Impressum

Covergestaltung: Matt Seidhold


Bearbeitung: Siria Holm


ISBN: 9783955017279


2015 darkbook.de




andersseitig Verlag

Dresden

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S'empoisonner, parfois rend sage.

Jean Richepin.

Zur zweiten Auflage.

Als ich dieser Tage, um die Korrekturen zu machen, die »gute Schule« wieder las, ist es mir seltsam ergangen. Das soll ich einmal gewesen sein? So hätte ich einst empfunden, so gesprochen? Es ist noch keine acht Jahre, daß ich sie schrieb, im Winter von 1889 auf 90, auf der Reise durch Spanien und Marokko. Und damals soll ich so gewesen sein? So ganz anders als heute, mir selber nicht mehr begreiflich nach kaum acht Jahren? Wie ist das möglich? Dies frage ich mich und weiß nicht recht, soll ich mich schämen, wie ich damals war, oder leise bedauern, daß ich es nicht mehr bin.

Damals! Wie nahe ist es mir und doch so fern! Als ob es gestern gewesen wäre, sehe ich mich noch, nach prächtigeren Schönheiten lüstern, ungeduldig südlich ziehen, in Farben schwelgen und mich an Leidenschaften berauschen; aber in den Pausen dieses seligen Erlebens sitze ich irgendwo in einer Schenke, vor einer Kirche und zeichne das erste Abenteuer meiner Seele auf. Wie reich bin ich damals gewesen! Aber die Zeit geht dahin und wir werden so gescheit. Sehne ich mich zurück? Oder bin ich froh, daß es zur Erinnerung geworden ist? Ich kann es nicht sagen. Ich weiß nur, daß es mir jetzt so fremd ist. Könnte ich denn das heute noch erleben?

Erleben, ja! Dieses Ringen um die Kunst und um ein Weib – das kann ich schon noch mitfühlen. Nur jene Sprache habe ich verlernt; ich würde es heute anders sagen. Dieselben Empfindungen würden mir heute andere Gestalten annehmen. Es könnte mich reizen, jenes Abenteuer noch einmal zu erzählen: auf meine jetzige Art. Dann würde es freilich nicht zweihundertvierzig Seiten geben wie damals, sondern ich denke: fünfzig würden mir jetzt genügen. Mir sagen nämlich die Worte jetzt mehr wie damals, darum habe ich Respekt vor ihnen bekommen. Damals habe ich nur ihren Klang vernommen und ihren Glanz gesehen, jetzt weiß ich erst ihren Wert. Für einen ganzen Zustand ist es mir jetzt genug zu sagen: er war »heiter«. Das eine Wort nennt mir alle Elemente, die zuletzt das Resultat geben, daß man sich heiter fühlt. Damals hätte ich gemeint, sie alle aufzählen zu müssen; das bloße Wort »heiter« hätte mir nichts gesagt, ich hätte so viele Adjektive aufgewendet, als es Elemente enthält. Durch das Leben mußte ich erst zum Gefühl der Worte kommen. Ist es nur mir so gegangen? Ich sehe auch die anderen zur einfachen Rede gelangen. Wir sind inne geworden, was die Worte bedeuten; sie haben uns ihre Geheimnisse aufgethan. Nun sagen wir: Frühling, und das ist uns mehr, als wir durch alle Adjektive sagen könnten; denn wir haben gelernt, alles zu empfinden, was das eine Wort »Frühling« an Schätzen und an Herrlichkeiten bei sich hat. Aber wir wollen nicht vergessen, daß wir es nicht gelernt hätten ohne jene sonderbare Wut der Adjektive, die wir damals hatten.

