Professor Dr.-Ing. Jörg Böttcher
Universität der Bundeswehr München
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© 2020 Böttcher, Jörg
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 9783752632491
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So gut wie jeder in der Entwicklung, Produktion oder Forschung tätige Ingenieur, Techniker bzw. Naturwissenschaftler muss sich regelmäßig mit dem Messen elektrischer oder nichtelektrischer Größen beschäftigen. Das Kompendium Messtechnik und Sensorik behandelt die dafür relevanten messtechnischen Grundlagen aus anwendungsorientierter Sicht. Es ist für das Selbststudium gedacht. Zusätzlich wird dem/der Leser/-in auf www.messtechnik-und-sensorik.org ein aus Multiple Choice-Fragen bestehender, frei zugänglicher Online-Test angeboten, bei dessen Bestehen er/sie sich ein von mir unterzeichnetes persönliches Fortbildungszertifikat zusenden lassen kann.
Das Kompendium ist als Grundlagenüberblick zwischen rein akademischer Theorie und ausschließlich gerätebezogener Anwendungspraxis angesiedelt. Es möchte auf effiziente Art das notwendige Basis-Know-how vermitteln, um messtechnische Aufgabenstellungen auf einer fundierten Grundlage selbständig anzugehen.
Das Kompendium wendet sich einerseits an im Beruf stehende Ingenieure, Techniker und Naturwissenschaftler, die messtechnische Systeme einsetzen oder dies planen. Andererseits an Studierende und Lehrende in technischen Bachelor- und Masterstudiengängen, die mit diesbezüglichen Fragestellungen in Lehrveranstaltungen oder studentischen Arbeiten (Abschlussarbeiten, Praktika, Studienarbeiten) befasst sind. Gleichermaßen sind diejenigen adressiert, die in weiterführende technische Ausbildungen involviert sind z.B. an Techniker- und Meisterschulen.
In dieser zweiten Auflage wurde das Kapitel über bildbasierte Sensoren erweitert. Darüberhinaus wurden einige Flüchtigkeitsfehler behoben sowie die optische Gestaltung und an einigen Stellen die Formulierung optimiert. Die Nummerierung der Bilder und Formeln startet nun in jedem Kapitel neu.
Der Autor hat eine Professur für Regelungstechnik und Elektrische Messtechnik an der Universität der Bundeswehr München (www.unibw.de/regelungs-und-messtechnik). Mit der in diesem Kompendium behandelten Thematik beschäftigt er sich außer in einer einschlägigen Lehrveranstaltung in vielen Projekten mit Studierenden. Parallel dazu führt er laufend industrielle Kooperationsvorhaben bevorzugt mit mittelständischen Unternehmen durch.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern viel Freude bei der Lektüre.
München/Neubiberg, im August 2020
Jörg Böttcher
Die Messtechnik beschäftigt sich mit dem Messen von physikalischen, mitunter auch chemischen Größen. Sie dient damit z.B. dem Ingenieur, der Temperaturen und Drücke in einer von ihm entwickelten Brennkammer analysiert. Oder dem Techniker, der auf einem Prüfstand das Abgasverhalten eines Kraftfahrzeugs untersucht. Dem Forscher, der die Schichtdicke eines neuartigen Silizium-Wafers ermittelt. Sowie dem Elektriker, der den Stromverbrauch eines Haushaltsgeräts überprüft. Diese Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen - allen gemeinsam ist, dass Personen in unterschiedlichen Situationen an der quantitativen Erfassung derartiger Größen interessiert sind.
Noch häufiger findet sich Messtechnik innerhalb automatisierter technischer Systeme. So ist jedes moderne Kraftfahrzeug mit zahlreichen Steuer- und Assistenzgeräten ausgestattet, die auf der Grundlage gemessener Größen wie Geschwindigkeit, Raddrehzahlen, Neigungswinkel, Entfernung zum vorausfahrenden Fahrzeug etc. den Antrieb und die Fahrdynamik regeln. Heutige Waschmaschinensteuerungen messen u. a. Temperatur, Feuchte, Stromverbrauch, Trommeldrehzahl und Trommelunwucht, um einen effizienten und energieschonenden Waschprozess zu erreichen. Und keine CNC-Werkzeugmaschine (CNC: Computerized Numerical Control) jüngerer Bauart kommt ohne Positionsmessstellen aus.
