Über dieses Buch:
Dieses Buch verrät alle Geheimnisse rund um den berühmtesten Agenten ihrer Majestät – und um seinen Appeal. Endlich erfahren wir, was James Bond so unwiderstehlich machen und wie wir es ihm gleichtun können. Ob im Liebesleben oder im Beruf, in der Bar oder auf Reisen, im Casino oder Restaurant: Bringen Sie das wahre Bond-Feeling in Ihr Leben!
Ein Muss für alle Bond-Fans. Und alle, die ein waschechter Bond werden wollen!
Über den Autor/Über die Autorin:
Bernd Harder, Jahrgang 1966, ist Wissenschaftsjournalist und Chefredakteur einer medizinischen Fachzeitschrift. Er bloggt als Vorstandsmitglied der Skeptiker-Vereinigung GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Paraphänomenen) und verarbeitet die rätselhaften und mysteriösen Ereignisse, mit denen er dort konfrontiert wird, in zahlreichen Büchern.
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Aktualisierte Neuausgabe Dezember 2012
Copyright © der Originalausgabe 2008 Knaur TB
Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2012 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München
Titelbildabbildung: © illustrart – Fotolia.com
ISBN 978-3-95520-146-3
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Bernd Harder
Der Bond-Appeal
Von Bond lernen, heißt siegen lernen
dotbooks.
Vorwort
1. Kapitel: Man lebt nur einmal – Die Lebensphilosophie von James Bond
2. Kapitel: „Geschüttelt, nicht gerührt“ – Trinken wie James Bond
3. Kapitel: Moore Huhn, please – Essen wie James Bond
4. Kapitel: Style Royale – Aussehen wie James Bond:
5. Kapitel: Man hebt nur zweimal – Fit wie James Bond
6. Kapitel: Reden und reden lassen – Schlagfertig wie James Bond
7. Kapitel: Stirb an einem anderen Gift – James Bond und die Wissenschaft
8. Kapitel: Der Hauch des Verdachts – Menschenkenntnis wie James Bond
9. Kapitel: Lizenz zum Rasen – Fahren wie James Bond
10. Kapitel: Hauptsache Weltherrschaft – Der Job eines Superschurken
11. Kapitel: „Und eine Frau!“ – Der Bondgirl-Appeal
12. Kapitel: Die Welt ist nicht genug – Reisen wie James Bond
13. Kapitel: Nichts geht mehr - Zocken wie James Bond
14. Kapitel: Top secret – Wo bitte geht’s zum Geheimdienst?
Nachwort
Lesetipps
„007 meldet sich zum Dienst“ (Skyfall)
Der Mann, der da spätabends bei „Maischberger“ sitzt, ist etwa Mitte 30, 1,83 groß, athletisch gebaut und auffallend stilsicher gekleidet.
Es geht um das Thema „Der perfekte Spion – Die rätselhafte Welt der Geheimdienste“ und die TV-Talkerin begrüßt ihren Gast mit der Frage: „Sie sind also ein britischer Spion. Haben Sie auch einen Namen?“
Und der Mann antwortet: Mein Name ist Bond, James Bond.“
Neben Bond sitzen George Smiley, John Steed und Jason Bourne.
Maischberger nimmt sich zuerst den Secret-Service-Mitarbeiter mit der Geheimnummer 007 vor: „Sie gelten als der berühmteste Geheimagent der Welt. Ist das nicht ein Widerspruch?“
Bonds stahlblaue Augen bohren sich mit schneidendem Glanz in sein Gegenüber: „In meinem Geschäft muss man auf alles gefasst sein.“
„Und was für ein Geschäft ist das?“, fragt die Moderatorin nach.
„Ich helfe Menschen, die Probleme haben.“
„Ein Problemlöser?“
„Ich würde eher sagen“, präzisiert Bond, „ein Problembeseitiger.“
Als Sandra Maischberger merkt, dass ihre Taktik ins Leere läuft, flüchtet sie sich ins Gefühlige. „Wem würden Sie Ihr wahres Gesicht zeigen? Vor wem würden Sie Ihre Maske ablegen?“
Bonds Körper spannt sich. Er …
Halt, Stopp!
Wer würde so etwas sehen wollen?
Der Autor dieses Buch hat schon mal Superman, Witchblade, Sailor Moon und Pluto zu einer Talkrunde versammelt – vier der populärsten alten und neuen Comic-Helden. Natürlich nicht real, sondern als Zeitschriftenbeitrag. Das war spaßig.
Sicherlich könnte man so etwas auch mit Dracula, Frankensteins Ungeheuer, King Kong und der Mumie machen. Oder mit Sherlock Holmes, Mike Hammer, Hercule Poirot und Gilbert Grissom vom CSI.
Aber mit James Bond? Nein.
„Wir wollen James Bond nicht zum Essen einladen oder mit ihm Golf spielen oder uns unterhalten“, schrieb der englische Literaturdozent und Sciencefiction-Autor Kingsley Amis schon den 1960er-Jahren. „Wir möchten Bond sein!“
Amis hatte Recht.
Mit Perry Rhodan oder Luke Skywalker, mit Batman oder Fox Mulder kann man aufwachsen. Sie begegnen uns schon früh in Büchern, Heften oder im Fernsehen und begleiten uns über Jahre und Jahrzehnte. Wir stolpern immer wieder über sie und irgendwann werden aus den Helden der Kindheit und Jugend vielleicht Kultfiguren. Oder gar Freude fürs Leben. Aber dennoch bleiben sie Strichmännchen, Sprechblasen, Filmstars.
James Bond dagegen war und ist stets Teil unserer Wirklichkeit.
Mein erster Bond-Film war „Der Spion, der mich liebte“.
Das war 1977, ich war 11 und wollte danach unbedingt eine Seiko-Quarzuhr und einen Lotus Esprit. Niemand fand das seltsam, ganz im Gegenteil. Denn fast ohne Ausnahme sprach jeder in meinem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis von James Bond wie von einer wirklich existierenden Person.
Mit 11 las ich in der Lokalzeitung zumindest schon den Sport- und den Kinoteil. Und da stand, dass die „Kombination aus Sex, Gewalt und Alkohol und – in Intervallen – gutem Essen und schöner Kleidung“ die Faszination der James-Bond-Reihe ausmache.
Blödsinn. Nichts von alledem interessierte mich damals. Aber trotzdem interessierte mich James Bond.