Unser Unglück war, daß wir unter Worten ohne Wert aufgewachsen waren. Wir hatten lauter Worte um uns, die wir noch nicht erlebt hatten. Als wir sie nun erlebten, kamen sie uns abgenützt vor und wir suchten andere, die noch neu wären. Was wir zum ersten Mal erlebten, dazu wollten wir nun auch Worte, die wir noch niemals gesagt hätten. Wir hatten immer geredet, ohne etwas zu fühlen. Nun fühlten wir zum ersten Male, da konnten wir doch nicht dieselben Worte nehmen, bei denen wir nichts gefühlt hatten. Wir hatten die Sprache vor dem Leben; nun kam das Leben, und wir mußten uns zum Leben eine andere Sprache erfinden. Bei ihr konnten wir die alte vergessen, und nachdem wir sie vergessen hatten, waren wir erst fähig geworden, sie wieder zu entdecken. Wir hatten in der Schule gelernt, tausend Dinge »schön« zu nennen, bevor wir noch empfunden hatten, daß etwas »schön« ist. Nun geschah es, daß wir das zum ersten Mal empfanden. Aber nun wollten wir es doch auch sagen. Mit welchem Wort? Mit jenem alten, abgegriffenen »Schön«, das wir tausend Mal gesagt, um gleichgültige Dinge zu nennen? Nein, das war nicht möglich. Also, weil wir kein Wort hatten, das uns teuer genug gewesen wäre, halfen wir uns anders: wir lösten die große Stimmung des »Schönen« in alle ihre kleinen Momente auf und benannten jedes mit einem Adjektiv und hofften, die Summe dieser vielen Adjektive müßte schon den Namen für unsere ganze große Empfindung geben. Aber später gewahrten wir, daß wir uns getäuscht hatten: das »Schöne« an dem »Schönen« ging verloren, wenn wir es erst, mit so vielen Adjektiven, in seine sämtlichen Elemente zerlegten. Wir hatten dann immer nur Teile und hätten doch so gern das Ganze gehabt. Da blieb uns nichts anderes übrig, als daß wir umkehrten und zu jenem alten Wort zurückgingen, das wir verschmäht hatten, zu jenem geringen »Schön«, das uns nicht gut genug gewesen war. Und als wir es jetzt wiedersahen, erstaunten wir: denn seit wir wußten, wie reich es ist, so daß ihm alle Adjektive nicht nachkommen, da war es uns plötzlich groß und mächtig geworden. Man denke sich einen Menschen, der oft von Liebe gesprochen hat, ohne sie zu kennen; nun liebe er wirklich, da wird ihm zuerst das verbrauchte Wort zu gemein sein, er wird tausend neue Beteuerungen ersinnen, keine wird ihm genügen, bis er endlich das alte »Ich liebe Dich« verehren lernt: denn die Worte werden immer wieder jung, wenn es nur die Lippen sind.

Nein, wir haben es nicht zu bereuen, daß wir anders geworden sind. Aber wir sollen uns auch nicht schämen, wie wir damals waren. Es ist doch gut gewesen: denn es ist notwendig gewesen. Wir mußten erst versuchen, uns selbst eine neue Sprache zu erfinden; dann konnten wir den ewigen Sinn jener alten erst entdecken. Heute lächeln wir freilich daß wir uns damals so abgezappelt haben. Aber hätten wir es nicht, so könnten wir heute nicht lächeln. Darum wollen wir nicht stolz werden, sondern unsere Vergangenheiten in Ehren halten.

Schliersee, August 1897.

Hermann Bahr.

I.

Langsam, ganz langsam schlenderte er. Oft stockte er gaffend. Oder er bog auch links, rechts, nach einem Schaufenster, zu einer Drehorgel, hinter einer Dirne.

Er schritt nach dem Thore des Gartens. Dann aber, statt ins Gewühl zu tauchen, wich er zurück und ging den Boulevard weiter. Und noch einmal kehrte er sich nach dem Garten.

Aber wieder vor dem Thore hielt er an, sah hinauf und hinunter, lange. Der Tag, der wich, ließ seinen blauen Mantel nur zurück, den unten am Saume silberner Nebel stickte; und die Laternen flimmerten, zwei lange Reihen, wie große Knöpfe aus Messing. Da schaute er hinein, wie sich die Nacht formte.

Und wieder auf die andere Seite hinüber nach dem großen Magazin vor dem Panthéon. Da hingen wie blutige Sonnen zwei Ketten roter Schirme aufgespannt, scharlachen, mit dottergelben Erbsen getupft, und rote Taschentücher lagen aus und unter den Schichten purpurner Gewänder schmachtete ein einziges sehr grünes, von einem inbrünstigen, sehnsüchtigen Grün. Der reine Rochegrosse, sagte er; es gefiel ihm.

Er musterte es sehr lange. Er näherte sich und entfernte sich, die Wirkungen zu vergleichen. Aber nein.

Er stöberte unter den Büchern gleich daneben, wühlte herum, griff eins heraus, las eine Seite, blätterte, warf's weg. Er bog um die Ecke zurück, wieder den Boulevard zu verfolgen. Hinab gegen das Wasser.

Er schritt sehr langsam, als wäre ihm leid um jeden Tritt. Ersichtlich hätte er gern erfahren, wohin er eigentlich ging. Er suchte eine Bestimmung.

An der Ecke, indem er seine kleine Holzpfeife ausklopfte und wieder stopfte, nachdem er sie umständlich gereinigt und den Zug erprobt hatte, wartete er, ob sich nicht was Vergnügliches ereignen wollte; wenigstens eine Prügelei. Wenn sie von dieser Revolution schon so viel Aufhebens machten, hätte sich's wohl gebührt, von Staats wegen dergleichen aufzuführen. Das bißchen Beleuchtung – pah! Daraus machte er sich nicht viel.

Er ermüdete und wie das Gewühl wuchs, wurde er ungeduldig. Und dann ärgerte er sich, so verdrossen zu sein und sich selber wieder die Freude zu vergällen. Und dann ärgerte er sich der dummen Laune, überhaupt das Atelier verlassen zu haben. Er wollte zurück. Aber da er nun einmal da war, war es am Ende doch eigentlich gescheiter ... so schwankte sein Wille, so schwankte sein Weg.