In diesem ersten Kapitel wollen wir uns mit grundlegenden Begriffen der Messtechnik vertraut machen sowie kurz betrachten, welche nationalen und internationalen Institutionen mit ihren Regelwerken für messtechnische Belange zuständig sind.
Messtechnische Lösungen basieren heute fast ausschließlich auf elektronischen Systemen. Ob Messgerät, externes Messmodul für einen PC oder für die messtechnische Funktion zuständiger Teil einer Steuerung - stets werden diese mit aus elektronischen Bauelementen bestehenden Schaltungen aufgebaut. Elektronische Schaltungen können zunächst nur elektrische Größen wie Spannungen und Ströme oder auch elektrische Leistungen, ohmsche Widerstände, Kapazitäten, Induktivitäten etc. messen.
Für das Messen sämtlicher nichtelektrischer Größen - was in der Mehrheit der Anwendungen von Interesse ist - werden in der Messtechnik Sensoren eingesetzt. Ein Sensor wandelt nach einem bestimmten physikalischen (oder chemischen) Funktionsprinzip die nichtelektrische Größe in ein elektrisches Signal um, das mit elektronischen Schaltungen weiterverarbeitet werden kann. Beispiele für über Sensoren erfassbare nichtelektrische Größen sind: Temperatur, Druck, Feuchte, Durchfluss, Weg, Winkel, Kraft, Druck, Beschleunigung, CO-Konzentration, Schalldruck etc.
Wir werden uns in diesem Kompendium sowohl mit dem Messen elektrischer wie auch nichtelektrischer Größen beschäftigen. Wobei wir den Fokus unserer Betrachtungen nicht auf den Entwickler entsprechender Messsysteme legen, sondern mehr auf den Anwender, der diese Messsysteme in technischen Umgebungen einsetzen bzw. in diese integrieren möchte. Wir werden dabei elektronische Schaltungsprinzipien nur insoweit betrachten, als es für ein grundsätzliches Verständnis der jeweiligen Messverfahren und deren Applikation notwendig ist.
Noch eine Bemerkung zu den Fachtermini: „Messtechnik“ als Oberbegriff beinhaltet an sich das komplette Wissen um das Messen elektrischer und nichtelektrischer Größen. Die „Sensorik“ ist ein Teilgebiet davon, das sich speziell um den Aufbau und die Anwendung von Sensoren kümmert. Von einigen Praktikern wird jedoch die „Messtechnik“ mitunter auf das Messen ausschließlich elektrischer Größen reduziert, oftmals auch nur auf die Arbeit mit typischen Labormessgeräten wie Multimeter, Oszilloskop oder Spektralanalysator. Um beide Fraktionen anzusprechen, spricht der Autor im Titel dieses Kompendiums deshalb von „Messtechnik und Sensorik“.
Wie in Bild 1 am einfachen Beispiel einer Temperaturmessung gezeigt, geht es in der Messtechnik stets darum, eine an einem bestimmten Ort herrschende „Messgröße“ mittels eines geeigneten Aufbaus in einen „Messwert“ überzuführen. Der Messwert kann uns wie im Bild durch ein Messgerät direkt angezeigt werden oder er kann nachfolgenden elektronischen Systemen zur Weiterverarbeitung in geeigneter Form zugeführt werden. Direkt mit der Messgröße zusammenhängende elektrische Signale zwischen den beiden Stellen, an denen Messgröße und Messwert anfallen, bezeichnen wir als „Messsignale“. Sie tragen die Information über die Messgröße, was auf unterschiedlichste Weise realisiert sein kann z.B. als analoger Spanungs- oder Stromwert, als frequenzmoduliertes Signal, als Digitalwort etc.
Bild 1: Messgröße, Messsignal und Messwert
Tragbare Messgeräte sind vor allem für den Labor- und Wartungseinsatz verbreitet. Im Prüffeld dominieren dagegen eher durch eine PC-Applikation gesteuerte Prüfplätze, bei denen Messwerte in entsprechenden PC-Messkarten oder in mit dem PC über ein Bussystem verbundenen externen Messmodulen generiert werden; über entsprechende Softwaretreiber werden diese dann in die Applikation eingelesen und dort verarbeitet und ggf. auch visualisiert. Werden messtechnische Schaltungen wie eingangs angesprochen innerhalb eines automatisierten technischen Systems eingesetzt, erfolgt die Weiterverarbeitung der Messwerte oftmals in eingebetteten Steuerprogrammen, die auf entsprechenden Prozessoren - in diesem Kontext auch als „Embedded Controller“ bezeichnet - ablaufen.
