Rüdiger Safranski

Goethe

Kunstwerk des Lebens

Biographie

Carl Hanser Verlag

ISBN 978-3-446-24454-2

Alle Rechte vorbehalten

© Carl Hanser Verlag München 2013

2. E-Book-Version Oktober 2013

Satz: Greiner & Reichel, Köln

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Gisela Maria, wem denn sonst ...

Diese Begierde, die Pyramide meines Daseins, deren Basis

mir angegeben und gegründet ist, so hoch als möglich in

die Luft zu spitzen, überwiegt alles andre und läßt kaum

augenblickliches Vergessen zu. Ich darf mich nicht säumen,

ich bin schon weit in Jahren vor, und vielleicht bricht mich

das Schicksal in der Mitte, und der Babylonische Turm bleibt

stumpf unvollendet. Wenigstens soll man sagen es war kühn entworfen.

Goethe am Lavater,

etwa 20. September 1780

Inhalt

Vorbemerkung

Erstes Kapitel

Schwierige Geburt mit erfreulichen Folgen. Familienbande. Zwischen Pedant und Frohnatur. Die Schwester. Das freie Reichsstadtkind. Schreibübungen. Der Verseschmied und die erste Gretchen-Affäre. Erschüttertes Selbstbewußtsein. Den Ernstfall aufschieben. Den gemeinen Gegenständen eine poetische Seite abgewinnen.

Zweites Kapitel

Leipzig. Auf großem Fuß. Die großen Männer von gestern.
Die Geschichte mit Kätchen. Vorübungen für einen Briefroman. Behrisch. Therapie gegen die Eifersucht: »Die Laune des Verliebten«. Praktische Kunstübungen. Dresden. Im Bilde verschwinden. Zusammenbruch.

Drittes Kapitel

Nachklang aus Leipzig. »Die Mitschuldigen«. Krankheit.
Wege zur Religion. Versuch mit der Frömmigkeit. Zwei Mentoren:
Langer und Susanna von Klettenberg. Ohne Sündenbewußtsein.
Der fromme Magier. Das Krankenzimmer wird zum Labor.
Die Suche nach chemischen Offenbarungen.

Viertes Kapitel

Frömmigkeit und Kätchen verblassen. Straßburg. Hochgefühl.
Der Geist des Ortes. Das Münster als Mutprobe. »Von deutscher Baukunst«. Salzmann. Lersé. Die nachhaltige Begegnung mit Herder.
Die neuen Werte: Leben, Schöpferkraft, Individualität, Ausdruck.
Mit Herder Karten spielen.

Fünftes Kapitel

Jung-Stilling. Das Aperçu oder der Geistesblitz. Psychologie der Erweckung und des Schöpferischen. Friederike und der Liebesroman von Sesenheim. Nicht nach Paris. Shakespeare-Rede. Der verminderte Doktor.
Ende in Straßburg.

Sechstes Kapitel

Der Advokat. Juristische Streitsachen als Übung und Vorspiel zum »Götz von Berlichingen«. Götz als Western-Held. Faustrecht. Der souveräne Mensch gegen die Moderne. Der Schwester zuliebe durchhalten beim Werk. Der Autor als Selbsthelfer. Erste Reaktionen.

Siebtes Kapitel

Goethes Lebensstil: geschäftiger Müßiggang. Dichten ohne Profession. Johann Georg Schlosser. Der Kindsmordprozeß und die Gretchen-Tragödie im »Faust«. Johann Heinrich Merck. Bei den Empfindsamen in Darmstadt. Der Wanderer. Der Rezensent. Goethes frühe Ästhetik.
Eine Sommerliebe in Wetzlar.

Achtes Kapitel

Ein Porträt des jungen Goethe. Briefwechsel mit Kestners.
Der Selbstmord des Jerusalem. Der »Götz« erscheint. Der Geheimtip
wird zum Star. Hochgefühle. Prometheus. Poet oder Prophet?
Mahomet. Satirische Feldzüge gegen die falschen Propheten.

Neuntes Kapitel

»Dichterischen Gebrauch machen vom eigenen Leben«.
Wege zum »Werther«. Welche Stürme? Lebensekel.
Werthers Liebe und die Schicksale der Einbildungskraft. Was uns fehlt, wenn wir uns selbst fehlen. Werthers Wirkung.

Zehntes Kapitel

Cornelias Unglück. »Clavigo«, der Treulose. Lavater und Basedow. »Prophete rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitten«. Rheinfahrt im Sommer. Freundschaftsfeier. Friedrich Heinrich Jacobi. Einladung nach Weimar. Lili und Auguste, ein erotisches Spiegelkabinett. Die zwei Geschwindigkeiten. Reise in die Schweiz. Weimar, fast eine Flucht.

Zwischenbetrachtung: Die unerträgliche Leichtigkeit

Elftes Kapitel

Die Verwicklungen bei Hofe. Die Affäre mit Wieland.
Die erste Nähe mit Charlotte von Stein. Die Tollheiten am Anfang. Klopstocks Tadel und die Zurückweisung. Herders Berufung.

Zwölftes Kapitel

»Meine Schriftstellerei subordiniert sich dem Leben«.
Genie schützt nicht vor Lebensdilettantismus. Gegen das Literatentum.
Die Geschichte mit Lenz, dem Gescheiterten.

Dreizehntes Kapitel

Klinger, Kauffmann. ›Sturm und Drang‹ zu Besuch. Die Schutzbefohlenen. Verhaltenslehre. Pegasus und Amtsschimmel. »Wilhelm Meisters theatralische Sendung«, diktiert, nicht »hingewühlt«.
Dezember 1777: »Harzreise im Winter« und das Gottesurteil.

Vierzehntes Kapitel

Posse über das Erhabene: »Triumph der Empfindsamkeit«.
Selbstmord der Laßberg. In politischer Mission. Weimars Selbstbehauptung und Fürstenbund. In Berlin. »Regieren!« Das Gemischte und das Reine. Soldaten rekrutieren und »Iphigenie«. Der Tempelbezirk der Kunst.

Fünfzehntes Kapitel

Die Idee der Reinheit. Goethes Tao. Die Kreuzigung Woldemars. Kränkung Jacobis. Die zweite Schweizer Reise. Friederike und Lili: Zwei Bereinigungen. Die schöne Branconi und die Verwirrung: »Über allen Gipfeln ist Ruh«. Goethe und Lavater. Religion auf dem Prüfstand.

Sechzehntes Kapitel

Ruhe und Granit. Versöhnung mit Jacobi. Spinoza-Lektüre. Spinoza, Lessing, Jacobi und das »Prometheus«-Gedicht: »Zündkraut einer Explosion«. Naturalismus und Idealismus: Verhärtung oder Vereinigung. Jacobis Glaubensphilosophie und Goethes Naturkunde. Der Zwischenkieferknochen. Wiederherstellung der Freundschaft mit Herder.

Siebzehntes Kapitel

In Weimar bleiben? Schwierigkeiten der Doppelexistenz.
Entstehung des »Tasso«. Ämter ohne Werke. Krise. Die Gesamtausgabe:
ein Friedhof von Fragmenten? Goethe will sein Leben ändern.
Flucht nach Italien als Selbstprüfung. Die Risiken.
Heimlichkeiten des Aufbruchs.