Vor dem Brunnen auf dem Platze des heiligen Michael starrte er aufs schwere, schwarze Wasser, das ächzend schwoll. Er war sehr mißmutig und in kurzen, hastigen, abgerissenen, spitzigen und schrillen Pfiffen zerhackte er seinen Verdruß unwirsch vor sich hin. Er wußte es, daß er unnütz und in Ärger seine Zeit verthat, wenn er nicht heimkehrte; aber wenn er heimkehrte, dann war ihm sicher erst recht der ganze Abend verdorben. Er kannte sich, es war ja nicht das erste Mal. Und er war sich wieder sehr zuwider.

Schon entflammte sich das Fest, dieses erste in der großen Kirmeß aller Völker, die den anderen Tag begann. Singen und Jauchzen war überall aus Stolz und Freude. Jungen, unter vielem Geschrei, manche in Masken, brannten Magnesiumfäden, deren weiße Streifen grell auflohten, in den langen Alleen gelber Lampen.

In ihm wuchs die Trauer mit dem Jubel um ihn; das Licht that ihm wehe, weil seine Seele finster blieb. Paare schmiegten sich, lachten, küßten; er sah es neidisch. Aber dann raffte er sich zur Verachtung des gemeinen Glückes auf, das nur den Dummen und Gewöhnlichen sich gewährt. Dieses weckte seinen Stolz und durch einige Beispiele aus der Kunstgeschichte, mit denen er sich verglich, beruhigte er sich. Es befriedigte ihn, daß kein Künstler jemals Zufriedenheit findet.

Aber es dauerte nicht lange. Er ging wieder zurück, wieder hinauf, einem Mädchen nach. Sie gefiel ihm, und da auf einmal fuhr es durch ihn, daß er eine Mätresse haben müsse.

Eine Mätresse, ja, wie die anderen, gegen die Einsamkeit. Bescheiden, billig, gar nichts Besonderes, nur daß er nicht mehr mit sich allein wäre. Nur daß sie ihm die schwarzen Schmetterlinge wegsinge, die schwarzen Schmetterlinge seiner Grillen und Launen.

Da war er immer allein und stöberte sich nur immer im Gehirne und natürlich, da staubte und moderte es dann aus allen Löchern und Winkeln. Da sann er nur immer und sann über Kunst und Leben und je länger er dachte, desto weniger wußte er am Ende und alle Pläne verwirrten sich zuletzt und in nichts mehr that er sich genug. Eine Mätresse – das Hamletische im Künstler verlangt eine Mätresse, unbedingt.

Er ließ das Mädchen aber wieder an der Ecke des Germain, weil sie zu eilig in der Freundschaft war. Nein, das liebte er nicht; er wollte werben und erobern nach bezwungenen Gefahren. Und überhaupt: eine kleine Mätresse that es nicht; eine große Leidenschaft war's, was er brauchte.

Ja, eine große Leidenschaft fehlte ihm – das war es, wie er sich auch mit allerhand Plänen darum herumreden mochte. Eine große Leidenschaft, die seiner Seele einen »Schups« gäbe und das Geheimnis aufrüttelte, das sie so krampfhaft umklammerte – seine alte, ewige Sehnsucht. Das Gewöhnliche erstickte ihn; er brauchte ein Besonderes, würdig seiner besonderen Natur, ein Ereignis, ja – nicht eine Mätresse, eine Leidenschaft fehlte ihm.

Die Stöße und Schauer einer Leidenschaft, wild und ungestüm, sagte er vor sich hin, zweimal mit einer großen, weiten, runden Gebärde, indem er die Pfeife hinausschwang; und er fühlte, wie ihm die bloße Vorstellung schon das Blut aufwallte und die Seele erweckte, einen Frühling von blühenden Gefühlen. Ja, dieses: durch fremde Gewalt und Erschütterung von außen die Trägheit und den Bann von der Seele zu schütteln, in welchen es schlief, das Unsägliche, drinnen, unten, tief auf dem Grunde – er fühlte es ja so laut, so stürmisch, wie es rauschte und schwoll, hämmerte und pochte, wuchs und rang. Ja, dieses: so einmal vom Glücke aus der Verzauberung befreit, den versunkenen Schatz zu heben, das blieb in Traum und Wachen seine unvergängliche Begierde.

Er war nun aber wieder, das zweite Mal, auf dem Platze von Sankt Michael, vor dem großen Brunnen, dessen lustige Sprünge plätscherten. Und immer noch wußte er sich nichts mit diesem verunglückten Abend, keine Spur. Sicherlich, diese öde Wanderung, immer nur hinauf und hinab, von der Brücke bis zum Garten, vom Garten wieder nach der Brücke, zwischen Gaffern und Schwätzern, deren Fülle schwoll – nein, sicherlich, darin konnte er nicht verharren.