Ein Messwert besteht aus einem Zahlenwert und einer zur Art der Messgröße passenden Einheit. In der Geschichte der Menschheit wurden in vielen Kulturen frühzeitig bereits Maßsysteme entwickelt, um für wichtige Größen des täglichen Lebens eine gemeinsame Basis zu schaffen. Darunter fallen vor allem Längen- und Gewichtsmaße. Für die Länge griff man meist auf typische Längen menschlicher Extremitäten zurück, was zur Festlegung diverser „Ellen“ führte - in Babylonien z.B. Gudea-Elle (ca. 49,59 cm) und Nippur-Elle (ca. 51,86 cm), in Ägypten königliche Elle (ca. 52,4 cm) und gemeine Elle (ca. 45 cm). Griechen und Römer setzten auf „Fuß“ (attischer Fuß ca. 31,04 cm, römischer Fuß ca. 29,617 cm) und „Elle“, welche jeweils als das 1,5-fache des jeweiligen Fußes definiert wurde. Für längere Entfernungen wurden Vielfache davon festgelegt - so entspricht eine römische Meile 1.000 Doppelschritten von jeweils fünf römischen Fuß, also etwa 1.480 m.
Gewichtsmaße wurden meist über Füllungen eines in Abmessungen bzw. Volumen festgelegten Hohlgefäßes mit Wasser, Öl, Getreide oder Wein dargestellt. So kannten die früheren Babylonier die „königliche Mine“ (nach heutigem Verständnis etwa 1.010 g), die, wie wir heute sagen würden, als „Normalmaß“ in Tempeln unter der Obhut von Priestern für Vergleichszwecke aufbewahrt wurde. Später ging man auf das „Talent“ (je nach Variante heute ca. 24, 28 oder 32 kg) über, welches auch die Griechen benutzten. Bei den alten Ägyptern waren das Deben (heute ca. 90,96 g) und das Kedet (ein Zehntel Deben) hierfür gebräuchlich. Im Römischen Reich war die „Libra“ eingeführt, die mit (heute) ca. 327,45 g ziemlich genau 36 altägyptischen Kedets entspricht.
Daneben wurden in den meisten Kulturen auch Systeme für die Festlegung der Zeit etabliert - größere Zeiten meist bezogen auf die Sonnenwanderung, kleinere in Form von Wasser- und Sanduhren. Ähnliche frühe Einheitensysteme gab es auch z.B. in Indien und China. Im späteren mittelalterlichen Europa hatte fast jedes Fürstentum sein eigenes System, was Handel und Verkehr massiv erschwerten. Erst mit der zunehmenden Durchdringung der Gesellschaften mit wissenschaftlichen Methoden, der Zunahme auch an weiteren interessierenden Messgrößen sowie letztlich der einsetzenden Industrialisierung wurden übergreifende Einheitensysteme wieder etabliert. Ein Meilenstein war hier die Einführung des metrischen Maßsystems, welches das „Meter“ als zentrales Maß und die heute übliche dezimale Abstufung vorsah. Fast alle industrialisierten Staaten führten dieses System im 19. Jahrhundert ein (Großbritannien erst 1995). Am 8. August 1870 trat in Paris zum ersten Mal die Internationale Meterkonvention zusammen, in der diese ihre jeweils nationalen Regelungen zum metrischen Maßsystem harmonisierten. 1960 wurde von dieser schließlich das heute weltweit gebräuchliche Internationale Einheitensystem (Système International d‘Unités, abgekürzt SI) verabschiedet.
Das SI basiert auf der Erkenntnis, dass sich alle relevanten Messgrößen über physikalische Gesetze auf einige wenige, genauer gesagt sieben Basisgrößen zurückführen lassen. Zu diesen sieben Basisgrößen sind Basiseinheiten eindeutig definiert. Diese sind:
Bis vor kurzem waren diese Basiseinheiten mit Ausnahme des Kilogramms durch reproduzierbare Experimente eindeutig festgelegt. So war die Sekunde beispielsweise definiert als das 9.192.631.770-fache der Periodendauer der dem Übergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustands von Atomen des Nuklids 133Cs entsprechenden Strahlung. Dies kann im Prinzip jeder Leser nachvollziehen, indem er sich eine mit Caesium betriebene Atomuhr baut. Oder er spart sich den Aufwand und konsultiert eine der unten noch beschriebenen staatlichen Stellen. Ein weiteres Beispiel: Das Meter war spezifiziert als die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während der Dauer von 1/299.792.458 Sekunden durchläuft (wobei eine zusätzliche Referenzierung auf eine andere Basiseinheit erfolgt). Die große Ausnahme stellte das Kilogramm dar: Es wurde in Form des Internationalen Kilogrammprototyps dargestellt. Dies ist ein aus einer Platin-Iridium-Legierung bestehender Würfel, der auch heute noch in einem Tresor des Bureau International des Pods et Mesures (BIPM), einer Einrichtung der Internationalen Meterkonvention, in Sèvres bei Paris seit 1889 (!) aufbewahrt wird.