Achtzehntes Kapitel

Die Italienreise. Inkognito und ohne Adresse. Erste Lockerungen.
Palladio. »Ich studiere mehr als daß ich genieße«. Rom. Iphigenie beendet. Unter Künstlern. Moritz. Neapel und Sizilien. Der Zauber der Phäaken. Zweiter Romaufenthalt. Egmont beendet. Faustina. Abschied von Rom.

Neunzehntes Kapitel

Zurück nach Weimar. Charlotte von Stein und Christiane Vulpius. Eroticon. »Römische Elegien«. Erste Begegnung mit Schiller.
Zusammen mit Moritz die Autonomie der Kunst neu begriffen.

Die Kunst und die anderen Lebensmächte. Noch einmal Tasso und Antonio. Familienglück im Jägerhaus.

Zwanzigstes Kapitel

Die Revolution – »dieses schrecklichste aller Ereignisse«.
Wider die allgemeine Politisierung. Goethes Lob der Beschränkung.
Im Krieg. Goethes neuer Realismus. Zurück in Weimar. Revolution
als Farce: »Der Bürgergeneral« und »Die Aufgeregten«.
Die Greuel von Mainz und »Reineke Fuchs«.

Einundzwanzigstes Kapitel

Goethe zieht seinen Kreis um sich. Liebe, Freundschaft, Wissenschaft und Kunst halten das Leben in Form. Fichte in Jena. Goethe nähert sich
der Philosophie. Der starke Anfang der Freundschaft mit Schiller:
das »glückliche Ereignis«. Der erste »Ideenwechsel«.

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Beiträge zu den »Horen«. Zwei Konzepte gegen den Ungeist der Zeit: Schillers ästhetische Erziehung und Goethes gesellige Bildung.
Der »Centaur«. Gemeinsame Feldzüge gegen den Literaturbetrieb: die »Xenien«. Schillers Geburtshilfe beim »Wilhelm Meister«.
Ein antiromantisches Werk? Das Ende der »Horen« ohne Knalleffekt.

Dreiundzwanzigstes Kapitel

»Herrmann und Dorothea«. Leben trotz Geschichte. Auf der Suche nach Grund und Boden. Schatzgräber. Der Balladensommer. Auf »Nebel-
wegen«. Arbeit am »Faust«. Reisevorbereitungen. Ein Autodafé. Eine Episode mit Hölderlin. Die dritte Schweizer Reise. Das Grauen vor der »empirischen Weltbreite« und seine Bewältigung.

Vierundzwanzigstes Kapitel

Poetische Quelle verstopft. Nachdenken über Gattungen: Drama und Epos.
»Propyläen«-Klassizismus. »Der Sammler und die Seinigen«. Gegen
Dilettantismus und falsche Wirklichkeitsnähe. Theaterreform. Weimarer
Dramaturgie. Übersetzung von Voltaires »Mahomet«: eine Wiedergutmachung. Atheismusskandal um Fichte. Zurück zu »Faust«.

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Unter Romantikern. Mit Schelling. Todkrank. Zurück ins Leben.
Eine Bilanz der revolutionären Epoche: »Die natürliche Tochter«. Parteiengezänk. Ärger mit Kotzebue. Verstimmung und Wiederherstellung der Freundschaft mit Schiller. Schillers Tod.

Zwischenbetrachtung: Amtsschimmel und Pegasus

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Trauerarbeiten nach Schillers Tod. Tändelei. Wieder Faust.
Das große Gespräch mit Heinrich Luden über »Faust«.
Die Katastrophe vom 14. Oktober 1806. Weimar geplündert und besetzt. Goethe in Angst und im Glück. Lebensveränderungen.
Begegnung mit Napoleon 1808.

Siebenundzwanzigstes Kapitel

»Pandora« oder Goethes Doppelmaske: tüchtiger Prometheus und träumender Epimetheus. Die Vollendung der »Farbenlehre«.
Von den Taten und Leiden des Lichtes. Gegen Newton. Lob der Anschaulichkeit. Natur als Lebensgefühl und als Forschungsobjekt. Begegnung mit Schopenhauer. Der Schüler, der gerne zum Lehrer wird.

Achtundzwanzigstes Kapitel

Erstes Kräftemessen mit Karoline Jagemann. Theaterstreit.
Arbeit an den »Wahlverwandtschaften«. Der Roman als »zweiter Teil des Farbenwesens«. Die Chemie der menschlichen Beziehungen. Wie frei ist die Liebe? »Das Bewußtsein ist keine hinlängliche Waffe«. Die innere Natur als Schicksal. Abgrenzung von den Romantikern. Metaphysik und Physik der Geschlechterliebe. Natur als Abgrund. Entsagung.

Neunundzwanzigstes Kapitel

Abschiede. Anna Amalia. Die Mutter. Anlaß zum Rückblick.
Die Arbeit an der Autobiographie beginnt. Selbstreflexion. Wieviel Wahrheit ist möglich, wieviel Dichtung ist nötig? Die erzählte Zeit und die Zeit des Erzählens. Erinnerungen ans alte Reich und die neuen Machtverhältnisse. Nachdenken über das Dämonische. Noch ein Abschied: der Tod Wielands. Gedanken über Unsterblichkeit.

Dreißigstes Kapitel

Große politische Ereignisse werfen ihre Schatten. Untergang Napoleons und fragwürdige Befreiung. Das »heilige Feuer« hüten. Tribut an den Zeitgeist. Hafis und die Patriarchenluft. »Der West-östliche Divan«.
Goethe und Marianne. Das lyrische Wechselspiel der Liebe.

Einunddreißigstes Kapitel

West-östlicher Divan: Lebensmacht der Poesie. Islam. Religion überhaupt. Poet oder Prophet. Was ist Geist? Glaube und Erfahrung. Die Anerkennung des Heiligen. Das Indirekte. Die Plotin-Kritik: der Geist in der Bedrängnis des Wirklichen. »Wilhelm Meisters Wanderjahre« als Probe aufs Exempel. »Die Sehnsucht verschwindet im Tun und Wirken«.
Prosa und Poesie im Streit. Warum eigentlich Entsagung?

Zweiunddreißigstes Kapitel

Erinnerungsarbeit. Wiederholte Spiegelung. Zwischen Wänden aus Papier. Der alte Goethe unter Menschen. Warum immer dasselbe denken?
Gegen den Zeitgeist, für die Karlsbader Beschlüsse. Dreimal Marienbad. Ulrike und die Elegie. Abschiede.

Dreiunddreißigstes Kapitel

Arbeit am Faust, lebenslänglich. »Faust« endlich fertig.
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle und wieder zurück.
»Ich werde sorgen, daß die Teile anmutig und unterhaltend sind und
etwas denken lassen.« Was sich dabei denken läßt.

