Holger Peterson

Mein Boot ist mein Zuhause.

Technik & Tipps, um den Traum vom Leben an Bord zu verwirklichen.
4., erweiterte Auflage

 

Widmung.

 

Dieses Buch wäre nicht möglich gewesen, ohne …

… meine frisierte Zündapp C 50 Sport, die meine Frau Birgitt und mich als Teenager vom Landkreis Celle an die Ostseeküste getragen hat, wo wir zum ersten Mal von Segelreisen träumten. Ich empfehle das geschwindigkeitssteigernde Ritzel mit 15 statt 11 Zähnen und eine 72er Hauptdüse. Heute bevorzugen wir eine 1000er Suzuki V-Strom mit Campingausstattung, wenn die Reise spontan zu weit entfernten Zielen führt.

… das solide Faltboot, zu dem mich meine Eltern Liesel und Peter überredeten: Sie nahmen mir den Otto-Katalog weg, aus dem ich als Achtjähriger ein aufblasbares Kanu bestellen wollte, und füllten heimlich mein Sparschwein. Das Faltboot POUCH RZ 85 bewahren sie immer noch für mich auf, mit dem ich später das Segeln lernte und noch heute immer wieder zum Mühlengraben meiner Kindheit zurückkehre.

… die Entwickler von Nintendo, mit deren Spielen wir unsere Kinder Thorben, Lukas und Josephine auch bei miesem Bordwetter bei Laune hielten. Kindgerechte Kuschelkajüten und abwechselnde Segelreviere mögen aber auch ihren Teil beigetragen haben.

… all die guten Geister vom Segelclub Garbsen am Steinhuder Meer, die Ancora-Marina an der Ostsee, den Celler „Wassersportclub Unteraller“, den Wilhelmshavener Segelclub mit der Steganlage Hooksiel, den Oldenburger Yachtclub und die Crew des Bremer Hohentorhafens, die mir als Wassersportnomaden Heimathäfen gaben.

… die Redakteure der YACHT und ganz besonders Susanne Guidera von millemari., die sich immer wieder durchbeißen, um meine Texte irgendwie lesbar zu gestalten.

… ungezählte Segler, Motorbootfahrer und dem Wassersport verbundene Gewerbetreibende, die geduldig meine Fragen und Fotos tolerieren, um Erfahrungen und Küstenklatsch über unsere Passion zusammenzutragen.

 

Inhalt.

 

Der Traum vom Leben an Bord.                               

Voraussetzungen, um an Bord zu leben.                         

Das Haus verkauft, das Boot behalten.                         

Rechtliche Voraussetzungen, um ein Boot in Deutschland
als Wohnsitz anzumelden.                                     

Die Suche nach einem Heimathafen.                         

Das Boot und die Steuer.                                     

Ein Fallbeispiel.                                           

Leben an Bord – zu jeder Jahreszeit.                         

Die vier Jahreszeiten – und wie man sie an Bord erlebt.       

Mein Schiff im Eis.                                           

Eis ist ungefährlicher als man denkt.                         

Damit es warm bleibt: die Heizung.                         

Das Problem mit dem Kondenswasser.                         

Die „lachende“ Luke.                                     

Wasserboiler für mehr Komfort.                               

Auf der Suche nach dem idealen Boot.                         

Was für ein Boot brauche ich? Segel- oder Motorboot?             

Wie viel Boot brauche ich wirklich?                         

Kriterien einer bezahlbaren Yacht.                         

Kiel und Ruder: Rückgrat und Kostenfaktor jeder Yacht.       

Der richtige Liegeplatz.                                     

„Refit“: Keine Angst vor alten Booten.                         

Das perfekte Boot.                                           

Vom Bug zum Heck und unter Deck:
Komfort, Sicherheit & Technik.                               

Welcher Decksbelag für mein Schiff?                         

Mehr Sicht: Fenster in Kopfkissenhöhe.                         

Alles andere als Schnickschnack:
Wasserfilter statt Plastikflaschen.                               

Des Seglers Trickkiste.                                     

Wasser im Schiff.                                           

Tipps für die Stopfbuchse.                                     

Probleme mit Diesel und Kraftstoffpumpen.                   

Energiemanagement an Bord.                               

Frühlingsfrisch statt Wintermuff? Tipps zum Saisonstart.       

Ohne Ersatzteile geht‘s nicht.                               

Sicherheit & Seemannschaft.                               

Schiffsrisiken & Versicherungen.                               

Feuer an Bord durch defekte Elektrik.                         

Brandrisiken reduzieren.                                     

Schutz vor Langfingern und Vandalen.                         

Alarmanlagen für mehr Sicherheit an Bord.                   

Rettung aus Seenot.                                     

Das Peterson-Manöver.                                     

Winschen und Kurbeln, um einen Menschen an Bord zu hieven.       

Wie komme ich wieder an Bord? Bootsleitern im Test.             

Rettungsinseln: Gewicht, Lagerung, Einsatz.                   

Praktische Übungen für die Crew.                         

Zu guter Letzt.                                           

Segelpraxis: Vor- und Nachteile von Fahrtenyachttakelungen.

Vom Zauber der Sterne – Astronomie im GPS-Zeitalter.       

Wie sich die Kurse kreuzen.                               

Fahrbare Hausboote – eine Alternative-?                         

Zu guter Letzt …                                           

Impressum.                                                 

 

Der Traum vom Leben an Bord.

 

Vom ersten Funken bis zum freien Leben auf großer Fahrt können 40 Jahre vergehen. Während dieser Zeit verbringen wir unser Seglerleben an heimischen Küsten. Viele von uns sind „Fahrtensegler in Fesseln“ – warten auf den Ruhestand, auf den Auszug der Kinder oder haben anderweitige Verpflichtungen. Wenn aber nicht nur Reisepläne die Quelle der Motivation sind, warum sollte man dann nicht schon früher an Bord leben und die Wohnungsmiete einsparen? Mit der gesparten Miete oder Hausfinanzierung lässt sich eine veritable Yacht beschaffen und stetig verbessern. Zudem ist man beruflich „mobil“ und kann bei einem Arbeits- oder Studienplatzwechsel sein Zuhause verlegen.

Ganzjährig an Bord zu leben heißt auch, den Winter an Bord zu verbringen, aber mit dem richtigen Boot ist das kein Problem. Ja, es gibt ein paar kalte Monate. Und ebenfalls ja: Im Eis ist man allein auf sich und seine technischen Fähigkeiten gestellt, weil das Boot nicht bewegt werden kann. Doch es gibt Lösungen und Liegeplätze – dieses Buch wird Ihnen eine Fülle von Tipps und Informationen liefern, wie Sie Ihr Boot zum eistauglichen Zuhause machen.