An Theater war nicht zu denken; unmöglich, ohne sich eine Stunde lang anzustellen. Die Freunde – ja, das juckte heute alles mit seinen Mätressen herum, zur höheren Ehre von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Also wieder in den Divan Japonais zum hundertsten Male, um zum hundertsten Male der kleinen Rose Pompon zu klatschen, mit dem schiefen Maul und den verkehrt eingehängten Beinen, und zum hundertsten Male die lahmen Späße des dicken Dondinnet zu dulden, der dort Paulus war?

Heimkehren, heimkehren. Immer die nämliche Geschichte, jedes Fest, gerade weil man um jeden Preis sich vergnügen sollte, vorsätzlich, von vornherein. Für die Schneider mochte das angehen; mit diesem grimmig zerknirschten Schimpfe meinte er die anderen alle, außer den Malern.

Heimkehren, heimkehren – ja, wer es konnte! Aber dann hätte er sich nicht erst in die Schwärme der Dummköpfe geflüchtet, überhaupt nicht, von allem Anfang an. Zurück in die Folterkammer, die Marter wieder von vorn zu beginnen, noch einmal – lieber gleich ins Wasser!

Ja, langweilig hier – zum Sterben, gewiß. Immerhin! Aber dort, das war ja der Wahnsinn vor jenem entsetzlichen Fetzen, Wahnsinn und Verzweiflung ohne Erbarmen.

Nun hatte er doch einen schmalen Sessel erobert vor dem Café Soufflet, mitten im Geheul, zu einer beschaulichen, nachdenklichen Chartreuse. Da wartete er. Er wußte nicht, was er erwartete, nur daß er nicht heimkonnte, bevor es nicht gekommen – nein, niemals!

Und wie würde es dann mit dem Großen erst werden, wenn er von diesem schon solche Qual litt, von diesem elenden Quark, der doch kaum noch eine erste Annäherung war und nur erst in behutsamer Botschaft verkündigen, melden und vorbereiten sollte, zur Erziehung der leicht scheuen Menge, vorbereiten auf jenen gewaltigen Traum, auf »das Bild«, wie er es hieß, mit einem besonderen heißen Ton, in welchen er mit vollen Backen alle Hoffnung und allen Glauben blies? Er erschauerte.

Ach, der schöne Wahn des ersten jungen Wagemutes! Der schöne, freudige Wahn, sich in rüstigen Märschen zu nähern von Vorwerk zu Vorwerk, unaufhaltsam an die Wälle, von Sieg zu Sieg bis in das letzte Reduit der großen Kunst! Und an jedem neuen Triumph gewänne er neues Vertrauen und an dem Ruhme, dem Stolze wüchse ihm die Kraft – die neue Himmelfahrt mit Posaunen und Pauken, in Engelschören mitten in die Sternenglorie hinein! Ja freilich.

Es war eine einzige ewige Fopperei, an der Nase im Kreise herum, von Enttäuschung zu Enttäuschung. Freilich, wenn er begann, jedes mal, nach der ersten Erscheinung des Neuen im jauchzenden Gemüte – aber die Hoffnung hielt niemals, und verächtlich verwarf er das kaum Fertige immer, unwürdig und mißraten. Es waren ja manchmal »ganz schöne Sachen darin«, und neben den Werken der anderen – ja, aber nur an der eigenen Begierde durfte er's nicht messen, nicht an der eigenen Hoffnung prüfen.

Und an jedes Neue, tausendmal enttäuscht, ging er mit kühnerem Mute immer, aus heißerem Rausche, und von jedem Neuen kam ihm nur immer wildere Qual nach tieferem Sturze. Je näher ihm der Geist geriet, desto weiter entfernte sich ihm das Werk von jenem Ziele, und indem Kennen und Können ihm wuchsen, schwand, so schien's, alles Vermögen. Er begriff's nicht, wußte keinen Rat.

Jetzt malte er Geringes und Rasches nur noch, das im ersten Taumel geraten mochte, bevor das Fieber wieder verrauchte, damit es ihm nur den Glauben wenigstens versichere, den Glauben an die eigene Kraft, der wankte, und die Zweifel erwürge, die ihm die Seele fraßen. Jetzt malte er nicht mehr Salambo mit der Schlange, von Negerinnen im Bade bedient, mit der Sicht zwischen korinthischen Säulen hinaus auf das weißbesonnte Karthago; noch im Blute der Albigenser den wilden Simon von Montfort, dampfend, verzerrt, glasiger Augen, schnaubend vor Mordlust und lechzend nach Rache, in den aufgewühlten Eingeweiden sich zu sättigen; noch die ewigen Toreadoren in ungeheuren Arenen, Pikadoren, Banderilleronen und Espaden zugleich in phantastischen Scenen, gegen zwanzig Stiere auf einmal, in erster Wildheit und schon verblutete und wie der Degen gerade aus der Muleta blitzt. Jetzt malte er nur noch in engem Rahmen bescheidene Farbenprobleme, ganz einfache und schülerhafte: Die Sonne über der hohen Wiese, welche der Wind bauscht, oder femmes de brasserie, zwei Brüste im gelben, qualmigen Lichte und den flackernden Schatten dahinter auf der schmierigen Wand, im Dampfe der Cigaretten.

