Die Autorin

Die 1975 geborene Musikerin und Autorin studierte nach dem Abitur Kirchenmusik und Musikpädagogik mit Klavier und Violoncello in Regensburg. Zurück im heimatlichen Chiemgau arbeitet sie seitdem als Kirchenmusikerin sowie als freiberufliche Musikerin und Musiklehrerin. Nach einer Weiterbildung zur Jazz- und Popchorleiterin ist sie auch vermehrt im modernen Musikgenre unterwegs. Zudem arbeitet sie an mehreren Schulen als Musikerzieherin und Musikerin.

Nach einem skurrilen Erlebnis bei einer Beerdigung begann die Autorin, ihre Geschichten aufzuschreiben, die sie nun in diesem Buch erstmals veröffentlicht.

Sonja Kühler lebt mit ihrem Mann, zwei Kindern und einer Katze im Chiemgau.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die

Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2021 Sonja Kühler, Nussdorf

www.sonja-kuehler.de

Umschlaggestaltung: © Grafikatelier Christa Tauser

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7534-5041-4

… und davon kann man leben?

… und können Sie das auch so singen wie

der Sänger auf der CD?

… und was sagen die Nachbarn zu Ihrem Beruf?

… und können Sie alle Instrumente spielen?

… und wieso Honorar? Sie machen das doch gerne!

… und können Sie das auch leiser spielen?

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Corona-Pandemie 2020 hat auch mich, wie viele Musiker- und Künstlerkolleginnen und Kollegen ganz plötzlich und schwer getroffen. Von einem Tag auf den anderen wurden alle Veranstaltungen abgesagt, keine Konzerte durften mehr stattfinden und auch Gottesdienste waren verboten.

Das anstehende Osterfest wurde in nicht-öffentlichen Gottesdiensten gefeiert, Beerdigungen und Trauungen gab es nur noch im kleinsten Familienkreis und ohne Musik.

Nach einer gewissen Schockstarre, in der auch ich mir die Frage stellte, ob ich jemals wieder als Musikerin würde arbeiten können, kamen neue Ideen. Ich nutzte die Zeit, um wieder mehr auf all meinen Instrumenten zu üben, leider kommt das im Musikeralltag bisweilen zu kurz.

Regelmäßig erstellte ich Arrangements und Videos mit meiner Musik, die ich dann im Internet veröffentlichte und stellte fest, wie sehr meine Mitmenschen die Musik vermissten, denn ich bekam zahlreichen Zuspruch.

Und ich habe die ruhige Zeit genutzt, um mein Buch weiter zu schreiben. Vorher war es nur ein vager Gedanke, jetzt hatte ich plötzlich Zeit dafür.

Im Sommer 2020 gingen die Infektionszahlen zurück, die Schulen und Geschäfte öffneten, Kultur war zwar eingeschränkt, aber doch möglich und die Welt normalisierte sich wieder ein wenig.

Das Leben war voller Freude und jeder hatte die Hoffnung, dass die prognostizierte zweite Welle ausbleiben würde. Das tat sie aber leider nicht.

Im Herbst schnellten die Infektionszahlen nach oben und es begann wieder die Zeit des Lockdowns, zuerst ein „Lockdown light“, bei dem nur die Kultur und die Gastronomie geschlossen wurde.

Dann kam schließlich im Dezember 2020 der harte Lockdown, bei dem das öffentliche Leben komplett heruntergefahren wurde und auch private Kontakte nur eingeschränkt erlaubt waren.

Für mich war das das Signal, mein Buch nun fertig zu schreiben, ich durfte ja das Haus eh nur noch zum Arbeiten und Einkaufen verlassen.

Aufgrund der Vielzahl der Erlebnisse sind in diesem Buch vorwiegend Geschichten aus meinem Berufsalltag als Kirchenmusikerin. Wobei natürlich auch aus dem weltlichen Musikbereich und gerade aus der Schule, in der ich als Musiklehrerin tätig bin, von unzähligen skurrilen Geschichten zu berichten wäre. Davon werde ich aber vielleicht ein andermal erzählen.

Auch jetzt, Anfang März 2021, ist immer noch keine Lockerung der Beschränkungen in Sicht, wir leben immer noch im harten Lockdown.

Trotzdem habe ich die Hoffnung und Zuversicht, dass sich alles bald zum Besseren wendet und ich wieder Musik machen darf wie vor der Pandemie.

Bis dahin schwelge ich in Erinnerungen und freue mich über die unzähligen Erlebnisse, die meinen Berufsalltag so abwechslungsreich und aufregend gestalten.