Doch so weit sind wir noch nicht – also zurück zur ersten Entscheidungsfindung, die vielleicht Ihr Leben verändert: Kajüte statt Kamin. Wenn man nach vier Wochen Bootsurlaub nichts sehnlicher wünscht, als länger an Bord leben zu können, warum sollte man dann sein schwimmendes Zuhause verlassen? Kein noch so schön angelegter Gartenteich wird uns so berühren wie das Steuern des eigenen Bootes über das Meer, einen See oder einen Fluss. Wie herrlich ist das Aufwachen in einer Marina, am Steg eines Vereins oder vor Anker – es ist mit nichts zu vergleichen. Und: Warum sollte man sich als Student in die Reihe der Wohnungssuchenden beim Makler einreihen, wenn man eben noch Herr der sieben Meere war und eine eigene Yacht leichter finanzieren könnte als eine Wohnungsmiete? Wer dies konsequent umsetzt, für den lohnt sich der Aufwand nicht nur finanziell, sondern der hat auch eine bewegliche Bleibe, die bestens geeignet ist, um in den Semesterferien die Küste zu erkunden.

Seit dem 1.11.2015 gilt das revidierte Meldegesetz, wonach unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Wasserfahrzeug als Wohnsitz berücksichtigt werden kann. Damit steht dem dauerhaften Leben an Bord nicht mehr viel im Wege. Hat man sonst an Bord nur „übernachtet“, kann nun unter bestimmten Bedingungen die Hafenadresse im Ausweis eingetragen werden. Es gibt jedoch Häfen, in denen man lieber nicht darauf bestehen sollte. Auch darüber werde ich berichten.

Gerade für junge Familien gibt es Gründe, schon früh ein Boot anzuschaffen, auch wenn es klein ist: Sie erleben das Abenteuer auf dem Wasser, ohne auf teure Flugreisen zu Ferienzeiten angewiesen zu sein. Europa ist allemal groß genug, um ein Fahrtenseglerleben zu gestalten, ohne ganz aussteigen zu müssen. So verbringt ein mir bekanntes deutsch-finnisches Paar das Bordleben als Zugvögel: den Sommer in Skandinavien, den Winter in Barcelona, aber stets mit günstigen Flugverbindungen nach Bremen, denn da leben ihre Kinder und Enkel.

Der Trend zum eigenen Boot hat in den letzten Jahren wieder zugenommen. In meinem Verein an der Nordseeküste waren im Sommer 2019 erstmals alle Liegeplätze vergeben – belegt von Anfängern mit den ersten eigenen Booten. In Bremen wird man mittlerweile sogar Schwierigkeiten haben, einen Winterliegeplatz zu bekommen – in Bremerhaven war dies allerdings bisher kein Problem.

Für mich gilt: Es muss nicht immer ein fernes Ziel sein, auf das man zusteuert. Es ist auch möglich, in scheinbar beschaulichen heimischen Gewässern die Abenteuer zu erleben, für die man plante, einmal um die Welt zu segeln.

Im Jahr 2012 wollte ich eine Auszeit nehmen. Am Steg in Hooksiel lag PALOMA. Sie war hochseetauglich: 11 Meter lang, gebaut aus Stahl. Mein Haus hatte ich verkauft und bereits zwei wunderbare Jahre an Bord gelebt. Ein Sabbatjahr sollte einen Törn rund Südamerika ermöglichen, doch dann stellte das Leben mir die Frage: Allein um Kap Hoorn oder mit zwei Blondinen nach Norderney? Stattdessen bin ich geblieben – für weitere 10 Jahre. Anlass war das Familienleben mit meiner wiedergefundenen Jugendliebe und meiner Stieftochter. So lange, bis diese erwachsen ist, bleiben wir hier. Zufällig fällt dies mit der dann anstehenden Pensionierung zusammen. Wir haben folglich als Paar mit dem Leben an Bord ein gemeinsames Ziel und wechseln wegen der Schiffsführung nur den Job und die Umgebung. Langweilig wird es nicht.

Seit Jahren leben wir bereits von Montag bis Donnerstag in einer kleinen Wohnung und von Freitag bis Montag an Bord, obwohl wir beide berufstätig sind und bis zu 250 Kilometer per Bahn pendeln. An zwei zusätzlichen Tagen bin ich in der Woche allein an Bord und im Urlaub sind wir als Familie bis zu fünf Wochen unterwegs. So komme ich auf rund 300 Bordtage im Jahr. Verkehrstechnisch geht das nur, weil wir zwei Heimathäfen haben: Hooksiel im Sommer, Bremen im Winter, kombiniert mit einem „Bootspendelauto“, das an einem Küstenbahnhof geparkt ist. So halten wir zumindest unseren CO²-Ausstoß in Grenzen. Gerade für Familien ist die Frage wichtig: Wie weit und unter welchen verkehrstechnischen Aspekten darf ein Boot entfernt von Zuhause liegen, und wo findet sich das persönlich beste Segelrevier? Vielleicht liegt das perfekte Revier in Wahrheit vor der eigenen Haustür und man hat es nur noch nicht beachtet? In meinem zweiten Buch „Wie wir im Norden segeln“ gehe ich dieser Frage noch intensiver nach.

Bereut habe ich es nicht, hiergeblieben zu sein. Fahrtensegeln ist ein intensiver Teil unseres Lebens, selbst im Winter. Heute sind wir auf einer Reinke S 11 aus Aluminium unterwegs. FUCHUR wurde in den letzten Jahren mit allem ausgerüstet, was ein kältetaugliches Familien- und Expeditionsboot auszeichnet. In diesem Schiff stecken die Erfahrungen aus acht Vorgängerbooten. Ich meine, ihn gefunden zu haben, den „roten Faden“, der mein erstes Faltboot über mehrere Trailerboote bis zur „wattentauglichen Trans-Ozean-Yacht“ verbindet und mir auch erlaubt, quasi autark mit meinem Schiff unterwegs zu sein.

Ich betrachte dieses Buch durchaus als mein Wichtigstes, aber an erster Stelle steht die Sicherheit der Crew. Was ich empfehle, probiere ich daher aus: Und so falle ich absichtlich im März ohne Neoprenanzug in die Nordsee, um Badeleitern zu testen. Wer im Vorfrühling als Paar auf hoher See segelt, sollte wissen, wie man in unter 10 Minuten allein ein Manöver fährt, um einen hilflosen Menschen aus dem Wasser zu fischen. Dazu haben wir ein neues Bergungsmanöver entwickelt. Meine Frau schafft das nun ohne Hilfe innerhalb von 6 Minuten. Ein Jahr haben wir an diesem Rettungsmanöver gearbeitet. Wenn es darauf ankommt, schnell und ohne externe Hilfe jemanden aus dem Wasser zu ziehen, hat es sich nun im Selbstversuch bewährt. Und als unser Motor mehrfach ausfiel oder unser Wasserboiler explodierte, haben wir Lösungen entwickelt, die für jeden Bootfahrer und Wohnmobilfahrer spannend sind. Sie sind ebenfalls hier nachzulesen. Wir wohnen nicht nur an Bord, wir arbeiten auch mit dem Boot.