Vierunddreißigstes Kapitel

Goethes Gehilfen. Eckermann und andere. Die Ausgabe letzter Hand.
Das Urheberrecht durchgesetzt. Zum letzten Mal Schiller.
Zelter: Kurze Geschichte einer langen Freundschaft. Abschiede: Frau von Stein, Karl August, der Sohn. Letzte Ausfahrt Ilmenau. Über allen Gipfeln ist Ruh. Gegen den »Dünenschutt der Stunden«. Sterben.

Schlußbetrachtung oder Werden der man ist

Chronik

Literatur

Nachweis der Zitate

Werkregister

Personenregister

Vorbemerkung

Goethe ist ein Ereignis in der Geschichte des deutschen Geistes – Nietzsche meinte, ein folgenloses. Doch Goethe war nicht folgenlos. Zwar hat die deutsche Geschichte seinetwegen keinen günstigeren Verlauf genommen, aber in anderer Hinsicht ist er überaus folgenreich, und zwar als Beispiel für ein gelungenes Leben, das geistigen Reichtum, schöpferische Kraft und Lebensklugheit in sich vereint. Ein spannungsreiches Leben, dem einiges in die Wiege gelegt war, das aber auch um sich kämpfen mußte, bedroht von inneren und äußeren Gefahren und Anfechtungen. Was immer wieder fasziniert, ist die individuelle Gestalt dieses Lebens. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Heute sind die Zeiten nicht günstig für die Entstehung von Individualität. Die Vernetzung aller mit allen ist die große Stunde des Konformismus. Goethe war mit dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben seiner Zeit aufs innigste verbunden, aber er verstand es, ein Einzelner zu bleiben. Er machte es sich zum Grundsatz, nur so viel Welt in sich aufzunehmen, wie er auch verarbeiten konnte. Worauf er nicht irgendwie produktiv antworten konnte, das ging ihn nichts an, mit anderen Worten: Er konnte auch wunderbar ignorieren. Selbstverständlich mußte auch er an vielem Anteil nehmen, das er sich lieber erspart hätte. Aber so weit es an ihm lag, wollte er den Umfang seines Lebenskreises selbst bestimmen.

Über den physiologischen Stoffwechsel wissen wir inzwischen einigermaßen Bescheid, was aber ein gelungener geistig-seelischer Stoffwechsel mit der Welt ist, das kann man am Beispiel Goethes lernen. Und auch, daß wir neben dem körperlichen auch ein geistig-seelisches Immunsystem benötigen. Man muß wissen, was man in sich hereinläßt und was nicht. Goethe wußte es, und das gehörte zu seiner Lebensklugheit.

Darum wirkt Goethe nicht nur mit seinen Werken, sondern auch mit seinem Leben anregend. Er war nicht nur ein großer Schriftsteller, sondern auch ein Meister des Lebens. Beides zusammen macht ihn für die Nachwelt unerschöpflich. Das ahnte er, auch wenn er in einem seiner letzten Briefe an Zelter schrieb, daß er ganz mit einer Epoche verwachsen sei, die nicht mehr wiederkehren werde. Dennoch, Goethe kann lebendiger und gegenwärtiger sein als manche Lebenden, mit denen man sonst zu tun hat.

Jede Generation hat die Chance, im Spiegel Goethes auch sich selbst und die eigene Zeit besser zu verstehen. Dieses Buch ist ein solcher Versuch, indem es Leben und Werk eines Jahrhundertgenies beschreibt und zugleich, an seinem Beispiel, die Möglichkeiten und Grenzen einer Lebenskunst erkunden will.

Ein junger Mann aus gutem Hause in Frankfurt am Main, studiert in Leipzig und Straßburg, ohne rechten Abschluß, wird am Ende doch Jurist, ist andauernd verliebt, ein Schwarm junger Mädchen und reiferer Frauen. Mit dem »Götz von Berlichingen« wird er in Deutschland berühmt, nach Erscheinen der »Leiden des jungen Werther« redet das literarische Europa von ihm: Napoleon wird behaupten, er habe den Roman siebenmal gelesen. Besucher strömen nach Frankfurt, um dort den schönen, beredten und genialischen jungen Mann zu sehen und zu hören. Eine Generation vor Lord Byron fühlt er sich als Liebling der Götter, und wie jener pflegt auch er poetischen Umgang mit seinem Teufel. Noch in Frankfurt beginnt er mit der lebenslangen Arbeit am »Faust«, diesem kanonischen Drama der Neuzeit. Nach der Genie-Zeit in Frankfurt wird Goethe des literarischen Lebens überdrüssig, riskiert den radikalen Bruch und zieht 1775 ins kleine Herzogtum Sachsen-Weimar, wo er, als Freund des Herzogs, zum Minister aufsteigt. Er dilettiert in Naturforschungen, flüchtet nach Italien, lebt in wilder Ehe – und bei alledem schreibt er die unvergeßlichsten Liebesgedichte, tritt in edlen Wettstreit mit dem Freund und Schriftstellerkollegen Schiller, schreibt Romane, macht Politik, pflegt Umgang mit den Großen aus Kunst und Wissenschaft. Bereits zu Lebzeiten wird Goethe eine Art Institution. Er wird sich selbst historisch, schreibt die – nach Augustins »Confessiones« und Jean-Jacques Rousseaus »Confessions« – für das alte Europa wohl bedeutendste Autobiographie, »Dichtung und Wahrheit«. Doch so steif und würdevoll er sich auch bisweilen gibt, so zeigt er sich in seinem Alterswerk auch als kühner und sardonischer Mephisto, der alle Konventionen sprengt.

Dabei blieb ihm stets bewußt, daß die literarischen Werke das eine sind, ein anderes das Leben selbst. Auch ihm wollte er den Charakter eines Werkes geben. Was ist das – ein Werk? Es ragt aus den Zeitläuften heraus, mit Anfang und Ende, und dazwischen eine festumrissene Gestalt. Eine Insel der Bedeutsamkeit im Meer des Zufälligen und Gestaltlosen, das Goethe mit Schrecken erfüllte. Für ihn mußte alles eine Gestalt haben. Entweder er entdeckte sie, oder er schuf sie, im alltäglichen menschlichen Verkehr, in den Freundschaften, in Briefen und Gesprächen. Er war ein Mensch der Rituale, Symbole und Allegorien, ein Freund von Andeutung und Anspielung – und doch wollte er immer auch zu einem Ergebnis, einer Gestalt, eben zu einem Werk kommen. Das galt besonders bei den Dienstpflichten. Die Straßen sollten besser werden, die Bauern sollten von Lasten befreit, arme und tüchtige Leute sollten in Lohn und Brot gesetzt werden, der Bergbau sollte Erträge abwerfen, und auf dem Theater sollte das Publikum möglichst an jedem Abend etwas zu lachen oder zu weinen haben.

Auf der einen Seite die Werke, in denen das Leben Gestalt gewinnt, auf der anderen Seite die Aufmerksamkeit. Sie ist das schönste Kompliment, das man dem Leben machen kann, dem eigenen und dem der anderen. Auch die Natur verdient es, liebevoll wahrgenommen zu werden. Goethe erforschte die Natur, indem er sie aufmerksam beobachtete. Er war überzeugt, man müsse nur genau genug hinschauen, das Wichtige und Wahre werde sich allemal zeigen. Nichts anderes, keine Geheimnistuerei. Er pflegte eine Wissenschaft, bei der einem Hören und Sehen nicht vergeht. Das meiste, was er entdeckte, gefiel ihm. Es gefiel ihm auch, was ihm gelang. Und wenn es den anderen nicht gefiel, so war es ihm am Ende auch egal. Ihm war die Lebenszeit zu wertvoll, um sie mit Kritikern zu vergeuden. Widersacher kommen nicht in Betracht, sagte er einmal.