So im Kleinen und Geringen suchte er jetzt Größe und Gewalt. Es ließ sich schon machen, wenn man sich nur verstand, und »seine Idee«, diese Erlösung der ganzen Kunst, brauchte nicht erst verwegener spanischer Flächen. Im kleinsten van Beers konnte sie sich entfalten, freudig und stolz, und blühte hell und fruchtete reich, wenn nämlich nur der rechte Gärtner drüber kam.

Da zerbröckelte ihm mählich das Weh, wie nur so sein schweifender und wankender Gedanke endlich wieder an seinen Liebling gelangte, mit dem süß schmeichlerisch zu kosen und zu tändeln oft seine Wollust und immer sein Trost war, in guten und in bösen Stunden, und indem er sich noch eine zweite Chartreuse vergönnte, deren suggestiver Gunst er gerne vertraute, tauchte er unter in Traum, badete sich in Wunsch und, das farbige Gewühl von seidenen Hüten, sammtenen Baretten und bunten Kapotten versunken, sah er im weißen Rauche nichts mehr, als nur noch in das rosige Gold seiner bräutlichen Hoffnung.

Was lag denn daran, wenn es auch zehnmal, zwanzig-, hundertmal seiner Werbung entwischte? Nur zu – endlich bezwang er das Spröde doch. Solcher Drang in der Seele war kein Betrug, und nimmermehr log so freudige Zuversicht des Gefühls.

Und es war ja so simpel, so lächerlich simpel, wie immer das Große, und wer es nur einmal hörte, der wunderte sich, daß man es erst zu sagen brauchte, und es klang ihm lange vertraut. So simpel, so einfältig einfach und darum gerade so unwiderstehlich. Wenn er es ihnen darlegte, den Bummlern von Montmartre, oben in der Citadelle der Kultur, beim schwarzen Kater, hinten in der letzten Stube, wo sich der hohe Rat der Moderne versammelt – ja, da gafften sie wohl verdutzt und manchem Schwätzer verschlug's die Rede vor diesem unerbittlichen und überwältigenden Einmaleins, aber Einspruch oder Entgegnung, nein, hatte noch keiner erwidert, wie viele auch kampflustiger Helden waren.

Nein, es gab nicht Widerspruch, auf keine Weise, noch Widerstand wider seine Wahrheit. Eins, zwei, unterjochte sie jeden. Eins, Naturalismus – das pfiffen schon die Spatzen als das große Gebot; aber, zwei, kam denn nicht, wie der Geschmack auch wechselte und neue Forderungen formte, kam denn Malerei nicht immer noch vom Malen, Farbe ewig vor allem anderen?

Also, das war sein kolumbisches Ei. Farbe, schrieen sie hier und mißhandelten die Begierde der Wahrheit; Wahrheit, schrieen sie dort und mißhandelten die Begierde der Farbe. Farbe und Wahrheit, beides, antwortete er beiden.

Nämlich er nannte es »dekorative Musik aus naturalistischen Tönen«. Daß das Ganze sänge, farbige Hymnen und brausende Symphonien in die Augen gösse, das forderte er mit den Koloristen. Aber ein doppeltes Leben lebten diese Klänge, lebendig auch außer dem Rhythmus, weil jeder einzelne aus der wirklichen Welt geholt und im Natürlichen vollzogen sein sollte.

In der Rede natürlich verwirrte sich das; im Pinsel war erst sein Beweis. Sagen ließ es sich schwer: er mußte es ihnen zeigen. Alle Fingerspitzen prickelten ihm ja davon.

So dieses, seine Qual jetzt. Wenn das große Unglück nicht gekommen war – aber endlich, der Theorie that das nichts, sie blieb daran begreiflich. Es war der Lyrismus des Roten. Seine ganze Seele gab darin das Rot, alle seine Gefühle, seine Absichten, seine Wünsche, in klagenden und hoffenden Sonetten; und überhaupt eine völlige Biographie des Roten, was in ihm geschah und nur überhaupt mit ihm geschehen konnte – ja, oder eine Psychologie des Roten, so mochte man's heißen. Es war ein kräftiges, männliches und thätiges Rot, das seinen Stolz mit Maß und Würde feierlich entfaltete; aber er führte es zurück bis in das schmachtende Geheimnis der ersten Sehnsucht, und er steigerte es bis zur Brunst und zum Haß – durch alle Schicksale und alle Leidenschaften trieb er es, hastig und unstät.