Der Traum vom Segeln und die dazu notwendige Technik lassen sich nicht voneinander trennen. Wer von Land aus einem vorbeiziehenden weißen Segel hinterhersieht, ahnt oft nicht, dass es trotz des scheinbar federleichten Antriebs durch den Wind einiger Technik bedarf, damit ein Schiff wieder sicher in den Hafen gelangt. Daher wechseln die Kapitel dieses Buches zwischen Panoramathemen, wie der Suche nach dem richtigen Schiff für die eigenen Bedürfnisse, und vielen technischen Tipps. So entsteht ein komplettes Bild vom Leben an Bord.

Ein Skipper, dessen Boot ich vor Jahren gekauft habe, hat es trefflich ausgedrückt: „Mein Boot war wie ein Kind für mich. Ich habe es selbst ausgebaut, kenne es bis zu den letzten Spanten.“ Erst diese Einheit, dieses blinde Verstehen, sorgt dafür, dass wir uns auf See auch dann noch sicher fühlen, wenn mal etwas nicht funktioniert. Es dauert ungefähr zwei Jahre, bis man ein Boot, das mit viel Komfort ausgestattet ist, genau kennt. Erst dann hat man die „Macken“ der Voreigner repariert, es auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichtet. Wer sein Boot wirklich in- und auswendig kennt, der gerät nicht in Panik, wenn in der Schleuse die Maschine streikt, sondern wird versuchen, unter Einsatz des Vorsegels oder einer Schleppleinenverbindung wieder hinauszukommen. Dann geht man vor Anker und packt die Werkzeugkiste aus. Dabei strahlt ein guter Skipper gegenüber den Mitseglern immer noch Gelassenheit aus, damit sie auch beim nächsten Törn wieder gerne mitfahren.

Manch ein Leser dieses Buches besitzt vielleicht gerade sein erstes Boot, ein anderer denkt darüber nach, selbst an Bord zu ziehen. Es ist immer schwierig, allen Lesern und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Beim Gang durch das Winterlager oder über eine Bootsmesse hat ein alteingesessener Bootsbesitzer andere Überlegungen als der Neuling. Doch wenn Sie sich nach der Lektüre des Buches ein wenig sicherer fühlen, leichter Ihren Favoriten finden und aus Unkenntnis auch kein finanzielles Risiko mehr eingehen, habe ich viel erreicht. Sollten Sie aber erkennen, dass das Bootsleben mehr Zeit erfordert als Sie aufbringen können, ist es auch gut, denn Sie sind dann in der Lage, Ihr Boot an Ihre Bedürfnisse anzupassen. Erst wenn wir frei von Ängsten und unbeschwert von technischen Problemen segeln, können wir Sonnenuntergänge genießen und nachts den Sternenhimmel auf See bewundern.

Der größte Motivationsfaktor ist für mich das unvergleichliche Lebensgefühl, das man als Segler erlebt: Die Fantasie kann unsere Alltagsseelen bei einer Ankernacht auf einem Fluss oder im Wattenmeer genauso beflügeln, als würden wir in einer Lagune von Tahiti dümpeln – auch wenn wir am nächsten Tag wieder zur Arbeit fahren. Ergründen wir unsere ursprünglichen Träume, übertragen wir sie ins tägliche Bordleben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allzeit gute Fahrt!

Ihr Holger Peterson

 

Holger Peterson: Was er empfiehlt, probiert er zuvor aus – auch wenn das bedeutet, ins 6 Grad kalte Nordseewasser zu springen

 

Voraussetzungen, um an Bord zu leben.

 

 

Das Haus verkauft, das Boot behalten.

 

Februar 2010. Ich schiebe den Schnee von der Aluminiumleiter und klettere in PALOMAs Cockpit. Auf dem Rücken ein Seesack mit kleinen Schätzen. Er kommt zu den Kartons, die sich in den drei Kajüten stapeln. Es gibt noch vieles zu verstauen und Platz zu schaffen. Mein Lebensraum hat sich von 160 Quadratmeter auf 15 Quadratmeter reduziert. Ein billiger Heizlüfter müht sich redlich, kommt aber kaum gegen die Kälte an. Ohne regelmäßige Stoßlüftung wird das Vorschiff der 11 Meter langen Stahlyacht trotz der guten Isolierung nachts zur Tropfsteinhöhle.

Einiges ist noch umständlich, beispielsweise, dass ich Wasserkanister an Bord schaffen muss, weil der Wassertank einer Yacht einfriert, wenn sie an Land steht. Erst wenn der Rumpf im Wasser schwimmt, kann ein Wassertank auch im Winter gefüllt werden. Die Luft ist kälter als Eiswasser. Trotzdem bin ich glücklich. Die Tage werden bereits länger. Frühling liegt in der Luft, auch wenn das Thermometer nachts noch auf minus 10 Grad fällt. Ich bin zu Hause – an Bord.

 

Feng Shui radikal?

 

PALOMA wunderte sich bestimmt über meine andauernde Gegenwart so lange vor dem Krantermin. Noch mehr wunderte sich der Mitarbeiter der Wilhelmshavener Stadtverwaltung. „Wohin sind Sie umgezogen? Sie wollen Ihre Segelyacht als Wohnsitz anmelden? Hm ... ich muss mich erkundigen, ob das möglich ist.“

Nach wenigen Minuten kam er mit heller Miene zurück. Wo ich meinen Liegeplatz hätte und wie die Anschrift wäre? Ich überlegte. Ein „Fahrtensegler“ segelt ... und die Yacht hatte keinen Briefkasten. Ich nannte ihm die Adresse des Hafens. Weil dieser innerhalb eines Wohngebiets lag, schien sein Computer den Eintrag anzuerkennen. Denn es wird nicht der Name des Bootes im Personalausweis eingetragen, sondern eine „Meldeadresse“. Diese muss in einem Wohngebiet liegen. Dabei schien die Art meiner Unterkunft für die Behörden von geringerer Bedeutung zu sein.

Nur: Der Briefträger würde Mühe haben, mich auf der Nordsee zu finden. Wie würde mich Behördenpost erreichen? Die Idee, ein Postfach einzurichten, verwarf ich wieder. Um Missbrauch vorzubeugen, bekommt man es nur, wenn eine reguläre Landadresse vorhanden ist. Finden die Zusteller keinen Briefkasten mit dem eigenen Namen vor, erfolgt eine Mitteilung an die Post, der Antrag wird dann nicht genehmigt. Doch dann erlaubte mir mein Arbeitgeber, dass die Privatpost auf meinem Schreibtisch im Büro landete. Damit mich Behörden oder Versicherungen erreichen konnten, hinterlegte ich diese Anschrift als Zusatzeintrag zusammen mit meiner Handynummer beim Einwohnermeldeamt und allen wichtigen Stellen. So konnte ich sicher sein, dass mich auch ein Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens erreichen würde...

