Vorwort
Was sind Seeigel?
Ungewöhnlicher Körperbau
Wo leben Seeigel in der Natur?
Physiologie und Lebensweise von Seeigeln
Skelett
Reguläre Seeigel
Irreguläre Seeigel
Stacheln und Giftwirkung
Die Laterne des Aristoteles
Nervensystem
Ambulakralsystem
Körperanhangsgebilde
Ernährung in der Natur
Geschlechtliche Fortpflanzung
Aquarienhaltung von Seeigeln
Ernährung im Aquarium
Wasserqualität und Nahrungsgrundlage
Weniger ist mehr – die Individuenzahl
Regeneration und Wundheilung
Gift im Wasser
Temperatur
Wasserströmung
Beleuchtung
Vergesellschaftung
Auswahl beim Aquaristik-Fachhändler
Transport und Einsetzen
Im Fachhandel erhältliche Arten
Lanzenseeigel (Familie Cidaridae)
Diademseeigel (Familie Diadematidae)
Kugelseeigel (Familie Temnopleuridae)
Giftseeigel (Familie Toxopneustidae)
Bohrseeigel (Familie Echinometridae)
Feuerseeigel (Familie Echinothuriidae)
Irreguläre Seeigel (Überordnungen Gnathostomata und Atelostomata)
Literatur
Bildnachweis
Titelbild: Phyllacanthus imperalis
Bild Seite 1: Astropyga radiata
Fotos und Grafiken ohne Nachweis vom Autor
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eISBN: 978-3-86659-359-6
© 2008 Natur und Tier - Verlag GmbH
An der Kleimannbrücke 39/41
48157 Münster
www.ms-verlag.de
Geschäftsführung: Matthias Schmidt
Lektorat: Kriton Kunz
Layout: Nick Nadolny
Seeigel als Tiergruppe sind dem Menschen vor allem deshalb so allgemein bekannt, weil man ihnen auch im Flachwasser am Küstenstreifen begegnet, bisweilen sogar außerhalb des Wassers in der Gezeitenzone. Allerdings handelt es sich bei ihnen um sehr ungewöhnliche Kreaturen, denn anders als Fische oder Krebse können sie uns beispielsweise nicht anschauen. Ihre Lebensweise unterscheidet sich von derjenigen anderer Tiere sehr, und es ist kaum möglich, ihnen im Aquarium ein geeignetes Umfeld zu bieten, ohne vorher Verständnis für ihre Besonderheiten entwickelt zu haben. Optimieren wir unser Riffaquarium für Korallen und deren Bedürfnisse, dann wird es den Anforderungen der Seeigel kaum gerecht werden können. Auch Nahrungskonkurrenz, etwa durch pflanzenfressende Fische, trägt oft dazu bei, ihnen das Leben zusätzlich zu erschweren. Und da sie im Handel meist recht preiswert angeboten werden – sie sind als langsame Tiere im Flachwasser eben leicht zu sammeln –, entsteht genau hier die Gefahr, dass sie zu „Verbrauchstieren“ gemacht werden, die man bei Bedarf kauft und als Algenvernichter einsetzt.
In den Anfängen der Meerwasseraquaristik gehörten Seeigel zu den wenigen Wirbellosen, die unter den typischen Bedingungen eines Korallenfischbeckens überlebten, etwa in den 1960er-Jahren. Doch erst die modernen Korallenriffaquarien geben uns die Möglichkeit, Seeigeln eine naturähnliche Umgebung zu bieten, vorausgesetzt, wir wählen die besonders aquariengeeigneten Arten aus und schaffen die passenden Voraussetzungen. Genau dabei möchte ich mit diesem Buch helfen, indem ich das nötige Wissen über diese interessante Tiergruppe vermittle.
Daniel Knop, Sinsheim und Manila, im Herbst 2008
Seeigel kennt eigentlich schon jedes Kind – die Namensanalogie zum drolligen, knopfäugigen Igel aus Feld, Wald und Wiese macht dieses Meerestier für jeden Strandspaziergänger interessant. Oft landen die kugelförmigen Skelette als Souvenirs zwischen den gesammelten Muschelschalen, und nicht wenige Strandurlauber nehmen auch ein weiteres Seeigel-Souvenir mit nach Hause: einen abgebrochenen Stachel, der im Fuß steckt und sich wegen der zahllosen winzigen Widerhaken nicht mehr herausziehen lässt.
