Parlamentsrecht
Prof. Dr. Philipp Austermann
Professor an der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung, Brühl,
vormals Regierungsdirektor in der Verwaltung des Deutschen Bundestages
Prof. Dr. Christian Waldhoff
Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin,
Richter im Nebenamt am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
1. Auflage
www.cfmueller.de
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
ISBN 978-3-8114-8852-6
E-Mail: kundenservice@cfmueller.de
Telefon: +49 89 2183 7923
Telefax: +49 89 2183 7620
www.cfmueller.de
© 2020 C.F. Müller GmbH, Waldhofer Straße 100, 69123 Heidelberg
Hinweis des Verlages zum Urheberrecht und Digitalen Rechtemanagement (DRM)
Der Verlag räumt Ihnen mit dem Kauf des ebooks das Recht ein, die Inhalte im Rahmen des geltenden Urheberrechts zu nutzen. Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Der Verlag schützt seine ebooks vor Missbrauch des Urheberrechts durch ein digitales Rechtemanagement. Bei Kauf im Webshop des Verlages werden die ebooks mit einem nicht sichtbaren digitalen Wasserzeichen individuell pro Nutzer signiert.
Bei Kauf in anderen ebook-Webshops erfolgt die Signatur durch die Shopbetreiber. Angaben zu diesem DRM finden Sie auf den Seiten der jeweiligen Anbieter.
Vorwort
Der Deutsche Bundestag als Parlament ist das zentrale Staatsorgan in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes. Er ist zugleich das einzige direkt vom Staatsvolk gewählte Organ. Von ihm wird in zentraler Weise demokratische Legitimation vermittelt. Das Parlamentsrecht bietet den Rechtsrahmen für die Abgeordneten, für die (Selbst-)Organisation und für die organschaftliche Willensbildung im Deutschen Bundestag. Zusammen mit dem Parteienrecht und dem Wahlrecht bildet das Parlamentsrecht die Demokratieverfassung des Grundgesetzes: Ausgehend von der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung im vorstaatlichen Bereich und vermittelt über die Wahl zum Deutschen Bundestag setzt sich die politische Willensbildung im Parlament fort. Dort werden die politischen Entscheidungen getroffen und in Form von Wahlen und (Gesetzes-)Beschlüssen in Handlungs- und damit in Rechtsformen gegossen. Die Fraktionen erweisen sich als parlamentarische Fortsetzungen der politischen Parteien in staatsorganschaftlichem Gewand. In der politischen Praxis der Bundesrepublik nimmt die Bedeutung des Parlamentsrechts wegen der parteipolitischen Diversifizierung und wegen Tendenzen der Lockerung des Grundkonsenses über unsere Verfassungs- und Gesellschaftsordnung zu. Noch nie war das BVerfG mit so vielen parlamentsrechtlichen Streitigkeiten befasst, wie in den letzten Jahren.
Das vorliegende Buch dient in erster Linie Ausbildungszwecken. Parlamentsrechtliche Fragen sind Bestandteil der staatsorganisationsrechtlichen Vorlesungen und Arbeitsgemeinschaften am Beginn des Rechtsstudiums, die in allen Bundesländern zum Prüfungspflichtstoff in der Ersten Prüfung zählen. Darüber hinaus ist es in seiner Vertiefung Bestandteil verschiedener Schwerpunktbereiche. Stoffauswahl, Darstellungsmethode und Literaturauswahl knüpfen an diese Ausrichtung an. Beide Autoren konnten ihre Lehrerfahrung in dem Schwerpunktbereich „Rechtsetzung und Rechtspolitik“ und dort durch die Vorlesungen „Rechtsetzungsrecht“ sowie „Parlamentsrecht“ an der Humboldt-Universität zu Berlin einbringen. Philipp Austermann konnte zudem seine langjährige Erfahrung in der Verwaltung des Deutschen Bundestages, u.a. im Sekretariat des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sowie im Plenarsitzungsdienst nutzen. Nicht nur daraus erklärt sich die deutliche Einbeziehung von Parlamentspraxis in die Darstellung, soweit dies nötig und sinnvoll war. Christian Waldhoff hält regelmäßig die Vorlesung „Staatsrecht I (Staatsorganisationsrecht)“. In seiner richterlichen Tätigkeit war er mit parlamentsrechtlichen Streitigkeiten befasst. An wichtigen Stellen wird der Stoff durch Fälle angereichert. Aufbau- und Prüfungsschemata ergänzen das Bild. Auf die anderen staatsrechtlichen Werke in der Lehrbuchreihe der „Schwerpunkte“ wird nicht nur in den jeweiligen Fußnoten verwiesen; am Beginn jedes Abschnitts wird die Vernetzung durch Inbezugnahme der einschlägigen Kapitel gewährleistet (▸). Das gilt in erster Linie für ▸ Christoph Degenhart, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht, 35. Aufl. 2019, aber auch für die Lehrbücher von: ▸ Thorsten Kingreen/Ralf Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II, 35. Aufl. 2019, ▸ Christian Hillgruber/Christoph Goos, Verfassungsprozessrecht, 5. Aufl. 2020 sowie ▸ Henning Tappe/Rainer Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019.
Für die Erstellung des Sachregisters danken wir Frau stud.iur. Franka Vagts am Berliner Lehrstuhl herzlich.
Für Kritik und Anregungen sind wir stets dankbar (philipp.austermann@hsbund.de; christian.waldhoff@rewi.hu-berlin.de).
Brühl und Berlin, im Mai 2020 Philipp Austermann
Christian Waldhoff
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Abkürzungsverzeichnis
§ 1Einführung
I.Parlament
II.Parlamentarisches Regierungssystem
III.Parlamentsrecht
IV.Abgeordnetenrecht
V.Parlamentsrecht als Teil der Demokratieverfassung des Grundgesetzes
§ 2Geschichte der Parlamente und des Parlamentsrechts
I.Vorparlamentarische Institutionen, insb. Ständeversammlungen
II.Volksvertretungen in der konstitutionellen Monarchie
1.Ausländische Vorbilder
2.Deutscher Bund
3.Revolution 1848 und das Paulskirchenparlament
4.Norddeutscher Bund und Deutsches Kaiserreich
a)Staatsorgane nach der Bismarck-Verfassung
b)Reichstag
c)Oktoberreform 1918
III.Parlamentarische Demokratie
1.Weimarer Republik
a)Novemberrevolution
b)Nationalversammlung und Weimarer Reichsverfassung
c)Parlamentsrecht der Weimarer Republik
d)Zurückdrängung des Reichstages ab 1930
e)Selbstentmachtung durch das Ermächtigungsgesetz
2.Bundesrepublik Deutschland
IV.Scheinparlamente
1.Reichstag unter nationalsozialistischer Herrschaft
2.Volkskammer der DDR
V.Parlamentarische Selbstdarstellung und Antiparlamentarismus
§ 3Rechtsquellen des Parlamentsrechts
I.Verfassungsrecht
II.Einfaches Gesetzesrecht
III.Ausführungsbestimmungen
IV.Formelles Geschäftsordnungsrecht (GO-BT)
1.Verfassungsrechtliche Grundlage: Geschäftsordnungsautonomie
2.Erlass der Geschäftsordnung
3.Umfang des geschriebenen Geschäftsordnungsrechts
4.Besonderheiten des Geschäftsordnungsrechts
5.Verhältnis von Gesetz und Geschäftsordnung
6.Formenwahlrecht?