Warum? Er konnte mit den Besten und mit den Schlechtesten umgehen.
Das eigene Erscheinungsbild über James Bond zu stülpen war somit für den nächsten Schulball ebenso nützlich wie für die nächste Straßenrauferei. Tony Manero (John Travoltas Rolle in „Saturday Night Fever“) hätte nur für das Eine getaugt; Superman nur für das Andere. James Bond aber brachte mühelos Kraft und Eleganz, Waffe und Abendanzug, Kampf und Kultur zusammen – kompetent und präsent in jeder Situation. Viril und fragil gleichermaßen.
Oder, wie der Stern zum „Skyfall“-Start am 1. November 2012 schrieb: „Hier treffen geniale Charakterrolle und schreiendes Klischee aufeinander, diffuse Andeutung und Facebook-Party, größtes Drama und Schenkelklopfer, düstere Realität und glitzerndes Märchen. Entweder-Oder war gestern. Wie unser reales Leben hat Skyfall alles zu bieten.“ Nie war man mehr in einem Bond-Film.
Der erste, der sein wollte wie James Bond, war übrigens niemand anderes als sein literarischer Schöpfer, der englische Schriftsteller Ian Lancaster Fleming. Am 28. Mai 2013 wäre Fleming 105 Jahre alt geworden – und es könnte kaum einen besseren Anlass für unseren „Bond-Appeal“ geben als dieses krumme Jubiläum.
Denn dass der Ex-Börsenmakler, Ex-Diplomat und Ex-Journalist sich keinen Superhelden, Sternenkrieger oder Geisterjäger ausdachte, sondern den Glamour-Agenten des britischen Geheimdienstes, hatte seinen guten Grund: Die James-Bond-Romane – das war Flemings Ersatzleben.
Er selbst hatte es nur zu einem bescheidenen Intermezzo beim Marine-Nachrichtendienst während des Zweiten Weltkriegs gebracht. Seine hochfliegenden Pläne, Hitler von einem Spezialkommando ermorden zu lassen oder dessen Adjutant Martin Bormann zu entführen, sorgten bei Flemings Vorgesetzten eher für milde Belustigung. Zum Professional avancierte der zweitrangige Geheimdienstmann erst zuhause am Schreibtisch - stets darauf bedacht, dass in seinen Geschichten sich Held und Verfasser decken. Wir werden in den folgenden Kapiteln noch öfter darauf zurückkommen.
Und weil James Bond der Aufhänger für die Träume und Phantasien eines oft genug vom Missgeschick verfolgten ehemaligen Spions ist, balanciert die Roman- und Filmfigur auf einem Gerüst des Plausiblen oder zumindest nicht völlig Unmöglichen. „Die Summe von Bonds Talenten mag unglaublich erscheinen“, räsoniert der Anglistik-Professor und Schriftsteller Kingsley Amis in seiner Agenten-Hommage „Geheimakte 007“. „Doch wenn dem Leser jedes einzeln vorgestellt wird, erscheint es zumutbar und möglich.“
Genau darum geht in diesem Buch.
Keine der Eigenschaften und Attribute, die Fleming seinem Superagenten zuschreibt, ist willkürlich oder rein als Beiwerk gewählt, nicht einmal die berühmte Redewendung „Geschüttelt, nicht gerührt“. Und deshalb ist es sowohl möglich wie auch produktiv und spaßbringend, den „Bond-Appeal“ systematisch aufzuschlüsseln.
Wenn sich die Existenz einer bekannten Figur von Büchern und Filmen löst und ihr ein realer Status gewährt wird, begründet das ein Phänomen ganz besonderer Art. Man könnte sich dem kulturhistorisch nähern. Oder philosophisch. Oder es unter psychologischen Gesichtspunkten betrachten.
Wir können aber auch einsteigen in das imaginäre Spiel und unseren individuellen „Bond-Appeal“ entdecken und von der Leine lassen. Frei nach dem Motto, das ein kluger Filmkritiker zum 50-jährigen Jubiläum der Filmreihe anno 2012 ausgab: „Ein Mann darf hart und wild sein, aber er sollte sich bewusst sein, warum er es ist – und sich seinen Traumata stellen. Darin besteht wohl der Mut moderner Männlichkeit.“
Kommen Sie mit. Es lohnt sich.
Wie James Bond sein – das setzt zuallererst einmal voraus, dass wir wissen, wie James Bond ist. Und wer er ist.
Obwohl das ohnehin jeder glaubt genau sagen zu können.
James Bond – das ist glamouröses Leben, sind erotische Abenteuer, herumreisen und die Welt retten.
Er besitzt die Lizenz zum Töten, fährt schnelle Autos und hält sich selten an die Verkehrsregeln. Er hatte schon Sex im Weltall und mit Frauen, die „Honey“, „Pussy“ oder „May Day“ heißen und aussehen wir Ursula Andress oder Kim Basinger.
Hin und wieder lässt er dabei ungefragt sein schwarz eloxiertes Ronson-Feuerzeug aufspringen, zündet sich eine speziell für ihn gefertigte Morland-Zigarette mit drei goldenen Ringen an und sagt den Satz, den er seit 1962 perfekt beherrscht: „Mein Name ist Bond – James Bond.“
Wunderbar.
„Er ist die Verkörperung männlich-brutaler Schönheit schlechthin“, schreibt eine Filmzeitschrift, „die Inkarnation all dessen, wovon der kleine Mann träumt: Er fährt den Vier-Liter-Bentley mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der er ganze Schiffe in die Luft sprengt, er handhabt den Steuerknüppel des Sikorsy-Hubschraubers ebenso gekonnt wie die Knöpfe am Schaltbrett einer Raketenabschussbasis bei Dover.
Wenn er nicht gerade mit einer Superschönen bei leiser Musik, Wodka-Martini und Mondschein diniert, steuert er eine Rennyacht, verführt die Gegenagentin und gewinnt Unsummen am Roulettetisch. Zwischendurch putzt er mit der Besonnenheit eines Gentleman, dem keine Geheimnisse distinguierter Lebensart fremd sind, erst sich und dann seine Beretta.“
Muss man noch mehr sagen?