Seit dem am 20. Mai 2019 abgehaltenen Weltmetrologietag wurden die bisherigen Definitionen der sieben Basiseinheiten ersetzt durch Zurückführung auf sieben Naturkonstanten. Speziell bei den drei Basiseinheiten Meter, Sekunde und Candela hat sich dabei nichts Substanzielles geändert - die zum Nachvollzug notwendigen Experimente blieben gleich, lediglich die sprachliche Formulierung wurde modifiziert. So gilt z.B. die Sekunde nunmehr als dadurch definiert, dass die Frequenz obiger Caesium-Strahlung exakt den Zahlenwert 9.192.631.770 annimmt, wenn man sie in s-1 ausdrückt. Das Meter wird ähnlich oben nun ganz formal über die Lichtgeschwindigkeit c ausgedrückt. Und Candela wird auf das photometrische Strahlungsäquivalent Kcd, ebenfalls eine Naturkonstante, zurückgeführt.
Anders sieht es bei den vier weiteren Basiseinheiten aus: Beispielsweise wird das Kilogramm nun durch Ableitung aus dem Planckschen Wirkungsquantum h als Naturkonstante mit einem Wert von ca. 6,62607015 · 10-34 Js definiert, wobei die Einheit J (Joule), wie unten noch aufgeführt wird, nichts anderes als kgm2/s2 ist. Kennt man also die Basiseinheiten m und s sowie die Naturkonstante h, so ist auch kg zweifelsfrei bekannt. h wird dabei in Kooperation der metrologischen Institutionen (siehe unten) in Form aufwendiger Experimente in entsprechender Genauigkeit bestimmt. Analog werden zurückgeführt: A auf die Elementarladung e, K auf die Boltzmann-Konstante kB und mol auf die Avogadro-Konstante NA.
Das SI umfasst im Weiteren eine Aufzählung der von diesen sieben Basiseinheiten über physikalische Gesetzmäßigkeiten (oder auch nur Definitionen) abgeleiteten Einheiten. Einige Beispiele seien aufgezählt:
1 Hz = 1/s
1 N = 1 kgm/s2
1 Pa = 1 N/m2 = 1 kg/ms2
1 J = 1 Nm = 1 kgm2/s2
1 W = 1 J/s = 1 kgm2/s3
1 V = 1 W/A = 1 kgm2/s3A
1 H = 1 Vs/A = 1 kgm2/s2A2
1 F = 1 As/V = A2s4/kgm2
Das Newton (N) beispielsweise bestimmt sich hierbei über das bekannte gleichnamige Trägheitsgesetz
(Formel 1)
mit F Kraft (in N), m Masse (in kg) und a Beschleunigung (in m/s2).
Das Henry (H) bzw. das Farad (F) ergeben sich aus den Zusammenhängen zwischen Spannung u(t) (V) und Strom i(t) (A) bei Induktivitäten L
(Formel 2)
bzw. bei Kapazitäten C
(Formel 3)
wenn man diese nach L bzw. C auflöst.
Interessant ist auch das „Jonglieren“ zwischen verschiedenen physikalischen Teildisziplinen. So zeigen obige Beispiele, dass die Leistung (W) sowohl in mechanischen wie auch elektrische Gesetzmäßigkeiten vorkommt und man deshalb z.B. die elektrische Spannung (V) durch eine Kombination der elektrischen Basiseinheit Ampere (A) mit mechanischen Basiseinheiten definieren kann.
Neben den sieben Basiseinheiten und den abgeleiteten Einheiten definiert das SI noch zwei sog. ergänzende Einheiten: Ein Radiant (rad) ist der ebene Winkel zwischen zwei Radien eines Kreises für den Fall, dass der dadurch bestimmte Kreisbogen genau so groß wie der Radius ist. Da der Umfang eines Kreises bekanntermaßen der mit 2π multiplizierte Radius ist, entspricht eine komplette Drehung einem Winkel von 2π rad. Auf Basiseinheiten zurückgeführt, bedeutet das
1 rad = m/m.