7.Auslegung der Geschäftsordnung
8.Änderung der Geschäftsordnung
9.Diskontinuitätsgrundsatz
10.Auswirkungen eines Geschäftsordnungsverstoßes
11.Verfassungsprozessuale Bedeutung der Geschäftsordnung
V.Ungeschriebene Regeln
1.Parlamentsgewohnheitsrecht
a)Vorschlagsrecht für den Bundestagspräsidenten
b)Unvereinbarkeitsregeln
c)Abstimmungsreihenfolge
d)Zwischenrufe in der parlamentarischen Debatte
e)Weitere Regeln des Parlamentsgewohnheitsrechts
2.Parlamentsbrauch (parlamentarische Übung)
a)Interfraktionelle Vereinbarungen
aa)Vereinbarungen mit Anknüpfungspunkt in der GO-BT
bb)Vereinbarungen ohne Anknüpfungspunkt in der GO-BT
b)Weitere parlamentarische Übungen
§ 4Mitglieder des Parlaments: Die Rechtsstellung der Abgeordneten
I.Repräsentantenstellung und freies Mandat
1.Vertreter des ganzen Volkes
2.Grundsatz des freien Mandats, Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG
II.Formale Gleichbehandlung aller Abgeordneten
III.Parlamentarische Mitwirkungsrechte
IV.Indemnität
1.Zweck
2.Persönlicher und zeitlicher Schutzbereich
3.Sachlicher Schutzbereich
4.Räumlicher Schutzbereich
5.Rechtsfolgen
V.Immunität
1.Zweck
2.Anspruchsinhaber
3.Schutzumfang
a)Art. 46 Abs. 2 GG
b)Art. 46 Abs. 3 GG
c)Art. 46 Abs. 4 GG
4.Genehmigungsbedürftige und genehmigungsfreie Sachverhalte
5.Verfahren in Immunitätsangelegenheiten
6.Rechtsschutz
VI.Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
1.Zweck
2.Zeugnisverweigerungsrecht
a)Persönlicher Geltungsbereich
b)Sachlicher und zeitlicher Geltungsbereich
c)Subjektiv-öffentliches Recht des Abgeordneten
3.Beschlagnahmeverbot
a)Persönlicher, sachlicher und zeitlicher Geltungsbereich
b)Subjektiv-öffentliches Recht des Abgeordneten
VII.Behinderungsverbot
VIII.Entschädigungsanspruch und Freifahrtanspruch
1.Entschädigungsanspruch
2.Freifahrtanspruch
3.Regelung durch ein Bundesgesetz
IX.Abgeordnetenpflichten
X.Verhaltensregeln
§ 5Fraktionen, Gruppen und fraktionslose Abgeordnete
I.Fraktionen
1.Politische Bedeutung
2.Rechtsstatus
3.Begriff, Bildung und Auflösung
4.Rechte und Pflichten der Fraktionen
a)Rechte
aa)Fraktionsautonomie
bb)Mitwirkungsrechte
(1)Quoren
(2)Gleichbehandlungsgrundsatz
(3)Spiegelbildlichkeitsgrundsatz
(4)Fraktionsexklusive Rechte
cc)Öffentlichkeitsarbeit
b)Pflichten
5.Organe und Verfahren (Binnenstruktur)
a)Fraktionsgeschäftsordnung
b)Mitgliedschaftsverhältnis – fraktionsinterne Bedeutung des freien Mandats
c)Fraktionsversammlung
d)Fraktionsvorstand, weitere Funktionsträger und Gremien
6.Fraktionsfinanzierung
7.Prozessrechtliche Fragen des Fraktionsrechts
II.Gruppen
1.Voraussetzungen der Anerkennung
2.Rechte und Pflichten
III.Fraktionslose Abgeordnete
1.Tatsächliche Bedeutung, Gründe der Fraktionslosigkeit
2.Rechte
§ 6Selbstorganisation und Organe des Parlaments
I.Selbstorganisationsrecht als Teil der Parlamentsautonomie
II.Bundestagspräsident
1.Bestellung und Abwahl
2.Funktionen und Befugnisse
a)Nach außen gerichtete Funktionen und Befugnisse
b)Nach innen gerichtete Funktionen und Befugnisse
c)Insb.: Hausrecht und Polizeigewalt
d)Insb.: Ordnungsgewalt im Plenum
aa)Ordnungsmittel gegenüber Mitgliedern des Bundestages
bb)Ordnungsmittel gegenüber Zutritts- und Redeprivilegierten
cc)Ordnungsmittel gegenüber Zuhörern
e)Vertretung des Bundestagspräsidenten
III.Präsidium
IV.Ältestenrat
1.Verständigungsgremium
2.Beschlussorgan
V.Plenum
1.Aufgaben und Befugnisse
2.Verfahren
a)Antragserfordernis
b)Öffentlichkeitsgrundsatz
c)Anwesenheitsrecht
d)Aussprache (Debatte)
e)Entscheidungsarten: Wahl und Beschluss
f)Abstimmungsverfahren
g)Mehrheitserfordernisse
3.Ablauf einer Plenarsitzung
VI.Ausschüsse und sonstige Gremien
1.Arten von Ausschüssen
a)Ständige Ausschüsse
b)Sonderausschüsse, Untersuchungsausschüsse
c)Hauptausschuss
2.Einsetzung, Mitglieder, Vorsitz
a)Einsetzung und Mitglieder
b)Vorsitz
3.Aufgaben
4.Ablauf und interne Organisation der Ausschussarbeit
a)Einladung, Tagesordnung
b)Sitzungsleitung, Nichtöffentlichkeit, Zutritts-, Beratungs- und Stimmrecht
c)Beschlussfähigkeit
d)Öffentliche Anhörung
e)Protokollierung
f)Ausschussberatung einer überwiesenen Vorlage
g)Aufgaben des Ausschusssekretariats
5.Sonstige Gremien
VII.Opposition als Untergliederung des Parlaments?