Goethe war ein Sammler, nicht nur von Gegenständen, sondern von Eindrücken. So war es bei den persönlichen Begegnungen. Er fragte sich stets, ob und worin sie ihn gefördert hätten, wie sein Lieblingsausdruck dafür lautete. Goethe liebte das Lebendige und wollte so viel wie möglich davon festhalten und in irgendeine Form bringen. Ein Augenblick, in eine Form gebracht, ist gerettet. Ein halbes Jahr vor seinem Tode klettert er noch einmal auf den Kickelhahn, um jenes Gekritzel von einst an der Innenwand der Jägerhütte zu lesen: Über allen Gipfeln ist Ruh.

Es gibt keinen Autor der neueren Zeit, bei dem die biographischen Quellen so reichlich fließen, aber auch keinen, der von so vielen Meinungen, Mutmaßungen und Interpretationen zugedeckt wird. Dieses Buch nähert sich diesem vielleicht letzten Universalgenie ausschließlich aus den primären Quellen – Werke, Briefe, Tagebücher, Gespräche, Aufzeichnungen von Zeitgenossen. So wird Goethe lebendig und er tritt auf, wie zum ersten Mal.

Mit Goethe rückt uns auch seine Zeit nahe. Es sind mehrere historische Zäsuren und Umbrüche, die dieser Mensch durchlebte, der noch im verspielten Rokoko und in einer steifen und altertümlichen Stadtkultur aufwuchs, den die Französische Revolution mit ihren geistigen Folgen umtrieb und herausforderte; der die Neuordnung Europas unter Napoleon erlebte, den Sturz des Kaisers und die Restauration, die doch nicht die Zeit aufhalten konnte; der den Einbruch der Moderne so empfindlich und nachdenklich wie kaum ein anderer registrierte und dessen Lebensspanne auch noch die Nüchternheit und Beschleunigung des Eisenbahnzeitalters und seiner frühsozialistischen Träume umgreift – ein Mensch, mit dessen Namen man später die ganze Epoche dieser ungeheuren Umbrüche bezeichnet hat: die Goethezeit.

Erstes Kapitel

Schwierige Geburt mit erfreulichen Folgen. Familienbande.

Zwischen Pedant und Frohnatur. Die Schwester.

Das freie Reichsstadtkind. Schreibübungen. Der Verseschmied

und die erste Gretchen-Affäre. Erschüttertes Selbstbewußtsein.

Den Ernstfall aufschieben. Den gemeinen Gegenständen

eine poetische Seite abgewinnen.

Vielleicht ist es Ironie, wenn Goethe zu Beginn seiner Autobiographie »Dichtung und Wahrheit« bei der Schilderung der schwierigen Geburt deren erfreuliche Folgen für die Allgemeinheit erwähnt.

Der Neugeborene wäre infolge einer Unaufmerksamkeit der Hebamme fast von der Nabelschnur stranguliert worden. Das Gesicht war schon blau angelaufen und man hielt das Kind für tot. Man schüttelte und klopfte, und es atmete wieder. Der Großvater, der Schultheiß Johann Wolfgang Textor, nahm diese lebensgefährliche Geburt zum Anlaß, die Geburtshilfe in der Stadt besser zu organisieren. Es wurde ein Unterricht für Hebammen eingeführt, welches denn manchem der Nachgeborenen mag zu Gute gekommen sein. So setzt der Autobiograph seine erste Pointe.

Der Großvater Textor, der Namensgeber des Neugeborenen, hatte es einst abgelehnt, in den Adelsstand erhoben zu werden. Er hätte seine Töchter, unter ihnen Goethes Mutter Katharina Elisabeth, nicht standesgemäß verheiraten können. Für den Adelsstand war er nicht reich genug, und für bürgerliche Kreise wäre er dann zu vornehm gewesen. Also blieb er, was er war: ein angesehener Bürger und als Schultheiß mächtig genug, um dem Hebammenwesen aufzuhelfen.

Der Schultheiß war nicht nur höchster Beamter der Bürgergemeinde sondern auch der Vertreter des Kaisers in der Reichsstadt, die das Privileg besaß, Schauplatz der Wahl und Krönung des Kaisers zu sein. Der Schultheiß gehörte zu denen, die den Thronhimmel über dem Kaiser tragen durften. Der Enkel sonnte sich in diesem Glanz, der auch auf ihn fiel, zum Ärger seiner Spielkameraden, die jedoch durch ihn auch Zugang zum Kaisersaal im ›Römer‹ erhielten, wo man die großen Ereignisse nachspielen konnte. Goethe bewahrte dem Großvater Textor ein liebevolles Angedenken. Er schildert ihn, wie er die Obst- und Blumenzucht in seinem Garten besorgt, Rosen schneidet, in einem talarähnlichen Schlafrock und auf dem Haupt eine faltige schwarze Samtmütze, dem Enkel das Gefühl eines unverbrüchlichen Friedens und einer ewigen Dauer vermittelt.

Wohl doch ein zu idyllisches Bild. Nach dem Bericht eines Zeitgenossen ging damals in Frankfurt das Gerücht um, daß Goethes Vater bei einem Familientreffen um die Jahreswende 1759/60, als französische Truppen während des Siebenjährigen Krieges in Frankfurt einquartiert waren, seinem Schwiegervater Textor schwere Vorwürfe gemacht habe: er hätte als Schultheiß die fremden Truppen für Geld in die Stadt gelassen. Daraufhin habe Textor mit dem Messer nach dem Schwiegersohn geworfen und der hätte den Degen gezogen. Diese Szene kommt in »Dichtung und Wahrheit« nicht vor. Vom Großvater Textor heißt es dort, er zeigte keine Spur von Heftigkeit; ich erinnere mich nicht, ihn zornig gesehen zu haben.

Der Großvater väterlicherseits war ein nach Frankfurt zugewanderter Schneider, der sich zum ersten Couturier der vornehmen Welt am Ort emporgearbeitet und die vermögende Witwe des ›Weidenhof‹-Wirtes geheiratet hatte. Der Schneider wurde Hotelier und Weinhändler und war dabei so erfolgreich, daß er bei seinem Tode im Jahre 1730 zwei Häuser, Grundstücke und ein bares Vermögen von 100 000 Talern hinterließ.