Aber im wirklichen, in den schlichten Tönen des täglichen Lebens vollzog sich dies hohe Lied des Roten, statt in den Hyperbeln der Coloristen. Es war ein großer, wohlgesottener Hummer, in welchem er die Herrschsucht und Gewaltthat des Roten verleibte, sein Schmachten an einem Lachs daneben und das Schelmische und den Frohsinn an vielen Radieschen in heiteren Wechseln. Aber die große, letzte Beichte seiner ganzen Seele hing in einem schwerbauschigen, purpurnen Teppich vom Tische, den Sonne streifte, schmal, aber von desto feurigerer Glut.

Ach, wenn er sich erinnerte, wenn er sich der brausenden Herrlichkeit erinnerte, iu der es ihm zuerst erschienen, ein glorreiches Erlösungswunder ohnegleichen.

Immer die nämliche Komödie allemal: erst Gnade und Rausch in Fülle, kaum faßlich und über die Kraft, und dann die Zweifel und die Reue und die Angst, und endlich die grimmen Schrecken der Verzweiflung, aufwühlerisch bis in die Eingeweide und blutdürstig ohne Erbarmen. Immer die ewig gleiche Komödie ohne Wechsel. Und immer noch ließ er sich wieder äffen, hundertmal betrogen, hundertmal enttäuscht, hundertmal verhöhnt. Immer bethörte ihn wieder der Wahn, daß es diesesmal endlich wirklich gekommen, das Selige, über den Gläubigen, seine Treue zu lohnen, und daß es diesesmal die Wahrheit sei. Und immer wieder verrauschte das holde Fieber wie ein rascher Traum und war niemals zu halten.

Und nun war noch das große Unglück geschehen, ganz nahe schon am Heil, dieses furchtbare Unglück!

Nein, er konnte nicht heim, so konnte er nicht heim, bevor er keinen Trost gefunden. Lieber irren und schweifen die ganze Nacht, über die Brücken, durch die Straßen, wie ein landflüchtiger Bettler, lieber durch Not, Hunger und Schande, alles, alles – nur nicht heim! Nur nicht zurück in die wahnsinnige Folter! Und er klammerte sich an den kleinen, runden Marmor mit beiden Fäusten, wie zur Wehre gegen einen tödlichen Feind und blickte wild. Und er entschied sich für eine dritte Chartreuse.

Sicher, diesesmal wär' es geglückt: so handgreiflich und lebendig bis in die zarteste Ader hatte er ja noch keines geschaut, kein anderes jemals mit so deutlicher Gewißheit. Es war ja da, fertig und reif, und nur zu heben brauchte er es aus der Tiefe und mit gehorsamem Stifte nur die Züge nachzufahreen, die festen, unabänderlichen Züge in seiner Seele. Aber da war das große Unglück gekommen, das schurkisch verlarvte Unglück.

Heimtückisch war es herangekrochen über den Arglosen. Salon, jour du vernissage – er hatte ein Bild dort, einen finsteren Kohlenschipper, lebensgroß, derb, trotzig, mit den Runzeln der Not und den Muskeln des Hasses, wie er gerade ein Butterbrot frühstückte, niedergekauert auf seinem Karren; gleich links im zweiten Saale neben der hellen Ziege der Elisabeth Gardener. Er hielt selbst nichts davon und spottete: Sudelei, für die Mäcene und Philister – was er den »dummen Bourgeois« hieß; weil man doch endlich leben will. Überhaupt nur vieux jeu in der ganzen Bude, für die Schafsköpfe und Millionäre. Und so flüchteten sie sich nach raschem Hohn, und wie nur jeder sein Bild aufgesucht und betrachtet hatte, zu Ledoyer hinüber, frühstücken, an einem sehr langen, gegen mutigen Durst wohlgerüsteten Tische, mit entsetzlichem Lärm, damit die akademischen Zöpfe daneben es merkten, daß da die Zukunft war.

Und da, ja da, in diesem fröhlichen, hellen, lustigen Bretterverschlag, da traf ihn der Fluch hinterücks, aus einem vortrefflichen, saftigen und sanften Lachs, dem man keine Tücke ansehen konnte, wie er so mit rosigem Schimmer in der üppigen Kräutersauce sich wiegte. Aber diese Sauce gerade, diese grüne Kräutersauce, der Stolz des Koches – ja, die war es gewesen. Die hatte ihn geschlagen.

Ähnliches hatte er nie gesehen, niemals zuvor, so lange er sich erinnerte, ein milderes und süßeres Grün, so schmachtend und so freudig zugleich, daß man gleich singen und jauchzen mochte. Das ganze Rokoko war darin, nur noch in einer viel gütigeren, sehnsüchtigeren Note. Es mußte auf sein Bild.

Es mußte auf sein Bild, gleich, heute noch, noch in dieser nämlichen Stunde – er zitterte atemlos in kaltem Schweiß, daß ihm nicht einer zuvor käme. Kein Freund begriff seine Hast, sein Fieber, seinen Taumel. Die Rede verschlug's ihm, er stotterte nur und schnaubte – die ganze Welt hätte er umarmen mögen, ohne diese jagende Angst, daß sie es merken könnten, die blinden Thoren. Und so im hellen Wahnsinn stürzte er fort. Und so, jauchzend, fuchtelnd, weinend, stürmte er heim.