Und ich darf Sie, liebe Leser, ganz herzlich einladen mit mir einzutauchen in die Welt einer Musikerin, die oftmals ganz anders ist als erwartet und in der immer wieder herrlich schräge Geschichten passieren.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit meinen musikalischen Anekdoten!

Ihre Sonja Kühler

… und was machen Sie sonst so beruflich?

Diesen und viele andere vorurteilsbehaftete Sätze, manches Halb- oder Gar-nicht-Wissen und auch manche Unverschämtheiten bekommt wohl jede Musikerin immer mal wieder zu hören. Und die folgende Szene, die ich selbst erlebt habe, stellt sicher keinen Einzelfall dar.

Ich war auf eine Party eingeladen, auf der ich kaum einen der Gäste kannte. An der Bar entstand dann der typische Smalltalk zwischen mir und zwei mir bislang unbekannten männlichen Partygästen.

Der Erste erzählte von seinem Job als Reproduktionsmediziner, von seiner Dissertation, die er leider gerade nicht fertig schreiben könne, weil die Gründung seiner eigenen Klinik so viel Zeit in Anspruch nehme. Und er amüsierte sich köstlich darüber, wie viele Frauen er in seinem Leben schon geschwängert habe, rein dienstlich natürlich.

Der Zweite ließ uns dann teilhaben an seinem Jet-Set-Leben als CEO einer unheimlich wichtigen Unternehmensberaterfirma, die derzeit seine ganze Power und Creativity erfordere, weil der Gang an die Börse unmittelbar bevorstehe und er dafür die komplette Responsibility trage.

Also erzählte auch ich vom Leben in der Pfarrei, meinen vier Chören und meinen Arrangements, gab Anekdoten mit meinen Schülern wieder und erwähnte beiläufig, dass ich jetzt dann ein Solo-Programm auf die Bühne bringen werde zusätzlich zu den Konzerten, die ich sonst so bestreite.

Der CEO runzelte die Stirn, holte sich eine Vorab-Bestätigung beim Reproduktionsmediziner und stellte mir dann mit einem milden Lächeln die 1-Million-Dollar-Frage: „… und was machen Sie sonst so beruflich?“.

Wird man als Berufsmusiker das erste Mal mit dieser Frage konfrontiert, antwortet man einfach „Hä?“, oder bestenfalls „Wie bitte?“, so unerhört scheint sie zu sein. Hat man doch sein Leben seit Kindesbeinen an mit nichts anderem als dem Erlernen des Instrumentes verbracht.

Man hat das Erbe der Oma und sämtliche Ersparnisse für die Anschaffung von Instrumenten, Noten und den Unterricht ausgegeben. Und nun, nach zahlreichen Aufnahmeprüfungen, diversen Studien und Abschlussprüfungen ist man zwar mittellos, aber stolz und voller Idealismus, endlich im Musikerhimmel angekommen.

Hört man diese Frage bereits zum wiederholten Male, dann kommen mehrere Reaktionen in Frage:

  1. „Das ist meine Arbeit! Ich bin Berufsmusikerin!“. Dann erhält man mitunter ein mitleidiges Lächeln verbunden mit dem Satz „… und davon kann man leben?“
  2. „Ansonsten führe ich erfolgreich ein kleines Familienunternehmen“, was soviel heißt wie „ich bin Hausfrau und Mutter“. Daraufhin habe ich aber schon folgende Antwort erhalten:
  3. „Wie schön! Meine Frau kann es sich auch leisten, daheim zu bleiben und nur ehrenamtlich tätig zu sein, da ich genügend Geld nach Hause bringe.“
  4. Gerne antworte ich mittlerweile eher provokativ: „Ansonsten langweile ich mich ganz furchtbar. Aber das kennen Sie ja sicher, denn Sie können ja auch in Ihren Meetings Kekse essen, Kaffee trinken und ein Nickerchen machen, nicht wahr?“
  5. Wenn ich besonders gut gelaunt bin und mein Gegenüber mir auch noch unsympathisch ist, dann antworte ich: „Naja, ansonsten gehe ich zum Amt und beantrage Hartz IV, aber erst nachdem ich die Einnahmen aus meiner Straßenmusikertätigkeit ordentlich im Safe versteckt habe, damit das Finanzamt davon nicht Wind bekommt.“
  6. Diese Möglichkeit juckt mich jedes Mal, ich habe sie allerdings bisher vermieden: meine Faust zentral ins Gesicht meines Gegenübers zu platzieren mit dem Kommentar „Ansonsten bin ich World Champion im Kickboxen, hatte ich das nicht erwähnt?“.