Glücklicherweise ist im elektronischen Zeitalter die kabellose Kommunikation an Bord einfach zu organisieren. Eine Flatrate für das Mobiltelefon und eine mobile Internetverbindung für das Notebook: Mehr braucht man nicht, um erreichbar zu sein.

Ansonsten ist in der maritimen Welt alles vorhanden, was ein Mitteleuropäer an Komfort erwartet. In den meisten Häfen gibt es Wasser und Landstrom sowie Duschen und Müllentsorgung. Dafür bieten wir uns als zusätzliche Sicherheit im Hafen an. Hafenbetreiber oder Stegnachbarn fühlen sich sicherer, wenn auch unter der Woche jemand im Hafen an Bord ist und beim etwaigen Besuch ungebetener Gäste die 110 wählt.

Natürlich kosten einige Arbeiten im Haushalt beim Leben an Bord mehr Zeit. Eine Waschmaschine oder ein Geschirrspüler sind an Bord einer 11-Meter-Yacht nicht unterzubringen. Doch man kann schließlich auch selbst abwaschen. Als Wäscheleine dient die Reling. Waschtage lege ich unter der Woche ein, um PALOMA an Wochenenden nicht wie einen „Kommunedampfer“ aussehen zu lassen. Außerdem ist die Yacht in meiner Freizeit ein Segel- und kein Hausboot.

Ein großer Vorteil ist die Leichtigkeit der Bootspflege. Waren Lackierarbeiten früher hektische Aktionen mit kleinen Zeitfenstern gegen den Tau der Nächte, so gibt es nun keine Probleme mehr. Ich stehe auch nicht mehr auf der Autobahn im Ferienstau, sondern kann spontan auslaufen, wann es mir gefällt.

Wer an Bord lebt, lebt entspannter. Arbeiten entfallen, die der gleichzeitige Besitz von Haus und Boot mit sich bringen. Kein Heckenschneiden oder Rasenmähen, während man gedanklich die Liste durchgeht, was an Bord zu tun ist. So bleibt unter dem Strich viel mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens.

Mein Aufbruch in das dauerhafte Leben an Bord war eine Reise ins Innere: Was wollte ich behalten, was war mir wirklich wichtig und wovon konnte ich mich leichten Herzens trennen? An Bord ließ sich nicht viel unterbringen. Zwei Kleiderschränke samt Inhalt hatte ich entsorgt. Trotzdem war ich nach einigen Monaten erstaunt, wie wenig ich vom noch notwendigen Rest wirklich benötigte. Schwerer fiel dagegen die Trennung von vielen guten Büchern. Sie lagern inzwischen auf dem Dachboden meiner Eltern.

Einige Verbesserungen hielten dafür Einzug. Ein Flachbildfernseher mit integriertem DVD-Laufwerk zierte das Hauptschott. Die DVBT-Antenne auf der Mastspitze sorgte für Empfang und neue Lautsprecher in der Kajüte boten Hörgenuss. Zum Korkenzieher gesellte sich eine Eiswürfelmaschine. Damit war alles vorhanden, was ein „Mann“ benötigt ... Für die zusätzliche Stabilität der Yacht fristete ein Bügeleisen in der Bilge sein Dasein. Mit einem Handtuch als Hitzeschutz funktionierte ich bei Bedarf den Tisch zum Bügelbrett um.

Eingeengt fühlte ich mich damals und auch heute nicht. Im Sommer hatte ich früher wochenlang auf kleineren Booten gelebt und keinen Komfort vermisst. Die weiß lackierten Holzflächen von PALOMA mögen vielleicht ihren Teil dazu beigetragen haben. Dunkles Mahagoni- oder Teakholz hätte ich sicher umgestaltet. Mitunter dachte ich über ein etwas größeres Boot nach. Ein Duschraum und eine Achterkajüte mit direktem Zugang durch das Mittelschiff wären sicher schön gewesen, aber sie waren nicht bedeutend für mein Glück.

Es war zunächst unklar, in welchem Hafen ich den nächsten Winter verbringen würde. Weil ich ohnehin nicht an jedem Wochenende die ostfriesischen Inseln besuchen würde, vielleicht etwas näher an meiner Arbeitsstelle in Bremen? Jedenfalls musste PALOMA im Wasser bleiben, denn eine Yacht ist an Land kaum bewohnbar. Es gibt einige Häfen mit Winterbetrieb. Nur das Trinkwasser würde ich in Kanistern an Bord schleppen müssen. Der Platz muss außerdem geschützt sein. Bei Eisgang wäre der Schwell vorbeifahrender Schiffe schädlich. Und ich würde mich sicherer fühlen, wenn ein Kran in Betrieb genommen werden könnte, falls ein Seeventil wegen Eisbildung platzen sollte. Sanitäre Anlagen sind im Winterbetrieb vorteilhaft, wie sie etwa in der Ancora-Marina in Neustadt an der Ostsee vorgehalten werden. Doch auch an der Nordsee finden sich hinter den Deichen gegen Sturmfluten geschützte Häfen. Selbst wenn Waschhäuser geschlossen sind, gibt es Alternativen für die Körperhygiene. Man kann in Fitnesscentern oder Hallenbädern duschen und für die Wäsche Waschsalons besuchen. Notfalls finden sich bestimmt mitleidige Freunde, die bei starkem Frost die Wäsche trocknen ...

 

Argumente für das Leben an Bord.

 

Natur pur genieße ich nicht nur vor dem Einschlafen mit dem Blick durch das Oberlicht zum Sternenhimmel. Wohin man in einem Yachthafen auch blickt, es dürfte dem Anblick so mancher Mietwohnungsrefugien vorzuziehen sein. Gleich hinter der Hafenmauer oder der Schleuse beginnt das Meer. Laufe ich nicht aus, genieße ich die Abendruhe unter der Woche, wenn die meisten Boote einsam an den Stegen liegen. Die Sonnenaufgänge über dem Wasser. Nebelschwaden. Meeresbrise. Jeder Tag ist neu. Und wenn einem die Nachbarschaft nicht passt, wechselt man einfach den Liegeplatz.

Ganz nebenbei, aber nicht kalkuliert, rechnet sich auch der finanzielle Vorteil. Wer vom großen Boot träumt, könnte es leichter durch das Einsparen von Miete oder der nicht benötigten Hypothek für das Haus finanzieren. Viele Banken akzeptieren heute eine Yacht als Sicherheit, wenn sie im Schiffsregister des Amtsgerichtes eingetragen ist. Oft reichen Foto, Kaufvertrag und Flaggenzertifikat. Was auch helfen kann: Ein Wertgutachten und die obligatorische Vollkaskoversicherung.