VIII.Parlamentsverwaltung
1.Aufgaben
2.Informationsansprüche gegen das Parlament
§ 7Handlungsformen des Parlaments
I.Parlamentsgesetz
II.Beschluss
III.Wahlen
§ 8Funktionen des Parlaments
§ 9Gesetzgebung durch das Parlament
I.Entstehung eines Gesetzentwurfs
II.Initiativrecht (Einbringungsverfahren)
1.Bundesregierung
2.Bundesrat
3.Aus der „Mitte des Bundestages“
4.Bundestag als Hauptorgan der Gesetzgebung
III.Zuleitung
IV.Gesetzesberatung und Gesetzesbeschluss im Bundestag (Hauptverfahren I)
1.Erste Beratung im Plenum („1. Lesung“)
2.Ausschussberatung(en)
3.Zweite Beratung im Plenum („2. Lesung“)
4.Dritte Beratung im Plenum („3. Lesung“)
5.Verfassungsrechtliche Bedeutung von Verstößen gegen die GO-BT
V.Mitwirkung des Bundesrates (Hauptverfahren II)
1.Vermittlungsausschuss
2.Abstimmung über einen Einspruch des Bundesrates
VI.Ausfertigung und Verkündung (Abschlussverfahren)
§ 10Kontrolle der Regierung durch das Parlament
I.Frage- und Informationsrecht (Interpellationsrecht)
II.Zitierrecht
III.Recht zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen (Enquêterecht)
1.Untersuchungsgegenstand
a)Bestimmheit
b)Antezipationsverbot
c)Kompetenz des Bundes und des Bundestages
d)Änderung des Untersuchungsgegenstandes
2.Einsetzung
3.Vorsitzender, stellvertretender Vorsitzender und Mitglieder
4.Untersuchungsverfahren
a)Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit
b)Beweiserhebung
aa)Durch Akten
bb)Durch Zeugenvernehmung
cc)Durch die Befragung von Sachverständigen
5.Gerichtliche Klärung von Streitfragen im Ausschuss
6.Berichtspflicht
IV.Recht zur Erhebung einer abstrakten Normenkontrolle
V.Recht zur Erhebung einer Subsidiaritätsklage als Kontrollinstrument?
VI.Wehrbeauftragter
VII.Parlamentarisches Kontrollgremium
§ 11Das Budgetrecht des Parlaments
I.Kontrolle und Staatsleitung
II.Parlamentarisches Budgetrecht als Endpunkt einer historischen Entwicklung
III.Rechnungshof als Hilfsorgan im Rahmen der Budgetfunktion des Parlaments
§ 12Mitwirkung an der „Gesamtleitung“ des Staates
I.Angelegenheiten der Europäischen Union
II.Auslandseinsätze der Bundeswehr
§ 13Parlament in Sondersituationen
I.Parlament im Notstand
II.Gesetzgebungsnotstand
III.Sonstige Krisensituationen
§ 14Parlamente und parlamentsähnliche Einrichtungen auf anderen Ebenen
I.Landesparlamente
II.Europäisches Parlament
III.Zweite Kammern, insb. Bundesrat
IV.Vermittlungsausschuss
V.Bundesversammlung
VI.Kommunale Vertretungskörperschaften als Parlamente?
Stichwortverzeichnis
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Achterberg, Norbert, Parlamentsrecht, Tübingen 1984 (zit.: Achterberg)
Austermann, Philipp, Der Weimarer Reichstag. Die schleichende Ausschaltung, Entmachtung und Zerstörung eines Parlaments, Wien 2020 (zit.: Austermann, Reichstag)
Austermann, Philipp/Schmahl, Stefanie (Hrsg.), Abgeordnetengesetz. Kommentar, Baden-Baden 2016 (zit.: Bearbeiter, in: AS)
Badura, Peter, Staatsrecht, 7. Aufl. München 2018 (zit.: Badura)
Beck Online Kommentar Grundgesetz, hrsg. von Volker Epping/Christian Hillgruber, 42. Edition 2020 (zit.: Bearbeiter, in: BeckOK-GG)
Benda, Ernst/Maihofer, Werner/Vogel, Hans Jochen (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. Berlin 1994 (zit.: Bearbeiter, in: HdbVerfR)
Braun, Werner/Jantsch, Monika/Klante, Elisabeth, Abgeordnetengesetz des Bundes – unter Einschluss des Europaabgeordnetengesetzes und der Abgeordnetengesetze der Länder, Berlin 2002 (zit.: Braun/Jantsch/Klante)
Degenhart, Christoph, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht, 35. Aufl. Heidelberg 2019 (zit.: Degenhart)
Denninger, Erhard/Hoffmann-Riem, Wolfgang/Schneider, Hans-Peter/Stein, Ekkehart (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Loseblattsammlung, 3. Aufl. Neuwied 2002 (zit.: Bearbeiter, in: AK)
Dreier, Horst (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 3 Bde., 3. Aufl. Tübingen 2013 – 2018 (zit.: Bearbeiter, in: Dreier)
Friauf, Karl Heinrich/Höfling, Wolfram (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz. Loseblattsammlung, Stand des Gesamtwerks: Lfg. 4/2019 (zit.: Bearbeiter, in: BerlK)
Glauben, Paul J./Brocker, Lars, Das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern. Ein Handbuch, 3. Aufl. Köln 2016 (zit.: Bearbeiter, in: Glauben/Brocker)
Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. Heidelberg 1995 (zit.: Hesse)
Hillgruber, Christian/Goos, Christoph, Verfassungsprozessrecht, 5. Aufl. Heidelberg 2020 (zit.: Hillgruber/Goos)
Hömig, Dieter/Wolff, Heinrich Amadeus (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Handkommentar, 12. Aufl. Baden-Baden 2018 (zit.: Bearbeiter, in: Hömig/Wolff)
Ipsen, Jörn, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht, 31. Aufl. München 2019 (zit.: Ipsen)
Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 13 Bde., 3. Aufl. Heidelberg 2003 ff. (zit.: Bearbeiter, in: HStR Bd.)