In analoger Weise wird ein Steradiant (sr) als räumlicher Winkel mit der Kugelmitte als Scheitelpunkt definiert, der aus der Kugeloberfläche eine Fläche gleich der eines Quadrats von der Seitenlänge des Kugelradius ausschneidet. Auf die Einheit bezogen heißt dies
1 sr = m2/m2.
Zu guter Letzt sind im SI noch Vorsätze definiert, mit denen Vielfache bzw. Teile von SI-Einheiten in Kurzform angegeben werden können, so dass große oder kleine Messwerte nicht durch unübersichtlich viele Ziffern geschrieben werden müssen:
Y Yotta 1024
Z Zetta 1021
E Exa 1018
P Peta 1015
T Tera 1012
G Giga 109
M Mega 106
k Kilo 103
h Hekto 102
da Deka 101
d Dezi 10-1
c Zenti 10-2
m Milli 10-3
μ Mikro 10-6
n Nano 10-9
p Piko 10-12
f Femto 10-15
a Atto 10-18
z Zepto 10-21
y Yokto 10-24
Dem Leser ist vielleicht aufgefallen, dass die Basiseinheit Kilogramm (kg) bereits den Vorsatz Kilo (k) in sich trägt. Dies hat historische Gründe. Vielfache bzw. Teile davon werden dennoch bekanntermaßen nur mit dem Gramm (g) zuzüglich des passenden Vorsatzes geschrieben.
Zusätzlich zu den offiziellen SI-Einheiten gibt es zahlreiche Einheiten, die international oder zumindest in einer größeren Region akzeptiert sind. Sie lassen sich i.d.R. auf entsprechende SI-Einheiten zurückführen. Beispiele sind:
Grad Celsius: <Temperatur in K> + 273,15
Grad Fahrenheit: 9/5 * <Temperatur in K> – 459,67
Minute: 1 min = 60 s
(Winkel-)Grad: 1 ° = π/180 rad
(Winkel-)Minute: 1 ‘ = 1/60 °
Liter: 1 l = 1 dm3
Tonne: 1 t = 103 kg
Bar: 1 bar = 105 Pa
Auch die zahlreichen historisch gewachsenen angelsächsischen Einheiten z.B. für Längen (wie mile, yard, foot, inch), Volumen (wie gallon), Masse (wie ounce, pound) etc. lassen sich in SI-Einheiten umrechnen. Teilweise existieren für dieselbe Einheit unterschiedliche Umrechnungen im Bereich des Vereinigten Königreichs (UK-Einheiten) und der Vereinigten Staaten von Amerika (US-Einheiten). Auch wird ein und dieselbe Einheit je nach Anwendung teilweise unterschiedlich definiert - so entspricht eine mile im Sinne einer sog. „Landmeile“ 1.609,344 m (UK) bzw. 1.609,347 m (US), während die nautical mile („Seemeile“, auch in der Luftfahrt eingeführt) 1.853,2 m (UK) bzw. international genau 1.852 m groß ist.
Zum Schluss unserer Betrachtungen zu Einheiten soll nicht unerwähnt bleiben, dass für einige spezielle Messgrößen auch Einheiten in Gebrauch sind, die sich einer Zurückführung auf SI-Einheiten gänzlich entziehen. Sie sind vielmehr in engem Zusammenhang mit ihrem typischen Einsatzgebiet spezifisch festgelegt. Hierunter fallen z.B. Einheiten für die Wasserhärte, das Mostgewicht, den Feingehalt von Gold- und Silberlegierungen, die Windstärke, den Seegang oder die Stärke von Erdbeben.
Mitunter fallen innerhalb einer messtechnischen Anwendung Messwerte in ganz unterschiedlichen Größenordnungen an. Um die Zahlenwerte nicht mit unübersichtlich vielen Ziffern zu versehen, könnte man, wie oben gezeigt, entsprechende Vorsätze verwenden. Für eine Darstellung in einem Diagramm, bei dem die Achse in einer festen Einheit bzw. einem Vielfachen davon skaliert werden muss, ist dies jedoch keine Lösung. Für diesen Fall bietet sich eine logarithmische Darstellung der Messwerte an, was auch im SI vorgesehen ist.