Natürlich ist das Leben an Bord in südlichen Breitengraden leichter. Doch es gibt einige Gründe, in heimischen Gewässern zu segeln und zu leben, solange man noch berufstätig ist oder die Kinder schulpflichtig sind. Die wenigen Tage mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt wird man schon überstehen, jedenfalls nach der Lektüre dieses Buches. Natürlich vermisse ich oft das Mittelmeer oder die Inseln des ewigen Frühlings im Atlantik. Wie gerne würde ich als Nordlicht schon jetzt die griechischen Inseln auf eigenem Kiel ansteuern. Ohne trailerbares Boot wäre das aber für mich nicht möglich und so bliebe nur der gelegentliche Ferienflug. Weil ich aber nicht für jeden Segeltörn fliegen möchte, ist ein Dauerliegeplatz im Süden sicher eher etwas für Freiberufler und Pensionäre. Oder für Alpenanwohner, die in wenigen Autostunden zum Mittelmeer fahren können. Beim Bordleben im kühleren Deutschland kommt es deswegen auf eine andere Sichtweise an, gerade wenn man nicht allein leben möchte. Manche Lebenspartner, die in lauen Sommernächten das maritime Nest mit verklärtem Blick betrachten, werden vereiste Stege und eine schneebedeckte Persenning vielleicht weniger begeistern. Da ist vorher einiges zu klären und die Kajüte sollte vorgeheizt sein, wenn man zum ersten Mal Wintergäste einlädt.

Trotzdem bevorzugen einige Enthusiasten sogar in Skandinavien schwimmende Heime. So lebte der bekannte Schriftsteller Björn Larsson (Der keltische Ring) mehrere Jahre an Bord seiner nur 9 Meter langen RUSTICA. Auch in den Niederlanden leben im Gegensatz zu Deutschland viele Menschen auf Hausbooten. Wenn man genauer hinsieht, kann man sie mittlerweile auch bei uns entdecken. Eine Familie wohnte an Bord einer 14 Meter langen Reinke-Yacht auf dem Main in Frankfurt und danach im Hafen von Borkum. Ihre Zeit in Frankfurt liegt allerdings schon ein paar Jahre zurück. Trotz langer Recherchen habe ich heute im Raum Frankfurt keine Liegeplätze mit Wohnoptionen entdecken können. Bei offiziellen Anfragen verweisen Meldeämter zuweilen auf Schifffahrtsämter – und umgekehrt. Dabei hat das Wasser- und Schifffahrtsamt Aschaffenburg, zuständig für den Main, keine Auflagen an Hafenbetreiber erlassen, die die Anzahl der Übernachtungen an Bord begrenzen. Eine interne Regelung fand ich am Rhein in der Marina Düsseldorf. Angeboten werden 120 Ganzjahresliegeplätze und 30 Gastliegeplätze. Bei meiner Anfrage waren noch zehn Plätze frei. Geboten werden sogar frostsichere Wasserabnahmestellen. Den Wechsel vom Wasserpachtrecht zum Wohnrecht scheut man trotzdem und begrenzt das Wohnen an Bord offiziell auf 300 Tage, weil man eben keine Wohnsiedlung eröffnen möchte. Damit verbundene Befürchtungen sind durchaus nachvollziehbar, besonders in Ballungszentren, wo es viele alternative Wohnformen gibt, die nicht immer nur positiv für Anwohner sein müssen.

Einen Liegeplatzvertrag für einen rotten Kahn kann man kündigen, aber die Aufgabe eines Wohnsitzes lässt sich erst durch eine Räumungsklage erzwingen. Und warum sollte man mit Meldebescheinigungen experimentieren, wenn der Hafen auch so gut ausgelastet ist? Im Liegeplatzvertrag die Begrenzung der Übernachtungen aufzunehmen kann eine elegante Lösung sein, um Abstand zum Wohnrecht zu halten.

Die Chancen stehen trotzdem nicht schlecht, seinen Traum vom Boot und dem Leben an Bord beinahe in jeder schiffbaren Region zu verwirklichen. Ob mit Meldebescheinigung oder ohne. Deutschland ist ein Wasserland! Warum nicht auch in Bremen, Hamburg, Hannover oder Berlin an Bord leben und in den Sommerferien auf dem Meer segeln? Die Infrastruktur vieler Häfen, die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz und die relativ hohe Sicherheit sind verlockend, auch wenn man noch im Arbeitsleben eingebunden ist. Nur fünf Gehminuten von meinem Winterliegeplatz entfernt liegt ein Bahnhof. Eis und Schnee können meine Fahrt zur Arbeitsstelle nicht behindern und im Sommer liegt das Boot an der Küste.

 

Rechtliche Voraussetzungen,
um ein Boot in Deutschland als Wohnsitz anzumelden.

 

Auszüge aus dem Bundesmeldegesetz (BMG), gültig seit dem 1.11.2015

 

§ 17 Anmeldung, Abmeldung

(1) Wer eine Wohnung bezieht, hat sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Einzug bei der Meldebehörde anzumelden.

 

§ 20 Begriff der Wohnung

Wohnung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Wohnwagen und Wohnschiffe sind nur dann als Wohnungen anzusehen, wenn sie nicht oder nur gelegentlich fortbewegt werden.

 

§ 29 Besondere Meldepflicht in Beherbergungsstätten

(4) Personen, die in Zelten, Wohnmobilen, Wohnwagen oder Wasserfahrzeugen auf gewerbs- oder geschäftsmäßig überlassenen Plätzen übernachten, unterliegen nicht der Meldepflicht nach § 17 Absatz 1 und 2, solange sie im Inland nach § 17 oder § 28 gemeldet sind. Wer nicht nach § 17 oder § 28 gemeldet ist, hat sich innerhalb von zwei Wochen bei der Meldebehörde anzumelden, sobald der Aufenthalt die Dauer von drei Monaten überschreitet.

Meine persönliche Auslegung dieser Verordnungen lautet: Wer keine Wohnung an Land hat und länger als drei Monate auf einem Boot in einem Hafen liegt, muss sein Wasserfahrzeug als Wohnsitz anmelden.

 

„Port“-Folio: Leben an Bord – mitten in Deutschland?

 

Was hat sich seit der Föderalismusreform mit der Einführung des bundeseinheitlichen Meldegesetzes tatsächlich verändert? Boote können unter bestimmten Voraussetzungen zwar bundesweit als Wohnsitze angemeldet werden – aber ohne Zustimmung des Hafenbetreibers geht nichts. Man kann nicht klammheimlich einen Liegeplatz mieten und nach drei Monaten zum Wohnsitz erklären. Wer als „wohnungsloser Schiffer“ strikt nach der neuen Gesetzeslage argumentiert, könnte sich den Weg zum Traumliegeplatz sogar verbauen. Denn bisher hat sich selten jemand darum gekümmert, ob ein Wassersportler dauerhaft an Bord übernachtet oder nicht. Was im sonnigen Süden in vielen Marinas selbstverständlich ist, ist es trotz EU-Zugehörigkeit nicht unbedingt im Norden. Für Australier oder Neuseeländer wäre die Frage nach dem Wohnen an Bord wahrscheinlich auch kein Thema. In den Niederlanden sind Tausende Boote dauerhaft bewohnt. Am französischen Canal du Midi wechseln der Form halber bewohnte Boote alle paar Tage die Anlegestelle, wenn sie keinen festen Platz gepachtet haben. Dann allerdings haben manche regelrechte Vorgärten am Steg angelegt.

