Vorwort
Beziehungsglück ist Familienglück
»Hilfe, wir sind uns in Erziehungsfragen überhaupt nicht einig«
»Arbeiten, Kinder und auch noch lieben – das ist einfach zu viel!«
Jesper Juul: Wut ist gut
Gemeinsam an Schwierigkeiten wachsen
»Uns trennen Welten – wie kommen wir wieder zusammen?«
»Mir fällt es schwer, für meine Partnerin und die Kinder da zu sein«
Jesper Juul: Wenn es bei den Eltern stimmt, stimmt es auch bei den Kindern
Zwischen uns passt kein Blatt – Die intuitive Verbindung und was sie mit der Partnerschaft macht
»Ich bin mit meinem Sohn zusammengewachsen – mein Mann mit seinem Büro«
Jesper Juul: Mehr als verbunden – wenn ein Elternteil mit dem Kind eine ganz besondere Nähe teilt
Wann ist eine Trennung der bessere Weg?
»Als Paar waren wir ein richtig gutes Team, aber seit die Kinder da sind, streiten wir nur noch«
»Unsere Trennung hat unsere Paarkonflikte reduziert, aber wir sind immer noch völlig überlastet«
Jesper Juul: Trennungskinder und das Kindeswohl
Epilog
Danke
Bücher & DVDs
Über Jesper Juul
familylab
»Jetzt wird alles anders«, sagen erfahrene Eltern denen, die gerade Familie werden. Und tatsächlich verändert sich alles. Mit der Geburt eines Kindes stehen von heute auf morgen dessen Bedürfnisse im Zentrum des neuen Zusammenlebens. Plötzlich ist man zu dritt, zu viert . . . Aus der Frau wird auch die Mutter, aus dem Mann auch der Vater. Das, was als Paar noch selbstverständlich war, findet nun nur noch wenig Raum. Jedes Paar, das Kinder bekommt, durchlebt eine Verwandlung zur Familie. Doch wie ist eine moderne Familie heute überhaupt beschaffen? Die Paare der letzten zehn bis 15 Jahre haben nicht nur die Kindererziehung, sondern auch ihre Partnerschaft neu zu erfinden. Das fällt vielen schwer, und darum soll es in diesem Buch gehen. Es ist meine tiefe Überzeugung: Zweisamkeit ist Elternrecht. Das Beste, was Mütter und Väter für ihre Kinder tun können, ist, gut auf ihre Beziehung als Paar aufzupassen.
Die Sehnsucht, ein Kind zu bekommen, Familie zu werden, ist immer auch ein bisschen die romantische Sehnsucht eines Paars nach beständigem Glück und Zusammengehörigkeit. Und wer sich liebt, freut sich, seine Liebe an seine Kinder weitergeben zu können. Doch im Familienalltag verliert sich, bei der einen Familie mehr, bei der anderen weniger, das Romantische. Manche Eltern erleben dann irgendwann nur noch wenig Freude, weil sie sich mit der Kindererziehung überfordert fühlen und mit dem Partner immer häufiger in Auseinandersetzung geraten oder sich vom anderen alleingelassen fühlen. Erschöpft und verzweifelt fragen sie: »Geht das nicht anders?« – »Ja, es geht anders«, kann ich dann sagen. Aber das heißt nicht, dass sich alles Schwierige sofort in Wohlgefallen auflöst: Eine lebendige Familie kann ohne Konflikte nicht wachsen. Wir müssen uns an Situationen reiben, um zu spüren, dass sie uns nicht guttun. Wir reiben uns im Alltag mit den Kindern, mit dem Partner, an dem wir nun auch ganz neue Seiten kennenlernen.
Aber wie können Paare Liebende bleiben, wenn das Familienchaos erst einmal ausgebrochen ist? Das ist die zentrale Frage. Es gibt hier kein Geheimrezept, leider. Wie im Zusammenleben mit den Kindern ist auch für uns Erwachsene entscheidend, welche Art von Beziehung wir haben: Interessieren mich die Gefühle, Gedanken und Absichten meines Partners, meiner Partnerin? Begegne ich ihm oder ihr mit Offenheit und Verständnis? Und bin ich bereit, mir die Bedürfnisse und Grenzen meines Gegenübers und vor allem auch meine eigenen klarzumachen? Oder stellen wir fest und entscheiden − gemeinsam oder jeder für sich −, dass wir zwar als Paar eine gute Beziehung hatten, aber dies als Eltern nicht funktionieren will? Familie zu bleiben ist immer eine emotionale und existenzielle Wahl. Manchmal ist am Ende eine Trennung der bessere Weg für die Erwachsenen, um weniger unglücklich zu sein oder glücklich zu werden. Aber dann gibt es oft erst recht Unsicherheiten. Wie können wir uns als getrennte Partner dennoch freundschaftlich unterstützen und den Kindern in dieser für sie schweren Situation helfen? Das ist sicher nicht leicht. Wenn Eltern weiterhin für die Kinder da sind und Verantwortung übernehmen und die Kinder in ihrem unumgänglichen Schmerz über den Verlust der Familie begleiten, können Mütter und Väter ihren Kindern helfen. Und für Kinder, gleichgültig ob die Eltern zusammenleben oder auch nicht, ist es immer wichtig, dass es den Erwachsenen gut geht und diese achtsam sind mit sich selbst, auch in schwierigen Zeiten. Stimmt es bei den Eltern, stimmt es auch bei den Kindern, und sie können von den Erwachsenen dann sogar lernen, dass man an Krisen auch wachsen kann.
