Das Buch

Wenn Gott gewollt hätte, dass man im Ruhrgebiet Fisch isst, hätte er »Sushi Schranke« erfunden. Und wenn er gewollt hätte, dass man im Revier die zarte Poesie pflegt, hätte er eine sensible Dichterin hingeschickt. So aber entsandte er Torsten Sträter. Und der sagt, was Sache ist – ganz unsentimental, immer voll auf die Zwölf. Und unglaublich komisch.
 
Zwanzig Geschichten aus dem Herzen des Ruhrpotts: Über späte Rache und armselige Konzertbesuche, über den verblassten Charme der Achtziger und elektronisch unterstützte Partnervermittlung, über heikle Bahnfahrten und unangebrachte Heimatgefühle, über den Wandel der Geschlechterbilder und den Wahnsinn jugendlicher Urlaube. Über ein Leben im Hier und Jetzt. Über ein Leben im Dreck, der glänzt.

Der Autor

Torsten Sträter, Jahrgang 1966, wohnhaft in Waltrop bei Dortmund, arbeitet in einer Möbelspedition, hilft in einer Buchhandlung aus und trägt seit 2008 auf Poetry Slams und in Solo-Shows selbstgeschriebene Texte vor. Geringste Zuschauerzahl: 9. Höchste Zuschauerzahl: über 4000.

Torsten Sträter

Selbstbeherrschung
umständehalber abzugeben

Ullstein

Inhalt

Vorwort: Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Buch!

FUMP

Fachterminus

Warum die Achtziger ganz allgemein nicht schön waren

Entsetzliche Klischees mit Häschen

Mein erstes Bier

EBAY-EULE

Mein Urlaubsaufsatz

Ohne Kinder ist Weihnachten ja nix

Paulo Coelho

Gudrun

Frauenfußball

Postamt

Deutsche Bahn, kein einziges Klischee drin, glaub ich

Heimat

Warum ich auf Poetry Slams immer so schlecht vorbereitet bin

Triple-X

Warum nicht gleich so?

Steh auf, wenn du ein Dümpelfelder bist

Die drei Prüfungen

Fredo

Herzlichen Glückwunsch,
es ist ein Buch!

Man kann so viel mit seiner Zeit anfangen.

Der Durchschnittsmensch sieht ja viel fern – oft im Jogginganzug mit KIK-T-Shirt drunter, auf dem Fantasieslogans stehen wie: SPECIAL NATURE FORCE BEST MAN CLEVER DICK MOISTURE SPORTY BOY HOLLA DI BOLLA, daneben aufgedruckte Sterne oder ein skelettierter Hund oder eine abgeworfene Munitionskiste, eben diese Shirt-Motive eines KIK-Designers, der einen Tacken zu lange neben einer Klebstofffabrik gelebt hat, was nicht das Problem ist, denn das Problem ist, dass dieser Satz grade arg unübersichtlich wird, und das ist für ein Buch keine gute Visitenkarte. Wo waren wir?

Genau. Sie haben bestimmt ein tolles Fernsehgerät.

Vielleicht einen SAMSUNG SD-JHG-42-9877653 P, bei dem es beim Anruf der kostenpflichtigen SAMSUNG-Hotline allein vier Euro kostet, die Typenbezeichnung durchzugeben – Ihr Fernseher hat FULL HD, skaliert alles Mögliche hoch, und für die Handhabung der Fernbedienung haben Sie sich einen Studenten der Technischen Universität Hannover ins Haus geholt, der schläft mit im Zimmer von Gandalf oder wie auch immer Ihr halbwüchsiger Sohn heißt.

Sie nutzen diesen Fernseher ziemlich rege, genau wie unsereins, denn das Fernsehen ist verlockend. Ich persönlich sterbe ja für Serien wie RACH, DER RESTAURANTTESTER. Kennt man. Bemerkenswerter Mann. Was der alles hinkriegt.

In Gelsenkirchen gibt’s eine Garage, in der ein Schreiner frittierte Toblerone verkauft, und irgendwie brummt der Laden nicht. Dann kommt Rach und hilft. Rach ist dufte.

Jeder Zuschauer dieser Sendung denkt stets dasselbe wie ich, wenn wieder ein marodes Restaurant Hilfe von Rach anfordert: Was würdest du selbst tun? Wenn du Rach wärst? Antwort: Verwertbare Möbel auf die Straße, dann kontrolliert sprengen.

Aber Rach hilft. Rach ist süß, sagt man ja. Das stimmt. Und ich bin Rachsüchtig.