Jarass, Hans D./Pieroth, Bodo, Grundgesetz. Kommentar, 15. Aufl. München 2018 (zit.: Bearbeiter, in: JP)
Kahl, Wolfgang/Waldhoff, Christian/Walter, Christian (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, Stand des Gesamtwerks: 203. Lfg. April 2020 (zit.: Bearbeiter, in: BK)
Kluth, Winfried/Krings, Günter (Hrsg.), Gesetzgebung. Rechtsetzung durch Parlamente und Verwaltungen sowie ihre gerichtliche Kontrolle, Heidelberg 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Kluth/Krings)
von Mangoldt, Hermann/Klein, Friedrich/Starck, Christian, Grundgesetz. Kommentar, 3 Bde., 7. Aufl. München 2018 (zit.: Bearbeiter, in: vMKS I)
Maunz, Theodor/Dürig, Günther, Grundgesetz. Kommentar, Loseblattsammlung, Stand des Gesamtwerks: 89. Aufl. Oktober 2019 (zit.: Bearbeiter, in: MD)
Maunz, Theodor/Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein Franz, Bethge, Herbert u.a., Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Kommentar, Loseblattsammlung, Stand des Gesamtwerks: 48. Lfg. 2016 (zit.: Bearbeiter, in: MSBKB)
Meinel, Florian, Selbstorganisation des parlamentarischen Regierungssystems, Tübingen 2019 (zit.: Meinel, Selbstorganisation)
Meinel, Florian, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München 2019 (zit.: Meinel, Vertrauensfrage)
Morlok, Martin/Michael, Lothar, Staatsorganisationsrecht, 4. Aufl. Baden-Baden 2019 (zit.: Morlok/Michael)
von Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 2 Bde., 6. Aufl. München 2012 (zit.: Bearbeiter, in: vMK I)
von Münch, Ingo/Mager, Ute, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht unter Berücksichtigung der europarechtlichen Bezüge, 8. Aufl. Stuttgart 2016 (zit.: von Münch/Mager)
Morlok, Martin/Schliesky, Utz/Wiefelspütz, Dieter (Hrsg.), Parlamentsrecht, Baden-Baden 2016 (zit.: Bearbeiter, in: MSW)
Peters, Butz, Untersuchungsausschussrecht, München 2012 (zit.: Peters)
Ritzel, Heinrich G./Bücker, Joseph/Schreiner, Hermann J./Winkelmann, Helmut, Handbuch für die parlamentarische Praxis. Mit Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Loseblattsammlung, Stand des Gesamtwerks: Januar 2019 (zit.: Ritzel/Bücker/Schreiner)
Roll, Hans-Achim, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Kommentar, Baden-Baden 2001 (zit.: Roll)
Sachs, Michael (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 8. Aufl. 2018 (zit.: Bearbeiter, in: Sachs)
Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Hofmann, Hans/Henneke, Günter (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 14. Aufl. 2017 (zit.: Bearbeiter, in: SBHH)
Schneider, Hans-Peter/Zeh, Wolfgang (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Berlin 1989 (zit.: Bearbeiter, in: SZ)
Sodan, Helge (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 4. Aufl. München 2018 (zit.: Bearbeiter, in: Sodan)
Stern, Klaus, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 5 Bde., München 1980 ff. (zit.: Stern, StaatsR I)
Umbach, Dieter C./Clemens, Thomas (Hrsg.), Grundgesetz. Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2 Bde., Heidelberg 2002
Waldhoff, Christian/Gärditz, Klaus F. (Hrsg.), Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages. Kommentar, München 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Waldhoff/Gärditz)
Abkürzungsverzeichnis
AbgG | Abgeordnetengesetz |
AEUV | Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
AöR | Archiv des öffentlichen Rechts |
APuZ | Aus Politik und Zeitgeschichte |
AS | Austermann/Schmahl (Hrsg.), Abgeordnetengesetz. Kommentar |
BayVerfGH | Bayerischer Verfassungsgerichtshof |
BayVerfGHE | Enscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs |
BbgLVerfG | Brandenburgisches Landesverfassungsgericht |
BbgVerf. | Verfassung des Landes Brandenburg |
BDSG | Bundesdatenschutzgesetz |
BeckOK-GG | Beck’scher Online-Kommentar zum Grundgesetz |
BerlK | Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz |
BerlVerfGH | Berliner Verfassungsgerichtshof |
BFHE | amtliche Entscheidungssammlung des Bundesfinanzhofs |
BfV | Bundesamt für Verfassungsschutz |
BGHZ | Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen |
BHO | Bundeshaushaltsordnung |
BK | Bonner Kommentar zum Grundgesetz |
BND | Bundesnachrichtendienst |
BRAO | Bundesrechtsanwaltsordnung |
BremVerf. | Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen |
BRHG | Bundesrechnungshofgesetz |
BT | (Deutscher) Bundestag |
BT-Drs. | Bundestagsdrucksache |
BT-StenB. | Stenographische Berichte des Deutschen Bundestages |
BVerfG | Bundesverfassungsgericht |
BVerfGE | amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts |
BVerfGK | amtliche Entscheidungssammlung der Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts |
BVerfG(K) | Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts |
BVerfGG | Bundesverfassungsgerichtsgesetz |
BVerwG | Bundesverwaltungsgericht |
BVerwGE | amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts |
BWahlG | Bundeswahlgesetz |
DÖV | Die öffentliche Verwaltung |
DVBl. | Deutsches Verwaltungsblatt |
EP | Einzelplan (im Haushalt) |
ESMFinG | ESM-Finanzierungsgesetz |
EStG | Einkommensteuergesetz |
EUAbgG | Gesetz über Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) |
EUAbgSt | EU-Abgeordnetenstatut |
EUV | Vertrag über die Europäische Union |
EUZBBG | Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union |
FG | Festgabe |
FMStFG | Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz |
FS | Festschrift |
GG | Grundgesetz |
GO-BT | Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages |
GO-NRT | Geschäftsordnung des Norddeutschen Reichstages |
GO-NV | Geschäftsordnung der Weimarer Nationalversammlung |
GO-RT | Geschäftsordnung des Reichstages |
GO-VermA | Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses |
GVG | Gerichtsverfassungsgesetz |
HbgVerf. | Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg |
HdbVerfR | Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts |
HStR | Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts |
IntVG | Integrationsverantwortungsgesetz |
JA | Juristische Arbeitsblätter |
JöR | Jahrbuch des öffentlichen Rechts |
JP | Jarass/Pieroth, Grundgesetz. Kommentar |
Jura | Juristische Ausbildung |
JuS | Juristische Schulung |
JZ | Juristenzeitung |
LVerfG M-V | Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern |
MAD | Militärischer Abschirmdienst |
MD | Maunz/Dürig, Grundgesetz. Kommentar |
MdB | Mitglied des Deutschen Bundestages |
MDR | Monatsschrift für Deutsches Recht |
MSBKB | Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Bethge u.a., Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Kommentar |
MSV | Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht |
NJW | Neue Juristische Wochenschrift |
NStZ | Neue Zeitschrift für Strafrecht |
NVwZ | Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht |
NVwZ-RR | Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport |
NWVerfGH | Nordrhein-Westfälischer Verfassungsgerichtshof |
OWiG | Ordnungswidrigkeitengesetz |
ParlBG | Parlamentsbeteiligungsgesetz |
PGF | Parlamentarischer Geschäftsführer |
PKrGr | Parlamentarisches Kontrollgremium |
PKrGrG | Gesetz über das Parlamentarische Kontrollgremium |
PUAG | Untersuchungsausschussgesetz |
RGBl. | Reichsgesetzblatt |
RhPfVerf. | Verfassung für Rheinland-Pfalz |
RiStBV | Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren |
RiWG | Richterwahlgesetz |
SachsAnhVerf. | Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt |
SächsVBl. | Sächsische Verwaltungsblätter |
SächsVerfGH | Sächsischer Verfassungsgerichtshof |
SBHH | Schmidt-Bleibtreu/Henneke/Hofmann (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar |
StabMechG | Stabilitätsmechanismusgesetz |
StGB | Strafgesetzbuch |
StPO | Strafprozessordnung |
StuW | Steuer und Wirtschaft |
SZ | Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis |
TOP | Tagesordnungspunkt |
UZwG | (Bundes-)Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges |
VG | Verwaltungsgericht |
vMK | von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar |
vMKS | von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz. Kommentar |
VR | Verwaltungsrundschau |
VR | Verhaltensrichtlinien des Deutschen Bundestages |
VVDStRL | Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer |
VwGO | Verwaltungsgerichtsordnung |
VwVfG | Verwaltungsverfahrensgesetz |
WBeauftrG | Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deuschen Bundestages |
WPrüfG | Wahlprüfungsgesetz |
WRV | Weimarer Reichsverfassung |
ZG | Zeitschrift für Gesetzgebung |
ZParl. | Zeitschrift für Parlamentsfragen |
ZPO | Zivilprozessordnung |
ZRP | Zeitschrift für Rechtspolitik |
ZUM | Zeitschrift für Urheber und Medienrecht |
§ 1 Einführung
I.Parlament
II.Parlamentarisches Regierungssystem
III.Parlamentsrecht
IV.Abgeordnetenrecht
V.Parlamentsrecht als Teil der Demokratieverfassung des Grundgesetzes
Degenhart, Staatsrecht I, § 2; Kingreen/Poscher, Grundrechte. Staatsrecht II, §§ 13, 17, 18, 29.