Anscheinend nicht, denn es sind allenfalls Variationen dieses immergleichen Themas, welche uns auf der Suche nach der Person hinter dem Mythos anwehen:
James Bond – das sei eine Art Rambo für Akademiker: „Bond ist so erfolgreich, weil er ständig an Instinkte appelliert, die wir am liebsten angesprochen fühlen, und uns dabei die Illusion lässt, es wären nicht die niedersten.“
Oder:
James Bond – das sei die universale Männerphantasie für kleine Jungs: „Er kapert sich in St. Petersburg einen russischen Panzer, fährt damit durch die belebten Straßen der russischen Metropole und legt die sich ihm in den Weg stellenden historischen Bauten in Trümmer … Fällt sein Auto aus Versehen ins Meer, verwandelt er es in ein U-Boot. Oder in ein Hovercraft, das sich bei der nächsten Verfolgungsjagd als Hubschrauber entpuppt.“
Sicher, James Bond kann alles, darf alles, prügelt sich an den schönsten Ferienorten der Welt und hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen.
„Er musste mal raus“, kalauert er zum Beispiel, nachdem der Bösewicht durch die geplatzte Scheibe aus dem Flugzeug gesaugt wurde. Und dafür lieben ihn Männer.
Und natürlich die Frauen.
Die treueste von ihnen war Miss Moneypenny, die Sekretärin seines Auftraggebers „M“. Sie war über 40 Jahre lang heimlich in Bond verliebt, und jedes Mal, wenn er in ihr Büro kam, warf er seinen Hut von weitem auf den Haken. Er traf immer, und Moneypenny verschränkte dann ihre Hände vor dem Herzen und seufzte: „Ooohh James …“
Zu ihrem Leidwesen jedoch war Liebe im Büro nie ein Thema für Bond. Eher schon Liebe in einem U-Boot. Oder an Bord eines Space-Shuttles, das die Erde umrundet. Moneypenny versprach er stets nur intimen Trost für die Zeit nach seiner Rückkehr vom jeweiligen Auftrag.
Selbst Neider und Miesmacher bescheinigen Bond, er sei ein „globales Kulturphänomen von außergewöhnlicher Langlebigkeit“ – und bekritteln bemüht seine Bindungslosigkeit und seinen Hedonismus.
Der Nonstop-Held habe auf Anhieb „nicht wirklich sympathische Züge“, doziert etwa der Psychologe Michael Baumgartner von der Universität Vancouver: „Einsam, ohne persönliche Geschichte, ohne Familie und dauerhafte Beziehungen lernt er seine kurzfristigen Partnerinnen in Durchgangsstationen wie Hotels, Kasinos und Bars kennen.“
Obendrein umgebe sich der legendäre Spion mit dubiosen Luxusgegenständen wie Alkohol, Zigaretten, teuren Uhren und spektakulären Autos.
Der kanadische Seelenforscher meint, im Verlaufe eines typischen James-Band-Abenteuers jeglichen Realismus schwinden zu sehen zugunsten eines „völlig fiktiven Universums“. Eben dies sei der Schlüssel zum Erfolg des heroischen Kosmopolits.
Falsch, Dr. Baumgartner.
Denn wie jeder guter Agent (und jeder echte Mythos) wird auch James Bond desto unsichtbarer, je mehr ihn alle sichtbar machen wollen.
Denn der Spitzenmann im Dienst Ihrer Majestät hat eine persönliche Geschichte – wenn auch nur in den Geheimarchiven des britischen Secret Service. Dort hält man James Bonds Lebenslauf unter Verschluss.
Ein Blick in diese Akten fördert zutage, dass James Bond in Deutschland, in Wattenscheid, geboren wurde und der Sohn eines schottischen Waffenhändlers namens Andrew Bond aus Glencoe und der Schweizerin Monique Delacroix aus dem Kanton Waadt ist, aufgewachsen im Herrenhaus „Skyfall“ in Schottland.
Als er elf Jahre alt war, verunglückten seine Eltern bei einer Bergtour in der Nähe von Chamonix. Nach dem Tod seiner Eltern kümmerte sich seine Tante, Chamaine Bond aus dem kleinen Ort Pett Bottom nahe Kent im englischen Canterbury, um James und schickte ihn auf die Eliteschule Eton.
Bereits nach zwei Semestern wurde Miss Bond gebeten, ihn vom Internat zu nehmen. James soll angeblich ein Dienstmädchen belästigt haben. Es gelang ihr, ihn nach Fettes, der alten Schule seines Vaters, überschreiben zu lassen. Die Atmosphäre dort galt als calvinistisch und die schulischen wie sportlichen Anforderungen als sehr streng.
Mit 19 Jahren trat Bond in eine Abteilung des britischen Verteidigungsministeriums ein, wo er zum führenden Beamten im Rang eines Commanders aufstieg und jetzt die Geheimnummer 007 trägt.
Nach dem Ende des Kalten Krieges kämpfte Bond zumeist gegen frei vagabundierendes Militärpotenzial in ideologiefreien Händen. Und gegen multinationale Konzerne beziehungsweise global operierende Privatorganisationen, die den Weltuntergang auf eigene Rechnung planen, wie etwa das Gangstersyndikat „Spectre“ oder das Imperium des steinreichen Einzelgängers Hugo Drax.
Seine Gegner sind immer wieder Giganten der Wirtschaft oder der Hochfinanz. Zu Recht vermutet 007-Chef „M“ hinter deren respektabler Fassade Machenschaften, die ganz und gar nicht darauf ausgerichtet sind, neue Arbeitsplätze zu schaffen oder Wirtschaftsstandorte zu sichern.
Ohne hier die Details der Bond-Biografie an die Öffentlichkeit zu tragen, offenbart die Akte 007 doch eher einen desillusionierten Menschen mit Tiefgang als den „wild gewordenen Kleinbürger“, zu dem manche Kulturkritiker und Feuilletonisten den Doppelnull-Agenten herabwürdigen wollen. Und es liegt an uns, die Brüche seiner Persönlichkeit und die destruktiven Züge der Welt um ihn herum wahrzunehmen. Oder uns mit dem glücklichen Ausgang der Geschichte zu beruhigen.
James Bond, das ist mitnichten die „Inkarnation kindlicher Omnipotenzträume“ (Der Spiegel) – sondern schlicht der beste Mann für das frühe 21. Jahrhundert.
