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Nora Roberts

Bist du verliebt, Mami?

Roman

Aus dem Amerikanischen
von Eva von der Gönna

WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN

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Die Originalausgabe The Best Mistake
ist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen.

Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.

1. Auflage
Wilhelm Heyne Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Copyright © 1994 by Nora Roberts
Published by Arrangement with Eleanor Wilder
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Covergestaltung: Nele Schütz Design, München,
unter Verwendung eines Fotos von shutterstock, Stuart Monk
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN: 978-3-641-12104-4
V002

www.randomhouse.de/nora-roberts

1. KAPITEL

Niemand machte die Tür auf. Cooper blickte auf den Zettel in seiner Hand, um sich zu vergewissern, dass die Adresse stimmte. Doch, es war die richtige Anschrift. Und da das hübsche zweistöckige Haus im Tudor-Stil in der ruhigen, baumbestandenen Straße genau das war, was er suchte, klopfte er noch einmal – lauter diesmal.

In der Einfahrt stand ein Wagen, ein nicht mehr ganz neuer Kombi, der eine Wäsche und einige Ausbesserungsarbeiten an der Karosserie vertragen konnte. Es ist jemand da, dachte er und blickte stirnrunzelnd zum Fenster im ersten Stock, aus dem Musik drang – lauter Rock mit voll aufgedrehten Bässen. Er steckte den Zettel in die Tasche und begann, die Umgebung zu studieren.

Eine sauber geschnittene Hecke aus Lorbeerbäumen schirmte das schmucke Haus von der Straße ab. Der Garten, in dem bereits die ersten bunten Frühlingsblumen blühten, wirkte ein klein wenig verwildert und gerade deshalb besonders anziehend.

Nicht, dass Cooper besonders viel von Pflanzen verstand, aber er hatte Sinn für alles Schöne.

Neben dem Auto stand ein glänzendes rotes Dreirad, und das verursachte ihm ein unbehagliches Gefühl. Er hatte zwar nichts gegen Kinder, doch ihm fehlte jeder Bezug zu ihnen. Für ihn waren sie wie Wesen von einem anderen Stern. Sie hatten eine andere Sprache und lebten in ihrer ganz eigenen Welt. Außerdem waren sie winzig und fühlten sich meistens klebrig an.

Cooper rieb sich unschlüssig das Kinn. In der Anzeige war die Rede von einer ruhigen, gepflegten Wohnung in nicht allzu großer Entfernung von Baltimore gewesen – genau das, was er suchte.

Er klopfte ein drittes Mal. Neuerliches Dröhnen der Rockmusik war die einzige Antwort, die er erhielt. Die Musik störte ihn nicht. Wenigstens verstand er sie. Allerdings war er nicht der Typ Mann, der sich vor einer geschlossenen Tür die Beine in den Bauch stand, und so drückte er versuchshalber die Klinke.

Zu seiner Überraschung ging die Tür auf. Aus Gewohnheit strich er sich das dunkle Haar aus der Stirn und betrachtete das nicht besonders ordentliche Wohnzimmer, das vor ihm lag.

Das Durcheinander erstaunte ihn, den zweiunddreißigjährigen Junggesellen, der schon seit Jahren allein lebte. Wie Cooper sich selbst oft versicherte, war er weder besonders penibel noch ein Sauberkeitsfanatiker. Bei ihm hatte nur jedes Ding seinen Platz und ließ sich deshalb schneller wiederfinden, wenn er es brauchte. Sein zukünftiger Vermieter war offenbar anderer Meinung.

In der Ecke lagen Spielsachen, daneben stapelten sich Zeitungen und Illustrierte, auf denen eine winzige Baseball-Kappe mit dem Emblem der Baltimore Orioles thronte.

Wenigstens hat der Kleine einen guten Geschmack, dachte Cooper und ging langsam weiter.

Im Gang stand eine Tür offen. Dahinter lag ein kleiner Waschraum, der in der erstaunlichen Farbkombination von Lila und Grün dekoriert war. Ein Stück weiter befand sich ein provisorisches Büro mit einem von Papieren übersäten Schreibtisch. In der Küche daneben türmte sich schmutziges Geschirr in der Spüle. An der Kühlschranktür klebten grellbunte Zeichnungen eines Kindes, das offenbar mit lebhafter Fantasie ausgestattet war.

Vielleicht ist es ganz gut, sagte sich Cooper, dass niemand aufgemacht hat. Er überlegte, ob er auch den ersten Stock inspizieren solle, solange er hier war, doch das könnte im ungünstigsten Fall als Hausfriedensbruch ausgelegt werden. Stattdessen trat er wieder ins Freie, um sich dort umzusehen. An der Rückseite des Hauses fiel ihm eine Holztreppe auf, die zu einer Terrasse führte. Offenbar der Privateingang, von dem in der Anzeige die Rede gewesen war.