Der Sohn Johann Caspar sollte etwas noch Besseres werden. Da man es sich leisten konnte, schickte man ihn auf das teure und hoch angesehene Gymnasium nach Coburg, dann nach Leipzig und Gießen, wo Johann Caspar, nach einem Praktikum am Reichskammergericht in Wetzlar, zum Doktor der Rechte promoviert wurde. Er sollte bei der Frankfurter Stadtregierung Karriere machen. Doch Johann Caspar hatte es nicht eilig, er wollte zuerst die Welt sehen und begab sich für ein Jahr auf eine große Reise, die ihn über Regensburg und Wien nach Italien und auf dem Rückweg nach Paris und Amsterdam führte. Er verfaßte über seinen Aufenthalt in Venedig, Mailand und Rom eine Beschreibung in italienischer Sprache, was für ein Jahrzehnt seine Hauptbeschäftigung war. Er hatte Muße genug, weil es ihm nach der Rückkehr 1740 nicht gelang, bei der Stadtbehörde unterzukommen. Goethe stellt die Dinge so dar, als hätte der Vater darum gebeten, ohne Ballotage, also ohne Wahl und dafür auch ohne Bezahlung, wenigstens eines der subalternen Ämter übertragen zu bekommen. Als ihm das verwehrt wurde, habe er sich mit gekränktem Selbstgefühl geschworen, um keine Stelle mehr nachzusuchen und auch keine mehr anzunehmen. Doch hatte er die Gelegenheit ergriffen, beim Reichshofrat, der während der Regierungszeit Karls VII. in Frankfurt residierte (1741–44), den Titel eines ›Kaiserlichen Rates‹ zu kaufen, der üblicherweise nur dem Schultheiß und den ältesten Schöffen als besonderer Ehrentitel verliehen wurde. Dadurch, schreibt Goethe, hatte er sich zum Gleichen der Obersten gemacht und konnte nicht mehr von unten anfangen. Was er ja auch nicht wollte. So wurde Johann Caspar 1742 zum Rat ernannt von einem Kaiser, in den Katharina Elisabeth, seine spätere Frau, sich etwa zur selben Zeit mädchenhaft verliebte.

Katharina Elisabeth war die älteste der Textor-Töchter. Man nannte sie ›Prinzessin‹, weil sie ungern Hausarbeiten verrichtete und lieber auf dem Sofa Romane las. Und wie eine Romanszene kam ihr, wie sie später Bettine von Arnim erzählte, die Krönung von Karl VII. vor, die sie als junges Mädchen 1742 erlebte. Das Mädchen war dem Kaiser in die Kirche gefolgt, hatte den schönen Jüngling mit dem melancholischen Blick beten und die langen schwarzen Augenwimpern aufschlagen gesehen. Die Posthörner, die sein Erscheinen ankündigten, konnte sie nie mehr vergessen. Einmal, so glaubte sie, hatte der Kaiser ihr vom Pferd herab sogar zugenickt. So fühlte sie sich auserwählt, und deshalb war sechs Jahre später die Verheiratung der Achtzehnjährigen mit dem einundzwanzig Jahre älteren Johann Caspar keine besonders große Sache. Sie heiratete »ohne bestimmte Neigung«, obwohl Johann Caspar doch auch ein »schöner Mann« war.

Als Johann Caspar Goethe 1748 die Schultheiß-Tochter heiratete, kam ein weiteres Hindernis für die Aufnahme in den Rat hinzu, denn es galten in der Stadt strenge Regeln gegen Vetternwirtschaft. So blieb Johann Caspar ›Partikulier‹. Er privatisierte, beschäftigt mit der Verwaltung seines Vermögens, mit dem Schreiben seiner Reiseerinnerungen, mit dem Sammeln von Büchern und Bildern, mit einer Seidenraupenzucht und mit der Erziehung seiner Kinder, vor allem mit der des vielversprechenden Johann Wolfgang.

Ob es sich mit dem Werdegang des Kaiserlichen Rates wirklich so verhielt, wie es Goethe andeutet, wissen wir nicht. Ob es ihm an Ehrgeiz mangelte, an Geschäftstüchtigkeit, ob seine juristischen Kenntnisse zu akademisch und nicht genügend praktisch gerichtet waren, ob es Vorbehalte gab gegen einen Gastwirtssohn, der vielleicht zu stolz auftrat, ob ihm seine Anhänglichkeit an den Wittelsbacher Karl VII. bei den Habsburgischen Nachfolgern zum Nachteil ausschlug – vielleicht hat alles zusammen den beruflichen Erfolg verhindert. Immerhin war der Vater, glaubt man der Darstellung des Sohnes, mit seiner Stellung durchaus zufrieden. Meinem Vater war sein eigner Lebensgang bis dahin ziemlich nach Wunsch gelungen.

Wahrscheinlich aber gab es doch Probleme. Sie werden sogar in der sonst eher auf Harmonisierung und Glättung bedachten Darstellung von »Dichtung und Wahrheit« angedeutet. Beispielsweise wird berichtet, wie der Knabe von den Spielkameraden Despektierliches über seine Herkunft zu hören bekam. Der Vater sei wohl gar nicht ehrlich geboren, sondern dem Wiesenhofwirt nur untergeschoben. Ein vornehmer Mann habe diesen dazu gebracht, äußerlich Vaterstelle zu vertreten. Doch statt nun, erzählt Goethe weiter, die Verleumder an den Haaren zu ziehen oder aber sich zu schämen, habe dieses Gerücht seinem Selbstgefühl geschmeichelt: Es wollte mir gar nicht mißfallen, der Enkel irgend eines vornehmen Herrn zu sein. Der Knabe suchte von nun an in den Bildnissen vornehmer Herren nach Ähnlichkeiten und dachte sich einen ganzen Roman aus über seine adlige Abkunft. Es sei ihm eine Art von sittlicher Krankheit eingeimpft worden, schreibt Goethe und beschließt die Darstellung dieser Episode mit einer selbstkritischen moralischen Reflexion: So wahr ist es, daß alles was den Menschen innerlich in seinem Dünkel bestärkt, seiner heimlichen Eitelkeit schmeichelt, ihm dergestalt höchlich erwünscht ist, daß er nicht weiter fragt, ob es ihm sonst auf irgend eine Weise zur Ehre oder zur Schmach gereichen könne. Auffällig dieses unbeirrbare Selbstgefühl des Knaben. Mit dem, was andern Leuten genügt, kann ich nicht fertig werden, sagte er einmal. Da war er sieben Jahre alt.

Die Episode zeigt nicht nur einen eitlen Knaben, sondern deutet auch darauf hin, daß die gesellschaftliche Stellung des Vaters nicht unumstritten war. Zu dessen Ansehen trug auch nicht bei, daß er mit der jungen Familie in dem Hause seiner Mutter, der Weidenhofwirtin, lebte. Bis zum Tode dieser Großmutter, deren sich Goethe als einer schönen, hagern, immer weiß und reinlich gekleideten Frau erinnert, war der Vater also noch nicht Herr im Haus am Hirschgraben und mußte mit der Realisierung seiner großen Pläne warten. Das wird ihm allerdings nicht schwer gefallen sein, da er auch sonst langsam und bedächtig verfuhr.

Der Umbau des Hauses geschah im Jahre 1755. Das Nebenhaus wurde abgerissen und auf dem frei gewordenen Grund zuerst ein großer Weinkeller eingerichtet für die Bestände, die noch aus der ›Weidenhof‹-Zeit stammten. Es waren begehrte Jahrgänge darunter. Goethe läßt sich die Reste davon später nach Weimar nachschicken, wo Christiane Vulpius 1806 sie tapfer gegen die französischen Marodeure verteidigen wird.