Andere kennen Seeigel vornehmlich aus der Gastronomie, obgleich man beim Betrachten dieser ungewöhnlichen Tiere eigentlich kaum den Eindruck gewinnt, dass an ihnen etwas Essbares sein könnte. Tatsächlich eignen sich in der Regel weniger als 20 % ihrer Körpermasse zum Verzehr: Nur die sternförmig angeordneten Keimdrüsen, die orange-bis rosafarbenen Ovarien und Testikel werden gegessen. Was bei manchem Abscheu weckt, macht Gourmets den Mund wässrig – über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten –, doch das Verspeisen der Seeigelgonaden hat jahrtausendelange Tradition, denn bereits die alten Römer und Griechen schätzten sie sehr. Und in Frankreich hat man mit dem „Coupe-Oursin“, dem „Seeigelschneider“, eine spezielle Zange entwickelt, um das Kalkskelett der Tiere zu öffnen. Aber nicht nur in den mediterranen Ländern wird der Seeigel allgemein als Delikatesse geschätzt, sondern auch in Japan liebt man die Keimdrüsen dieser stacheligen Tiere und genießt sie beispielsweise als „Uni“ mit Sushi oder als „Seeigelreis“. Seeigel haben auf der Welt also viele Freunde …
Der typische Ansatz der Meeresaquarianer dürfte jedoch ein gänzlich anderer sein, denn bei der Aquarienpflege dieser „Meeresfrüchte“ geht es ihnen meist um die Artenvielfalt ihres Riffbeckens. Sehr oft steht auch die Ernährungsweise der Seeigel im Vordergrund, denn viele Arten haben sich so sehr auf pflanzliche Kost spezialisiert, dass sie im Aquarium einen beträchtlichen Fraßdruck auf ungeliebte Algen entwickeln können. Und manche Aquarianer pflegen Seeigel auch aus ganz speziellem Interesse an der ungewöhnlichen Körperform und Lebensweise. Ein Seeigel bewegt sich ohne Kopf, ohne Augen, und doch kann er sich orientieren. Sein Körper ist nicht viel mehr als eine Kugel und besitzt weder Arme noch Beine – und doch kommt er relativ zügig von der Stelle. Er besitzt kein Gehirn, kein zentrales Nervensystem, kann aber trotzdem auf Umweltreize reagieren.
Oberflächlich gesehen ist ein Seeigel nicht viel mehr als eine Art „Stachelkugel“. Schaut man jedoch genauer hin, entdeckt man kleine, schlauchförmige Saugfüßchen, und betrachtet man ihn im Detail, sieht man oft auch winzigste Greifzangen, die gezielt bewegt werden können. Sie dienen dazu, Fremdkörper von der Körperoberfläche zu entfernen, z. B. die Larven anderer Riffbewohner oder Algen. Seeigel bewegen sich so langsam, dass sie sehr unauffällig sind, was den Druck durch Fressfeinde verringert. Zudem sind sie durch ihr Stachelkleid hervorragend geschützt – zumindest vor denjenigen, die sich nicht auf sie als Nahrung spezialisiert haben.
Seeigel sind, wie auch andere Stachelhäuter, aus Organismen hervorgegangen, die erheblich komplexer waren und eine andere Körpersymmetrie besaßen. Doch warum entwickelt sich eine so ungewöhnliche Lebensform wie die der Seeigel? Warum verzichtet eine Tiergruppe auf Kopf und Arme und bildet im Lauf ihrer Entwicklung statt üblicher, gelenkiger Beine bewegliche Stacheln, um darauf umherzulaufen? Um die Seeigel wie auch andere Stachelhäuter besser verstehen zu können, müssen wir einen Blick auf ihre Entwicklung werfen.
Wir Menschen haben uns an eine bestimmte Symmetrieform gewöhnt: Unser Körper hat zwei gleiche Seiten – die linke und die rechte. Man bezeichnet dies als „bilaterale Symmetrie“, und diese Bauform finden wir auch bei allen anderen Wirbeltieren, ob Maus, Elefant oder Fisch. Selbst Tiere, die entwicklungsgeschichtlich viel weiter vom Menschen entfernt sind, etwa Krebse, besitzen zwei Körperhälften, in denen alles paarig angelegt ist.