Mein Dank geht an Peter Windsheimer für das Design des Titelbildes. Des Weiteren an Ariane und Michael Sauter.
Für Schäden, die durch falsches Herangehen an die Übungen an Körper, Seele und Geist entstehen könnten, übernehmen Verlag und Autor keine Haftung.
Copyright © 2012 by Christof Uiberreiter Verlag
Waltrop • Germany
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7392-8000-4
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Der Leser dieser Zeitschrift soll sich nicht wundern, wenn er in der Inhaltsangabe einige Aufsätze über Yoga und deren Praktiken, Philosophie und Methoden vorfindet. Selbst Franz Bardon war des Öfteren im Osten inkarniert und er schreibt auch in seinen Werken immer wieder von Yoga. Ein weiterer Grund für diese Artikel ist der Umstand, dass wir in dieser Zeitschrift sowie in dem Christof Uiberreiter Verlag die Hermetik aller Himmelsrichtungen, Religionen, Philosophien und esoterischen Gesetze zusammenfassen, damit der Suchende erkennt, dass alle Wege nach Rom führen, d. h., dass in allen gangbaren Systemen der tetragrammatonische Vierschlüssel als Grundlage jeglicher Entwicklung liegt.
Die Aufsätze mögen durcheinandergewürfelt erscheinen, so als hätten sie keinen Zusammenhang. Doch im Großen und Ganzen ist dem nicht so. Sie dienen alle der Erkenntnis, der Hilfe und als Ratschläge für den Hermetiker, damit er die universellen Gesetzte und Richtlinien erkennt und nicht mehr sagen kann, der Weg von Franz Bardons „Adepten“ sei und ist zu schwer! Außerdem ist dies eine unabhängige Zeitschrift, in der man alles schreiben kann, was man will, solange es den hermetischen Gesetzen untersteht.
Abschließend möchte ich noch bekannt geben, dass wir die Seitenzahl der Zeitschrift erhöhen mussten, da es unzählige Aufsätze gibt, die es wert sind, veröffentlicht zu werden.
Die Psychologie, hermetisch ausgedrückt, die Seelenschulung wird im indischen Yoga nicht klar beschrieben – wie so vieles nicht. Dieser kleine Aufsatz soll nun die Verschlüsselungen aufzeigen und sie verständlich erklären.
Ich beginne beim Wort „Yoga“, welches bekanntlich „Vereinigung“ bedeutet. Doch mit was vereinigt sich der Schüler? Genauso wie das Wort Religion Rückführung übersetzt heißt, verbindet man sich im Yoga mit der übergeordneten Gottheit, welche ein Vorbild, Ideal oder das Erstrebenswerte darstellt. Es ist das Prinzip, welches die Harmonie verkörpert, die Vollkommenheit versinnbildlicht.
Je nach Yoga-Weg gibt es unterschiedliche „Ideale“, welche durch Meditation gesucht werden:
– Raja-Yoga – Verbindung durch Meditation über die entsprechenden Charaktereigenschaften mit dem göttlichen den Willen.
– Bhakti-Yoga – Verbindung durch Meditation über die menschliche Liebe zur göttlichen All-Liebe.
– Jnana-Yoga – Erhöhung des Verstandes durch Mediation zur Allweisheit
– Karma-Yoga – Erhöhung durch das Bewusstsein zur Allgegenwart; durch lang andauernde Versenkung in die menschlichen Eigenschaften in Verbindung mit einer höheren Macht.
In den herkömmlichen Yoga-Schriften findet man sehr wenig Informationen darüber. Nur die vier göttlichen Grundeigenschaften werden hin und wieder mal erwähnt – aber mehr nebensächlich. Es wird nicht näher auf sie eingegangen, obwohl das die Quintessenz jeglichen Weges ist. Selbst im Koran werden die göttlichen Tugenden erwähnt.
Durch die Vereinigung von „Ha“ und „tha“ – von Mond und Sonne wird das Samadhi erreicht. Viel genauer wird es hier im Westen ausgedrückt; und zwar durch die Verbindung vom göttlichen Feuer/Luft (Allmacht/Allweisheit) und Wasser/Erde (All-Liebe/Allgegenwart) wird das Samadhi, die Gottverbundenheit ermöglicht. So beschreibt es kein einziger indischer Meister!
