom regiert DAS REICH DER GÜTE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Anguela Kulalin – Ein junger Leuchter kommt von seinem vorgegebenen Weg ab.

Tirotu Rixte – Der Freund ist mehr als ein kleiner Beamter.

Meloce Xip – Eine junge Staubreiterin verführt einen Bauern.

Ijotha Hyndalin – Der Verkünder weiß sich durchzusetzen.

Rintacha Sahin – Der Baumeister hat große Visionen.

Was ich dir bisher erzählt habe, mein Freund, mag dir harmlos und unbedeutend erschienen sein. Geradezu alltäglich: Junger Guyar entdeckt die Welt.

Nichts Besonderes, sollte man meinen.

Und doch wurden in meiner Geschichte bereits einige der Faktoren erwähnt, die letztlich zum endgültigen Untergang des »Reichs der Güte« geführt haben.

Hätte ich die spärlichen Anzeichen richtig deuten, die Katastrophe noch verhindern können? Dieses unsagbare Leid, die Schreckensherrschaft, die bald darauf über acht Galaxien hereinbrechen sollte? Und die, wie du mir berichtet hast, hundertsechzigtausend Jahre später auch deine eigene Heimatgalaxis bedroht?

Ich weiß es nicht.

Weiß nur, dass derlei Überlegungen müßig sind.

Was war, ist gewesen.

Die Vergangenheit lässt sich nicht mehr beeinflussen.

Furchtbarer noch: Was geschehen wird, ist in der Zukunft, aus der du kommst, bereits geschehen und daher ebenso unabänderlich.

Rasend könnte mich diese Erkenntnis machen: dass es keinen Ausweg gibt, vielleicht nie einen gab.

Mächte spielen und spielten mit uns, mein terranischer Freund, Mächte, von deren ungeheuer langfristigen Plänen ich damals nicht die geringste Vorstellung besaß.

 

 

10.

Alles bunt und wunderbar

496. Burd 5517 Tha

 

Nimm zum Beispiel Meloce.

War es Zufall, dass ich sie traf? Schicksal? Oder bloß der geschickte Winkelzug eines Unbekannten, Höheren?

Gleich am Morgen nach unserer Ankunft auf Caldera rannte ich in sie hinein. Im wahrsten Sinn des Wortes. Ich bog, in Gedanken versunken, um eine Gangecke und – zack!

»Au! He, du Bauer! Hast du kein Tymcal im Geflecht? Trottel, unaufmerksamer!«

»Oh, Verzeihung. Ich ... ich kann dir gar nicht sagen«, stammelte ich, »wie peinlich mir das ist.«

Ihre Angugoles waren nämlich verrutscht. Du weißt schon: die Bänder, mit denen wir Guyaam uns verhüllen.

Eigentlich unmöglich, normalerweise sitzen sie sehr fest. Ich konnte mir das nur als Folge unseres Zusammenstoßes erklären. Überprüfte auch hastig, ob meine eigene Gewandung ähnliche Lücken aufwies.

Nein, VAIA sei Dank, alles dicht.

Bei ihr jedoch blitzten an allen möglichen Stellen schmale Streifen nackter Haut auf.

Heißgrüner Zorn loderte dort, wo Schlitze zwischen den Binden ihr Parastaub-Geflecht freigaben. Jetzt mischte sich gelblicher Spott dazu.

»Aus welchem Hinterwald bist denn du entsprungen?«, fragte sie. »Du glotzt ja, als ob du noch nie eine Frau gespürt hättest!«

Sie war ungefähr in meinem Alter. Knapp nach Ende der Wachstumsphase. Sieben, acht Thadrin, allerhöchstens neun. Und so schön, dass mich schauderte.

Damit meine ich natürlich ihre äußerst anziehende Aura. Auf ihre Blößen wagte ich gar nicht zu schauen.