1
Demokratie ist nach einem berühmten Ausspruch des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln in seiner „Gettysburg Address“ vom November 1863 „Herrschaft des Volkes durch das Volk und für das Volk“ („government of the people, by the people, for the people“). Die Anzahl der Einwohner und der tagtäglich dem Gemeinwesen sich stellenden Aufgaben machen es dem Volk aber unmöglich, alles unmittelbar selbst zu entscheiden. Selbst in Staaten, in denen wie in der Schweiz regelmäßig Volksabstimmungen stattfinden, beschränken sich die Plebiszite doch auf (grundlegende) Einzelfragen und sind in Form von Referenden mit parlamentarisch getroffenen Entscheidungen verzahnt. Auch ein vom Volk unmittelbar gewählter Präsident kann zum einen nicht alle Entscheidungen selbst treffen; zum anderen kann er in seiner Person nicht die verschiedenen politischen Strömungen im Volk abbilden. Daher setzt die Staatsform der Demokratie in einem modernen Gemeinwesen ein Parlament voraus: eine entscheidungsfähige Versammlung vom Volk gewählter Vertreter, welche die grundlegenden Entscheidungen im Wege der Gesetzgebung trifft, die Regierung kontrolliert und bestimmte Amtsträger wählt (wodurch letztlich jeder Amtsträger seine Stellung auf den über eine Legitimationskette vermittelten Volkswillen zurückführen kann). Die Gewichte zwischen dem Volk, dem Parlament und weiteren Staatsorganen wie dem Staatsoberhaupt (Präsident, König, Kollegialorgan) und der Regierung (ggf. noch einem Verfassungsgericht und einem föderalen Organ) kann verschieden ausgestaltet werden.
2
Derzeit lassen sich 40-45 von rund 190 Staaten als Demokratien bezeichnen, die westlich-freiheitlichen Maßstäben entsprechen. In ihnen ist das Volk über allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen tatsächlich an der Entscheidungsfindung beteiligt und stehen mindestens zwei Parteien in einem echten Wettbewerb zueinander. Zu den demokratischen Staaten gehören unter anderem die Mitgliedstaaten der EU, die Schweiz, Großbritannien, Norwegen, Island, die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Israel, Japan und Südkorea. In anderen Staaten bestehen zwar größtenteils auch Parlamente. Deren zumeist sogar in einer Verfassung verbrieften Befugnisse sind aber denen in den Demokratien, die diesen Namen verdienen, nicht vergleichbar. Die Ausgestaltung reicht vom reinen Akklamationsorgan wie dem Chinesischen Volkskongress bis zu einer geringfügigen (und gefügigen) Mitwirkung an den Staatsgeschäften wie derzeit in Russland.
3
Die Demokratie, mit der das parlamentarische Regierungssystem untrennbar verbunden ist, ist aus Sicht der Bürger eine „außerordentlich anspruchsvolle Herrschaftsform“: Die Bürger werden nicht nur beherrscht, sondern sind auch Ausgangspunkt der Herrschaft und nehmen über Wahlen, Abstimmungen und ihre Beteiligung am öffentlichen Diskurs aktiv an dieser Herrschaft teil. Dies setzt ein generelles Verständnis der Belange des Gemeinwesens und „demokratische Grundkompetenzen“ voraus.[1]
§ 1 Einführung › I. Parlament
4
Der Begriff „Parlament“ leitet sich ab vom altfranzösischen parlement (parler = reden, sich unterhalten) und meint Unterredung oder Versammlung (lat. parlamentum). Er tauchte im 12. Jh. auf und wird in Verbindung gebracht mit Reichsversammlungen der Könige und später obersten Gerichtshöfen in Paris und den Provinzen; Frankreich ist das „begriffliche Mutterland des Parlamentarismus“.[2] In England ist der Begriff für Gespräche/Unterredungen/Versammlungen des Königs mit seinen Lehnsleuten und (später auch) gewählten Vertretern (deswegen: King in Parliament) seit 1248 als lat. parliamentum nachweisbar. Auch für Versammlungen in Irland, Schottland oder auf Sizilien sowie in Spanien und Portugal wurde der Begriff „Parlament“ in der jeweiligen Sprache verwendet (etwa parliament, parlement, parliamento, cortes). Im deutschen Sprachraum war „Parlament“ zunächst ein Fremdwort für das, was in England oder Frankreich als parlement/parliament bezeichnet wurde; hier benutzte man eher Begriffe wie „Versammlung“ oder insb. „Tag“.[3] Erst ab dem 19. Jh. verbreitete sich der Begriff „Parlament“, zunächst als Adjektiv (z.B. in „parlamentarische Regierung“), wobei der Terminus „Parlamentarismus“ – wie auch in Frankreich – zunächst eher negativ besetzt war und dann eine neutrale Bedeutung erhielt.[4]
5
Parlamente in Deutschland sind der Deutsche Bundestag und die 16 Landesparlamente der Bundesländer. Sie heißen in 13 Bundesländern „Landtag“. In den Stadtstaaten Bremen und Hamburg werden sie „Bürgerschaft“ und in Berlin „Abgeordnetenhaus“ genannt. Das Europäische Parlament ist die Volksvertretung der Unionsbürger (Art. 14 Abs. 2 S. 1 EUV). Es wird allerdings nicht nach einem gleichen Wahlrecht gewählt (Grundsatz der degressiven Proportionalität, Art. 14 Abs. 2 S. 3, 4 EUV). Dadurch soll die unterschiedliche Größe der Mitgliedstaaten ausgeglichen werden. Außerdem sind die Befugnisse des Europäischen Parlaments innerhalb des Gefüges der Unionsorgane geringer, als die Kompetenzen, welche die mitgliedstaatlichen Parlamente unter den jeweiligen nationalen Staatsorganen einnehmen. Bspw. besitzt das Europäische Parlament nicht das Gesetzesinitiativrecht (vgl. Art. 289, 294 AEUV) und kann auch nicht über die Einnahmen der Union maßgeblich bestimmen.