Es gibt dann noch Begriffe, welche dem achtfachen Yoga-Weg unterstehen. Sämtliche sollen in allen drei Ebenen ausgeführt werden – sie nennen das in Gedanken, Worten und Taten:
– Yama: Besteht in der Befolgung von edlen Eigenschaften, die sich der Chela aneignen sollte, damit er Erfolg bei seinen Übungen haben kann. Sie dienen der Selbstkontrolle und Erhaltung eines positiven Zustandes. Dazu gehören: Mäßigung der Gewalt, Aufrichtigkeit, Ruhe, Wahrheit, keinen Diebstahl begehen, Enthaltsamkeit usw. Man kann das mit dem hellen Seelenspiegel in der Hermetik übersetzen.
– Niyama: Bedeutet Einschränkungen und Verhaltensmaßregeln. Man kann es mit dem dunklen Seelenspiegel identifizieren, der dem Schüler sagt, welche Leidenschaften er nicht haben darf, damit er eine ausgeglichene Seele erhält. Sauberkeit, Zufriedenheit, Bescheidenheit, Achtsamkeit, Ausdauer, Gottvertrauen, Disziplin, Selbsterforschung, Reflexion – sich selbst erkennen. Das eigene Wollen, Denken, Fühlen und Handeln soll beobachtet und kritisch hinterfragt werden, um so insgesamt bewusster zu werden. Doch mehr wird in den indischen Schriften nicht erklärt . . .
– Asana: Ist die Körperbeherrschung nicht nur der Stellungen, sondern auch der Mäßigung in allen grobstofflichen Dingen wie Essen, Trinken, Sex, Alltag usw., aber auch in allen drei Ebenen – mental, astral und stofflich.
– Pranayama: Betrifft nicht nur die Lebenskraftatmung, sondern auch das bewusst Atmen, Poren-Atmung, Lebenskraftstau, Elemente-Stau und Fluidanreicherung. Nur wird dies nicht detailliert beschrieben. Aus diesem Grund rät jeder Yoga-Schrift zu einem Meister, welcher unbedingt für die wahre Einweihung nötig ist. Es wird nicht darauf hingewiesen, dass die Nadis Ida und Pingala (Sonne und Mond) analog dem elektrischen und magnetischen Fluid sind, und die fünf Atemtypen: Prana, Apana, Samana, Udana und Vyana, welche wiederum für die vier Elemente und das Akasha stehen.
– Pratyahara: Die Beherrschung der Sinne, wie sie nirgends im Yoga-System auch nur annähernd beschrieben stehen. Man findet höchsten oberflächliche Hinweise, dass man etwas fühlen oder hören soll, was man nicht sieht oder hört. Bei Franz Bardon wird dies in aller Klarheit beschrieben. Nicht nur dies, sondern auch auf die drei Sinnen-Konzentration wird eingegangen, wovon man im Osten überhaupt nicht spricht.
– Dharana: Kann man mit Konzentration vergleichen, wie oben schon beschrieben steht. Manche „Yogis“ weisen noch daraufhin dass man sich auch auf einen Punkt im Körper – gleich der Bewusstseinsversetzung – konzentrieren soll.
– Dhyana: Ist mit Meditation gleichzusetzen. Das bedeutet, dass man über seine Gottheit meditieren soll, um zur Verbundenheit zu gelangen, welche im
– Samadhi zu Vollkommenheit geführt wird. Dieser erhöhte Bewusstseinszustand geht über Tiefschlaf, Träumen und Wachsein hinaus. Eine sehr oberflächliche Andeutung der vier Umdrehungen zur Gottverbundenheit.
Wir Hermetiker wissen, dass die Entwicklung gemäß den vier Elementen verläuft. Im Westen ist dies bekannt, doch im Osten gibt es leider nur spärliche Hinweise darüber. Diese will ich nun zusammenfassen und zitiere aus dem Buch „Kundalini-Yoga“ von Sivananda:
Das Muladhara Chakra liegt an der untersten Stelle des astralen Kanals der Wirbelsäule, zwischen der Wurzel des Zeugungsorgans und dem After, gerade unterhalb von Kanda und der Verbindung von Ida, Pingala und Sushumna Nadi. Sein Raum beginnt zwei Finger oberhalb des Afters, endet etwa zwei Finger unterhalb der Genitalien und ist etwa vier Finger breit. Es ist das tragende Chakra, über dem die anderen liegen. In ihm ruht „Kundalini“, die allen Chakras Macht und Energie verleiht. Vier wichtige Nadis gehen von diesem Chakra aus und stellen die vier Blütenblätter der Lotusblume dar. Die subtilen Schwingungen, die von jedem der Nadi bewirkt werden, sind von den vier Sanskrit Buchstaben Vam, Sam, Sham und Sham dargestellt. Die Wurzel, die im Zentrum dieses Chakras liegt, heißt Kama (Begierde) und wird von den Siddhas (vollkommene Yogis) verehrt. In ihr schläft Kundalini. Ganesha ist die Göttin dieses Chakras.