Hierzulande setzt sich die Akzeptanz für Bootsbewohner erst langsam durch. Von Behörden geprüft werden eigentlich nur antriebslose Hausboote, besonders in Großstädten. In diesem Buch geht es aber um Sportboote, die zum Wohnen genutzt werden. In der Kommunikationslehre gilt der Grundsatz, dass der Sender für den positiven Empfang der Botschaft verantwortlich ist. Wir als Bootsbewohner suchen folglich einen Hafenbetreiber, der uns aufnimmt und auf seinem Areal „wohnen“ lässt. Man muss sich also vorher fragen, zu welchem Zweck ein Hafen betrieben wird und was der Vermieter im Gegenzug dauerhafter Anwesenheit vom Liegeplatznutzer erwarten wird. Die Aussage „Ich wohne jetzt hier“, ist ganz und gar unangebracht. Zu unterscheiden sind folgende Absichten und es ist gut zu überlegen, mit welcher Bitte man sich an einen Liegeplatzvermieter wendet:

 

1.      Ein Liegeplatz im Sommer und/oder im Winter?

2.      Ein Liegeplatz mit Strom und frostsicherer Wasserversorgung, um zumindest per Kanister Wasser zu tanken?

3.      Ein Liegeplatz, an dem der Hafenbetreiber das ganzjährige Übernachten an Bord stillschweigend gestattet?

4.      Ein Liegeplatz mit ausgestellter Meldebescheinigung des Hafenbetreibers zum Eintrag im Personalausweis?

5.      Ein Liegeplatz mit Meldebescheinigung und einen Briefkasten am Hafentor?

 

Schauen wir uns zunächst nach einem Winterliegeplatz um, den man als Liveaboard, wie man im angelsächsischen Raum ganzjährige Bootsbewohner nennt, nicht überall findet. Während Sommerliegeplätze in Marinas, Vereins- und Kommunalhäfen problemlos gepachtet werden können und sich bis auf wenige Ausnahmen niemand darum kümmert, ob man an Bord übernachtet, wirkt dasselbe Verhalten im Winter nicht unbedingt „gesellschaftsfähig“. Und weil Boote in Deutschland zum November hin überwiegend an Land gestellt werden, gibt es weniger Häfen mit durchgehendem Betrieb. Vielleicht liegen noch ein paar Boote an den Stegen, doch die Nutzung ist so gering, dass Toilettenanlagen häufig verschlossen werden. Das Wassersportzentrum Berlin berichtete mir, dass man Winterliegeplätze anbietet und mit einer Luftsprudelanlage sogar für eisfreie Plätze sorgt. Es gäbe auch noch freie Plätze. Allerdings sei das Bewohnen von Schiffen im Winter nicht möglich, da das Wasser abgestellt werde. Das kenne ich von meinem Heimathafen in Hooksiel. Wer dort überwintert, transportiert ab und zu per Schubkarre ein paar Wasserkanister vom Wagen zum Steg. Immerhin: Auf dem Grundstück des Wassersportzentrums Berlin befindet sich ein Yachtservice, der jederzeit Boote kranen kann.

Verschlossen sind die Sanitäranlagen im Winter auch im Hafen von Wyk auf der Insel Föhr, allerdings aus anderen Gründen. Auf meine Anfrage wurde mir mitgeteilt, dass die Insel ein Fremdenverkehrsort sei, der nahezu ausschließlich von der Vermietung von Ferienwohnungen und Zimmern lebe. Aus grundsätzlichen Erwägungen gestattet man daher das Wohnen an Bord außerhalb der Sommersaison nicht und stellt die Versorgung ab, obwohl es in der Vergangenheit schon mehrere Anträge gegeben hat, sie aufrecht zu erhalten. Der städtische Hafenbetrieb der nordfriesischen Insel begründet die Regelung damit, dass es sich um Personen handle, die ihr Wohneigentum gewinnbringend verkaufen wollten, um dann ein günstiges und attraktives Wohnen an Bord anzustreben. Man hat zwar noch freie Liegeplätze und könnte weitere schaffen, aber eben nicht, um das ganze Jahr an Bord zu leben.

Wer trotzdem auf eigenem Kiel zum Insulaner werden möchte, hat bessere Chancen in Ostfriesland, genauer gesagt, beim Segelverein Juist. Dort gibt es Winterliegeplätze, die auch im Winterhalbjahr mit Wasser und Strom versorgt werden. Der Vereinsvorsitzende Olaf Weers berichtet, dass an der Schwimmsteganlage im Winter nur zwölf Boote liegen und man an Bord bleiben könne, so lange man wolle. Allerdings gibt er zu bedenken, dass der trockenfallende Hafen bei starkem Eisgang nicht sehr komfortabel ist und dass zumindest beim Entschlammen im Frühjahr die Boote schon mal verholt werden müssten.

Der Betrieb des Vereinshafens verursacht in jedem Jahr hohe Entschlammungskosten, was mit ganzjährigen Liegeplatzverträgen etwas kompensiert werden könnte. Strom und eine Wasserzapfstelle sind stets vorhanden. Dieses positive Beispiel gilt aber nicht für alle ostfriesischen Häfen. So müssen einige Steganlagen im Winter wegen drohender Sturmfluten zu bestimmten Terminen geräumt werden. Einige Vereine, die zwar hinter Schleusen gesichert gegen Sturmfluten liegen, sind trotzdem nur an der Ausübung des Wassersports interessiert. In Greetsiel würde man im Schutz der Seeschleuse ganz wunderbar liegen – der Ort gilt als einer der schönsten in Ostfriesland – aber eben nicht im Winter und grundsätzlich nicht zum Wohnen.

Den Rundum-Sorglos-Service bietet dagegen die City-Marina von Cuxhaven. Hafenmeister Thomas Schmidt und Jonas Busch von der Boots- und Schiffswerft Cuxhaven haben im Winter 75 freie Liegeplätze, bieten Wasser und Strom, halten einen Kran bereit, kümmern sich um Briefkästen und stellen Meldebescheinigungen aus: Die Hafenadresse steht dann im Personalausweis. Man strebt eine aufgelockerte Platznutzung an, die auch für Hausbootfahrer offensteht. Einen auch im Winter belebten Hafen finden beide wunderbar und planen für fahrfähige Hausboote sogar feste Abwasseranschlüsse.