Hierbei muss man den eigentlichen Messwert stets auf einen definierten Referenzwert beziehen - also den Quotienten bilden - und danach logarithmieren. Fast ausschließlich verwendet wird dazu der 10er-Logarithmus (log). Der sich ergebende neue Wert trägt als Einheit das Bel (B) bzw. - auch dies wiederum die meist verwendete Variante - Dezibel (dB), also das Zehntel eines Bels. In seltenen Fällen wird der natürliche Logarithmus (ln) benutzt, die Einheit nennt sich dann Neper (Np). Im Falle einer elektrischen Leistung P wäre also die übliche logarithmische Darstellung
(Formel 4)
In der Messtechnik hat sich eingebürgert, dass zunächst nur Leistungen - allgemein spricht man von „Leistungsgrößen“ - gemäß dieser Definition in dB angegeben werden. Die meisten anderen Größen werden in leicht abgewandelter Form - hier am Beispiel der elektrischen Spannung U - gemäß
(Formel 5)
dargestellt und nennen sich in diesem Kontext „Leistungswurzelgrößen“ (früher auch „Feldgrößen"). Dieser Name deutet auf eine sich dahinter verbergende spezielle physikalische Sichtweise hin: Stellt man sich in (4) vor, dass P bzw. Pref an einem ohmschen Widerstand R abfallen, so lässt sich (4) mit den beiden Beziehungen
(Formel 6)
bzw.
(Formel 7)
direkt in (5) umformen.
Elektrische Leistungen und Spannungen stellen bereits den Großteil der Messgrößen dar, für die in der Messtechnik überhaupt nur Dezibelangaben üblich sind. Auch sind diese nur bei bestimmten Anwendungen mit einem großen Messbereich wie der Hochfrequenztechnik, der Charakterisierung von sog. Frequenzgängen bei Verstärkern oder bei akustischen Größen (hier auch mit anderen Messgrößen wie z.B. dem Schalldruck) stärker verbreitet. Generell spricht man auch von „Pegeln“, wenn Messwerte logarithmisch angegeben werden.
Eine Angabe in Dezibel macht natürlich nur Sinn, wenn - im Zweifelsfall zusätzlich zur Nennung der Berechnungsvariante gemäß (4) oder (5) - angegeben ist, welcher Referenzwert verwendet wurde. Hierzu haben sich folgende Schreibweisen in den Einheiten eingeführt:
dB(mW): Leistungspegel, bezogen auf 1 mW
dB(mV): Spannungspegel, bezogen auf 1 mV
dB(μV): Spannungspegel, bezogen auf 1 μV
Beispielsweise gelten damit folgende Korrespondenzen für Leistungspegel:
1 μW = 0,000.001 W = - 30 dB(mW)
10 μW = 0,000.01 W = - 20 dB(mW)
100 μW = 0,000.1 W = - 10 dB(mW)
1 mW = 0,001 W = 0 dB(mW)
10 mW = 0,01 W = 10 dB(mW)
100 mW = 0,1 W = 20 dB(mW)
1 W = 30 dB(mW)
10 W = 40 dB(mW)
100 W = 50 dB(mW)
1 kW = 1.000 W = 60 dB(mW)
Einen speziellen Sonderfall hält die Messtechnik in diesem Zusammenhang noch bereit: Mitunter werden Spannungspegel auch in dBm angegeben - nicht zu verwechseln mit obigen dB(mV). Dies vor allem bei Messsystemen, die für höhere Frequenzen ausgelegt sind. Bei Schaltungen für diese Frequenzen ist es üblich, zur Vermeidung sog. Reflexionen Leitungsenden mit einem ohmschen Widerstand, der in etwa dem sog. Wellenwiderstand des Kabels entsprechen sollte, abzuschließen. Oftmals wird hierzu ein 50 Ω-Widerstand verwendet. Viele Messgeräte für Hochfrequenzanwendungen sind intern an ihren Ein- bzw. Ausgangsbuchsen bereits mit diesen Widerständen beschaltet. Bei dBm-Angaben nimmt man nun als Referenzspannung diejenige, die an einem solchen 50 Ω-Widerstand eine Leistung von 1 mW produziert. (7) nach Uref aufgelöst ergibt für diese Werte eine Spannung von ca. 0,224 V, mit der gemäß (5) der Spannungspegel - nunmehr in dBm - für beliebige Spannungen U berechnet werden kann. Somit steht 0 dBm für eine Spannung von ca. 0,224 V, während 20 dBm ca. 2,24 V entspricht.