§ 1 Einführung › II. Parlamentarisches Regierungssystem
6
Innerhalb der Staatsform der Demokratie sind drei Regierungssysteme denkbar: das Präsidialsystem, ein System mit kollegialer Staatsspitze und das parlamentarische System. Das Präsidialsystem ist beispielhaft – bei Unterschieden in der Gestaltung – in den USA und Frankreich ausgebildet. Das Kollegialsystem findet sich in der Schweiz. Parlamentarische Demokratien sind bspw. alle Staaten der EU, Großbritannien, Norwegen, Island, Israel, Kanada, Australien und Neuseeland.
7
Die präsidentielle Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass die Exekutive – insb. der vom Volk gewählte Präsident – nicht durch das Parlament abgesetzt werden darf.[5] Präsident/Exekutive und Parlament stehen einander gegenüber und sind nicht personell verschränkt: Regierungsamt und Parlamentsmandat sind in der Regel unvereinbar.[6] Die Gewaltenteilung ist strikt durchgeführt.
8
Das parlamentarische Regierungssystem wird häufig wie folgt definiert: Das Parlament bringt die Regierung hervor, kontrolliert sie und darf sie abberufen.[7] Nimmt man das deutsche Regierungssystem des Grundgesetzes als Maßstab, trifft diese Definition zu. Andere westliche Demokratien kennen ebenfalls ein machtvolles Parlament. Aber die Ernennung des Regierungschefs ist in diesen Staaten allein dem Staatsoberhaupt überlassen. Gleichwohl sind diese Staaten parlamentarische Demokratien. Beispiele sind Österreich und Italien.
9
Daher erscheint es sinnvoller, die Definition des parlamentarischen Regierungssystems enger zu fassen. Das parlamentarische Regierungssystem wird demnach dadurch bestimmt, dass das Parlament die Regierung stürzen kann. Nichts anderes meint die in manchen Verfassungen zu findende Formulierung, der Regierungschef oder die Regierung bedürften des „Vertrauens“ des Parlaments (z.B. Art. 53 S. 1 WRV) oder sie seien dem Parlament gegenüber „verantwortlich“. Vertrauen und Verantwortlichkeit bedeuten Abhängigkeit.
§ 1 Einführung › III. Parlamentsrecht
10
Der Topos „Parlamentsrecht“ kann als Oberbegriff das gesamte Recht des Parlaments, seiner Mitglieder und seines Zustandekommens durch Wahlen umfassen.[8] Man kann auch sagen: Parlamentsrecht sind die Rechtsnormen, die sich auf ein staatliches, aus gewählten Abgeordneten des Volkes bestehendes Gesetzgebungsorgan beziehen.[9] Oder, etwas enger: Das Parlamentsrecht besteht aus den Rechtssätzen, die das Parlament, seine Organisation und seine Tätigkeit betreffen.[10] In der Abgrenzung zum Abgeordneten- und Wahlrecht – also in einem noch engeren Sinne – lässt sich das Parlamentsrecht als Organisations- und Verfahrensrecht eines Parlaments und der Zusammenschlüsse seiner vom Volk unmittelbar gewählten Mitglieder (Fraktionen und Gruppen) beschreiben.
11
Somit gehören zum Parlamentsrecht (egal, ob man es weiter oder enger definiert) nicht:
• | die Normen der kommunalen Vertretungsorgane (Gemeinderat, Kreistag), da diese keine Parlamente sind (Rn. 641), |
• | die Normen der kirchlichen Organe (wie z.B. Synoden der EKD), da diese keine Parlamente und nicht staatlich sind, |
• | die Normen, die den Bundesrat betreffen[11], da dieser nicht aus vom Volk unmittelbar gewählten Mitgliedern, sondern aus Vertretern der Landesregierungen besteht und damit kein Parlament ist. |
12
Das Parlamentsrecht gehört zum Staatsrecht, da es sich auf ein staatliches Organ bezieht, und zum materiellen Verfassungsrecht.[12] Soweit seine Regelungen unmittelbar in der Verfassung niedergelegt sind, gehört es (auch) zum formellen Verfassungsrecht. Es existiert jeweils ein Parlamentsrecht des Bundes, eines jeden Bundeslandes und der EU. In vorliegender Darstellung geht es im Wesentlichen um das Parlamentsrecht des Bundes. Das Landes- und das Unionsrecht werden nur einbezogen, sofern sie Besonderheiten aufweisen. In § 14 (Rn. 631 ff.) wird auf Parlamente oder parlamentsähnliche Institutionen im Überblick eingegangen.
§ 1 Einführung › IV. Abgeordnetenrecht
13
Das Abgeordnetenrecht bestimmt die Rechtsstellung (den Status) der Mitglieder eines Parlaments, also den Erwerb und Verlust eines Mandats sowie die Rechte und Pflichten aus dem Mandat. Es gehört zum Parlamentsrecht im weiteren Sinne. Auf Bundesebene sind Art. 38-48 GG, das Abgeordnetengesetz, §§ 45 ff. BWahlG, die Verhaltensregeln (als Anlage 1 zur GO-BT) sowie die zum Abgeordnetengesetz und zu den Verhaltensregeln ergangenen Ausführungsbestimmungen maßgeblich. In den 16 Bundesländern bestehen entsprechende Vorschriften im Landesverfassungsrecht, in den Landesabgeordneten- und Landeswahlgesetzen sowie in den Verhaltensregeln (die zum Teil im jeweiligen Landesabgeordnetengesetz und zum Teil in der jeweiligen Geschäftsordnung normiert sind). Art. 223 Abs. 2 AEUV legt fest, dass das Recht der Mitglieder des Europäischen Parlaments vom Parlament zu regeln ist. Die Details sind im EUAbgSt und den DB-EUAbgSt sowie in nationalen Gesetzen (z.B. dem EUAbgG) ausformuliert.
§ 1 Einführung › V. Parlamentsrecht als Teil der Demokratieverfassung des Grundgesetzes
14
Das Parlamentsrecht einschließlich des Abgeordnetenrechts kann nicht isoliert vom Prozess demokratischer Willensbildung insges. verstanden werden. Es ist daher zum Recht der politischen Parteien und zum Wahlrecht in Beziehung zu setzen. Parteienrecht, Wahlrecht und Parlamentsrecht bilden die Rechtsregime, die dem politischen Prozess einen rechtlichen Rahmen bieten. Normativ wird das im Grundgesetz durch die Art. 20 Abs. 2, 21 und 38 ff. umschrieben. Ergänzt und konkretisiert werden diese Bestimmungen u.a. durch das Parteiengesetz, das Bundeswahlgesetz, das Abgeordnetengesetz und die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, die zwar nicht formell, jedoch der Sache nach Verfassungsrecht außerhalb der Verfassungsurkunde bilden. In Anlehnung an andere Begriffsbildungen zu „Subverfassungen“ unter dem Grundgesetz – Finanzverfassung, Medienverfassung, Umweltverfassung, Wehrverfassung, Außenverfassung usw – kann man bei diesem Dreiklang von „Demokratieverfassung“ sprechen.