Unter diesem Chakra liegen die sieben Unterwelten: Atala, Vitala, Sutala, Ta-latala, Rasatala, Mahatala und Patal Lokas. Sie sind auf niedere Chakras in den Gliedern bezogen, die von dem Muladhara Chakra kontrolliert werden. Bhuva, Swa oder Swarga, Maha, Jana, Tapo und Satya Lokas liegen oberhalb des Muladhara Chakras. Der Yogi, der in das Muladhara Chakra durch Prithvi Dharan (Konzentration) eingedrungen ist, hat Prithvi Tattwa (Erd-Eigenschaft) besiegt und keine Furcht mehr vor dem irdischen Tod. Prithvi ist von gelber Farbe. Der goldene Dreiklang (Feuer, Sonne, Mond) „Bija“ genannt, ist die „große Energie“, die im Muladhara Chakra ihren Sitz hat und als Swayambhu Linga bekannt ist. In der Nähe dieses Lingas (Zeichen) liegt die goldene Region, Kula genannt, deren herrschende Gottheit Dakini (Shakti) ist. Brahma Granti oder der Knoten Brahmas liegt im Muladhara Chakra. Der Buchstabe Lam ist dessen Tantraformel. Vishnu Granti und Rudra Granti liegen im Anahata und Ajna Chakra. Der Yogi, der sich auf Muladhara Chakra konzentriert und darüber meditiert, erlangt die vollkommene Erkenntnis der Kundalini und damit die Mittel, diese zu erwecken.
Swadhisntana Chakra liegt im astralen Kanal der Wirbelsäule an der Wurzel der Genitalien. Es entspricht dem Bhuvar Loka und herrscht über Unterleib, Nieren usw. des physischen Körpers. Jala Mandal (die Region des Wassers – Apas Tattwa) liegt hier. In diesem Chakra herrscht als Gottheit Brahma, als Devata die Göttin Rakini. Der Buchstabe Vam liegt im Swadhishtana Chakra, dessen Farbe ein reines, blutähnliches Rot oder die Farbe des Zinnobers ist. Wer sich auf dieses Chakra konzentriert und über die Devata meditiert, hat keine Furcht vor dem „Wasser“ und beherrscht das Wasserelement vollkommen. Er erwirbt verschiedene psychische Kräfte, intuitive Erkenntnis, vollkommene Beherrschung seiner Sinne und Erkenntnis der astralen Wesenheiten. Begierde, Zorn, Gier, Täuschung, Stolz und andere Unreinheiten sind ausgelöscht. Der Yogi wird zum Sieger über den Tod.
Manipura ist das dritte Chakra von unten gerechnet. Es liegt innerhalb der Sushumna Nadi in der Nabelgegend. Sein entsprechendes Zentrum im physischen Körper beherrscht Leber, Magen usw. und ist ein sehr wichtiges Zentrum von diesem Chakra, das die Farbe dunkler Wolken hat. In der Mitte des Chakras liegt ein Raum in Form eines Dreiecks: Das Agni Mandala (Feuerregion – Agni Tattwa). In ihm befindet sich die Tantraformel Ram, die Bildekraft des Feuers. Die beherrschende Gottheit ist Vishnu und die Göttin Lakshmi. Das Manipura Chakra entspricht Swa oder Swarga Loka und dem Solarplexus im physischen Korper. Der Yogi, der sich auf dieses Chakra konzentriert, ist von allen Krankheiten befreit und kennt keine Furcht vor Feuer. „Selbst, wenn er in brennendes Feuer geworfen wird, bleibt er ohne Todesfurcht am Leben.“
Das Anahata Chakra liegt innerhalb der Sushumna. Es beherrscht das Herz und entspricht dem Plexus Cardiacus des psychischen Körpers. Das Chakra ist von tief roter Farbe. In ihm ist ein sechseckiger Raum von dunstiger oder tief schwarzer Farbe. Dieses Chakra ist das Zentrum der Luftregion, (Vayu Tattwa). In diesem Chakra liegt die Formel Yam, die Bildekraft von Vayu. Die beherrschende Gottheit ist Isha (Rudra) und die Devata Kakini. In diesem Zentrum wird der Klang Anahat, der Klang des Shabda Brahma, offenbar. Wer über dieses Chakra meditiert, beherrscht in vollkommener Weise Vayu Tattwa (Luft), die voller harmonischer Eigenschaften ist. Er vermag durch die Luft zu fliegen und in den Körper anderer einzudringen.