Der junge Frühling wetterte gerade im ersten Donner und die Wolken brachen sich in wilde Wogen; einsam waren alle Straßen und kein Wagen fand sich. Er achtete es nicht und rannte. Regen schlug ihn und es peitschte ihn der Sturm mit nassen Hieben. Er rannte nur und rannte. Bis an die Knie watete er im Schlamm und den Hut raubte ihm ein heulender Stoß. Er achtete es nicht und rannte und rannte. Manchmal, indem er einen Augenblick Atem schöpfte, schrie er laut auf, grell und schrill, weil die unbändige Lust nicht mehr zu halten war. Und er klatschte und tanzte und drehte sich im Kreise wie ein besessener Derwisch. Und dann wieder, eilig und blind, rannte er und rannte.

Ach, wenn er sich erinnerte! Er sah nichts als dieses Grün, nur dieses neue Grün, und er hörte es, in jauchzenden Weisen, und er fühlte sein lindes, sammtenes, schmeichlerisches Fleisch. Und von diesem Grün, wie von einem göttlichen Wunder, strahlte in üppigem Segen die neue Kunst und wandelte über die Erde in begeisterten Propheten und warb Priester dieser neuen, schöneren Religion und alle die seligen Völker wallten zu dem gebenedeiten Stifter mit Weihrauch und Gebet, und Messen dampften ihm überall auf der Erde, Messen von ewigem Ruhm und Preis, und unsäglicher Jubel und dankbare Wonne und unerschöpfliche Bewunderung umringten ihn – und er rannte und rannte durch das krumme Gewinkel des lateinischen Viertels, immer hastiger und wilder, daß er es nur nicht versäume, in stürmischen Sprüngen, bis er atemlos, röchelnd, ohne Sinne zusammenbrach, für tot, auf dem Boulevard Arago, vor seiner Werkstatt.

Ah, wenn er sich erinnerte, dieser Seligkeit ohnegleichen, dieser jauchzenden, taumelnden Wollust ohne Beispiel! Noch siedete ihm das Blut und alle Nerven wirbelten sich zum Tanz, wenn er bloß daran dachte. Er hätte gleich wieder laufen mögen wie damals; es ließ ihn nicht sitzen. Er wanderte wieder den nämlichen Weg wie zuvor. Er wußte nicht wohin, wozu, fragte nicht, träumte nur, träumte von jenem Glücke.

Drei Tage hatte das Glück gehalten, drei rasche Tage, und alle Jahre seines anderen Lebens hätte er dafür geben wollen, alle Jahre, sogleich. Drei Tage im Fieber, vom ersten Morgen, wenn's kaum graute, bis in den letzten Abend, wann ihm endlich die Nacht die Bürste aus der Hand schlug, ohne Rast, keinen Augenblick, nicht einmal für Trank oder Speise, nur an der Staffel, bis es verwandelt war, das alte Bild, nach dem neuen Gedanken, und seiner Hoffnung glich, Thron und Altar jenem Grün. Welche Tage!

Am ersten hatte er das Grün unterjocht, und da er sank, gehorchte es in friedlichem Glanze seinem Dienste. Ah, unvergeßlich, unvergeßlich, ewig! Er konnte nicht scheiden, nicht ruhen, sich nicht sättigen. Alle Lichter zündete er an, was er an Stümpfen nur auftreiben und ausleihen konnte, umkreiste mit ihnen feierlich das Bild, daß es unter vollen Strahlen war, und rückte das Feldbett gegenüber, es unermüdlich mit zärtlicher Andacht zu betrachten. Und er sann und sann, indem er schaute und schaute, die ganze Nacht. Und es wälzten sich seine Gedanken und seine Hoffnungen rollten immer verwegener und kühner. Und es war eine große Freude und viel Vertrauen in ihm, daß er gleich sich hätte aufschwingen und fortfliegen mögen über die Wolken zur Sonne. Und er fühlte eine seltsame Kraft, der nicht zu widerstehen war, und alles Leibliche schien von ihm gestreift und er wunderte sich nur, daß die Engel noch nicht kamen, mit rosigen Schwingen und ganz feinen, hellgrünen Tupfen am Ansatze, um mit Hosiannah und Kuß seine Himmelfahrt zu grüßen.

Er entkleidete sich nicht; er wich nicht; er schaute nur und schaute. Es war ihm namenlos gut und als ob er keiner Nahrung und nichts mehr bedürfe, wenn er nur so schauen könnte, ewig, ohne Ende. Es zitterten ihm die Finger, und er erschrak, seine Augen im Spiegel zu sehen, so unheimlich glänzten sie, groß und tief, von einem schwarzen Feuer.