Oder nehmen wir DIE AUSWANDERER, wo ein tätowiertes Ehepaar aus Bottrop sich überlegt: Wir machen im Dezember auf Ibiza einen Laden für Einlegesohlen auf, und wenn’s rappelt, nehmen wir noch Wäscheklammern mit rein. Ohne Spanischkenntnisse, aber dafür mit 200 Euro Startkapital und drei Dänischen Doggen. Yippie. Fernsehen ist prima.

Aber Sie halten gerade ein Buch in der Hand.

Natürlich fragen Sie sich oft: Wie entsteht so ein Buch?

Können wir gern drüber reden.

Viele denken ja, am Anfang wäre da die Idee. Diese tritt dann eine Lawine des Schaffens los, eine Woge literarischen Gerölls. Das ist Unfug. Zuerst einmal benötigt man einen Verlag. Hüten Sie sich vor Verlagswohnhäusern, die gerne Geld dafür hätten, Ihr lange fertiges Werk zu verlegen. Machen Sie es andersrum: Sie benötigen einen Verlag, der Ihnen Schotter gibt, ohne dass Sie auch nur eine Silbe in den PC gehackt haben, und wenn Sie gefragt werden, wie weit Ihr Werk bereits gediehen ist – lügen Sie! Krücken Sie denen die Hucke voll, machen Sie den Herrschaften vom Verlag nicht nur ein X für ein U vor, sondern nur ein U. Aber das muss ein schönes U sein. Legen Sie ruhig eine »Treatment« genannte Grobvorschau des Buchinhaltes vor, aber bleiben Sie vage. Beispiel:

»In der ersten Geschichte geht es irgendwie um Butter.«

Schließen Sie Ihr Treatment mit einer Einschätzung des eigenen Werks:

»Das Buch ballert krass, jede Wette« oder: »Dieser Roman wird ein Klumpen.«

Und schon sind Sie im Geschäft.

Ehrlich gesagt mache ich einen Sport daraus, derartigen Kokolores hier hinzuschreiben, ist vielleicht auch nur eine erbärmliche Form der Vergeltung, denn in Wirklichkeit läuft es anders. Man reicht eine Geschichte ein, die schillert wie Konfekt und auf unterhaltsame Weise soziale Missstände anprangert, aber ohne den mahnenden Zeigefinger, und alles, was dem Lektorat einfällt, sind Bemerkungen wie:

»Anmerkung 1: Statt WASCHVOLLAUTOMAT bitte Waschmaschine.«

»Anmerkung 2: Was sucht das Wort Waschmaschine in Text über Nostradamus?«

Ein Buch zu machen ist schon Maloche. Und dann sollte so eine Geschichtensammlung auch noch einen Zusammenhang aufweisen. Da gehen E-Mails hin und her, das ist die wahre Pracht.

Lektorat: »Wo ist roter Faden?«

Sträter: »Tippe auf Winterpulli.«

Lektorat: »Wir haben uns schon verstanden, nicht wahr?«

Sträter: »Waschvollautomat.«

Lektorat: »Bitte?«

Sträter: »Kuckuck.«

So gewinnt man immerhin etwas Zeit, bis es wirklich konkret wird.

Lektorat: »Bitte Text über die Deutsche Bahn, aber ohne Klischees!«

Sträter: »Puh. Darf ich bitte stattdessen einen Minnegesang in Sanskrit schreiben?«

Zum Schluss dann: die Gliederung. Beim letzten Buch hab ich mich, und mit ich meine ich wir, entschlossen, als Gliederung DAMALS und JETZT zu nehmen, um die eher zusammenhanglosen Geschichten zu verbinden. Kracher. Damit bin ich diesmal nicht durchgekommen. Also habe ich verschiedene Vorschläge eingereicht:

»Gliederung nach heimischen Vogelarten. Teil eins: DER BAUMPIEPER. Darunter dann eine Geschichte über meinen Bruder, der in Monaco einen Kugelschreiber kauft.«

Wolltensenich.

Eine andere Variante wäre gewesen, das Buch so zu gliedern, dass die Einteilungen völlig unverständlich sind:

»1. DER FÖTENSCHLUMPF FÄNGT AN!«

»2. DIE GÖTTLICHE KOMMODE.«

»3. Zicke-zacke-zicke-zacke-HEUHEUHEU!«

Und so fort.

War auch unerwünscht.

Spielt jetzt aber auch keine Rolle.

Buch ist fertig, und Sie gucken grade nicht etwa Fernsehen – Sie lesen. Das ist wunderbar. Sie halten sozusagen Teil zwei meiner Memoiren in der Hand, und nein: Ich war nicht auf dem Jakobsweg, konnte aufgrund meiner straff organisierten Jugend auch nicht als Wanderhure arbeiten und bin kein Lehrerkind. Als ich Kind war, fuhr meine Mutter einen Kleinbus.