„Gefragt ist nicht länger der bescheidene Handlanger, der seine Freizeit im Kreis der Familie verbringt. Die neue Konsumgesellschaft verlangt von ihren Mitgliedern andere Fähigkeiten als in früheren kapitalistischen Phasen: Statt Treue zum Arbeitsplatz ist nun Mobilität erforderlich, statt sklavischer Ausführung von Anordnungen braucht man jetzt den mitdenkenden Facharbeiter, und statt Bescheidenheit ist verschärfter Konsum gefragt“, analysiert das österreichische Magazin Evolver die dramatischen Veränderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte.
Was also nimmt es wunder, dass der individualistische, konsumfreudige Weltmann angesagt ist, der seine Bedürfnisse frei auslebt – und unser Phantasieleben stark beeinflusst. Mit anderen Worten: James Bond.
Auf gut Englisch heißt „bond“ soviel wie Band, Fessel, Kitt oder sonstiges Bindemittel. Und tatsächlich verbindet James Bond fester als Alleskleber seine Fans von Hongkong bis Hamburg und von New York bis Hammerfest in der Überzeugung, dass er der Mann ist, den jede Frau gerne kennen lernen möchte und der das Leben führt, dass jeder Mann gerne führen würde. Das Leben des „berühmtesten Geheimagenten“ der Welt.
Wer so einen Widerspruch aushält, hält noch eine Menge mehr aus.
Allein in der kurzen Eröffnungssequenz von „Der Hauch des Todes“ sieht man Bond von der Brücke eines Staudamms springen, mit bloßen Fäusten kämpfen, eine Giftgasfabrik erobern, mit der Maschinenpistole schießen, Motorrad fahren, über einen Abgrund springen und ein Flugzeug aus dem Sinkflug nach oben reißen.
„Soviel Stress, nur um die Welt zu retten, Jimbo?“, fragt ihn Jack Wade in „Der Morgen stirbt nie“. Bonds Antwort: „Ich habe leider keine Wahl, Wade.“
Wirklich nicht? Wieso nicht?
Was treibt Bond eigentlich an?
Schon so mancher von Bonds exotischen Gegenspielern hat den Kürzeren gezogen, weil er genau bei dieser Frage daneben lag.
Dr. No zum Beispiel, der einräumen muss: „Bedauerlicherweise habe ich Sie falsch eingeschätzt, Bond. Sie sind nur ein dummer Polizist.“
Nur ein dummer Polizist? Mag sein – wenn man darunter einen nüchternen Geheimdienstler versteht, der mit gepflegtem Größenwahn kein bisschen zu beeindrucken ist. „Weltherrschaft“, schnaubt Bond verächtlich. „Unsere Kliniken sind voll von Menschen, die glauben, sie wären Napoleon. Oder Gott. Immer wieder der alte Traum.“
Den er Dr. No flugs austreibt.
Auch der „Mann mit dem goldenen Colt“ irrt sich in Bond: „Kommen Sie, kommen Sie, Mr. Bond. Sie enttäuschen mich“, höhnt Scaramanga. „Ihnen gibt es doch genauso viel Befriedigung zu töten wie mir. Geben Sie es zu.“
Doch alles, was Bond zugibt, ist, dass „es eine Befriedigung wäre, Sie zu töten“.
Was er schließlich auch tut.
Den Tod eines Gegners indes als krawallige Heldentat (oder, wie Scaramanga, als Duell) zu inszenieren, käme Bond nie in den Sinn.
„Töten gehörte zu seinem Beruf“, lesen wir im Roman „Goldfinger“ über Bond. „Er hatte es nie gemocht, doch wenn es sein musste, tat er es, so gut er konnte – und dachte nicht mehr daran. Als Geheimagent mit der seltenen 00-Anfangsnummer – Secret-Service-Tötungslizenz – hatte er den Tod so kühl zu nehmen wie ein Chirurg.“
Sind das Killer-Manieren?
Gewiss nicht. Ebenso wenig ist davon in der literarischen Vorlage zu „James Bond 007 jagt Dr. No“ zu spüren, wo es heißt: „Bond zog den Revolver aus dem Hosenbund. Er überzeugte sich davon, dass alle sechs Kammern der Trommel geladen waren. Bond wusste, dass ihm dieses kaltblütige Töten völlig zuwider sein würde, aber es hatte keinen Sinn, sein Gewissen erleichtern zu wollen. Hier ging es um Töten oder getötet werden.“
Und das immer wieder aufs Neue.
Denn James Bond ist kein Spion, der arglose Ministerialsekretärinnen aushorcht.
Er ist ein Agent, der die Hintermänner der internationalen Schwerstkriminalität verfolgt und ganze Organisationen zerschlägt – ein „Großwildjäger im Reich des politischen Feindes und des Verbrechens, der die zur Strecke bringt, die unbarmherzig und umfassend Gewalt auf jene ausüben, die sich ihr nicht entziehen können“, schreibt der Kulturwissenschaftler Hans-Otto Hügel.
Bond fügt sich den wechselnden Ansprüchen seines Jobs, er akzeptiert auch ungeliebte Anforderungen und Aufträge um ihrer höheren Bedeutung willen. „Ich wurde verraten“, erklärt Bond in „Stirb an einem anderen Tag“ seine mehrmonatige Gefangenschaft in Nordkorea. „Das war alles. Das nennt man Berufsrisiko.“
Ein „infantiler Hanswurst“, zu dem Kritiker Bond immer wieder machen wollen, redet anders daher.
Bond ist auch kein gefühlskalter Rambo, sondern ein gefühlskontrollierter Profi. Was ihn bei der Stange hält, sind nicht Medaillen, Publicity und Ritterschlag; seine Triebfeder scheinen in erster Linie Pflichtbewusstsein, Ergebenheit gegenüber „M“ und Vertrauen in dessen Urteil, Hartnäckigkeit und Patriotismus zu sein (obwohl er wahrscheinlich alles über Charles und Diana gelesen hat).
Und er glaubt natürlich an die westliche Kultur und Lebensart.
Dass er dabei zwischen Charmeur und Haudegen und agiert, liegt in der Natur der Sache. Der persönliche Stil, den Bond mit Männlichkeit und Ironie kultiviert, hebt ihn heraus aus der namenlosen Welt der Geheimdienste, in der er ansonsten bloß eine Nummer wäre.