15
Die politische Willensbildung vollzieht sich in der parlamentarischen Demokratie der Idee nach vom Volk zu den Staatsorganen, „von unten nach oben“, vom Legitimationssubjekt zum Parlament, aus der Gesellschaft heraus zu institutionalisierter Staatlichkeit.[13] Politische Willensbildung bedarf der Transformation in politische Entscheidungen.[14] „Demokratie erschöpft sich dann nicht in der Wahl, sondern gipfelt in ihr.“[15] Dieses Bild führte jedoch zu Missverständnissen, interpretierte man es als Einbahnstraße und die Wahl als Endpunkt. Politische Willensbildung ist in der parlamentarischen Demokratie stets ein Wechselwirkungsprozess, der mit einem Kreislaufmodell bildhaft besser umschrieben werden kann: Die Wahl ist darin nicht der Endpunkt, sondern eine zentrale, punktuelle Zwischenstation. Die parlamentarisch getroffenen Entscheidungen sind in den Bereich der öffentlichen Meinungsbildung rückzukoppeln.[16] Politikwissenschaftlich wird von Responsivität gesprochen.[17]
16
Zwei verfassungsrechtliche Grunddeterminanten überwölben diese Prozesse in der gesellschaftlichen Willensbildung, im Wahlakt, in der staatsorganschaftlichen Willensbildung wie auch die phasenübergreifenden Vorgänge: die demokratische Gleichheit und die prinzipielle Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses. Gleichheit und Freiheit legen damit die Verfahrensbedingungen politischer Willensbildung des demokratischen Verfassungsstaates in wechselseitiger Bezogenheit aufeinander fest.[18]
17
Der Wahlvorgang koppelt gesellschaftliche und staatliche Willensbildung. Die politischen Parteien überwölben die Sphären von Volks- und Staatswillensbildung als Intermediäre und bilden insofern eine Art Klammer: „Von Herkunft zweifellos gesellschaftlich, haben sie als Ziel doch den Staat.“[19] In der parlamentarischen Willensbildung erscheinen die Parteien in der parlamentsorganisatorischen Form der Fraktionen transformiert. Neben anderen Mechanismen sorgen sie zwischen Wahlen für Responsivität, indem sie den Kontakt zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Sphäre in beide Richtungen hin aufrechterhalten. Die politischen Parteien lösen damit das Problem, dass die Verfassung einerseits Freiheit gewährleisten soll, andererseits demokratische Willensbildung organisieren muss.[20]
18
Abgesichert werden diese vorrechtlichen Voraussetzungen durch die Kommunikationsgrundrechte, d.h. die Meinungs-, die Presse-, die Film- und Rundfunk-, die Informations- (alles Art. 5 Abs. 1 GG), die Versammlungs- (Art. 8 GG) und die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), die in der Rechtsprechung des BVerfG ihr besonderes Gewicht gerade aus dieser (Teil-)Funktion erhalten.[21]
19
Wenn Volks- und Staatswillensbildungsprozess auch prinzipiell getrennt gedacht werden, ist die aus dem 19. Jh. bekannte hermetische bzw. kategoriale Trennung von Staat und Gesellschaft obsolet. Die Trennung ist freilich nicht zur Identität mutiert, sondern zu einer spezifischen Zuordnung.[22] Gerade die politischen Parteien verbinden diese Sphären.[23] Die prinzipiell vorgegebene Richtung der politischen Willensbildung sieht sich in der politischen Praxis Bedrohungen ausgesetzt. Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, zumindest in Wahlkampfzeiten, ist das augenfälligste Beispiel. Das BVerfG hat hier zu Recht restriktive Regeln entwickelt.[24]
20
Der demokratischen Willensbildung ist vor dem skizzierten Hintergrund eine eigentümliche Mischung aus Trennung und Verschränkung von gesellschaftlicher und staatsorganschaftlicher Sphäre eigen.[25] Freiheit und Gleichheit hängen hier innerlich zusammen, weil erst die Staatsfreiheit der politischen Willensbildung die Chancengleichheit der Teilnahme am politischen Prozess garantiert.[26] Ausbildung und Vorformung des politischen Willens, vorrangig in Form der öffentlichen Meinung, erfolgen in der gesellschaftlichen Sphäre.[27] Nicht nur der Wahlakt als solcher, sondern der gesamte Wahlvorgang einschließlich seiner Vorbereitung sind ebenfalls frei. Im staatsorganschaftlichen Bereich setzt sich die freiheitliche Komponente politischer Willensbildung im Grundsatz des freien Mandats aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG fort. Was im Vorfeld staatsorganschaftlichen Handelns grundrechtlich abgesichert war, erscheint hier als Statusrecht der Abgeordneten. Die grundrechtliche Vereinigungsfreiheit einschließlich der freien Parteibildung setzt sich im Parlament als das Recht der Abgeordneten zur Fraktionsbildung fort. Die freiheitsrechtliche Dimension des Art. 21 Abs. 1 GG mit ihren Komponenten der Gründungs- wie der Betätigungsfreiheit der polischen Parteien verbindet und überwölbt den gesellschaftlichen und den staatsorganschaftlichen Bereich. Die politischen Parteien sind durch die Forderung nach demokratischer Binnenstruktur (Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG) nahtlos in diesen politischen Prozess eingebunden, indem eine Grundhomogenität der Entscheidungsfindung in den beiden Sphären hergestellt ist.[28]
21
Demokratische Gleichheit als politische Gleichheit abstrahiert von anderen, etwa sozialen Gleichheitspostulaten. Sie knüpft an das Menschsein als solches an, reduziert die Gleichheit jedoch auf die Zugehörigen, in der Regel die Staatsangehörigen.[29] Innerhalb dieses Zuschnitts ist die demokratische Gleichheit streng formal.[30] Ähnlich wie die freiheitsrechtliche Komponente kann auch die gleichheitsrechtliche Dimension der politischen Willensbildung von ihrem gesellschaftlichen Ausgangspunkt über den Wahlakt bis in die staatsorganschaftliche Willensbildung beschrieben werden. In der Vorformung politischer Willensbildung besteht prinzipiell gleicher Zugang zu Informationen sowie – normativ – die gleiche Betätigungsmöglichkeit. Im Wahlrecht schlägt sich die demokratische Gleichheit einerseits in der Allgemeinheit der Wahl, andererseits in dem Erfordernis von absolut gleichem Zählwert und prinzipiell gleichem Erfolgswert der Stimme nieder. Der personale Bezugspunkt des Bürgers in der politischen Sphäre setzt sich – vermittelt durch die Gleichheit der Wahl – im gleichen Abgeordnetenstatus fort.[31]
BVerfGE 8, 104 (Volksbefragungen in Hamburg und Bremen); 20, 56 (Parteienfinanzierung); 44, 125 (Informationstätigkeit der Bundesregierung in Wahlkampfzeiten); 83, 37 (Kommunalwahlrecht für Ausländer); 85, 264 (Parteienfinanzierung); 89, 155 (Maastricht).