Umgangssprachlich wird mitunter statt des Verbs „messen“ das Wort „prüfen“ verwendet. Dies ist jedoch aus fachlicher Sicht nicht korrekt. Unter „prüfen“ versteht man in der Messtechnik wie auch generell im technischen Bereich das Untersuchen, ob ein Prüfgegenstand bestimmte Vorgaben erfüllt. Diese sind hierzu als Prüfbedingungen in angemessener Form spezifiziert. Sehr bekannt sind beispielsweise Prüfungen zur Elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV), die in entsprechenden technischen Normen niedergelegt sind. Die Normen beinhalten u. a. konkrete Vorgaben für Messaufbauten zur Messung elektromagnetischer Störemissionen bei verschiedenen Gerätearten sowie Grenzkurven zur Analyse der Messergebnisse. Um ein Gerät auf Einhaltung einer solchen Norm zu prüfen, müssen somit die darin enthaltenen Vorgaben eingehalten und die spezifizierten Messungen durchgeführt sowie entsprechend ausgewertet werden. Prüfen beinhaltet also deutlich mehr als einmal eine Messgröße zu messen.
Mitunter verfügen messtechnische Systeme über Möglichkeiten, die werksseitig im Rahmen des Herstellprozesses erzielbare Messgenauigkeit - auf die genauen Definitionen hierzu werden wir noch in einem anderen Kapitel eingehen - nachträglich zu erhöhen. Dies geschieht durch gezieltes Anschalten bekannter Referenzgrößen an den Messeingang anstelle der im eigentlichen Betrieb zu messenden Messgröße. Auf dieser Basis kann das Messsystem nun so eingestellt werden, dass der ermittelte Messwert der Messgröße möglichst gut entspricht. Dies kann je nach Messsystem manuell oder automatisch erfolgen, entweder einmalig bei der Erstinbetriebnahme oder auch periodisch. Der Fachbegriff für diese Einstellmaßnahme ist „Kalibrieren“, bei Wiederholungen auch „Rekalibrieren“ genannt. Andere in der Messtechnik eingeführte Begriffe hierfür sind „Justieren“ bzw. „Einmessen“.
Nochmals einen anderen Sachverhalt beschreibt der Ausdruck „Eichen“. Unter diesem versteht man die Prüfung und Stempelung eines Messsystems nach gesetzlichen Eichvorschriften. Betroffen davon sind Messsysteme, die im gewerblichen Verkehr bzw. Handel verwendet werden. Immer dann, wenn ein Käufer geschäftlich eine Ware erwirbt, die z.B. bzgl. ihres Volumens oder Gewichts durch den Verkäufer abgemessen werden muss, darf die zugehörige Messung nur durch ein geeichtes Messsystem durchgeführt werden. Uns als Verbraucher ist damit beispielsweise im Supermarkt eine gewisse Sicherheit gegeben, dass die zur Wägung von Obst zu verwendende Waage auch innerhalb gewisser Grenzen genau arbeitet. Diese Grenzen sowie weiterführende gerätetechnische Vorgaben sind z.B. in Deutschland in einer Anlage zur sog. Eichordnung aufgeführt.
Eichen ist ein hoheitlicher Akt eines Staates und darf nur durch entsprechend hierfür durch den Staat autorisierte Stellen - in Deutschland sind das die Eichämter - durchgeführt werden. Die Eichung erfolgt zu Beginn des Inverkehrbringens des Messsystems sowie danach in je nach Messsystem festgelegten Zeitabschnitten. Sie wird am Messsystem durch eine Stempelung angezeigt.
Messsysteme, für die eine Eichpflicht besteht, müssen bereits während ihrer Entwicklungsphase staatlicherseits bezüglich ihrer Bauart abgenommen werden. Ziel ist es, von vornherein eine gewisse Genauigkeit des Messsystems sowie eine möglichst hohe Manipulationssicherheit konstruktiv sicherzustellen. Hierzu muss der Hersteller weitgehende Informationen auch über das „Innenleben“ des Messsystems der abnehmenden Behörde offenlegen. In Deutschland ist hierfür i.d.R. die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zuständig.
Auf nationaler, europäischer und weltweiter Ebene existieren zahlreiche Institutionen, die sich jeweils um Fachthemen aus der Messtechnik bzw. mit Relevanz für diese kümmern. Einige beschäftigen sich mehr mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Messens an sich und der Definition und Darstellung der Maßeinheiten - dies wird unter dem Begriff „Metrologie“ (nicht zu verwechseln mit der „Meteorologie“) subsummiert. Andere haben dagegen mehr die messtechnische Anwendung im Fokus. Ganz kurz nur wollen wir einige ausgewählte Institutionen aufführen.