Als die Nacht schon sich wendete, hatte er einen eiligen Traum. Es schritt eine helle Fee und warf Sterne auf sein Bild. Da erblühten Rosen in dem Grün und bläuliche Lichte vermischten sich, eine himmlische Wonne, und ein Schauer ging über die Wand, daß alle Farben sich verwandelten, noch tiefer leuchteten und noch heller fangen. Und er stürmte auf nach dem Pinsel, diesen Wechsel des Grüns zu erhaschen, und den anderen Abend, nach zwölfstündiger Lust, da, er begriff's noch kaum und wollte es kaum glauben, da wirklich, ja, war's fertig.

Es war fertig. Ah, höhnische Spiegelfechterei der Hölle!

Es war fertig. Wie er damals fortgegangen war, den Boulevard entlang durch den lachenden und jubelnden Frühling, wie ein König stolz, der zu Triumph zieht, selig wie ein Pilger, der von der heiligen Gnade mitbringt – und niemals waren die jungen Blüten so helle gewesen und niemals alle Mädchen so lieblich und küssig und zu den müden Arbeitern, die von der Fabrik kamen, hätte er reden mögen, trostreich, daß jetzt alle Not ein Ende hätte und die Hütten feiern sollten, und von den höchsten Türmen hätte er es verkündigen mögen, daß es fertig war, fertig, fertig, so unfaßlich es war, wirklich fertig!

Er stellte es sich ganz deutlich vor, ganz langsam, wie es gekommen war, in allen Teilen, eines nach dem anderen, damit er jedes einzelne für sich genieße und sich ganz mit seinem köstlichen Geschmacke erfülle. Er mußte lachen, wie er an Ledoyer dachte und die Sauce – übrigens, wenn die Gravitation vom Falle eines Apfels, dann mochte es sich die neue Kunst schon gefallen lassen, vom Glanze einer Sauce zu beginnen. Und dann: sein Grün, wie er es mit dem Hummer und den Radieschen befreundet hatte, unermüdlich mischend bald mit Schatten, bald mit Licht, bis es sich vertrug, und wie er es dann aus jener nächtlichen Erscheinung verwandelt hatte, sein Grün war zudem jetzt ja völlig ein anderes.

Und da, plötzlich aus dem Hinterhalte über den Arglosen her, daß es ihm den Atem verschlug, mitten im Glück, hatte ihn dieser furchtbare Schreck überfallen, diese namenlose Angst: ob es denn überhaupt war, sein Grün, irgendwo in der Wirklichkeit, außer seiner Einbildung!

Denn offenbar – ja, dieses war nicht zu leugnen: wenn es in seiner Erfindung bloß lebte, wenn es kein Gleichnis hatte in der Wirklichkeit, auf das es sich berufen konnte, wenn es erlogen und erheuchelt war, aus üppiger Laune, ja, dann – dann, es war ja nicht auszudenken!

Es war ja nicht auszudenken, daß es dann wieder nur höhnischer Betrug gewesen, wieder nur äffender Wahn der Eitelkeit, und daß er wieder die Leinwand zerreißen und den verräterischen Pinsel zerfetzen konnte, um wieder von vorne anzufangen, wieder von Plan zu Plan hilflos zu irren und wieder ohne Rat und Rettung zu verzweifeln.

Und seitdem jagte er unstät wie ein Geächteter nach seinem Grün, immer nur nach seinem Grün, ob er es nirgends fände in der Wirklichkeit. Seitdem wanderte er durch alle Straßen, kroch in alle Winkel, lungerte in den Hallen, klomm auf alle Türme und schweifte durch die Dörfer. Und er wußte es nicht zu denken, wie er es denn machen sollte, dieses Leben zu ertragen fürderhin, auch nur noch acht Tage.

Wohl redete er es sich vor, dem Zufall zu vertrauen, in Geduld zu harren und in Arbeit zu vergessen. Wohl verhing er das Bild und rüstete eine neue Wand. Aber er hatte die Kraft nicht mehr, sich aufzuraffen und das Leid zu verwinden. Er war ganz erschöpft und seine Seele hatte weggegeben, was sie an Mut, Wille und Entschlossenheit besaß. Wenn es nicht von außen kam, aus Zufall, ohne Zuthun, ein Geschenk – aber es hätte wohl bald sein müssen, wenn's nicht zu spät werden sollte.

Manchmal meinte er, wenn der Tote erst aus dem Hause wäre, wenn er's vernichtete, in Stücke schnitte, verbrännte –! Er wagte nicht, nach der Mauer zu sehen, wo's lehnte, und es verschnürte ihm die Kehle, so oft er vorüber kam – aber doch wieder, wenn's nimmer dort hinge, dann war ja überhaupt alles aus, hoffnungslos. Und immer wieder, alle Tage, verschob er den Mord, ob nicht vielleicht doch in der höchsten Not noch irgendwie Hilfe erschiene.