Andererseits ist Bond stets froh, „endlich losschlagen zu können“, lesen wir beispielsweise in „Dr. No“. „Er gestand sich ein, dass ihn dieses Abenteuer erregte. Es hatte für ihn genau die richtigen Zutaten: körperliche Anstrengung, Geheimnisse und einen erbarmungslosen Gegner.“
Bonds beständiges Kreisen um die Themen Tod, Freiheit, Verantwortung und Handeln legt eine gewisse geistige Nähe zum Existenzialismus nahe – was sich auch in Bonds Replik „Ich habe leider keine Wahl, Wade“ andeutet.
In der Buchversion von „Liebesgrüße aus Moskau“ erfahren wir noch etwas mehr über Bonds Lebensphilosophie. Dort sinniert unser Agent: „Man musste seinem Schicksal folgen und durfte froh sein, dass man kein Gebrauchtwarenhändler war oder Journalist eines Revolverblattes oder ein Krüppel – oder tot.“
Apropos Tod: „ „Wie schaffst Du es, zu überleben?“ will Elektra King in „Die Welt ist nicht genug“ von Bond wissen.
Seine Antwort: „Ich labe mich an Anmut und Schönheit.“
Ist das Hedonismus, wie Psychologe Baumgartner meint?
Nicht im Sinne einer nur an materiellen Genüssen orientierten, egoistischen Lebenseinstellung.
Den Romanen von Ian Fleming können wir – anders als den Filmen – eine nahezu durchgängige Biografie unseren Agenten entnehmen. Als sehr aufschlussreich erweist sich in „Feuerball“ ein medizinischer Befund, der Bond unter anderem seinen Alkohol- und Tabakkonsum ankreidet.
Der entscheidende Satz darin ist: „Der Beamte ist nicht empfänglich für Vorhaltungen, wonach Zügellosigkeit die in seinem Beruf unumgängliche Spannung nicht lindern kann und höchstens auf Rauschzustände hinausläuft, die seiner Kondition schaden.“
Kann man es dem Geheimdienstmann 007 ernsthaft verdenken, dass er bei seinem entsagungsreichen und aufopferungsvollen Dienst für solche Vorhaltungen nicht gerade empfänglich ist?
Im gleichen Buch erklärt Bond Miss Moneypenny, warum er eigentlich raucht und trinkt: „Ich sterbe einfach lieber am Suff als am Durst. Und wegen der Zigaretten – das ist nur, weil ich mit meinen Händen nichts anzufangen weiß.“
Man muss gewiss nicht so weit gehen wie die Vertreter des so genannten Psychologischen Hedonismus, die davon ausgehen, dass alle Menschen grundsätzlich bestrebt sind, unsere Lust beziehungsweise Freude zu maximieren und dass die Aussicht auf Lust (oder die auf Vermeidung von Unlust) überhaupt das Einzige ist, was uns zum Handeln motivieren kann. Aber wie spricht Bond in „Liebesgrüße aus Moskau“ so weise: „Wen die Götter vernichten wollen, den liefern sie zuerst der Langeweile aus.“
Nichtsdestotrotz: Alkohol, das ist eine von zwei Schwächen Bonds, die sein Dossier beim KGB penibel auflistet. „Alkohol, doch nicht im Übermaß“, lesen wir in „Liebesgrüße aus Moskau“.
Und: Frauen.
In der Tat wird Bond recht häufig aus einem – dadurch zum Coitus interruptus degradierten – Akt gerissen und zu seinem nächsten Auftrag gerufen. Ist das amoralisch, sexistisch?
Nein, es bedeutet, dass unser Agent, anders als etwa der Rationalist Sherlock Holmes, ein Privatleben hat. Und bis auf wenige Ausnahmen spielt er weder den Pascha noch den Frauenfeind, sondern gibt sich gegenüber den Bondgirls als Beschützer.
Und, nicht zu vergessen: Bond ist empfindsamer Witwer.
In „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ ehelicht er die Contessa Teresa Di Vicenzo. Zwei Stunden nach der Hochzeit wird Tracy von Blofeld ermordet. Und mit ihr stirbt Bonds Traum, der sich als „das beste Hochzeitsgeschenk von allen“ gewünscht hatte: „eine Zukunft“.
Man liebt nur zweimal?
Stimmt genau. In „Casino Royale“ ist es dann Vesper Lynd, für die Bond zweifellos tiefe und aufrichtige Gefühle entwickelt.
Der Roman geht hier noch weiter als der Film. Dort heißt es, Bond sei nach ihrer ersten Liebesnacht mit „übervollem Herzen“ auf sein Zimmer gegangen.
Und in dem später erschienenen „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ erfahren wir, dass Bond regelmäßig Vespers Grab in Royale-Les-Eaux besucht: „Die Tragödie, die er hier erlebt hatte, zog ihn jedes Jahr zurück. Zum Casino und zu dem kleinen Friedhof mit dem schlichten Marmorkreuz: Vesper Lynd, R.I.P.“
Was also soll man sagen, wenn ein Kritiker über Bonds Frauenverschleiß lästert: „Mädchen aus allen Kontinenten, ob blond, ob braun. Rassenvorurteile kennt er, ganz aufgeklärter Playboy-Leser, nicht.“
Die richtige Antwort gibt der englische Literaturwissenschaftler und Sciencefiction-Autor Kingsley Amis in seiner Abhandlung „Geheimakte 007“:
„Ich glaube, in vielen Fällen nimmt der Kritiker von Vorneherein einem Menschen wie Bond den Erfolg bei Frauen einfach übel … Dabei fühlen sich Frauen von ihm angezogen, weil er sie mag und nett zu behandeln weiß.
Bond hat natürlich weitere Vorzüge. Frauen ziehen gut aussehende Männer hässlichen vor, sie haben für mutige Männer mehr übrig als für feige. Dagegen kann man anscheinend nichts tun. Eine ganze Reihe von uns jedoch könnte sich an Bond eine Scheibe abschneiden. Im Gegensatz zu vielen Helden besitzt Bond ein ausgeglichenes und umgängliches Naturell und ist nicht von Launen abhängig. Das gefällt Frauen an einem Mann.
Und, wie schon Tatiana Romanova in ,Liebesgrüße aus Moskau’ sofort bemerkte, Bond sieht sehr sauber aus.“
An Bond eine Scheibe abschneiden.
Genau das ist es, worum es in „Der Bond-Appeal“ geht.
James Bond entstammt nicht dem Märchenpersonal. Er ist kein strahlender Ritter und kein Hexer.