Beratungsgespräche, wie ich sie schon oft mit Familien geführt habe, haben mir immer wieder gezeigt, wie wichtig es für die ganze Familie sein kann, dass sich beide Elternteile mit der jeweils eigenen Kindheit und Ursprungsfamilie, mit der Beziehung zu den Kindern und besonders auch zum Partner beschäftigen. Zu den Gesprächen, die im Zentrum dieses Buches stehen, kamen die Familien fast alle zusammen mit ihren Kindern. Denn auch sie waren eingeladen, damit sie bei den Gesprächen dabei sein und zuhören können. So erleben sie mit, dass ihre Eltern versuchen, mit einer schwierigen Situation zurechtzukommen. Das belastet die Kinder nicht, wie viele meinen, sondern im Gegenteil: Ich beobachte oft, dass die Kinder während des Gesprächs, meist spielen sie, leiser und ruhiger werden und gern und aufmerksam zuhören.
Sieben dieser Münchner Gespräche sowie viele weitere Gedanken zu Themen rund um Familie und Partnerschaft finden Sie in diesem Buch. Sie eröffnen allen Eltern und denen, die es werden wollen, einen konstruktiven Austausch über die wesentlichen Punkte, um die es bei der Verwandlung vom Paar zur Familie geht. Denn manchmal ist es wichtig, dass Eltern zuerst an sich denken, statt immer nur das Beste für die Kinder zu wollen. Und fast immer profitiert schließlich die ganze Familie davon.
Wenn Mütter und Väter sagen, Eltern zu sein sei anstrengend, kann ich ihnen nur zustimmen. Ja, so ist es. Hierfür gibt es auch keine Lösung. Wenn sie dann erzählen, dass ihnen alles über den Kopf wächst, dass es einem oder mehreren Familienmitgliedern nicht gut geht, dass sie etwas vermissen oder sich das eigene Verhalten oder das des Kindes oder Partners anders wünschen, dann hilft es, genauer hinzuschauen und sich zu fragen: Was steckt hinter meiner Unzufriedenheit? Warum kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen mir und einem Kind oder der Partnerin oder dem Partner? Warum empfinde ich bestimmte Situationen als unangenehm? Welche Beziehung habe ich zu meinem Kind, zu meiner Partnerin oder zu meinem Partner? Was erwarte, vermisse oder wünsche ich mir? Und schließlich: Was kann ich selbst tun oder lassen, um eine Veränderung der ungewünschten Familiensituation herbeizuführen?
Die Familien mit Kindern, die ich zu einem Beratungsgespräch eingeladen habe, erleben den Familienalltag und das Erziehen ihrer Kinder ausnahmslos als sehr anstrengend. Sie äußern aber auch, dass sie vermuten, die Atmosphäre zu Hause habe viel mit ihrem eigenen Agieren und ihrer eigenen Stimmung zu tun. Und das stimmt. Wenn ein Kind die Familie durch Wutausbrüche tyrannisiert, braucht es meist ein anderes Verhalten der Eltern, damit sich auch das Verhalten des Kindes und die Gesamtsituation verändern können. Und dabei geht es überhaupt nicht um die Frage, wer Schuld an der Familiensituation hat. Eltern müssen nur erst einmal wahrnehmen, was ihr erzieherisches Verhalten leitet. Und außerdem erkennen: Die Qualität ihrer Paarbeziehung entscheidet über die Stimmung und die Atmosphäre in der Familie.
Manche Erwachsene sind sich ihrer eigenen Bedürfnisse und Grenzen gar nicht bewusst und müssen selbst erst noch lernen, diese klar zu vermitteln. Kinder lernen aber nun mal am meisten durch das Verhalten der Eltern – und auch den Umgang der Eltern miteinander – und nicht durch noch so kluge Erziehungsmaßnahmen oder allgemeine Hinweise von Eltern und Erziehenden, was richtig und was falsch ist.
Nur weil man Vater oder Mutter geworden ist, hat man ja nicht plötzlich eine andere Persönlichkeit. Wer vor der Geburt seines Kindes selbst noch nicht erwachsen geworden ist, der wird es jetzt nicht automatisch. Mutter zu werden, Vater zu werden, Familie zu werden kann ein großes Glück sein und ist immer auch ein Arbeiten – an sich selbst und auch an seiner Liebesbeziehung. Ich lade Sie herzlich ein, in den folgenden Gesprächen mit mir zu entdecken, wie sich Eltern verhalten und was ihr Denken und Tun leitet. Und fühlen Sie sich zwischen den Zeilen dazu ermuntert, selbst zu fragen: Wer bin ich? Und wohin möchte ich – nicht nur als Mutter oder Vater, sondern auch als Frau und Mann und mit meinem Partner oder meiner Partnerin?