Es wäre am einfachsten gewesen, auch das Haupthaus einzureißen, dann aber hätten für den Neubau strenge Regeln befolgt werden müssen, die zum Beispiel das Überkragen der oberen Stockwerke verboten, was die Geräumigkeit vermindert hätte. So stützte man die Obergeschosse aufwendig und riskant ab, um unten neu bauen zu können. Trotz Lärm und Schmutz blieb die Familie bis auf wenige Wochen im Hause wohnen. Dem Knaben hat sich das alles tief eingeprägt. Einer seiner frühesten Texte, ein Dialog zwischen Vater und Sohn, handelt davon. Der Vater: Setze bei viele Gefahr, welche die Handwerks-Leute gehabt, vornehmlich in Erbauung der Haupt-Treppe wie du hier siehest, da das ganze Gewölbe fast mit unzähligen Stützen unterbauet wurde. Darauf der Sohn: Und wir sind bei aller der Gefahr dennoch wohnen geblieben. Es ist gut wenn man nicht alles weiß, ich hätte gewiß nicht so ruhig geschlafen, als geschehen.

Der Umbau und besonders das dabei entstandene geräumige Treppenhaus waren der ganze Stolz des Vaters, das ›Werk‹ eines Mannes, der ja sonst wenige Werke vorzuweisen hatte. An diesen Ehrenpunkt rührte der Sohn in einem Streit Ende 1768, bei der Rückkunft aus Leipzig. Der Vater zeigte sich unzufrieden mit den Studienerfolgen des Sohnes, der im Gegenzug die Umbauideen des Vaters kritisierte. Man habe für die Erweiterung des Treppenhauses zu viel Raum verbraucht, den man besser für die Vergrößerung der Zimmer genutzt hätte. Boshaft erinnerte er den Vater an seinen Zusammenstoß mit dem im Hause einquartierten französischen Stadtkommandanten Graf Thoranc während der französischen Besatzungszeit (1759–61) in eben diesem geräumigen Treppenhaus, das überhaupt erst die unerwünschten Begegnungen möglich gemacht hätte. Der ›fritzisch‹ gesinnte Vater hatte auf die Nachricht vom Sieg der Franzosen über die preußischen Truppen den Grafen Thoranc bei der Begegnung auf der Treppe nicht etwa beglückwünscht, sondern nur grimmig geknurrt: ich wollte sie hätten Euch zum Teufel gejagt. Fast wäre er dafür ins Gefängnis gekommen.

Goethe berichtet diesen Vorfall mit Verständnis für seinen Vater, aber mit noch mehr Sympathie für Thoranc, den er als edlen, höflichen, rücksichtsvollen, vor allem aber kunstsinnigen Mann schildert. Thoranc etablierte in Frankfurt ein französisches Theater und sorgte dafür, daß der Knabe Zutritt erhielt. Thoranc förderte auch die bildenden Künste und beschäftigte die ortsansässigen Maler, die nun im Haus am Hirschgraben ein und aus gingen, denen der Knabe bei der Arbeit zusehen durfte und denen er bald auch unerbetene Ratschläge gab. Thoranc mochte diesen vorwitzigen und altklugen Knaben ganz gut leiden. Der Vater aber, dessen Autorität im Hause durch die Einquartierung sowieso beeinträchtigt war, sah es nicht gerne, wenn der Sohn sich zu Thoranc hielt.

Im Verhältnis zum Vater gab es also Spannungen. Und doch sparte der Vater nicht an Geld und Aufmerksamkeit, um das begabte Kind zu fördern. Er engagierte Hauslehrer, die dem Sohn nicht nur das konventionelle Pensum – Latein, Bibelkunde etc. – abverlangten, sondern ihn auch in den musischen Disziplinen fördern sollten, Zeichnen, Verseschmieden, Musizieren. Er unterrichtete auch selbst, vor allem die Geschichte der Stadt, Rechtslehre und Erdkunde. Mein Vater, schreibt Goethe, war überhaupt lehrhafter Natur, und bei seiner Entfernung von Geschäften wollte er gern dasjenige was er wußte und vermochte, auf andre übertragen. Er las mit dem Sohn die von ihm verfaßte italienische Reisebeschreibung und machte ihn früh mit seiner Sammlung von Büchern und Stichen bekannt. Mit Freude beobachtete er die literarischen Fortschritte des Sohnes, heftete das, was ihm gelungen erschien, sorgfältig ab. Das blieb auch so in den späteren Jahren. Nicht zufällig hatte Johann Caspar für sein neu entworfenes Familienwappen die Leier gewählt, das Zeichen der Musen und schönen Künste.

Gewiß wünschte er sich, der Sohn möge, wie er selbst, auch Jurist werden und dabei vielleicht sogar dieselben Stationen durchlaufen – Leipzig, Wetzlar, Regensburg –, doch sollte der Sinn für die Künste dabei nicht zu kurz kommen. In Goethes Advokaten-Zeit finanzierte er dem Sohn einen Schreiber, der ihn entlasten sollte, damit er sich auch weiterhin der schönen Literatur widmen konnte. Die ersten literarischen Ruhmestaten des Sohnes registrierte er mit großem Wohlgefallen. Er wünschte, daß der Sohn auf seinen Spuren nach Italien reisen möge; ich sollte, schreibt Goethe, denselben Weg gehen, aber bequemer und weiter. Er schätzte meine angebornen Gaben um so mehr als sie ihm mangelten: denn er hatte alles nur durch unsäglichen Fleiß, Anhaltsamkeit und Wiederholung erworben. Er versicherte mir öfters, früher oder später, im Ernst und Scherz, daß er mit meinen Anlagen sich ganz anders würde benommen, und nicht so liederlich damit würde gewirtschaftet haben.

Als Goethe 1773 zusammen mit dem Vater ein Rechtsanwaltsbüro unterhielt, kehrte sich die gewöhnliche Hierarchie vollends um. Denn es war der Vater, der mit langsamer Konzeption und Ausführung sich als eine Art geheimer Referendar betätigte, der dem auch im Juristischen genialisch-schnellen Sohn die Akten vorlegte. Die Ausfertigung, schreibt Goethe, ward von mir mit solcher Leichtigkeit vollbracht, daß es ihm zur höchsten Vaterfreude gedieh, und er auch wohl einmal auszusprechen nicht unterließ: »wenn ich ihm fremd wäre, er würde mich beneiden

Selbstverständlich war der Vater für den Knaben eine Respektsperson, aber doch nicht eine solche Autorität, gegen die man sich mit großem Aufwand hätte wehren müssen. Ein symbolischer Vatermord war nicht nötig. Das ›in tyrannos‹-Pathos des ›Sturm und Drang‹ wird man bei Goethe nicht finden. Seine spätere Prometheus-Empörung hat wohl andere Ursprünge und andere Adressaten.