Bond ist ein Gentleman-Abenteurer, der sich auf einer Stehparty ebenso behaupten kann wie im knallharten Fight mit Auftragsmördern. Und seine Erlebnisse sind weder „die Antwort auf den Erlebnisfrust seiner Zeitgenossen“ noch „glatt und leer wie die Hochglanzfotos in Herrenmagazinen“, auch wenn Kulturpessimisten das hineindeuten wollen.
Nein.
James Bond zeigt uns, wie wir in den allermeisten Situationen bestehen können.
Auch wenn er am seidenen Faden hängt beziehungsweise an seinem Schnürsenkel, wie in „In tödlicher Mission“.
Bond ist zugleich Herr der Lage und Mann von Welt, kann sich immer angemessen verhalten und entwickelt auch auf die Schnelle verblüffende Strategien. Es ist in erster Linie diese psychische Grundausstattung, die ihn unverwundbar macht. „Gleichzeitig mit Handfeuerwaffe und Psycho-Ballast zu hantieren, dafür braucht es Lebensbildung“, schrieb Der Spiegel über das 23. Bond-Abenteuer: „Was James Bond in Skyfall an körperlichen und seelischen Strapazen absolvieren muss, ist nichts für einen jungen, abgeklärten Dandy, sondern für einen gereiften Romantiker.“
Stimmt.
Klar, die wenigsten von uns kommen je in die Verlegenheit, eine Atombombe entschärfen zu müssen. Oder werden ohne Fallschirm aus einem Flugzeug geworfen.
Dennoch sind wir alle ein bisschen Bond.
Überleben wir nicht auch Tag für Tag im Job?
Kämpfen wir nicht auch stets aufs Neue um das Herz der oder des Liebsten?
Sind wir nicht auch selbstbewusst und stilvoll, schlagfertig und wagemutig, realitätsorientiert und auf das Machbare hin ausgerichtet?
In diesem Kapitel ging es um den biografisch-psychologischen Hintergrund der Lifestyle-Ikone James Bond, soweit wir diesen erhellen können.
Auf den nächsten Seiten beleuchten wir Bonds äußere Erscheinung, seinen persönlichen Stil und widmen uns verschiedenen seiner speziellen Fähigkeiten.
Denn die Welt ist ernster geworden, wir brauchen wahre Helden.
Sie zum Beispiel!
Das Lieblingsgetränk von James Bond?
„Na klar, der Martini! Geschüttelt, nicht gerührt!“ werden Sie sagen.
Und in der Tat ist der Martini zu Bonds Markenzeichen geworden. Allerdings trinkt er in den Filmen und Romanen mitnichten am häufigsten den bekannten Cocktail. Ganz vorne in seiner Gunst liegt nämlich: der Champagner.
Ganze 35-mal greift Bond in den bislang 23 Filmen zur Champagnerflöte und nur 22-mal zum Martiniglas. In den ersten zwei Bond-Filmen mit Roger Moore kommt der Martini sogar überhaupt nicht vor. Wahrscheinlich, weil Moore sich von seinem Vorgänger Connery absetzen wollte.
Erst in „Der Spion, der mich liebte“ hören wir wieder den Klassiker, als Bond und die Sowjet-Agentin Anja Amasova („Triple X“) einander beschnuppern:
„Möchten Sie etwas trinken, Major Amasova, oder darf ich Sie Triple X nennen?“
„Sie sind gut informiert.“
„Informationen verlängern das Leben. Die Dame möchte einen Baccardi on the rocks.“
„Und für den Gentleman einen Wodka Martini, geschüttelt, nicht gerührt.“
In „Leben und sterben lassen“ dagegen gibt Bond bloß Bestellungen à la „Bourbon und Wasser bitte“ auf und plaudert in „Der Mann mit dem goldenen Colt“ zum Beispiel über „34er Mouton“. In „Ein Quantum Trost“ scheint Bond sogar herzlich egal zu sein, was er trinkt, solange es ihn betrunken macht. Das setzt sich nahtlos in „Skyfall“ fort, wo aufmerksame Beobachter lediglich einen unspezifischen, aber „gesteigerten Alkohol- und Drogenkonsum“ des „seelisch labil gewordenen“ Agenten konstatieren (Zit. nach Wikipedia).
Warum identifizieren wir Bond dann so sehr mit dem Martini?
Dafür gibt es mehrere Gründe.
Der allererste Bond-Film war „James Bond 007 jagt Dr. No“. In diesem Streifen wird bei der Konfrontation Bonds mit seinem Gegenspieler Martini gereicht. Wäre zum Beispiel „Goldfinger“ der erste Bond-Film gewesen, würden wir heute möglicherweise Kentucky Bourbon als den typischen Bond-Cocktail ansehen.
Außerdem betrieb die Firma Smirnoff in „James Bond 007 jagt Dr. No“ und rund um den Film ein aggressives Marketing für ihren Wodka. In der Frühphase des Kalten Krieges war alles Russische verpönt; mit dem westlichen Wohlstand der 1960er-Jahre lockerten sich jedoch diese Vorbehalte und Bond konnte seine Weltläufigkeit dadurch ausdrücken, dass er seinen Martini mit Wodka nahm.
Das Statement „Geschüttelt, nicht gerührt“ bringt mithin nicht nur zum Ausdruck, dass der Superagent Ihrer Majestät Stil hat und einen individuellen Lieblingscocktail – sondern dass er auch weiß, wie dieser zubereitet wird und er diesbezüglich dem Barkeeper detaillierte Order geben kann.
Vor den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts (also bevor James Bond das Licht der Leinwand erblickt hatte) war Wodka in Westeuropa und den USA erstaunlich unbeliebt. 1939 musste ein eingewanderter Ukrainer die Destillerie „Smirnoff“ in Connecticut an die „Heublein Company verkaufen, weil niemand seinen Wodka trinken wollte. Heute ist die Marke „Smirnoff“ weltberühmt und das Unternehmen einer der größten Wodkafabrikanten rund um den Globus – und entwickelt unter anderem Cocktails parallel zum jeweils aktuellen James-Bond-Film.
1952 veröffentliche Ian Fleming, zweitrangiger Journalist und Ex-Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes, seinen ersten Roman. Sein Held trug zwar den „langweiligsten Namen, den ich je gehört habe“ (Fleming über James Bond), war aber der Geheimagent, der Fleming selbst gerne gewesen wäre: ausgestattet mit vielen Frauen, vielen Feinen, vielen Drinks. Und immer Sieger.