Die Glastür stand offen. Mit jedem Schritt, den Cooper näher trat, wurde die Musik lauter. Er schnupperte. Es roch nach frischer Farbe – ein Geruch, den er immer schon gemocht hatte. Kurz entschlossen trat er ein.

Vor ihm lag ein großer Wohnraum, von dem im hinteren Teil eine Küchenzeile durch eine Theke abgeteilt war. Die Geräte waren nicht neu, jedoch blank poliert. Der Kachelboden glänzte.

Etwas hoffnungsvoller ging er in die Richtung, aus der die Musik kam. Dabei nutzte er die Gelegenheit, sich ein wenig umzusehen. Das Bad war genauso blitzsauber wie die Küche und glücklicherweise kein Experiment in Farben, sondern rein weiß. Neben dem Waschbecken lag ein Buch mit dem Titel »Selbst ist der Mann«. Misstrauisch drehte Cooper den Hahn auf. Zu seiner Erleichterung kam ein kräftiger Strahl glasklares Wasser heraus.

Auf der anderen Seite des Ganges lag ein kleiner Raum, von dem aus man in den Garten blickte. Hier könnte man gut ein Arbeitszimmer einrichten, überlegte Cooper.

In der Anzeige war die Rede von zwei Schlafzimmern gewesen. Die laute Musik führte ihn zu dem zweiten Raum an der Vorderseite des Hauses. Cooper blickte hinein. Platz für sein großes kalifornisches Bett wäre jedenfalls vorhanden. Der Boden, der den Rändern nach zu urteilen aus Eichendielen bestand, war mit farbbeklecksten Tüchern bedeckt. In einer Ecke standen Farbeimer und Abstreifgitter. Daneben lagen Pinsel und Walzen in verschiedenen Größen.

Eine Gestalt im weiten Overall, die auf einer Trittleiter stand, vollendete das Bild. Trotz der Mütze, die das Haar verbarg, und des unförmigen Kleidungsstücks sah Cooper sofort, dass er eine große, schlanke Frau vor sich hatte.

Die nackten Füße mit gepflegten, rosa lackierten Nägeln waren mit Farbklecksen bedeckt. Sie sang laut und ziemlich falsch.

Cooper klopfte an den Türrahmen. »Entschuldigen Sie.«

Die Frau strich seelenruhig weiter. Ihre Hüften bewegten sich rhythmisch, als sie mit der Deckenkante begann. Cooper trat auf sie zu und tippte ihr auf den Rücken.

Sie schrie auf und fuhr herum. Obwohl er zu Recht auf seine Reaktionsschnelligkeit stolz war, traf ihn der mit Farbe getränkte Pinsel mitten ins Gesicht.

Er stieß einen Fluch aus und machte einen Satz zurück. Gleich darauf sprang er wieder vor, um zu verhindern, dass sie von der Leiter fiel. Obwohl alles ganz schnell ging, prägte sich ihm der Eindruck eines schlanken Körpers, eines blassen, dreieckigen Gesichts mit großen, von langen Wimpern umrahmten braunen Augen und der Duft nach Geißblatt ein.

Im nächsten Moment hielt Cooper sich keuchend die Magengegend, in die sie den Ellbogen gerammt hatte. Während er noch nach Luft rang, schrie sie etwas, das er nicht verstand.

»Sind Sie verrückt?«, keuchte er und umklammerte ihr Handgelenk, ehe sie ihn mit der Farbdose attackieren konnte. »Hören Sie, wenn Sie damit nach mir werfen, werden Sie es bereuen!«

»Was?«

»Ich habe gesagt, Sie sollen nicht mit der Dose werfen. Ich bin wegen der Anzeige hier.«

»Was?«, schrie sie wieder. In ihren Augen stand immer noch Panik, und sie sah aus, als sei sie zu allem fähig.

»Die Anzeige, verflixt noch mal!« Cooper lief zu dem tragbaren Kassettenrecorder und schaltete ihn aus. »Ich bin wegen der Anzeige hier«, wiederholte er. In der plötzlichen Stille klang seine Stimme unnatürlich laut.