Durch den Nordostseekanal wechsele ich immer wieder gerne zum „Mare Balticum“. Der Hafen von Laboe ist wegen des weithin sichtbaren Marineehrenmals gut bekannt. Seine 380 Liegeplätze sind im Sommer komplett ausgebucht. Um einen Gastliegeplatz zu bekommen, habe ich stets darauf geachtet, möglichst bis zum frühen Nachmittag einzulaufen. Der Hafenmeister berichtet mir, dass im Winter lediglich 30 Plätze belegt sind, obwohl man die Sanitäranlage geöffnet hält. Wäre die Nachfrage höher, würde man sogar über frostsichere Frischwasserleitungen nachdenken. Das Wohnen an Bord wird auch gestattet, nur Meldebescheinigungen werden nicht ausgestellt.

Viele Boote im Sommer, nur wenige Winterlieger, durchgehendes Aufenthaltsrecht an Bord wird gestattet – aber es herrscht Zurückhaltung beim Ausstellen einer Meldebescheinigung? In diesem Sinne antwortet auch Torsten Gäde von der Marina Baltica GmbH. Sanitäranlagen und frostsichere Wasserentnahmestelle sind in Travemünde vorhanden. Wie in vielen Ostseehäfen wünscht man sich mehr Winterlieger zur besseren Auslastung der Anlage, aber der Vordruck der Meldebescheinigung der Stadt Lübeck bezieht sich auf die „Überlassung von Wohnraum“ – inklusive einer Strafandrohung von bis zu 50.000 Euro bei fehlerhaften Angaben, zahlbar durch den Aussteller. Warum also sollte sich ein Hafenbetreiber freiwillig auf das dünne Eis des Wohnrechts begeben, wenn damit erhebliche Risiken verbunden sein könnten?

Lübecker Bucht: Die Ancora-Marina in Neustadt in Holstein ist mit 1400 Liegeplätzen eine der größten Marinas in Deutschland. Viele Jahre war sie mein Heimathafen. Bis auf eine Woche im Jahr ist die Rezeption geöffnet, um den bestmöglichen Service zu koordinieren. Liegeplätze werden ganzjährig angeboten, selbstverständlich auch Strom und Wasserentnahmestellen. „Nach einer Meldebescheinigung hat bisher niemand gefragt“, sagt Ralf Schmid, der Leiter des Kundenservicecenters. „Wir nehmen Briefe und Pakete für Eigner an, wenn sie die Hafenadresse angeben. Das ist schon für Ersatzteillieferungen erforderlich. Insofern braucht man bei uns nicht Nachbarn um die Postannahme zu bitten. An der Rezeption herrscht mittlerweile eine familiäre Atmosphäre.“

In der Marina im Stadthafen Rostock überwintern rund 15 Boote im Wasser. Weil die Marina keine Stellplätze an Land anbietet, ist man zur kalten Jahreszeit an weiteren Kunden interessiert. Und natürlich bleibt auch an der Warnow der Strom eingeschaltet. Die Plätze sind besonders für Stadtbummler attraktiv, denn bis in die historische östliche Altstadt läuft man nur wenige Minuten. Reiner Treulieb bewirtschaftet die Marina. Er bietet außerdem Yachtausrüstung und einen Wartungsservice für Rettungsinseln an. Wer hier dauerhaft liegt und keinen Wagen mehr hat, muss seine Rettungsinsel nicht weit tragen.

Im Sommer 2016 segelte ich von Maasholm aus der Schlei und warf einen Blick auf das gewaltige Areal der neuen Marina „Port Olpenitz“, das die Bundesmarine vor einigen Jahren aufgegeben hat. Geschäftsführer Heino Dabelstein berichtet, dass man ab März 2017 offiziell in Betrieb geht. Bis zu 40 Ganzjahresplätze werden angeboten – verbunden mit der durchgehenden Öffnung der Sanitäranlagen und ab Oktober auch mit einem Kran für Notfälle. Damit steht dem Wohnen an der Ostseeküste nichts entgegen. Auch Hausboote würden Liegeplätze erhalten. Heino Dabelstein sagt: „Wenn keine rechtlichen Argumente gegen die Meldebescheinigung eines Dauerliegers im Hafen sprechen, würden wir sie auch ausstellen. Das muss jedoch geprüft werden.“

Meine Erfahrung nach mehreren Jahren an Bord zeigt: Wenn man einen Liegeplatz pachtet und im Vertrag das Übernachten an Bord nicht untersagt ist, steht dem Wohnen auch nichts im Wege. Vorausgesetzt, es ist ein Wasserliegeplatz, denn das Übernachten in Booten an Land ist auf vielen Plätzen aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht gestattet. Wie jeder anständige Mieter sollte man von vornherein mit offenen Karten spielen. Das gebietet die Fairness, nicht nur als Gastlieger in einem Verein. Ob das Boot „amtlich eingetragen“ wird, ist zunächst zweitrangig. Manche Bootsbesitzer, die an Bord leben, belassen es einfach bei der „Wohnung im Jugendzimmer der Eltern“, doch wir müssen uns darüber klar sein, dass der Gesetzgeber keine Mauschelei mag und man durchaus auch ohne Meldebescheinigung das Bordleben genießen kann. „Ohne festen Wohnsitz in Deutschland“ steht deswegen in einigen Personalausweisen.

Wer sich damit gar nicht anfreunden kann, muss sich näher mit der Novellierung der Normen auseinandersetzen und versuchen, den Liegeplatzvermieter für sein Anliegen zu gewinnen. Denn: Bisher wurden „Wohnschiffe“ von den Normen der Bundesländer nicht erwähnt, weshalb eine Yacht als Wohnung selten akzeptiert wurde. Trotzdem tolerierten in Küstenländern einige Verwaltungen eine Hafenadresse. Dafür spricht der Schutz der Freiheitsrechte nach dem Grundgesetz, denn Artikel 2 (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) und Artikel 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung) stellen es im Prinzip frei, den Wohnsitz auf einem Boot zu wählen – und zwar im gesamten Bundesgebiet, ebenfalls abzuleiten aus dem Freizügigkeitsrecht nach Artikel 11.

Nach § 20 des neuen Bundesmeldegesetzes ist eine Wohnung „… jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird“. Durch Kojen eines Kajütboots ist dieser Punkt einwandfrei zu belegen. Wohnwagen und Wohnschiffe sind allerdings nur dann als Wohnungen anzusehen, wenn sie nicht oder nur gelegentlich fortbewegt werden. Behörden könnten es so auslegen, dass eine Segel- oder Motoryacht im Gegensatz zu einem Hausboot zum Fahren gebaut ist, worauf Bootsbewohner vorbringen, nur „gelegentlich eine Runde zu drehen“, um an den gepachteten Liegeplatz zurückzukehren.

Trotzdem ist in jedem Fall bei der Liegeplatzsuche das „Hausrecht“ von Vereinen und Marinas zu berücksichtigen: Wegen des höheren Verbrauchs von Trinkwasser und Toilettenrollen läuft man mancherorts Gefahr, auf Vorurteile zu treffen, ein „nassauernder Wassernomade“ zu sein. Man sollte darum nicht mit der Tür ins Haus fallen und zunächst das Vertrauen des Vertragspartners gewinnen.