Der Sohn mußte sich also kaum vom Vater emanzipieren, und in mancherlei Hinsicht nahm er dessen Eigenarten an. Seine Pedanterie und Sorgfalt, anfangs als eher lästig empfunden, kamen beim Sohn später auch zum Vorschein. Ausdrücklich lobt er des Vaters Hartnäckigkeit und Konsequenz – Eigenschaften, die er zunächst nicht zu den seinen zählte. Und doch gelangte Goethe zu Konsequenz und Ernst – über das Spiel. Auch die Konsequenz des Vaters hatte ja etwas Spielerisches, denn auch ihm war sie nicht durch äußere Profession auferlegt. Es waren Liebhabereien, die er aber mit allem Ernst und pedantischer Konsequenz betrieb. So war es auch beim Sohn, der nach Lust und Laune vieles anfing, manches Unfertige liegen ließ, aber das meiste doch irgendwann einmal fertig machte, auch wenn es, wie beim »Faust«, ein ganzes Leben dauern sollte.

Vom Vater hab ich die Statur, / Des Lebens ernstes Führen / Von Mütterchen die Frohnatur / Und Lust zu fabulieren. Die Mutter stand ihren Kindern Wolfgang und Cornelia altersmäßig näher als ihrem Ehemann. Beim häuslichen Unterricht saß sie mit in der Kinderecke. Sie hatte selbst noch viel zu lernen. Eine korrekte Rechtschreibung lernte sie nie. Später hat sie damit sogar kokettiert und ermahnte ihren Sohn, den eigenen Sohn nur nicht zu quälen: »plage den jungen nicht mitschreiben – Er hat villeicht eine Ader von der Großmutter Schreiben –«. Sie schrieb konsequent so wie sie redete und wie sie es hörte, »wir sind selbst vom Napoleon vor Neuterahl erklährt«, heißt es in einem Brief vom Februar 1806. Sie weiß aber auch, daß sie den richtigen Ton trifft und das Talent der Anschaulichkeit besitzt: »Meine Gabe die mir Gott gegeben hat ist eine lebendige Darstellung aller Dinge die in mein Wißen einschlagen, großes und kleines, Wahrheit und Mährgen u.s.w. so wie ich in einen Circul komme wird alles heiter und froh weil ich erzähle.«

So war es. Den Kindern erzählte sie Märchen. An einem schönen Sommertag trug Wolfgang ihren Sessel, den Märchenstuhl, in den Hof und umkränzte ihn. Die Mutter genoß es, sich in die Welt der Kinder hineinzudenken, weil sie sich selbst noch einen Rest Kindlichkeit bewahrt hatte. Daher ihr Erzähltalent, ihre Lust am Fabulieren. Sie war selbst im »höchsten Grad begierig«, möglichst jeden Abend die Erzählung fortzuspinnen, während ihr Wolfgang zu Füßen saß und sie mit seinen »großen schwarzen Augen« verschlang, mit Zornadern an der Stirn, wenn etwas nicht nach seinem Sinn geschah. Der Großmutter erzählte er anderntags, wie die Geschichte eigentlich weitergehen müßte, und die trug es der Mutter zu, die am selben Abend die Geschichte nach dem Wunsche des Kleinen weitererzählte. Der war glücklich und »sah mit glühenden Augen der Erfüllung seiner kühn angelegten Pläne entgegen«.

Die Mutter brachte Märchenzauber ins Haus, und sie stiftete auch Frieden, wenn es nötig war. Als die Thoranc-Affäre im Hause zu ernsten Spannungen führte, glättete sie die Wogen. Bei Konflikten des Sohnes mit dem Vater versuchte sie zu vermitteln. Sie schätzte fröhliche Geselligkeit, und als in der Zeit des ›Sturm und Drang‹ der frische Ruhm des Sohnes viele Freunde ins Haus zog – Klinger, Lenz, Wagner – nannte sie diese ihre ›Söhne‹ und ließ sich nach der Mutter aus dem Volksbuch »Die Haimonskinder« gerne ›Mutter Aja‹ nennen. Sie gab lebenskluge Ratschläge. Als Klinger zum Beispiel über das langweilige Gießen klagt, wo er studiert, schreibt sie ihm: »Ich meine immer das wäre vor Euch Dichter eine Kleinigkeit alle, auch die schlechten Orte zu Idealisiren, könnt ihr aus nichts etwas machen, so müßt es doch mit dem sey bey uns zugehn, wenn aus Gießen nicht eine Feen Stadt zu machen wäre. Darinen habe ich zum wenigsten eine große Stärke«. Diese Stärke der Mutter, das Wirkliche zu poetisieren, wußte Goethe zu schätzen. Ihre Art hat ihn vor der Versuchung bewahrt, die Poesie mit falschem Ernst verwirklichen zu wollen. In »Dichtung und Wahrheit« schreibt er: Wie ich mich nun aber dadurch erleichtert und aufgeklärt fühlte, die Wirklichkeit in Poesie verwandelt zu haben, so verwirrten sich meine Freunde daran, indem sie glaubten, man müsse die Poesie in Wirklichkeit verwandeln.

Der realistische Sinn der Mutter war poetisch aufgelockert und deshalb nicht einengend. Sie ließ sich gerne überraschen und ergriff jede Gelegenheit zum Frohsinn. Sie konnte sich dem Gegenwärtigen öffnen und ließ sich das Leben nicht von Sorgen vergällen. Sie habe sich »heilig geschworren«, schreibt sie einmal an die Herzoginmutter Amalia, »es immer einen Tag, dem andern sagen laßen, alle kleinen Freuden aufzuhaschen, aber sie ja nicht zu anatomiren – Mit einem Wort – täglich mehr in den Kindersinn hineingehn«. Sie verschmäht nicht die Hilfsmittel, welche die Stimmung heben. Zwar sendet sie dem Sohn später die besten Flaschen aus ihrem Weinkeller nach Weimar, aber sie wird die »minder guten Weine 〈...〉, zur ersparung des Transports biß auf den letzten tropfen austrincken.« Auch vom Schnupftabak, wovon man ihr abgeraten hatte, mag sie bis ins hohe Alter nicht lassen, und sie rechtfertigt sich vor der Schwiegertochter: »ohne ein prißgen Taback waren meine Briefe wie Stroh – wie Frachtbriefe – aber Jetz! das geht wie geschmirt«.

Sie gönnte auch den anderen etwas. Christiane Vulpius nannte sie in den Briefen an den Sohn den »Bettschatz«, und ihr selbst schrieb sie 1803: »Sie haben also wohl zugenommen, Sind hübsch Corpulent geworden das freut mich, denn es ist ein Zeichen guter Gesundheit – und ist in unserer Familie üblich«. Das Körperliche sprach sie ohne Scheu an, auch in der Kunst. Die antiken Plastiken, die der Sohn sammelte, nannte sie respektlos »Nacktärsche«.