»Ich wohne erst seit gestern in Calduum«, sagte ich betreten. »Meine Mutter ist eine Vaia'Kataan und hierher versetzt worden. Aus den Goldenen Kuppeln von Sivkadam.«

Wo die bekannt »originellen, pittoresken, liebenswert-schrulligen Exoten« zu Hause sind, fügte ich unwillkürlich in Gedanken hinzu. Die Sektierer, die nach wie vor einer matriarchalischen Gesellschaftsordnung anhängen. Und ich Idiot muss ihr das sofort auf die Nase wickeln!

»Selbst bin ich ebenfalls ein Vaianischer Ingenieur«, plapperte ich rasch weiter. »Also so gut wie. Die Ausbildung habe ich praktisch fertig, nur für die Prüfung zur Tymdit'horial war keine Zeit mehr. Die werde ich jedoch demnächst nachholen. Und ich heiße Anguela. Anguela Kulalin.«

Sie musterte mich von oben bis unten, las wohl auch meine Aura dabei.

»Du bist ... süß. Aber ich werde dich trotzdem Bauer nennen«, entschied sie dann. »Und jetzt musst du mich entschuldigen, Bauer, ich hab's eilig.«

»Halt, warte!«

Ich trat verlegen von einem Bein auf das andere, deutete diskret in Richtung der freien Stellen zwischen ihren schwarz und rot gepunkteten Angugoles, wo das Tymcal-Geflecht keck hervorflackerte.

»Du hast da, äh, mehrere Toilettefehler.«

»Was? Wo ... Oh, ich verstehe.«

Plötzlich prustete sie los. Ihr Lachen klang entzückend, irritierte mich jedoch nur noch mehr. Meine Hände und die Mundpartie müssen geglüht haben vor Scham.

»Du bist wirklich ein Bauer«, sagte sie, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. »Das sind Designer-Angugoles, du Hinterwäldler. Von Wifyen Wesd-Wuth. Der letzte Schrei. Eigentlich unerschwinglich. Aber ich habe meine Verbindungen ...«

Sie sah auf ihr Armband. »... und meine Termine. Mach's gut, Bauer, halt dein Geflecht feurig!«

Sie war schon den halben Gang hinab, als mir einfiel, dass ich nicht einmal ihren Namen wusste.

»Wie heißt du eigentlich?«, rief ich ihr nach. »Wo kann ich dich wieder treffen?«

Sie wirbelte um ihre Achse, breitete die Arme aus: »Wo du willst. Überall in den Nebeln der Sphäre.«

»Sehr witzig. Haha!« Nun kam ich mir doch veralbert vor.

Bei allem Selbstbewusstsein, das sie zur Schau stellte – dass sie zur Besatzung eines Caldhurs gehörte, nahm ich ihr nicht ab.

Die Raumfahrer an Bord des Staubseglers, der uns durch die Tymcal-Schleier des Caldit-Systems nach Caldera gebracht hatte, waren allesamt deutlich älter gewesen. Und unverkennbar Militär-Typen; reichlich hochnäsige dazu. Die hatten mit einer wie ihr garantiert nichts am Helm.

»Glaub's halt, Bäuerchen«, rief sie fröhlich über die Schulter zurück, »oder glaub es nicht! Mir egal. Sieh mich an, wie finster mich das lässt. Aber fall nicht wieder über deine Füße dabei!« Und weg war sie.

 

*

 

Reichlich irritiert setzte ich meinen Weg fort.

Absichtlich fehlerhaft angelegte Angugoles! Wer kam auf so was?

In den Kuppeln von Siv'Kaga waren ausnahmslos alle erwachsenen Guyaam von Kopf bis Fuß verhüllt gewesen, sogar innerhalb der Privaträume. Und zwar komplett; nur Augen, Mundpartie und Finger waren frei geblieben.

Hier, in der Hauptstadt Calduum, schien sich das anders zu verhalten. Und wahrscheinlich nicht nur das.

Langsam schwante mir, dass ich in der Calditischen Sphäre, dem geistigen, wirtschaftlichen und politischen Zentrum der Thatrixdruum, noch manche Überraschung erleben würde.

 

*

 

Panige und Enguarti, meine Eltern, waren in der luxuriösen Wohnsuite geblieben, die uns vom Büro der Unao-Dhasaren zur Verfügung gestellt worden war.