Nachdem man als Musikerin aber immer wieder mit allerlei Vorurteilen zu kämpfen hat, gewöhnt man sich daran und oftmals lasse ich dumme Kommentare einfach unerwidert, lustigerweise können das aber einige Zeitgenossen gar nicht haben.

Wenn ihr Blutdruck dann bis zum nicht mehr messbaren Bereich gestiegen ist, empfehle ich, in einem meiner Chöre zu singen.

Singen entspannt unheimlich, ist gut für die Seele und dank eines Frauenüberschusses hätte selbst ein Reproduktionsmediziner hier ein weites Betätigungsfeld und sicher seine wahre Freude daran die Frauen zu beglücken.

Das zickende Örgelchen

Kurz nach Beginn meines Musikstudiums wurde ich für ein großes Konzert mit Chor und Orchester engagiert.

Ich wähnte mich im Organistenhimmel. Es war ein Konzert in den heiligen Hallen der Baumburger Stiftskirche, das Mekka vieler heimischer Musiker. Für mich war es eine Premiere dort, der ich gespannt entgegenfieberte.

Da das Konzert im Altarraum stattfinden würde, stand ein Orgelpositiv zur Verfügung, eine transportable einmanualige Orgel ohne Pedal, also ein nettes kleines Örgelchen.

Zu Beginn der Probe jedoch zickte das Örgelchen ein wenig und gab keinen Ton von sich.

Nachdem ich auf die Schnelle nichts entdeckte, was ich falsch gemacht haben konnte, gab ein gerade neben mir stehender Bassist dem Instrument kurzerhand einen gekonnten Tritt und siehe da, das zickende Örgelchen bequemte sich zu erwachen.

Die mehrstündige Probe stellte sich für mich als Berufsanfängerin dann durchaus als Herausforderung dar, denn jetzt mussten die einzeln geprobten Stimmen des Chores und des Orchesters in kürzester Zeit und mit möglichst großer Präzision zusammengefügt werden.

Bei der anschließenden Pause zwischen Probe und Konzert verschwendete ich keinen Gedanken mehr an mein Örgelchen, sondern machte mir vielmehr Kummer, ob ich alle Einsätze finden würde, ob ich die Tempi noch richtig im Gedächtnis hätte und wie ich es schaffen könnte, dass der Tenorsolist mich anschließend zum Essen einladen würde.

Das Orchester begab sich fünf Minuten vor Beginn des Konzerts auf seine Plätze, um zu stimmen. Ich trat wenige Minuten später gemeinsam mit dem Chor auf.

Ich schaltete den Motor meines Örgelchens ein und es passierte … nichts!

Kein Lämpchen, das die Funktion bestätigte und kein Atmen des Blasebalgs, der sich mit Luft füllte, die Orgel regte sich einfach kein bisschen.

Das Adrenalin schoss mir ins Blut, ich schaltete hektisch nochmal aus und wieder ein, zog hier am Stecker, drehte dort das Kabel, aber nichts geschah.

Der Bassist eilte wieder herbei und gab dem zickenden Örgelchen einen mittlerweile durchaus vehementen Tritt und gleich noch einen, aber es kam keinerlei Reaktion.

Nun gilt es bei derlei Problemen, den Dirigenten möglichst schnell auf sich aufmerksam zu machen. Wenn dieser nämlich an seinem Pult steht, vergewissert er sich nur kurz beim Konzertmeister, dass alle Instrumentalisten gestimmt haben, wirft einen schnellen Blick über seine 80 Musiker und wenn nicht gerade eine Sopranistin in der ersten Reihe in Ohnmacht fällt, gibt er den Einsatz.

Mit unübersehbarem Winken und einem halblaut geflüsterten „De Orgel geht ned“ animierte ich ihn, sich dem Problem mit meinem Örgelchen zu widmen. Er als langjähriger Organist hätte vielleicht eine Lösung parat.

Genervt näherte er sich mir. Ich fühlte mich sofort wieder zurückversetzt in die Zeit, als ich seine Schülerin war, der er nun erklären würde, dass sie nur zu blöd sei, um die Orgel zum Laufen zu bringen. Verzweifelt spürte ich, wie meine Wangen nicht nur rot wurden, das waren sie eh schon in den letzten Minuten geworden, sondern fast explodierten. Mein Puls beschleunigte sich ins Unermessliche und ich wähnte mich der musikalischen Hölle nahe. Meine Gedanken rasten wie wild durcheinander und ich hörte das Publikum schon flüstern „ja mei, sie is hoid a Frau, de kennt se mid Technik ned so aus“.