Ich kam immer pünktlich zur Schule, mehr ist da nicht rauszuholen.

Entschuldigung.

Natürlich musste auch ich im Sportunterricht so Kunstledertopflappen als Schuhe tragen, diese Dinger mit durchlaufendem Gummizug in iPod-Weiß, aber was soll’s? Vielleicht dachte meine Mutter, ich hätte Sport im Shaolin-Kloster. Ist jetzt egal. Hauptsache, Sie lesen. HARRY POTTER hat eine ganze Generation zum Buch gebracht, was leider den unangenehmen Nebeneffekt hatte, dass seit einiger Zeit viele Grundschullehrer nicht mehr zum Friseur gehen und sich auch sonst wie Professor Snape aufführen. Unterm Strich aber trotzdem toll. Hätte dieses Buch ein geheimes Motto, also den geforderten roten Faden, wäre dies ein altbekanntes:

Lieber einen guten Freund verlieren als eine Pointe auslassen.

Nochmal zum Thema TV: Das Fernsehen bietet so ziemlich alles, ich weiß, stellenweise gar in 3-D. Aber noch mehr 3-D als die Welt, die beim Lesen im Kopf entsteht, geht nicht. Wenn Sie das trotzdem denken sollten, also »Fernseher in 3-D, nice, muss ich haben!« – dann tasten Sie mal ganz langsam mit der Hand Ihr eigenes Gesicht ab.

Sehen Sie?

So toll ist es nun auch wieder nicht.

FUMP

Es war Anfang der Siebziger. Ich war etwa sieben und wollte raus, um mit meinen Freunden zum ersten Mal Fußball zu spielen.

Dementsprechend hatte meine Mutter mich angezogen: Draußen 18 Grad plus, also wurde ich eingepackt wie ein Astronaut der Apollo-Mission. Das lag bei uns in der Familie. Wegen meinem Opa und dem Krieg.

Mein Großvater fiel in Stalingrad.

Gut, er stand wieder auf, fuhr nach Hause und wurde später in Duisburg vom Bus überfahren, aber Kälte war trotzdem ein Reizthema.

Bei uns zuhause war irgendwie immer Nachkriegszeit. Es gab nie Süßigkeiten. Niemals. Immer nur Jagdwurst und Leberwurst, grobe, richtig grobe – so überaus grobe, dass man stellenweise noch das entsetzte Gesicht des Schweins erkennen konnte. Wie beim Turiner Leichentuch Christi. Nur zum Essen.

Ich trug DEN PARKA, ein 9 Kilo schweres Monster mit Deutschlandflagge auf dem Ärmel und seesackgroßer Kapuze. Diese Kapuze zurrte mir Mutti so fest um den Kopf, dass ihre Adern am Bizeps hervortraten. Ich sagte Tschüss, komplett in Rüstung bis auf das Rund meines käsigen Bubengesichts, öffnete die Wohnungstür, hörte ein leises FUMP!, und eine mit mindestens 200 km/h heranrasende Lederpocke traf mich genau in die Fresse. Ich kippte um. Der Täter flüchtete unerkannt. Ich habe seitdem etwas neben dem Mund, was Leute für ein Muttermal halten, so wie bei Robert De Niro. Aber das ist der Abdruck vom Ballventil. Jedenfalls: Danach war Fußball für mich gestorben.

Jahre später hatte ich dann wieder Kontakt mit Sport – in Form von Minigolf. Mit Uwe. Wir spielten gerade an der Bahn, bei welcher man den Ball über eine steile Rutsche in einen weit entfernten Netzbeutel hauen musste. Ich versuchte das 400 Mal und kam zu folgendem Schluss: Schafft man nicht. Geht nicht. Jeder, der behauptet, er hätte das mal geschafft, hat keine Zeugen – die sind alle kurz darauf gestorben, haben eine Ausbildungsstelle auf einem Kutter in Shanghai angenommen oder waren schon von Kindheit blind. Das ist wie auf der Kirmes diese Ringe über Flaschenhälse werfen. Hat auch noch nie einer geschafft. Deswegen haben diese Schausteller auch immer nur staubige Stofftiere von ALF als Gewinn. Uwe sagte: »Lass mich mal.«

Er positionierte sich wie ein Profi.

»Schau mir über die Schulter«, ordnete er weltmännisch an. Ich stellte mich hinter ihn, Uwe holte aus wie ein Profi und schlug mir in der ausholenden Bewegung den Minigolfschläger in die Fresse.