Mein Vater hatte nach dem Frühstück eine Art Inventur der Haushaltsgeräte begonnen; meine Mutter informierte sich mit Hilfe des Wohnungsservos über die industrielle Produktionsstätte, in der sie morgen ihren Dienst antreten sollte.

Ich hatte mich aufgemacht, nach einer geeigneten Schulungseinrichtung Ausschau zu halten, die mir die Vollendung meiner Ausbildung und die Zertifikatsprüfung gestattete.

Selbstverständlich hätte ich das genau so gut per InterGalNetz erledigen können. Der Zugang wäre mir sowohl über den Wohnungsrechner als auch über den Armbandservo möglich gewesen, den ich von Tirotu Rixte, einem Mitarbeiter des Dhasaren-Büros, erhalten hatte.

Aber ich wollte mir die Füße vertreten, etwas von der Stadt sehen, persönlichen Kontakt zu ihren Bewohnern aufnehmen.

Letzteres schien mir ja auf Anhieb gelungen zu sein. Gleich die erste Begegnung, noch innerhalb unseres Wolkenheims, hatte sich als eine ziemlich frontale erwiesen ...

Ob ich die junge, schnippische Leuchterin wohl wiedersehen würde?

Groß waren die Chancen nicht. Selbst wenn sie ebenfalls hier wohnte, erschien mir eine weitere zufällige Begegnung unwahrscheinlich. Unser Zusammenstoß war in einer der vielen Passagen erfolgt, welche verschiedene Einkaufszentren und Freizeiteinrichtungen sowie die Foyers der eigentlichen Wohntürme miteinander verbanden.

Wegen des besonders angenehmen Hyperklimas, hatte Tirotu erklärt, galt dieses Habitat als sehr exklusiv. Außerdem zählte es eher zu den kleineren seiner Art. Es beherbergte nur etwa fünfhunderttausend Guyar.

Nur!

Die gesamte Einwohnerschaft der Goldenen Kuppeln machte nicht einmal ein Hundertstel davon aus.

Die junge Leuchterin hatte schon Recht gehabt: Ich war tatsächlich ein Hinterwäldler. Nie und nimmer hätte ich mich in diesem gigantischen, von Leben wimmelnden Bauwerk ohne meinen Armbandservo zurechtgefunden.

Ich ließ mich von ihm zu einem der zahlreichen Antigravs dirigieren, die das Wolkenheim mit der Oberfläche des Planeten verbanden. Es gab keinen Schacht wie auf Raumschiffen oder in den Gebäuden von Siv'Kaga. Man trat einfach ins Leere ...

... und schwebte nach unten. Etwa eineinhalb Bhinon oder tausendfünfhundert Varnon. In deinen Längenmaßen ausgedrückt, die wir eher verwenden sollten, weil sie in der Zukunft gelten: rund 3800 Meter. Nur damit du dir ungefähr ausmalen kannst, wie mulmig mir dabei zumute war. Der erste, entscheidende Schritt kostete mich einige Überwindung.

Du merkst schon, ich zögerte ein bisschen an der Kante der Bodenluke herum. Schwindel empfand ich nicht, doch mein Tymcal-Kreislauf hatte sich ganz schön beschleunigt. Bei allem Vertrauen in die vaianische Ingenieurskunst – wenn diese Antischwerkraft-Geräte ausfielen, half einem rein gar nichts mehr.

Zwar wusste ich, dass das theoretisch wie praktisch unmöglich war. Derartig sensible Transportsysteme waren dutzendfach redundant abgesichert.

Aber Wissen und Erfahren ...

Die Antigravs wurden wenig frequentiert. Klar: Wer es eilig hatte, nahm lieber den Personentransmitter. Nur Müßiggänger und Neulinge wie ich wählten diese viel langsamere, doch ungleich spektakulärere Beförderungsart.

Daher schrak ich zusammen, als plötzlich hinter mir eine raue Stimme ertönte. »Na, was ist, junger Mann – soll ich dich schubsen, oder traust du dich von allein?«

 

*

 

Ich fuhr herum.