Dass ich als Kirchenmusikerin in einer Männerdomäne arbeitete, war mir schon seit Beginn des Studiums bewusst geworden. Bisher hatte ich mich auch ganz gut durchsetzen können in der Männerwelt, aber jetzt dieser herbe Rückschlag. Nun hatte ich hier mein erstes großes Konzert, meine Konzertkarriere könnte endlich Fahrt aufnehmen und dann das: eine streikende Orgel.

Kurz schoss mir auch der Gedanke an eine Verschwörung in den Kopf, möglicherweise war es Sabotage eines eifersüchtigen Kollegen? Oder hatte gar der liebe Gott seine Hände im Spiel und wollte mir zeigen, dass ich mich doch besser nach einem anderem Beruf umsehen sollte?

Mittlerweile war der Dirigent mit einem grimmigen Blick an meiner Seite und ich machte ihm sofort Platz, damit er sein Wunder vollbringen könnte. Er kontrollierte sämtliche Schalter und Kabel, wobei ich ihm zuflüsterte, dass wir das auch schon alles überprüft hatten. Nun gut, vielleicht macht es ja einen Unterschied, ob es der Lehrer oder die ehemalige Schülerin probiert. Nein, machte es wohl nicht, das Örgelchen blieb vehement stumm.

Auch ein durchaus eleganter Tritt von ihm mit seinen tadellos polierten Lackschuhen überzeugte das zickende Örgelchen in keinster Weise.

Das Publikum wurde mittlerweile unruhig und mit einem „Hilft nix“ verschwand er schließlich schulterzuckend an sein Dirigentenpult und gab wenige Sekunden später den Einsatz für das erste Stück.

Völlig konsterniert saß ich nun an meinem zickenden Örgelchen inmitten des Orchesters und wünschte mir eine Falltür, durch die ich elegant vom Erdboden verschwinden könnte. Ich überlegte, ob ich während des Konzerts nun sitzen bleiben sollte, ich könnte ja quasi playback ohne Ton spielen.

Nach kurzer Überlegung entschied ich mich aber dann doch, mich während der Umbaupause nach dem ersten Stück still und heimlich zu entfernen und mein zickendes Örgelchen einfach seinem Schicksal zu überlassen.

Ich war ihm auch richtig beleidigt, ich verfluchte es und schwor mir, nie wieder auf diesem Instrument auch nur einen einzigen Ton zu spielen.

Zuhause angekommen vergrub ich mich erst einmal, ging nicht ans Telefon, als der Dirigent mich anzurufen versuchte und schämte mich wegen dieses grandiosen Desasters.

Das anvisierte Abendessen mit dem Tenorsolisten fiel natürlich ins Wasser.

Einige Tage später erreichte mich der Dirigent dann doch, meine Wut und meine Scham hatten sich ein wenig gelegt.

Meine Befürchtung, dass diese Blamage auch noch in der Presse würde verarbeitet und ich nun zum Gespött der Leute werden würde, hatte sich glücklicherweise nicht bewahrheitet.

Und so konnten wir dann schon wieder herzlich über das zickende Örgelchen lachen und ich erhielt ein großes Lob vom Dirigenten, wie souverän ich mich in dieser Situation verhalten hatte. Böse war er mir nicht, er meinte sogar, derlei Probleme müsse jeder mal in seiner Karriere durchleben, auch ihm wäre schon Ähnliches passiert.

Trotzdem bin ich seitdem ein wenig skeptisch und überprüfe jede Orgel und erst recht jedes Örgelchen mindestens eine Viertelstunde vor dem Konzert auf ihre Funktionstüchtigkeit.

Und auf dem besagten Örgelchen habe ich später noch unzählige Male gespielt. Es hatte sich herausgestellt, dass schlichtweg ein Kabelbruch schuld gewesen war an der ganzen Misere. Nach der Reparatur funktionierte das Örgelchen wieder tadellos.

Schwarz

Bei jedem Konzert gibt es einen Dresscode für die Musiker, damit das Konzert auch optisch ein Highlight für die Zuschauer wird.

Man stelle sich eine Aufführung von Mozarts Requiem vor. Die Sopransolistin glänzt dabei in einem pinkfarbenen Kleid neben der Altsolistin im roten Hosenanzug, während der Tenorsolist im lila geblümten Hemd dem Basssolist mit den italienischen handgenähten Schuhen in hellbraun die Show zu stehlen versucht.