Doch das hilft nicht überall weiter: In einigen Häfen haben Eignergemeinschaften per Satzung das Wohnen an Bord und die Untervermietung von Liegeplätzen ausgeschlossen. In Frankfurt am Main wurden zudem an verbliebenen Kajen die Poller zum Festmachen entfernt, sodass ohne Vereinsmitgliedschaft kaum noch ein Wasserdomizil zu finden ist, auch wenn das neue Meldegesetz den Weg ebnen sollte. Sinngemäß müssen sich Personen „in Zelten, Wohnmobilen oder Wasserfahrzeugen“ erst dann anmelden, wenn sie auf einem gewerbsmäßig überlassenen Platz länger als drei Monate übernachten und nicht woanders gemeldet sind – also über keinen anderen Wohnsitz verfügen. Vom Abschluss eines längerfristigen Liegeplatzvertrags könnte demnach die Meldung an Bord eines „Wasserfahrzeugs“ abgeleitet werden. Aber wer will schon auf Kollisionskurs mit den Interessen einer Marina gehen?

Trotz der Reform kann es weitere Einschränkungen geben – besonders auf Binnenseen mit Naturschutzverordnungen. Es hilft auch kein Einspruch, wenn wegen Treibeis- oder Hochwassergefahr eine Steganlage abzubauen ist. Grundsätzlich gilt: Liegt der Hafen innerhalb eines Wohngebiets und hat der Vermieter keine Einwände, ist das Erfassen der Meldeadresse für die Behörden unkompliziert. Der Liegeplatzvermieter muss sich überlegen, ob er das „Wohnen“ gestattet – dann hat er den Sachverhalt schriftlich innerhalb von zwei Wochen zu bestätigen. Geduld, Überzeugungskunst und die Kenntnis der Sachlage sind vonnöten, wenn man den Eintrag im Personalausweis anstrebt. Wer nur trotzig mit den Füßen aufstampft und die Bescheinigung des Betreibers einfordert, könnte sich selbst vor das Hafentor befördern, wenn die Vereinsstatuten dagegensprechen – oder wegen des angezettelten Präzedenzfalls gegen das Übernachten an Bord geändert werden. Erst wenn die Adresse im Ausweis steht, kann auch ein Briefkasten an die Reling oder an das Hafentor geschraubt werden. Und erst dann kann auch ein Postfach angemietet werden.

Meine nächste Anfrage bei der Recherche zu diesem Kapitel führt „tief in den Westen“ zum Yachthafen Marina Rünthe, gelegen an einem Stichkanal in Bergkamen im Fahrrevier Münsterland. Inhaber Thorsten Nustede bietet 300 Liegeplätze an, hat nichts gegen einen „Briefkasten am Boot“ und lässt seine Sanitäranlagen auch im Winter in Betrieb: „Wir haben sogar eisfreies Wasser, weil ein Kohlekraftwerk den Kanal aufheizt“, lacht er. Hier liegen auch Segler mit gelegtem Mast, die nur im Urlaub zur Nord- und Ostsee ziehen. Wohnen an Bord fördert er explizit, und das aus gutem Grund. „Belebte Boote sind gut für die Region und die Sicherheit der Eigner. Alle passen aufeinander auf. Klar gibt es schon mal einen mittellosen Lebenskünstler, dessen Kahn kurz vorm Kentern steht, aber das ist so selten, dass es keine ernsthaften Probleme gibt.“

Wohnungsnot und hohe Mieten sind allgegenwärtige Themen. Trotzdem geht es mir nicht um finanzielle Vorteile, denn Anschaffung und Unterhalt einer wohngerechten Yacht sind kein Pappenstiel. Mehrfach hatte ich Fernsehteams an Bord, die neben dem vielen Menschen vielleicht als sonderbar anmutenden Lebensstil vor allem eines zeigen wollten: Einen glücklichen Menschen an Bord seines Bootes und ein Boot unter Segeln. Aus solchen Berichten entsteht Werbung für die Bootsbranche, aber auch für die Hafenbetreiber, die freie Liegeplätze anbieten. Diese Themen passen in diverse Rubriken von Printmedien, Hörfunk und TV. Ich vermute, dass viele Berichte über Weltumsegelungen nicht mehr die motivierende Sogwirkung entfalten, den vermeintlich teuren Wassersport zu fördern. Es müssen andere Lösungen gefunden werden, um den Segelsport oder die Lebensform auch für junge Leute attraktiv zu gestalten. Die Ostseehäfen mögen im Sommer voll sein, aber beim hohen Durchschnittsalter vieler Wassersportler ist die Frage erlaubt, ob das auch so bleibt. Und ob das auch weiterhin für Segelboote gilt, die Segelmachern und Takelmeistern zu Lohn und Brot verhelfen. Oft stellt man fest, dass der Trend zu trailerbaren Motorbooten zunimmt und in Messehallen weniger Segelboote ausgestellt werden, obwohl sie wie kaum ein anderes Fahrzeug positive Emotionen vermitteln.

Auf Bootsmessen habe ich im Rahmen von Vorträgen über das „Leben an Bord“ berichtet und die Vorteile von bewohnten Booten für die Kommunen aufgezeigt. Bei diesen Vorträgen waren vor allem junge Leute anwesend, die neugierig und mitteilsam waren. Hafenbetreiber könnten angesichts des zunehmenden Altersdurchschnitts ihrer Kunden auch um junge „Wohnbootfahrer“ werben, denn in den Foren posten sie ihren „Lifestyle“, was Wirkung für die ganze Branche entfaltet. Dazu muss im Winter nur der Strom eingeschaltet und eine Sanitäranlage geöffnet bleiben. Im Zweifel zahlt man halt einen höheren Beitrag. Und das bewirkt wiederum möglichst viele fahrende Boote, denen Touristen so gerne zusehen. Ein toter Hafen zieht keine Menschen an. Nach einem umfangreichen Bericht im Bremer Weser Kurier über meinen Winterliegeplatz erreichte mich eine Woche später eine Pressemitteilung, wonach weitere Winterliegeplätze in Bremen angeboten wurden. Allerdings müssen Segler vor der Bremer Eisenbahnbrücke den Mast legen. Sie lautete:

„Überwintern in der Bremer City: Die Marina Bremen vom Landesverband Motorbootsport Bremen e.V. bietet neuerdings auch Winterliegeplätze an. Die verbandseigene Marina mitten in der Bremer Innenstadt steht für Gastlieger in der Zeit von April bis Oktober zur Verfügung. In direkter Nähe finden sich alle Sehenswürdigkeiten, die historische Innenstadt mit Einkaufspassagen und Kaufhäusern sowie die Biergärten und Restaurants der Weserpromenade mit der ‚Schlachte’.“