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Monika Molitor
Frauenritualkreise
Ein spiritueller Pfad
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© 2016 Monika Molitor
Umschlag, Illustration: Monika Molitor (Rückseite), Jutta Schaller (Vorderseite); Michael Herrmann (Innenteil)
Lektorat, Korrektorat: Jutta Schaller
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback |
978-3-7345-1405-0 |
Hardcover |
978-3-7345-1406-7 |
e-Book |
978-3-7345-1407-4 |
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Inhalt
Einführung: Frauenritualkreise, der Weg der Hexe und eine an Wicca angelehnte Spiritualität
Was ist Wicca?
Auseinandersetzung mit dem Begriff der Hexe
Die Leitung und die Rolle der Priesterin
Eine Einführung zum Leiten von Gruppenritualen
Gottesbilder und ihre Folgen im Ritual
Grundbedürfnisse von Ritualgruppen
Lebensphasen einer Ritualgruppe
Toleranz in Ritualgruppen
Konkretes Beispiel: Gründung und Entwicklung eines Frauenritualkreises über neun Jahre hinweg
Grundlegender Ablauf unserer Ritualtreffen
Beispiele für die konkrete Gestaltung der Jahreskreisfeste:
Lichtmess
Ostara – Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche
Walpurgis
Sommersonnenwende
Schnitterin
Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche
Halloween - Samhain
Wintersonnenwende
Gruppenrituale mit Gästen
Der Einfluss des Mondkalenders auf die Tahreskreisfeste
Magische Begabungen und ihre Auswirkungen in Ritualgruppen
Leben lernen mit Empathie
Leben lernen mit Wahrsagen
Leben mit leichter Hellsichtigkeit
Umgang mit heilenden Kräften
Die Erdung im magischen Alltag
Was ist Erdung und warum ist sie so wichtig?
Meine Erdung im magischen Alltag
Wie bemerke ich meine Erdung?
Checkliste zur Erdung im magischen Alltag
Abschirmung im Alltag
Mein magisches Bekenntnis
Magie und Spiritualität im Alltag
Der Energiebegriff in der Magie
Was ist Synchronizität?
Ideen zur täglichen, kleinen Andacht
Innere Zwiesprache
Kleine Kraftquellen im Alltag entdecken und nutzen
Wie lebe ich Frauenrituale und Partnerschaft?
Verwendete Literatur
Schlussworte
Zur Autorin
Einführung: Frauenritualkreise, der Weg der Hexe und eine an Wicca angelehnte Spiritualität
Dieses Buch ist gewachsen aus meinen persönlichen Erfahrungen von 30 Jahren Frauenspiritualität, wovon ich 25 Jahre in wechselnden Kreisen gelebt habe. Das Ziel dieses Buches ist, Frauen, die ihre Kraft und Spiritualität in selbstorganisierten Frauenritualkreisen leben und leben wollen, einige Ideen und Hinweise zu geben, damit dieser sehr fruchtbare Weg weiterhin gelebt werden kann. Es sind meine Erfahrungen aus verschiedenen Workshops und aus zwei Frauenritualkreisen eingeflossen, in denen ich je acht Jahre lang Erfahrungen sammeln durfte. Parallel habe ich zu einigen Ritualkreisen in der Region, in der ich lebe, Kontakt gehalten, und wir haben uns immer wieder über Themen wie Gruppendynamik, Toleranz, Entwicklungsphasen und Lebensprozessen in diesen Gruppen ausgetauscht.
Ich verstehe unter Frauenritualkreisen eine Gruppe von Frauen, die sich regelmäßig treffen, um miteinander eine frauenbezogene, naturnahe Spiritualität zu leben. Sich regelmäßig zu treffen, kann heißen, sich an allen acht Jahreskreisfesten zu treffen oder an allen Vollmonden, an allen Neumonden oder an einer Kombinationen davon. Es kann auch eine Kombination aus Lern- und Übungstreffen und rituellen Anlässen sein. Sich regelmäßig zu treffen heißt nicht, dass alle Frauen an allen Treffen verbindlich regelmäßig vollzählig teilnehmen, es kann auch ein Kreis sein, in dem regelmäßig Einladungen an alle Mitglieder des Kreises verschickt werden und die konkrete Zusammensetzung von Fest zu Fest etwas variiert.