Badura, Die parlamentarische Demokratie, in: HStR II, § 25; Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR II, § 24; Böckenförde, Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: HStR III, § 34; Brenner, Das Prinzip Parlamentarismus, in: HStR III, § 44; Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1958), 9; Huber/Mößle/Stock (Hrsg.), Zur Lage der parlamentarischen Demokratie, 1995; Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl. 2019; Lepsius, Die erkenntnistheoretische Notwendigkeit des Parlamentarismus, in: Bertschi u.a. (Hrsg.), Demokratie und Freiheit, 1999, S. 123; Kriele, Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, VVDStRL 29 (1971), S. 46; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979; Marschall, Parlamentarismus, 3. Aufl. 2018; Zeh, Parlamentarismus, 6. Aufl. 1997; Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, 2019; Meinel, Selbstorganisation des parlamentarischen Regierungssystems, 2019; Meyer, Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, VVDStRL 33 (1975), S. 69; Möllers, Demokratie – Zumutung und Versprechen, 2008; Mößle, Regierungsfunktionen des Parlaments, 1985; Schneider, Das parlamentarische System, in: HdbVerfR, § 13; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, 1973.
Vgl. zum Ganzen Möllers, Demokratie – Zumutungen und Versprechen, 2008; Thiele, Verlustdemokratie, 2. Aufl. 2018, S. 283.
Vgl. Marschall, Parlamentarismus, 3. Aufl. 2018, S. 19.
Vgl. Marschall, Parlamentarismus, 3. Aufl. 2018, S. 20.
Ebd.
Vgl. Marschall, Parlamentarismus, 3. Aufl. 2018, S. 53.
Vgl. ebd.
Vgl. etwa Zeh, Parlamentarismus, 6. Aufl. 1997, S. 78.
So etwa Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, Erster Teil, 1915, S. 1; ähnlich Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, 1966, S. 15; Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, 1995, S. 35.
Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 1.
Vgl. Pietzcker, in: SZ, § 10 Rn. 1; Klein, in: MD, Art. 40 Rn. 3; Cancik, in: MSW, § 9 Rn. 3.
Vgl. Cancik, in: MSW, § 9 Rn. 4.
Vgl. etwa Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, 1995, S. 35.
BVerfGE 44, 125 (138 ff.); zuvor bereits BVerfGE 20, 56 (99).
Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (19, 22 f.).
Grimm, in: HdbVerfR, § 14 Rn. 10.
BVerfGE 44, 125 (145 f.); 85, 264 (284); 89, 155 (185); Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (65); Stern, StaatsR I, S. 617; Grimm, in: HdbVerfR, § 14 Rn. 17; Shirvani, Parteienrecht, 2010, S. 246 ff.
Ursprünge v.a. in der amerikanischen Repräsentationstheorie, vgl. etwa Pennock, American Political Science Rev. 46 (1952), 790; Pitkin, Representation, 1967, S. 232 ff.; Dahl, Polyarchy, 1971; für die deutsche Diskussion etwa Uppendahl, ZParl. 1981, 123; Patzelt, Abgeordnete und Repräsentation, 1993, S. 43 f. und öfter.
Vgl. etwa Schmitt, Verfassungslehre, 1. Aufl. 1928, S. 224 ff.; Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46 (61); Stern, StaatsR I, S. 613 f.
Grimm, in: HdbVerfR, § 14 Rn. 18; vgl. auch BVerfGE 91, 276 (284).
Grimm, in: HdbVerfR, § 14 Rn. 18 ff., 24 ff.
Zum Zusammenhang näher Schmitt Glaeser, in: HStR II, § 38 Rn. 11 ff., 28 ff.; Schneider, in: FG BVerfG II, 2001, S. 627 (631).
Näher Schmitt Glaeser, in: HStR III § 38 Rn. 1 ff., 33 ff.
Vgl. Stolleis, VVDStRL 44 (1986), 7 (11); Klein, in: MD, Art. 21 Rn. 154 und öfter.
BVerfGE 44, 125 (138 ff.).
Stolleis, VVDStRL 44 (1986), 7 (11).
Vgl. jeweils auf politische Parteien bezogen Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (36).
Vgl. etwa auch Hesse, S. 150 ff., 159 ff.; Dreier, in: Dreier, Art. 20 (Demokratie) Rn. 76.
Frühe Herausstellung der Bezogenheit auf und Integration in die Demokratiekonzeption des Grundgesetzes am Bsp. der Parteien bei Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (17 und passim).
Insges. Schönberger, Unionsbürger, 2005.
BVerfGE 8, 51 (68 f.) [1958]; Volkmann, Grundzüge einer Verfassungslehre der Bundesrepublik Deutschland, 2013, S. 243.
BVerfGE 102, 224 (238) [2000] im Zusammenhang mit sog. Funktionszulagen: „Die Gleichheit aller Staatsbürger in der freien Ausübung ihres Wahlrechts findet im Parlament ihren Ausdruck in dem freien Mandat.“; in Verbindung mit dem Repräsentationsprinzip Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 45.
§ 2 Geschichte der Parlamente und des Parlamentsrechts
I.Vorparlamentarische Institutionen, insb. Ständeversammlungen
II.Volksvertretungen in der konstitutionellen Monarchie
III.Parlamentarische Demokratie
IV.Scheinparlamente
V.Parlamentarische Selbstdarstellung und Antiparlamentarismus
22
Um das heutige Parlamentsrecht besser zu verstehen, ist es wichtig, die Anfänge und Entwicklungslinien zu kennen.
Die Parlamentsgeschichte beginnt nicht im antiken Athen (5. Jh. v. Chr). Athen (oder Griechenland) wird zwar oftmals als „Wiege der Demokratie“ bezeichnet. Ein Parlament als eine aus gewählten Abgeordneten bestehende Vertretungskörperschaft existierte aber nicht. Die Volksversammlung wurde nicht gewählt, sondern setzte sich aus den gerade anwesenden Männern zusammen. Sie mussten das athenische Bürgerrecht besitzen. Teilnahmeberechtigt waren daher nur ca. 30.000 Männer von etwa 300.000 Einwohnern. Frauen, Auswärtige und Sklaven besaßen das Bürgerrecht nicht. Athen ist also nicht die Wiege des Parlamentarismus und nur eingeschränkt ein Vorbild für die heutige demokratische Ordnung.
23
Die Leitidee des Parlaments als Verständigungsort der Volksvertreter ist, historisch gesehen, jung. Sie ist ein Ergebnis der Verfassungsrevolutionen in den Vereinigten Staaten (seit 1776) und in Frankreich (seit 1789). Erst seit der vollen Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts im 20. Jh. besteht das parlamentarische System mit allgemeinem Wahlrecht, das alle Staatsbürger und damit einen Großteil der Einwohnerschaft erfasst. „Mutterland des Parlamentarismus“ ist England (ab 1707: Großbritannien), das als erstes den Weg zur Parlamentssouveränität beschritt und viele wichtige Strukturelemente des modernen Parlamentarismus hervorbrachte – wie politische Parteien sowie den Schutz parlamentarischer Minderheiten und der Opposition –[1], allerdings kaum als Vorbild für Kontinentaleuropa wirksam werden konnte.[2]