Er war alt, an der Grenze zur Gebrechlichkeit oder bereits darüber hinaus. Stand tief gebeugt und unsicher, auf zwei Stöcke gestützt.

Und seine Angugoles hatte er wohl schon länger nicht mehr gewechselt. Sie waren grau und abgeschmuddelt. Wenigstens bedeckten sie seinen schmächtigen Körper lückenlos. Und immerhin, er stank nicht. Seine Aura wirkte sogar recht sympathisch.

»Ijotha spricht: Unsere Lebenszeit ist zu kurz, als dass wir uns überhastete Entscheidungen leisten könnten«, zitierte ich an Stelle einer Antwort mein Idol, den Verkünder.

Der Alte vollführte eine zustimmende Kopfbewegung. Kleine lila Flecken um seine Mundpartie verrieten Belustigung.

»Der Dhasaren sagt aber auch: Wer nicht zur rechten Zeit die Initiative ergreift, läuft Gefahr, selbige an andere zu verlieren«, entgegnete er. »Ich hätte dich längst hinunterstoßen können.«

»Das stimmt. Doch wenn du in Ijotha Hyndalins Merksätzen so gut bewandert bist, kennst du sicher auch jenen: Andere zu ihrem Glück zu zwingen ist eines der übelsten Verbrechen, die Sterbliche begehen können.«

»Gut, schön, ich geb's auf.« Der Alte wackelte ungeduldig mit dem Oberkörper. »Also willst du jetzt diesen Schritt tun, Junge, oder doch lieber stehen bleiben und schlaue Sprüche klopfen, bis mir der andere Fuß auch noch einschläft?«

Lachend trat ich ins Nichts.

 

*

 

Es war nett, mit dem Alten zu plaudern, während wir gemächlich auf die Oberfläche Calderas hinabsanken. Angenehmerweise entpuppte er sich keineswegs als Schwätzer. Zwischendurch schwiegen wir adrinlang und gaben uns ganz der herrlichen Aussicht hin.

Im goldenen Flirren des Parastaubs breitete sich Calduum, die Prächtige, unter uns aus.

Da sich fast alle industriellen Komplexe, planetaren Verkehrswege und anderen infrastrukturellen Einrichtungen unterirdisch befanden, andererseits die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in den schwebenden Wolkenheimen wohnte, blieb an der planetaren Oberfläche viel Raum für Baukunst und Landschaftsarchitektur.

Weitläufige Parkanlagen in den verschiedensten historischen und zeitgenössischen Stilen wechselten einander ab. Manche Gärten erschienen naturbelassen, unberührt, urwaldhaft; andere waren bis ins kleinste Detail künstlerisch gestaltet, teils gegenständlich oder in Form von Schriftzeichen, teils abstrakt-geometrisch; hier mit Bezug auf neueste mathelogische Theorien, dort unter Verwendung von Prinzipien uralter Zahlen- und Formenmystik.

Das Auge mochte sich nicht satt sehen. Alles wirkte zueinander perfekt ausgewogen und wunderbar harmonisch, ohne jemals langweilig zu werden.

»Angeblich ist die Hauptstadt auf siebenundsiebzig Hügeln erbaut worden«, kommentierte mein kauziger Gefährte. »Doch das behauptet fast jede Metropole der acht Galaxien von sich.«

»Das klingt, als wärst du früher viel herumgekommen.«

»Na ja, geht so.«

Zwischen den Gartenlandschaften erhoben sich prunkvolle Bauwerke. Deren größtes und beeindruckendstes stellte zweifelsohne die Residenz des Verkünders dar. Die Calditischen Paläste verbanden buchstäblich Himmel und Erde. Der höchste Turm ragte sage und schreibe siebzehneinhalb Kilometer empor! Dennoch erweckte er mitnichten einen monströsen oder überdimensionierten Eindruck, sondern fügte sich in das Gesamtbild ein.