Ich kippte um und hörte kurz vorm Aufschlag meines Leibes, wie Uwe »Ouh« sagte. Das war alles. »Ouh.«

Ich wachte im Krankenwagen auf. Uwe war über mich gebeugt. Er lächelte, dann sagte er: »Ich hab den übrigens reingekriegt. Beim ersten Mal. Voll in den Beutel, Kollege.«

Danach war auch Minigolf für mich gestorben.

2010.

Ich saß bei Uwe auf der Couch. Uwe ist mittlerweile Chef eines großen Elektronikhauses und muss das Geld mit der Schubkarre nach Hause fahren. Wir starrten angetrunken auf den Fernseher. Sportübertragung.

Ich lief mit Scheuklappen durchs Leben, was Fußball anging. Frauen liefen mit Scheuklappen durchs Leben, was mich anging, aber das ist ein anderer Text.

»Was ist das für ein verworrener Unsinn?«, fragte ich mit Blick auf den Fernseher.

»Das ist die Weltmeisterschaft, Alter!«

»Worin?«

»Afrika«, sagte Uwe.

»Komm«, entgegnete ich, »mach weg die Scheiße, gleich kommt ALARM FÜR COBRA 11.«

»Das ist die WM!«

Mir dämmerte was. Die ganzen Autos mit den kleinen Flaggen an den Türen.

Ich hatte mich schon gefragt, warum auf einmal so viele Diplomatenfahrzeuge rumfuhren. Und warum Diplomaten neuerdings in Unterhemd rumfuhren, Brüllmusik von Sportfreunde Stiller hörten und dabei hupten. Was muss das für ein Land sein, dachte ich, das derartige Vollspaten zu Botschaftern machte. Jetzt wusste ich’s ja.

»Ich versteh da nix von, Uwe. Will ich auch nicht.«

»Ist simpel«, sagte Uwe. »Da, wo wir nicht sind, muss der Ball rein. Andersrum ist scheiße.«

»Aha.«

»Und beim nächsten Mal kucken wir das in FULL HD. Und 3-D. Das kostet ein paar Tausender, aber scheiß drauf, ich fahre mein Geld ja in Schubkarren nach Hause.«

Er dachte kurz nach.

»Ne, mach ich nicht, das mit der Schubkarre. Da müsste ich ein ganzes Stück über die A2, das ist mir zu riskant. Aber nächstes Mal: FULL HD 3-D, volles Programm.«

»Wo sind die alten Zeiten hin?«, sinnierte ich. »Damals haben wir Filme auf Super 8 gekuckt. In Schwarz-Weiß. Nix FULL HD.«

»Weiße was«, sagte Uwe, »damals war die Schmalfilmerei ja auch der letzte Stand der Technik. Heute ist das Käse.«

»Ich fand’s toll damals!«

»Okay«, erwiderte Uwe. »Pass auf. Wenn du artig mit mir das Spiel kuckst, kannste die ganze alte Schmalfilmscheiße mitnehmen. Schenk ich dir. Filme, Projektor, alles.«

Und so riss ich mich einen Abend zusammen.

Am nächsten Tag packte ich den Karton aus. Nostalgie flutete mein Wohnzimmer. Ich verdunkelte den Raum, baute den Projektor auf und begann, mir die alten Filme reinzuziehen. Uwe war schon ein Netter, dachte ich. Ich begann mit gekauften Streifen wie DER KLEINE MUCK und legte zwischendurch immer wieder Selbstgefilmtes von Uwes Vater ein. Selbstgedrehte Schmalfilme sind wie selbstgebrannter Schnaps. Dir selbst kommt’s okay vor, aber andere quälen sich damit ab.

Ich sah FAHRT ZUR MOSEL 72, dann den Reißer GISELAS GEBURTSTAG AUF DEM PRICKINGSHOF, und dann fand ich eine Rolle, die mit HIGH NOON beschriftet war.

Ich legte den Film ein. In flackerndem Schwarz-Weiß sah ich Uwe, vielleicht 8 oder 9, der sein Gesicht in die Kamera hielt. Er trug einen außerordentlich dumm aussehenden Cowboyhut.

Über seine Schulter sah man auf der anderen Straßenseite eine Tür aufgehen. Da stand ein kleiner Junge. Er trug einen Parka, die Kapuze dicht am Schädel verzurrt. Uwe beulte stumm die Wange mit der Zunge aus, nahm 10 Meter Anlauf und trat dann gegen den Fußball, der wie ein Geschoss über die Straße feuerte und den Jungen im Parka exakt in der Fresse erwischte.