Kein Wunder also, dass der Schöpfer sein literarisches Geschöpf nach seinem eigenen Vorlieben schuf. Und dazu gehörte der Kleidungsstil ebenso wie der Wodka-Martini. Flemings Vater war Angehöriger des schottischen Geldadels, der Bond-Erfinder selbst fühlte sich zum Diplomaten geboren und galt als Kenner der gehobenen Lebensart.
Während des Zweiten Weltkriegs kommentierte er sogar äußerst abfällig die Zubereitung der Cocktails in seiner Londoner Lieblingsbar, der „American Bar“ im Hotel Savoy: „Wenn ich Ihnen sage, dass man im Savoy Hotel die Martinis jetzt aus Badewannen-Gin und Sherry mixt, dann wissen Sie, dass wir uns rapide zum Sumpfleben zurückentwickeln, und schon diese Übergangsphase ist schlichtweg ungenießbar.“
Seinem Superagenten schrieb Fleming später die übermenschliche Fähigkeit auf den Leib, Wodka aus Kartoffeln von solchem aus Getreide unterscheiden zu können. Schon im ersten Buch, „Casino Royale“, sagt Bond zu einem Barmann, der ihm gerade einen Drink gemixt hat: „Ausgezeichnet. Aber wenn Sie dazu einen Wodka nehmen, der nicht aus Kartoffeln, sondern aus Getreide hergestellt ist, werden Sie merken, dass er noch besser schmeckt.“
Im Film „Diamantenfieber“ erkennt Bond gar den „Jahrgang“ des Sherrys am Geschmack. Als „M“ ihn darauf aufmerksam macht, dass es bei Sherry keinen Jahrgang gebe, antwortet Bond mit ironischem Snobismus: „Ich wollte nur den Jahrgang der Weine in Erinnerung bringen, aus denen dieser Cherry gebrannt wurde.“
Da entfährt „M“ nur noch ein sprachloses „Oh!“
Ian Fleming liebte es, sich als Ausbund an Kultiviertheit, Wissen und Charme zu gerieren. Und er wählte den Wodka Martini als ein Symbol für Lebensstil.
Je mehr Bände Fleming auf seiner goldenen Schreibmaschine (die er sich in London anfertigen ließ) herunter schrieb, desto ähnlicher versuchte er seinem selbst geschaffenen Idol zu werden. Wie Bond rauchte er 60 Zigaretten am Tag und putzte seinen Wodka Martini „geschüttelt, nicht gerührt“ weg.
Das Rezept für diesen Drink ist kein Geheimnis. In „Casino Royal“, schreibt der literarische Vater des Superspions:
„Einen trockenen Martini“, sagte Bond. „In einem tiefen Champagnerglas. Drei Teile Gordons (englischer Gin; Anm. d. Autors), einen Teil Wodka und einen halben Teil Kina Lillet (französischer Wermut; Anm. d. Autors). Schütteln Sie das Ganze, bis es eiskalt ist, und garnieren Sie es mit einer großen, dünnen Scheibe Zitronenschale. Haben Sie das?“
Als Fleming am 12. August 1964 starb, waren seine ersten beiden Bond-Bücher verfilmt worden und Wodka Martini in aller Munde. Hätte der gescheiterte Karrierediplomat und erfolgreichste Schriftsteller der 50er-Jahre noch Daniel Craig als 007 erlebt – er wäre fraglos begeistert gewesen. Denn Craig ist statistisch betrachtet der trinkfesteste Bond. Er nimmt in „Casino Royale“ zwölf alkoholische Getränke zu sich, mit sieben Drinks ist George Lazenby („Im Geheimdienst Ihrer Majestät“) guter Zweiter.
Abgeschlagen liegt Roger Moore mit durchschnittlich vier Drinks pro Film an letzter Stelle, Brosnan, Connery und Dalton begnügen sich mit jeweils fünf. Was für einen Zeitraum von knapp zwei Stunden (Filmlänge) aber auch so schlecht nicht ist.
Normalerweise indes trinkt man den Wodka-Martini-Mix gerührt. Warum also bei James Bond geschüttelt?
Man darf wohl davon ausgehen, dass Ian Fleming seinem Agenten diese Masche als eine Art persönliche Note auf den Leib geschrieben hat – ein so genannter Autorphraseologismus, der sich auch durch alle Bond-Filme zieht und unglaublich lässig klingt: „Einen Wodka Martini. Geschüttelt, nicht gerührt.“
Oder gibt es eine andere, möglicherweise fundiertere Erklärung?
Im Internet-Forum www.jamesbondfilme.de etwa lesen wir: „Das Schütteln des Martinis bringt zusätzlich Sauerstoff ins Glas und damit auch in den Körper, wo er bei der Beseitigung der so genannten Radikalen hilft. Diese ungesättigten Moleküle schwächen das Immunsystem und gelten als Ursache vorzeitigen Alterns.“
Wodka Martini als geheimer Jungbrunnen des smarten Weltenretters, während wir Normalos fade Vitaminpillen als Anti-Aging-Maßnahme einwerfen? Nette Idee, aber Unsinn – unter anderem deswegen, weil die Theorie von der Alterung durch freie Radikale erst 1956 formuliert wurde, und zwar von dem US-Mediziner Denham Harman von der Universität Nebraska.
Durchaus richtig an dieser Erklärung ist indes der Teil mit dem „zusätzlichen Sauerstoff“. Außerdem lässt Schütteln einen Drink stärker abkühlen. Ob und wie intensiv nun beides den Geschmack eines Cocktails beeinflusst oder nicht, darüber streiten sich die Kenner hingebungsvoll.
Ein amerikanischer Connaisseur beharrt im Web-Forum www.straightdope.com jedenfalls darauf, dass geschüttelte Martinis „erfrischender, schärfer und weniger ölig“ schmecken.