Er bildete den zentralen Fixpunkt der Megastadt, die sich scheinbar endlos in alle drei Raumdimensionen ausdehnte. Um ihn herum trieben die reich strukturierten Plattformen der Wolkenheime, auch sie gigantisch und grazil zugleich, Zeugnisse sowohl des kühnen Gestaltungswillens wie der Geschmackssicherheit und des Augenmaßes ihrer Entwerfer und Erbauer.

Jedes einzelne dieser schwebenden Wohngebirge verschob permanent kleinweise, nahezu unmerklich, seine Position zu den anderen und zu den Calditischen Palästen. Ähnlich verhielten sich die in noch größeren Höhen kreisenden Raumterminals, Kulturzentren und Weiterbildungsstätten.

So war das Antlitz Calduums stetem Wandel unterworfen, fluktuierte in gewisser Weise ebenso beständig wie der Tymcal, der das ganze Sonnensystem erfüllte.

Ijotha Hyndalins Worte fielen mir ein: »Calduum, die Prächtige, ändert sich in einem fort, weil sie lebt – denn Leben heißt Veränderung. Dies sei uns Beispiel und Vorbild. Auch wenn wir überzeugt sind, mit der Thatrix-Zivilisation etwas zu besitzen, was einem paradiesischen Ideal so nahe kommt wie auf dieser Existenzebene irgend möglich, dürfen wir niemals der Versuchung erliegen, in Selbstgerechtigkeit zu erstarren.«

Offenbar hatte ich unabsichtlich den letzten Satz laut vor mich hin gesprochen, denn der Alte starrte mich an.

»Du verehrst den Verkünder sehr, nicht wahr?«, fragte er amüsiert.

»Wer nicht?«

»Och, ich könnte dir durchaus einige Namen nennen ... Na ja, vielleicht ein andermal. Obacht, Junge, wir sind gleich da!«

Der Warnung hätte es nicht bedurft. Mein Servo hatte mich bereits durch unmissverständliche Lichtsignale auf die bevorstehende »Landung« aufmerksam gemacht.

Unsere Geschwindigkeit, die zwischenzeitlich gar nicht so niedrig gewesen sein dürfte, verringerte sich wieder. Schließlich setzte uns das Antigravfeld sanft am Boden ab.

Wir standen auf einer mit Gräsern in verschiedenen Grüntönen bewachsenen Lichtung. Ringsum wuchsen schlanke Bäume. Von ihren beigefarbenen Stämmen und Ästen hingen violette, lanzettförmige Blätter herab. Sie kontrastierten reizvoll mit dem goldenen Flimmern und Funkeln des allgegenwärtigen Parastaubs.

»Hier gefällt's mir, hier bleibe ich!«, beschloss der Alte und schlurfte zu einer Bank am Rand der Lichtung, auf der er sich ächzend niederließ. Er begann in seiner verschlissenen Tasche zu kramen. »Muss meine Korrespondenz erledigen.«

Ich verstand und dankte dem wunderlichen, etwas verwahrlosten Mann herzlich für seine kurzweilige Gesellschaft. Dann wies ich den Armbandservo an, mich zum nächstgelegenen Abgang in die Nahtransportebene zu lotsen.

 

*

 

In diesen ersten Burdrin auf Caldera schloss ich zahlreiche weitere, ähnlich flüchtige Bekanntschaften. Nicht nur mit Guyaam, sondern auch mit Angehörigen anderer Völker der Thatrixdruum.

Die Caldomians, wie sich die Bewohner der Hauptstadt ungeachtet ihrer ursprünglichen Herkunft nannten, erwiesen sich durchwegs als freundlich, offenherzig und einem kleinen Plausch selten abgeneigt. Dabei machten sie auf mich mitnichten den Eindruck, als legten sie es darauf an, ihre Zeit mutwillig zu vertrödeln. Nein, sie alle gingen ihrer jeweiligen Aufgabe mit spürbarer Begeisterung nach.

Und das Tempo der Stadt war hoch, ihr Rhythmus ein treibender, aufwühlender, mitreißender.

Dennoch schien mir, als betrieben die Caldomians nichts auch nur annähernd so verbissen und engstirnig, wie ich es von Siv'Kaga gewohnt war.