Der Junge verschwand schlagartig aus dem Türrahmen. Uwe hielt sich den Zeigefinger vor den Mund und tat so, als würde er Rauch von einem Colt blasen.

»Alles klar«, sagte ich ins leere Wohnzimmer.

Lange Zeit geschah nichts.

Irgendwann lernte Uwe eine Frau kennen. Sie verliebten sich, verlobten sich, zogen zusammen, bastelten gemeinsam Mumpitz in Form eines Türschilds aus Salzteig, fuhren nach Fehmarn in Urlaub, es war wundervoll, selbst Kai Pflaume hätte vor Rührung gekotzt.

Sie beschlossen zu heiraten. Uwe nannte seine zukünftige Frau »mein kleines Steuersparmodell«.

Er fragte mich, ob ich Trauzeuge sein möchte. Ich bejahte. Sie heirateten an einem milden Tag in Duisburg-Neumühl.

Es war sehr romantisch. Als Uwe mit seiner Braut durchs Kirchenportal ins Freie trat, flogen weiße Tauben auf.

Ich war bereits draußen. Um die 2 Meter 40 lange Druckluft-Kanone auszurichten. Die hatte ich beim Zirkus geliehen. Sie verschossen üblicherweise Zwerge damit. Da ich niemanden in die Sache hineinziehen wollte, hatte ich mich allerdings für einen Medizinball entschieden. Ich zielte sorgfältig: Uwes Gesicht. Das Glück. Der Stolz. Es machte laut FUMP!

Dann war alles gut.

Fachterminus

Man sagt, ich hätte ein angenehmes Wesen, aber das stimmt nicht.

Ich hatte mal eins, aber das ist dann gestorben. Bernhardiner. Einfach im Wald tot umgekippt, was schon schlimm genug war, aber der wog auch noch 50 Kilo, und während ich ihn 4 Kilometer zum Auto zurücktrug, konnte jetzt weniger von Trauerarbeit die Rede sein als von Arbeit an sich.

Man sagt auch, die Seele sei unsterblich, und das wirft wohl die Frage auf, warum sie sich dann trotzdem verflüchtigt, aber zentnerweise Hund zurücklässt.

Ich brachte ihn zum Tierarzt. Er röntgte ihn und stellte fest, dass sein Herz die Größe eines Medizinballs hatte.

»Was hat er gefressen?«, fragte der Arzt.

»Gesundes Zeug«, erwiderte ich. »Viel Obst, vor allem in Form von Weingummi. Was habe ich diese Abende mit ihm geliebt – nur er und ich und ein Film mit Meg Ryan, vorzugsweise Stadt der Engel, und immer, wenn Meg Ryan freihändig Richtung Tod und Verderben radelte, hat er so seltsam gewufft, so Wuff, Sie wissen schon.«

»Das war Ihre Schuld«, sagte der Arzt.

»Schwachsinn«, sagte ich, »was setzt sie sich auch auf ein Fahrrad und macht die Augen zu. Das muss doch böse enden.«

»Das mit dem Hund. Weingummi tötet.«

Der Arzt ging um den Tisch herum und blieb am Hintern meines Hundes stehen.

»Er hat gelöst«, sagte er.

»Gelöst? Was denn? Ein Sudoku?«

»Nein, nein«, sagte der Tierarzt. »Das ist ein Fachterminus. Wenn ein Hund kotet, sagt man korrekt: Er hat gelöst. Ihr Hund hat im Moment seines Todes gelöst.«

»Er hat geloost, würde ich sagen«

»Gelöst«, wiederholte der Mediziner. »So heißt das.«

»Und soll mich das jetzt trösten?«

»Nun, wenn er gelöst hat, trat der Tod sehr schnell ein. Ganz natürlich.«

»Natürlich war der Tod natürlich. Was dachten Sie? Dass es ein Selbstmordattentat war?«

Ich wurde wütend.

»Nehmen Sie Ihren Hund mit«, sagte der Tierarzt, gefolgt von: »Das macht 138 Euro 50.«

»Dafür kriege ich ja einen Neuen!«

»Hier nicht.«

»Ich bringe Ihnen meinen toten Hund, zahl mich dumm und dämlich und bekomme einen toten Hund zurück? Da stimmt doch was mit der Wertschöpfungskette unseres Gesundheitswesens nicht!«

»138,50«, sagte der Arzt.

Nun war ich allein daheim. Fragen durchströmten mein Denken.

Warum kann man bei eBay keine Tiere ersteigern? Eine Katze vielleicht.