Das Vishuddha Chakra liegt im Sushumna Nadi am unteren Ende des Halses. Es entspricht dem Jana Loka und ist das Zentrum des Äther-Elementes. Reines Blau ist seine Farbe. Alle Chakras, die über dem Vishuddha Chakra liegen, gehören zu Manas Tattwa (Bewusstsein). Die beherrschende Gottheit ist Sadasiva und die Göttin Shakini. Die Region des Äthers ist von runder Gestalt, dem Vollmond gleich. Die Akasa Tattwa (Ham) liegt in der Mitte des Chakras und ist von weißer Farbe. Dieses Chakra entspricht dem Plexus Laryngeus des physischen Körpers. Wer diese Konzentration übt, wird selbst beim Untergang des Kosmos nicht vergehen, denn er erlangt die höchste und vollkommene Erkenntnis der vier Veden. Er wird zu einem Trikala Jnani, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennt.
Die Tattwalehre entstammt dem in nachbuddhistischer Zeit, im indischen Mittelalter, ausgebildeten Sankhya-System. Das Grundbuch des Sankhya-Systems ist die Sankhya-Karika, deren Verfasser Icvarakrishna etwa um das Jahr 500 unserer Zeitrechnung gelebt zu haben scheint. Das Sankhya-System berücksichtigt hauptsächlich fünf Tattwaformen: Akasha-, Vayu-, Tejas-, Prithvi- und Apas-Tattwa. Diese Tattwas werden in Beziehung zu den fünf Elementen der griechischen Naturphilosophie, den fünf Sinnesorganen, zu gewissen Farben und physikalischen Begriffsbildungen gesetzt. Diese Tattwa-Lehre wurde von der englischen Theosophie ohne auf deren wahren Entsprechungen zu reagieren, übernommen und falsch weiterverbreitet. Ich will hier nicht auf die verdrehten Lehren eingehen, sondern nur kurz deren praktischen Sinne erwähnen, der aber rein im tantrischen liegt, da Elemente-Übungen zusammen mit dem Aussprechen von den fünf bekannten Tantraformeln ausgeübt werden, welche Franz Bardon folgende Zuordnung gibt:
– Lam = Erde
– Vam = Wasser
– Pam = Luft
– Ram = Feuer und
– Ham = Akasha
Yoga ist eine seit altersher in Indien geübte seelische Schulungsmethode. Die Wurzel des Sanskritwortes Yoga ist mit dem lateinischen „jungo“ = „vereinen“ verwandt. Die Yogapraktiken bezwecken die innere Ablösung von der Welt zugunsten einer Vereinigung mit dem Urgrund, dem Allgeist. Da alle Einzelseelen aus dem Allgeist hervorgingen, ist das menschliche Ich seinem innersten Wesen nach göttlicher Natur. Yoga sucht also die Einigung des Menschen mit seinem wahren Selbst herbeizuführen. Auch die abendländische Mystik bezeichnet das eigentliche Wesen des Menschen als göttlich, gemäß dem Bibelspruch: „Ihr seid Tempel des Heiligen Geistes!“
Man kann Yoga also definieren als ein planmäßiges Verfahren, mittelst dessen der Inder seinen Alltagszustand, insbesonders seine alltäglichen Gedanken und Interessen unterdrückt, um auf diese Weise das eigentliche, ewige Wesen seines Ich zu erkennen. Yoga ist daher ein Weg zur Selbsterkenntnis. Alles Sein ist nur Schein und Täuschung. Maya, die Täuschung, die Illusion, gilt in der indischen Philosophie als die Ursache allen Übels. In den Einleitungsstrophen des „Gherandasamhita“, eines alten Yogatextes, heißt es: „Es gibt keine Fessel gleich der Maya; es gibt keine andere Kraft als den Yoga“. Weiterhin heißt es dort: „Wie man mit Hilfe des Alphabetes die Wissenschaft erfasst, so wird auch die Erkenntnis der Wahrheit erlangt, nachdem man sich den Yoga angeeignet hat“.