Zu einer so bedeutsamen Fragestellung äußert sich natürlich auch die Wissenschaft – beispielsweise der Physikprofessor Metin Tolan von der Uni Dortmund. Die Antwort, meint Tolan, liegt in der Verteilung der Moleküle in dem Longdrink: „Wenn der also gerührt wird, sind alle Moleküle gleich verteilt. Wenn er geschüttelt ist, dann sind die Moleküle, die für den Geschmack verantwortlich sind, ein kleines bisschen weiter an der Oberfläche.“
Und deswegen lautet Tolans These: „James Bond ist ein Genießer. Der kommt niemals, in keinem Film, dazu, seinen Martini wirklich auszutrinken. Er kann nur immer einen Schluck nehmen. Und dieser Schluck soll wenigstens gut schmecken.“
Eingedenk dieser widersprüchlichen Debatte liegt Daniel Craig also nicht ganz falsch, wenn er in „Casino Royale“ auf die Frage „Geschüttelt oder gerührt?“ mit einem gereizten „Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert?“ antwortet.
Denn im Grunde ist das Ganze eine Glaubenssache.
Im Shaker mit Eis geschüttelte Drinks werden schneller kalt – und nichts ist scheußlicher als ein warmer Drink. Andererseits schmelzen die Eiswürfel schneller und verwässern den Drink mehr – gerührte Getränke sind also stärker.
Es kann ihnen sogar passieren, dass Sie den Wodka Martini „on the rocks“ serviert bekommen, dass also der Barkeeper zuerst einige Eiswürfel in ein Glas gibt und das Getränk anschließend über die Eiswürfel (die „rocks“) schüttet. Dann sollten Sie aber schleunigst die Bar wechseln, denn der Mann weiß anscheinend nicht, was er tut.
Letztendlich entscheiden Sie selbst, wie Sie Ihren Martini bevorzugen.
Nur tun Sie sich selbst einen Gefallen: Bestellen Sie in einer anständigen Bar nicht mit dem geflügelten Bond-Zitat. Der Barkeeper hat den Gag schon hundertmal gehört und findet ihn längst nicht mehr komisch.
James Bond drückt mit dieser Redewendung aus, dass er stilsicher ist. Sie setzten sich damit dem Verdacht aus, dass Sie keinen eigenen Stil haben.
Wenn Sie ein Lieblingsrezept haben, sagen Sie dem Barkeeper einfach, wie die Zusammensetzung sein soll und ob Sie Ihr Getränk lieber sehr kalt (also geschüttelt) oder eher stark (also gerührt) mögen. Dann wird er (oder sie) wissen, dass jemand vor ihm steht, der sich auskennt, aber keine Mätzchen nötig hat – echter Bondstil eben. Wenn Sie keinen Lieblingsmartini haben, fragen Sie einfach, welcher in dieser Bar der beste ist.
Es ist immer ok, etwas Neues auszuprobieren. Hier die Rezepte dafür:
The Vesper (aus dem Roman „Casino Royale“, benannt nach der Bond-Geliebten Vesper Lynd):
– drei Teile Gordon’s Gin
– ein Teil Wodka (ein russischer Getreidebrand ist vorzuziehen)
– ein halber Teil Kina Lillet (oder Lillet Blanc)
Gut schütteln, bis alle Zutaten eiskalt sind. In einen tiefen Champagnerkelch füllen und eine große, dünne Scheibe Zitrone hinzufügen.
Im Roman und im Film „Casino Royale“ wird The Vesper mit Kina Lillet (ein französischer Wermut) zubereitet; heute werden Sie diese Zutat allerdings schwerlich finden und es ist fraglich, ob sie noch genießbar wäre. Die Produktion wurde nämlich von der Firma Lillet bereits 1938 eingestellt.
Viele Fans und Kritiker haben sich den Kopf darüber zerbrochen, warum Fleming Kina Lillet wählte. Etliche Barkeeper sind der Ansicht, der Bond-Autor habe ihn mit Lillet Blanc verwechselt, einem weißen Wermut, der nicht so herb schmeckt und den Gesamteindruck des Cocktails eher verbessert.
Andere wiederum versuchen, den literarisch überlieferten und somit „historisch korrekten“ Vesper dadurch herzustellen, dass sie dem Getränk noch ein wenig Chininpulver hinzufügen.
Sie können die Spirituosen natürlich auch von anderen Herstellern beziehen. Bleiben Sie aber besser bei der bewährten Qualität namhafter Markenfirmen. Sicher können Sie im Supermarkt den günstigen Wermut für zwei Euro kaufen – er wird Ihnen allerdings den schönen Cocktail verderben.
Für James Bond sind beim Wodka die Marken Absolut, Finlandia, Stolichnaya, Smirnoff (Red, Blue und Black Label) und Wolfschmidt verbürgt. Beim Gin bevorzugt er Gordon’s oder Beefeater. In den Romanen zumindest trinkt er auch Wermut von Cinzano oder den bekannten Martini bianco von Martini & Rossi.
Nicht alle diese Marken werden Sie im nächsten Supermarkt bekommen. Eventuell sollten Sie einen Spirituosenhändler oder die Spezialitätenabteilung eines großen Warenhauses aufsuchen. Das hat auch den Vorteil, dass Sie sich beraten lassen können und vielleicht den einen oder anderen Geheimtipp entdecken.
Americano (aus den Romanen „Casiona Royale“ und „Der Hauch des Todes“, übrigens der erste Drink, den Bond bei seinem ersten Abenteuer zu sich nimmt):
– 3 cl Campari
– 3 cl Cinzano Rosso
– Perrier (Denn teures Mineralwasser ist die billigste Methode, um einen einfachen Drink aufzuwerten.)
Geben Sie Eis in ein Rocks-Glas (dieses Glas wird oft für Whiskey on the rocks verwendet, daher der Name. Es ist niedrig und hat einen dicken Boden, um die Kälte zu halten). Geben Sie den Campari und den Cinzano hinzu, dann einen Schuß Mineralwasser. Mit einem großen Stück Zitronenschale garnieren
Old Fashioned (aus dem Roman „Leben und sterben lassen“):
– 5 cl Bourbon
– 1 TL Zucker oder 1 Zuckerwürfel
– 1 Schuß Wasser
– 2 Spritzer Angostura Bitter
– 1 Orangenscheibe
– 1 Maraschinokirsche
Verwirbeln Sie Zucker, Wasser und Bitter auf dem Boden eines Rocks-Glases. Geben Sie die Orangenschale und die Kirsche dazu. Füllen Sie das Glas mit Eis auf, geben Sie den Bourbon dazu und verrühren Sie alles.
Black Velvet (aus dem Roman „Diamantenfieber“):
– 1 Teil Guinness
– 1 Teil gekühlter Champagner (vorzugsweise Taittinger)