Sie kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Welche Anzeige?«

»Wegen der Wohnung.« Er wischte sich über die Wange, studierte die weiße Schmierspur auf dem Handrücken und unterdrückte einen Fluch. »Verstehen Sie? Ich komme auf Ihre Anzeige wegen der Wohnung.«

»Tatsächlich?« Sie musterte ihn. Er sah ziemlich beunruhigend aus mit seinen breiten Schultern, dem sportlich durchtrainierten Körper und den langen Beinen. Seine Augen waren von einem hellen, beinahe durchscheinenden Grün und blickten alles andere als freundlich. Das verblichene Sweatshirt mit dem Emblem der Baltimore Orioles und die zerfransten Jeans trugen auch nicht dazu bei, ihn seriöser erscheinen zu lassen. Wenn sie Glück hatte, konnte sie zumindest über eine kurze Strecke schneller laufen als er. Im Schreien war sie ihm auf alle Fälle überlegen. »Die Anzeige erscheint erst morgen.«

»Morgen?« Verblüfft griff Cooper in die Tasche und zog den zerknitterten Zettel heraus. »Das ist doch die richtige Adresse. In der Anzeige wurde hier eine Wohnung angeboten.«

Die junge Frau ließ sich nicht beirren. »Die Anzeige erscheint erst morgen«, wiederholte sie. »Wieso wissen Sie also davon?«

»Ich arbeite bei der Zeitung.« Ganz vorsichtig streckte Cooper ihr den Zettel hin. »Da ich schon eine ganze Weile nach einer Wohnung suche, habe ich die Kollegin aus der Anzeigenabteilung gebeten, die Augen offen zu halten.« Laut las er vor, was er sich aufgeschrieben hatte. »Zweizimmerwohnung, eigener Eingang, ruhige Wohngegend nahe Baltimore.«

»Das ist richtig.«

Cooper machte ein zerknirschtes Gesicht. »Vielleicht hat meine Kollegin etwas zu viel des Guten getan. Ich habe ihr Karten für ein Baseball-Spiel geschenkt, und deshalb wollte sie mir wohl einen Gefallen tun und hat mir die Information etwas früher gegeben.« Als er sah, dass sie den Griff um die Farbdose etwas gelockert hatte, versuchte er es mit Charme. »Ich habe geklopft und bin dann ums Haus herumgegangen.« Dass er sich zuerst innen umgesehen hatte, erwähnte er lieber nicht.

»Die Adresse war aber in der Anzeige nicht angegeben.« Sie sah ihn nach wie vor argwöhnisch an.

»Ich arbeite bei der Zeitung«, wiederholte er. Inzwischen hatte er Zeit gehabt, die Frau genauer zu betrachten. Irgendetwas an ihrem Gesicht kam ihm vertraut vor. Wirklich ein faszinierendes Gesicht mit hohen Wangenknochen, ausdrucksvollen Augen und dem zarten Porzellanteint, den Anzeigen für Gesichtscreme den Verwenderinnen versprachen. Der Mund war groß und hatte eine verführerisch volle Unterlippe.

»In der Redaktion hatte man Ihre Adresse wegen der Rechnung«, fuhr Cooper fort. »Da ich einige Stunden frei habe, dachte ich, ich schaue einfach mal vorbei. Wenn es Ihnen lieber ist, komme ich gern morgen oder an einem anderen Tag wieder. Aber nachdem ich schon hier bin …« Er zückte seinen Presseausweis. »Damit Sie sich überzeugen können, dass ich die Wahrheit sage.«

Zu seiner Erleichterung kniff sie die Augen zusammen und studierte das Dokument.

»Ich schreibe eine Kolumne«, erklärte er lächelnd. »J. Cooper McKinnon über Sport. ›Voll im Spiel‹.«

»Aha.« Der Titel sagte ihr gar nichts. Die Sportseite legte sie meistens ungelesen zur Seite. Allerdings hatte das Lächeln sie etwas beruhigt. Wenn er lächelte, sah er nicht mehr so gefährlich aus. Und die Farbspur in seinem schmalen gebräunten Gesicht verlieh ihm etwas Spitzbübisches. »Also gut«, gab sie nach. »Eigentlich wollte ich die Wohnung erst zeigen, wenn sie fertig ist. Ich bin immer noch beim Anstreichen.«

»Das ist mir aufgefallen.«

Sie lachte – ein warmes, leicht raues Lachen, das zu ihrer Stimme passte. »Ich glaube, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Übrigens, ich heiße Zoe Fleming«, fügte sie hinzu, während sie etwas Verdünner auf ein Tuch träufelte. »Damit können Sie sich abwischen.«

»Vielen Dank.« Cooper rieb sich über die Wange. »In der Anzeige steht, dass die Wohnung sofort bezogen werden kann.«

»Ich hatte geplant, bis morgen, wenn die Anzeige erscheint, mit der Arbeit fertig zu sein. Sind Sie aus dieser Gegend?«