Yoga heißt eigentlich „Anspannung“. Das Wort drückt somit aus, dass, wer sich auf diesen Pfad begibt, sich damit anschickt, ein ernstes Unternehmen durchzuführen, zu dem die volle Anspannung aller seiner Kräfte erforderlich ist. In der ältesten Zeit der brahmanischen Zauber- und Opferpraxis hatte Yoga einen ausgesprochen magischen Sinn und bedeutete „Anschirrung“ der Zauberkraft oder „Unterjochung“ des Gottes durch Beschwörungen, magische Zeremonien und Opferhandlungen. Seinem innersten Wesen nach ist der Yoga der Kampf gegen den Alltagsinhalt des Bewusstseins. Die Anspannung der geistigen Kräfte durch Konzentration des Denkens auf einen Punkt erfolgt durch ein ganz bestimmtes, genau ausgestaltetes System von Übungen, die z. T. asketischer Art sind.
In keinem andern Land wird die Ausübung und Wertschätzung der Askese derart weit getrieben wie in Indien. Das Asketentum bildet eine höchst charakteristische, kulturgeschichtlich wie vor allem psychologisch sehr interessante Erscheinung im Leben Indiens. Im Laufe der Zeit hat sich die Askese in Indien zu einer geradezu unglaublichen Systematik entwickelt. In Indien gibt es alle möglichen Arten von Asketen und dementsprechend auch Arten und Richtungen von Askese. Diese mannigfachen Übungen, die häufig von einer raffinierten Grausamkeit sind, werden jedoch nicht als Sühne oder Buße ausgeführt, sondern um den Zusammenhang mit dem Göttlichen zu erleben. Wie alle indische Askese geht der Yoga in seinen Wurzeln auf die Frühzeit zurück. Es finden sich bereits bestimmte Andeutungen im Rigveda und Atharvaveda, wo sogar das Wort „Yoga“ als Bezeichnung für solche Übungen gelegentlich vorkommt.
Es gibt deutschen Ursprungs keine ernst zu nehmende Literatur über den Yoga. Eine halbwegs befriedigende Gesamtdarstellung des Yoga existiert überhaupt nicht. Wer dieses Thema behandeln will, muss den Stoff erst mühsam selbst zusammentragen. Als Quellschriften des Yoga kommen vornehmlich in Betracht: „Hathayogapradipika“, „Gherandasamhita“ und „Yoga-Sutra“. In den Stanzen der „Hathayogapradipika“ ist der wahre Sinn häufig unter augenscheinlich sinnlosen Symbolen verborgen. Der Zweck scheint dabei offenbar gewesen zu sein, durch die Sinnlosigkeit des Symbols und dessen Unvereinbarkeit mit dem behandelten Thema den Leser zu zwingen, über den tiefen und verborgenen Sinn dieser Absurditäten nachzugrübeln. Das klassische Werk des Yoga ist das „Yoga-Sutra“, d. h. „Merksprüche des Yoga“, das Patanjali zum Urheber hat. Man weiß nicht genau, wann es verfasst worden ist, und nimmt ziemlich allgemein an, dass es etwa dem zweiten Jahrhundert nach Christus entstammt. Die beste Verdeutschung ist im dritten Band von Deussens „Geschichte der indischen Philosophie“ zu finden. Vor den von theosophischer Seite unternommenen Übersetzungen ist ausdrücklich zu warnen.
Das Yogasystem des Patanjali ist eine Fortbildung des indischen philosophischen Systems genannt Samkhya. Das Samkhya-System, das dem Yoga als theoretische Basis dient, ist jedoch atheistisch, während die Yogalehre des Patanjali einen Urgeist annimmt, aus dem alle Geister stammen und die Vereinigung mit diesem durch körperliche Abtötung und angestrengte Meditation zu erreichen sucht. Der Yogapraktiker kann jedes beliebige religiöse System vertreten und er wird seine Erfahrungen während der Ekstase stets im Sinne dieses Systems deuten. Nach den Schilderungen, die uns die Vertreter der verschiedenen Richtungen vom