Für Deutschland wurde als ein wichtiger Vertreter gerade die PTB schon genannt. Außer für die Bauartzulassung eichpflichtiger Geräte ist sie kraft Gesetz u. a. auch zuständig für die Darstellung gesetzlicher Einheiten, die Entwicklung nationaler Normale, die Darstellung der gesetzlichen Zeit sowie die Prüfung der Normale der DKD-Labore. Hinter dem Kürzel DKD verbirgt sich der Deutsche Kalibrierdienst, ein der PTB angegliedertes Gremium, das über die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) Kalibrierlaboratorien akkreditiert und überwacht. Diese sind meist privat betrieben und stellen die Anlaufstelle für Messsystemhersteller dar, wenn diese ihre eigenen Normale kalibrieren wollen. Unter „Normal“ (auch „Messnormal“) wird in der Messtechnik generell eine Vorrichtung verstanden, die mit gewisser hoher Genauigkeit einen festen Wert einer bestimmten Messgröße liefert, um Messsysteme damit zu kalibrieren. Der schon aufgeführte Internationale Kilogrammprototyp ist ein Beispiel für ein Normal, das an höchster Stelle der Kalibrierkette steht. Die PTB als zentrale nationale Institution hat eine sehr genaue Kopie davon und die DKD-Labore leiten davon ihre Normale wiederum ab.
Ebenfalls aufgeführt wurden bereits die Eichämter, die neben der periodischen Eichung eichpflichtiger Messsysteme insbesondere auch allgemeine Überwachungsaufgaben wahrnehmen. So kontrollieren sie regelmäßig und stichprobenartig z.B. Füllmengen von Fertigpackungen bei Herstellern und Importeuren. Oder führen unangekündigte Kontrollbesuche bei Ausschankbetrieben durch, um Schankgefäße und Ausschankmaße zu prüfen. Die Mitarbeiter der Eichämter haben dabei Befugnisse ähnlich denen von Polizeibeamten, sie können insbesondere auch Bußgelder verhängen.
Deutsche Normen werden bekanntermaßen durch das Deutsche Institut für Normung (DIN) erarbeitet und decken die gesamte Bandbreite technischer Systeme ab. Als Beispiel einer Norm mit engerem messtechnischem Bezug sei die DIN 1319 genannt, welche den Titel „Grundlagen der Messtechnik“ trägt und u. a. wichtige Definitionen zu Fachausdrücken und zur Angabe von Messunsicherheiten beinhaltet. In einigen Aspekten weicht speziell die Sprache dieser inzwischen doch bereits älteren Norm - die aktuell gültigen Ausgaben der vier Teile wurden im Zeitraum 1995 bis 2005 veröffentlicht, die Anfänge reichen in das Jahr 1942 zurück - vom heutigen Sprachgebrauch in der Praxis etwas ab.
Auf deutscher Ebene noch zu nennen ist der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE). Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich nicht so sehr um eine reine Interessensvertretung der Industrie, sondern vielmehr um eine seit vielen Jahrzehnten eingeführte Institution, die technische Regelwerke erarbeitet, welche die DIN-Normen in speziellen Bereichen ergänzen. Vor allem für die praktische Installation von elektrotechnischen Systemen inkl. der Einhaltung sicherheitsrelevanter Kriterien sind diese Schriften relevant. Ein großer Teil dieser Regelwerke wird vom DIN als sog. DIN-VDE-Norm veröffentlicht.
Auf internationaler Ebene wurde bereits genannt die Internationale Meterkonvention mit ihrem zentralen Büro BIPM (Bureau International des Poids et Mesures). Weitere Organe der Internationalen Meterkonvention sind deren Generalkonferenz CGPM (Conference Générale des Poids et Mesures), eine Art Wissenschafts- und Aufsichtsrat namens CIPM (Comité International des Poids et Mesures) und zuarbeitende Komitees, die CC (Comité Consultatifs).
Etwas näher an der messtechnischen Praxis befinden sich die Veröffentlichungen der Organisation Internationale de Métrologie Légale (OIML). Diese konstituierte sich 1955 in Paris. Mitglieder sind Staaten über ihre jeweiligen für das gesetzliche Messwesen zuständigen Institutionen, in Deutschland z.B. die