»Im Moment wohne ich in einem Apartment in der Stadtmitte, aber ich suche etwas Geräumigeres im Grünen.«

»Die Wohnung bietet viel Platz. Sie wurde vor ungefähr acht Jahren vom Rest des Hauses abgetrennt. Der Besitzer hatte sie für seinen Sohn ausgebaut. Als er starb, verkaufte der Sohn das Haus und zog nach Kalifornien. Er schreibt dort Komödien fürs Fernsehen.«

Cooper ging zum Fenster und blickte hinaus. Er bewegt sich sehr behände, dachte Zoe, wie ein Mann, der schnell und leicht auf den Füßen ist. Als sie gegen ihn getaumelt war, hatte sie seinen zugleich kräftigen und drahtigen Körper gespürt. Und starke Hände, die zupacken konnten. Zoe überlegte. Es wäre vielleicht ganz praktisch, einen Mann im Haus zu haben.

»Mit wie viel Personen würden Sie einziehen, Mr McKinnon?« Es wäre schön, wenn er auch ein Kind hätte, dachte sie. Dann hätte Keenan einen Spielgefährten.

»Ich bin allein.« Die Wohnung gefiel Cooper. Es würde ihm gut tun, aus dem kleinen Apartment herauszukommen, in dem er sich kaum umdrehen konnte, ohne irgendwo anzustoßen.

Er freute sich schon darauf, frisch gemähtes Gras und gelegentlich den Rauch von Grillfeuer zu riechen. »Wenn Sie nichts dagegen haben, könnte ich am Wochenende einziehen.«

Dass es so einfach sein würde, hatte Zoe nicht erwartet. Nachdenklich kaute sie auf der Unterlippe. Vermieterin war sie bisher nicht gewesen. Doch sie hatte lange genug in gemieteten Räumen gelebt, um sich auszukennen. »Ich muss Sie um eine Kaution in Höhe von zwei Monatsmieten bitten.«

»Selbstverständlich.«

»Außerdem brauche ich Referenzen.«

»Ich gebe Ihnen die Nummer der Hausverwaltung, die mein jetziges Apartment betreut. Sie können auch gern den Personalchef der Zeitung anrufen. Haben Sie einen Mietvertrag, den ich unterschreiben könnte?«

»Ich habe alles Wichtige gesehen und keine Einwände.«

Von draußen drang ein Geräusch herein, das Cooper an eine Elefantenherde erinnerte. Zoe blickte zur Tür und ging in die Hocke, um das anfliegende Geschoss aufzufangen.

»Ich habe den Ozean gezeichnet«, verkündete der Kleine. »Und dazu eine Million Leute, die alle von Haien gefressen werden.«

»Das sind ja auch Monsterhaie. Mutierte Monsterhaie. Mit ganz scharfen Zähnen.«

Keenan hielt sich vorsichtshalber am Bein seiner Mutter fest, während er den Fremden studierte. Als er das Emblem auf Coopers Sweatshirt entdeckte, leuchteten seine Augen auf. »Das ist Baseball. Ich werde es demnächst lernen. Mama besorgt sich ein Buch und bringt es mir bei.«

»Das ist ja toll.« Mehr beabsichtigte Cooper nicht zu sagen. Er hatte es schon immer für klüger gehalten, sich nicht auf Diskussionen mit irgendjemandem unter sechzehn einzulassen.

Wofür hielt sich der Junge eigentlich? Für einen Buchhalter? fragte sich Cooper spöttisch.

»Kommt Beth heute Abend zum Spielen zu mir?«

»Okay.« Er war bereits halb zur Tür hinaus, als seine Mutter mahnend seinen Namen rief. Ein Blick genügte, um ihn an seine Manieren zu erinnern. Keenan drehte sich zu Cooper um und grinste spitzbübisch. »Wiedersehn, Mister.«

»Ganz und gar nicht«, versicherte Cooper hastig. Schließlich stand nicht zu erwarten, dass der Junge ein regelmäßiger Besucher wurde. Falls doch, würde er ihm eben verständlich machen müssen, dass er seine Ruhe haben wollte. »Ein netter kleiner Bursche.«

»Selbstverständlich. Wissen Sie was, ich komme morgen wieder vorbei, um den Mietvertrag zu unterschreiben und Ihnen einen Scheck für die Kaution und die erste Monatsmiete zu bringen. Bei der Gelegenheit können Sie mir dann auch die Schlüssel geben.«

»Um wie viel Uhr soll ich da sein?«

»Freitag.«

»Sehr schön. Es hat mich gefreut, Mrs Fleming.«