Auf ihre Natürlichkeit hielt sie sich viel zugute, kokettierte auch ein wenig damit. Dem Schauspieler Großmann schrieb sie einmal: »Doch da mir Gott die Gnade gethan, daß meine Seele von Jugend auf keine Schnürbrust angekriegt hat, sondern daß Sie nach Hertzens lust hat wachsen und gedeihen, Ihre Äste weit ausbreiten können u.s.w. und nicht wie die Bäume in den langweiligen Zier Gärten zum Sonnenfächer ist verschnitten und verstümmelt worden; so fühle ich alles was wahr gut und brav ist«. Sie liebte das Theatermilieu, weil es dort ungezwungener zuging. Als sich das Haus am Hirschgraben nach Goethes Übersiedlung nach Weimar und dem Tod des Vaters zu leeren begann, zog sie das Schauspielervölkchen an sich. Mit einigen pflegte sie engeren Umgang, wechselte Briefe. Aber das dauerte nicht lang. Es war ein Kommen und Gehen. Aus dem Auge aus dem Sinn. Sie lebte wirklich im Augenblick und ließ sich vom Wandel der Zeit tragen. Diesen Willen zur Gegenwärtigkeit hat sie ihrem Sohn vererbt. Denn auch ihm war der Eigensinn des Augenblicks das Natürliche. Pflichtbewußtsein und Sorge um die Zukunft mußte er sich mühsam anerziehen. Hier war dann eher der Vater das Vorbild.

So spontan und augenblicksbezogen die Mutter auch lebte, ihren Sohn ließ sie nie los; immerhin vermied sie es, ihm zur Last zu fallen. Sie hätte ihn gerne in Weimar besucht, doch Goethe lud sie nicht ein, außer einmal während der Revolutionskriege, als es für sie gefährlich werden konnte im umkämpften Frankfurt. Damals empfahl er ihr, nach Weimar zu kommen, traf auch schon Vorbereitungen. Sie aber hielt in Frankfurt aus, französisches Militär hatte sich schon einige Mal im Haus am Hirschgraben einquartiert. Diesen Kummer war sie gewohnt, konnte sich auch ganz gut arrangieren.

Goethe hat sich nie direkt darüber geäußert, weshalb er die Mutter nicht in seiner Nähe haben wollte. Vielleicht befürchtete er, daß sie mit ihrer Natürlichkeit in der vornehmen und förmlichen Welt Weimars anecken könnte, und wollte sich und der Mutter diesen Verdruß ersparen. Andererseits, das wußte er auch, schätzte man sie in seinen Kreisen. Mit Anna Amalia zum Beispiel unterhielt sie einen herzlichen, fast ungestümen Briefwechsel.

Wie auch immer, der Sohn wollte, nachdem er das Elternhaus verlassen hatte, die Mutter nicht mehr in der Nähe haben. Er wollte nicht mehr der »Hätschelhans« sein – so nannte sie ihn. Zwischen 1775 und 1808, ihrem Todesjahr, besuchte er sie nur viermal. Sie machte ihm deshalb keine Vorwürfe, doch Vertrauten gegenüber zeigte sie ihre Enttäuschung. Es waren Festtage für sie, wenn er da war. Der Bankier Abraham Mendelssohn, der Vater des Komponisten, begegnete den beiden im Jahr 1797 in der Nähe des Theaters. »Er führte seine Mutter, eine alte geschminkte prätensionsvolle Frau, nach der Komödie.«

Der Sohn war der Liebling der Mutter, und er blieb es. In schneller Folge kamen noch fünf Geschwister zur Welt, von denen nur die anderthalb Jahre jüngere Cornelia das Erwachsenenalter erreichte. Sie und Wolfgang schlossen sich eng zusammen, eine heikle Beziehung, die bei Goethe bedeutende Spuren hinterlassen wird. Als Kind erlebte er, wie ihm nacheinander vier Geschwister starben. Nach dem Tode des siebenjährigen Hermann Jakob verwunderte sich die Mutter – so erzählte sie es Bettine –, daß Wolfgang »keine Träne vergoß«, vielmehr eine Art Ärger zeigt. Gefragt, ob er denn den Bruder nicht lieb gehabt hätte, lief er in seine Kammer und zog unter seinem Bett einen Stapel Papiere hervor, die mit Lektionen vollgeschrieben waren und erklärte, »daß er dies alles gemacht habe, um es dem Bruder zu lehren.«

Den Bruder konnte er also nicht mehr belehren, die um ein Jahr jüngere Cornelia aber erhielt ihre Lektionen von ihm. Was er gelernt, gelesen oder sonst wie aufgeschnappt hatte, mußte er sogleich weitergeben. Durch Lehren lernen. Das blieb so bei ihm. Cornelia war eine willige Schülerin, die ihren Bruder bewunderte. Sie spielte auch mit bei den kleinen Theaterstücken, die Wolfgang mit Nachbarskindern arrangierte. Was es in früher Jugend zu erleben gab, teilten und bestanden die Geschwister Hand in Hand, heißt es in »Dichtung und Wahrheit«.

Goethe erzählt dort auch eine Geschichte, die nicht von ihm selbst aber von späteren Interpreten, insbesondere von Sigmund Freud, in Zusammenhang mit dem Geschwisterverhältnis gebracht wurde. Der Knabe hatte mit dem Küchengeschirr gespielt am Fenster, das zur Straße ging. Er fing an, das Geschirr hinauszuwerfen, und klatschte zu dem schönen Lärm fröhlich in die Hände. Nachbarn stachelten ihn an und so schleppte er alles Geschirr zusammen, dessen er habhaft werden konnte, und warf ein Teil nach dem anderen auf die Straße, bis die heimkehrenden Eltern dem Treiben ein Ende setzten. Das Unglück war geschehen, schreibt Goethe, und man hatte für so viel zerbrochne Töpferware wenigstens eine lustige Geschichte.

Die Eltern fanden die Geschichte nicht so lustig, aber auch nicht Sigmund Freud, der darin die unterschwellige Aggression eines Kindes entdeckte, das die Aufmerksamkeit der Mutter nicht mit Geschwistern teilen möchte. Das Zerdeppern von Porzellan deutet er als Ersatzhandlung, Ausdruck einer Tötungsphantasie: die lästigen Konkurrenten um die Aufmerksamkeit der Mutter sollten verschwinden. Daher Wolfgangs geringe Betrübnis beim Tode des jüngeren Bruders. Goethe habe die Porzellan-Geschichte erzählt, so Freud, um nachträglich noch einmal unbewußt seinen Triumph auszukosten, der alleinige Liebling der Mutter geblieben zu sein. »Wenn man der unbestrittene Liebling der Mutter gewesen ist, so behält man fürs Leben jenes Eroberungsgefühl, jene Zuversicht des Erfolges, welche nicht selten den Erfolg nach sich zieht.« Gewiß war Goethe der Liebling der Mutter und konnte daraus ein starkes Selbstgefühl entwickeln. Aber darum geht es ihm in dieser Geschichte offenbar nicht. Er stellt sie ausdrücklich in einen anderen Zusammenhang. Er schildert die Lebensweise der Kinder, die nicht abgesperrt im Hause aufwuchsen, sondern auf vielfältige Weise unmittelbar mit der Straße und der freien Luft in Verbindung kamen. Insbesondere die Küche war im Sommer nur durch ein Gitter vom Leben auf der Straße getrennt. Man fühlte sich frei, indem man mit dem Öffentlichen vertraut war.