Vermutlich wäre dann die Musik absolut zweitrangig und der geneigte Zuschauer hätte wahrlich Mühe, die notwendige Ernsthaftigkeit aufzubringen und sich nicht an der Farbenfreude der Solisten zu stören.

Deshalb dominiert bei Kirchenkonzerten meist schwarze Kleidung, die Frauen erscheinen also komplett in schwarz gekleidet, die Herren entweder auch in schwarz oder mit schwarzer Hose, weißem Hemd und schwarzem Sakko. Jeder Musiker hat derlei Kombinationen in mehrfacher Ausfertigung im Schrank und selbst im Zweifelsfall, bei fehlender Anweisung des Konzertmeisters etwa, ist man mit schwarz immer richtig angezogen.

Bei gewöhnlichen Sonntagsgottesdiensten gibt es selten einen Dresscode. Man riskiert sonst als Chorleiter, dass der Hintergugelhapfinger Kirchenchor erst einmal stundenlang darüber diskutiert, welche Farbe denn nun angemessen sei und ob die Farbe Flieder noch ins Farbspektrum von rot passe.

Angefacht wird die Diskussion auf der einen Seite von den Argumenten der Damen, die mal wieder einen Grund für eine ausgiebige Shoppingtour sehen.

Auf der anderen Seite finden sich die Herren, die aus Angst um ihre Kreditkarte grundsätzlich gegen einen Dresscode sind. Das Argument, der Kleiderschrank der Damen quelle ohnehin über und es stünden somit genügend schicke Kleidungsstücke in allen möglichen Varianten zur Verfügung dementieren die Damen aufs heftigste. Den wahren Grund hierfür zu nennen, nämlich die zwischenzeitlich etwas gewachsene Leibesfülle, wird dabei natürlich tunlichst vermieden.

Also gilt dann meist der gemeinsame Entschluss (in Wirklichkeit ist es das Machtwort des Chorleiters, der nach 20 Minuten Diskussion einfach die Nase voll hat und der Demokratie ein Ende setzt): festliche Kleidung, Farbe egal.

Als Chorleiter erwähnt man dann noch gerne, dass die Damen sich vielleicht nicht ins Dirndl schnüren sollten, das ihnen zur Firmung gepasst hatte, inzwischen aber eventuell eingelaufen war. Dermaßen eingeengt ist es einfach nicht möglich, mehr als fünf Töne hintereinander zu singen, da nur ein Zehntel des Lungenvolumens aufgrund massiver Quetschung vorhanden ist.

Auch ist von extremen Highheels abzuraten, mit denen jede Erdung auf ein Minimum reduziert ist und die Sängerin zwangsläufig mehr mit der notwendigen Bodenhaftung beschäftigt ist als mit der korrekten Wiedergabe der eingeübten Töne. Im übrigen ist es nicht besonders sinnvoll, nachdem man in den Chorproben vor dem Konzert stundenlang über die richtige Platzordnung diskutiert hat. Die ist nämlich in dem Fall hinfällig, weil der 1,75 Meter große Tenor nun aufgrund der 15 Zentimeter Highheels der Sopranistin, die genau vor ihm steht, nur mehr in ihre aufgebauschte Haarpracht singt, den Dirigenten dort vorne aber nur mehr erahnen kann.

Alles in allem ist die Kleidung also bei klassischen Konzerten oder Gottesdiensten sinnvollerweise nicht dem Zwang der Mode unterworfen, sondern dem praktischen Nutzen und dem Gemeinschaftsgefüge.

Manchem Chorleiter scheint das zu trist und zu ernst und er versucht ein wenig Schwung durch die Anschaffung von verschiedenfarbigen Tüchern in den Chor zu bringen.

Der Schwung entsteht aber meist nicht wirklich optisch, sondern vom heftigen Geschlenkere und Gezupelle der Damen, die den in der zweiten Reihe stehenden Herren immer wieder die Tücher um die Nase schwenken, sehr zur Freude der Zuschauer, die den Kampf Tuch gegen Frau und Nebenmann in verschiedenster Ausführung gerne verfolgen.

Aber auch ich sollte meine Erfahrungen mit diversen Dresscodes machen.

Nach dem Abitur freute ich mich, nun endlich den ganzen Tag meiner Leidenschaft nachgehen zu dürfen und mich nur mehr mit Musik beschäftigen zu dürfen.

Auf meine erste Studienwoche fieberte ich seit Monaten hin, die Aufnahmeprüfung hatte ich im Juni bestanden, im September startete das erste Semester.