In der Regel ist diese frauenbezogene Spiritualität nicht christlich orientiert, was sie von einem christlich-feministisch orientierten Frauengottesdienst unterscheidet. Und sie ist ebenso nicht eingebunden in ein festes Regelwerk von Rängen und Initiationen, wie es ein klassischer Wiccacoven wäre. Schon gar nicht ist es ein schwarzmagischer Zirkel, in dem Teufelsverehrung an der Tagesordnung ist. Fast alle Frauen in den Frauenritualkreisen, die ich kenne, haben große Abneigungen gegenüber Satanismus und praktizieren es nicht. Überhaupt macht die Figur des Teufels nur Sinn in den großen monotheistischen Buchreligionen. In der Hexen- und Heidenszene taucht diese Figur gar nicht auf. In der Regel oder bei der überwiegenden Mehrzahl der Zusammenkünfte treffen sich nur Frauen, in der Regel religionsmündige Frauen ab dem Alter von 14 Jahren bis über 80 Jahren. Das spirituelle Selbstverständnis der Frauen ist oft ganz unterschiedlich, einige sehen sich als moderne Hexe, andere eher als Priesterinnen einer Naturreligion, andere sehen sich einfach als spirituell Suchende. Die Spiritualität kann ausdrücklich auf die Göttin im Jahreskreis bezogen sein oder auch im weitesten Sinne eine naturnahe Spiritualität im Wechsel der Jahreszeiten sein.
Es gibt in der Regel keine hauptamtliche Leitung im Kreis, die Gebühren einnimmt, wobei rituelle Kosten wie Räucherwerk, Kerzen, Dekoration oder auch Kopierkosten bei Übungstreffen zum Selbstkostenpreis umgelegt werden. Es kann aber sehr wohl eine oder einige wenige „heimliche Hauptamtliche“ geben, die Gründerin des Kreises ist oder einfach eine sehr erfahrene Frau oder die zwei erfahrensten Frauen im Kreis. Diese Person macht ein Großteil der organisatorischen Arbeit, der Vorbereitungen, der Einladungen und ein oder zwei Personen übernehmen den Kontakt nach außen. Während es früher in vielen Frauenritualkreisen üblich war, dass jedes Fest und jedes Treffen immer abwechselnd von zwei anderen Frauen vorbereitet wurde, ist es in einigen Kreisen inzwischen so, dass es heimliche Hauptamtliche gibt, die zwar keine Gebühren nehmen und auch keine offiziellen Weihen oder Ränge haben, an deren Arbeit aber das Bestehen des Kreises ganz wesentlich hängt.
Außerdem möchte ich Frauenritualkreise abgrenzen von Frauenselbsthilfegruppen, deren Anlass für das Treffen eine gemeinsame Lebenssituation (z.B. Alleinerziehend sein, Trennung, Scheidung, Trauer) oder eine gemeinsame chronische Krankheit ist. Auch wenn Frauenritualkreise manchmal Funktionen übernehmen können, die Selbsthilfegruppen ähneln, wie z.B. eine laufende Begleitung im Alltag und eine Unterstützung in schwierigen Lebenslagen, so ist dies nicht der Hauptgrund für die Treffen. Auch wenn die Treffen in den Ritualkreisen manchmal hilfreich oder heilsam sein können, ist das nicht das Hauptziel der Treffen. Und in der Regel sind die Frauen im Ritualkreis gemischt in Bezug auf die Lebenssituation und im Alter. Ebenso sind reine Therapiegruppen oder reine Selbsterfahrungsgruppen für Frauen etwas anderes, da diese meist professionell angeleitet werden und kein gemeinsamer spiritueller Hintergrund vorausgesetzt werden kann, wenn Frauen sich für eine Therapiegruppe, Selbsterfahrungsgruppe oder Selbsthilfegruppe interessieren oder engagieren. In einem Frauenritualkreis wird in der Regel nicht therapeutisch gearbeitet. Es ist wichtig, zu erkennen und es zu thematisieren, wenn eine Frau zusätzliche therapeutische Hilfe benötigt.
Außerdem würde ich Frauenritualkreise abgrenzen von rein geselligen Treffen wie z.B. Hexen- und Heidenstammtischen. Auch wenn fast alle Treffen eines Frauenritualkreises einen geselligen Anteil haben, meist beim Ankommen und am Abschluss, ist das Hauptziel nicht die reine Geselligkeit. Ebenso würde ich Frauenrituale abgrenzen von reinen Meditationsgruppen, Yogagruppen, Singgruppen meditativer Lieder oder reinen meditativen Tanzgruppen. Hier steht nur eine bestimmte Art des Übens im Vordergrund und der spirituelle Hintergrund der Frauen kann durchaus weiterhin sehr gemischt oder christlich sein, während ein Treffen eines Frauenritualkreises meistens eine Mischung aus Techniken und Methoden beinhaltet, also in der Gestaltung eine Mischung ist: Lieder, Texte, evtl. Tänze, evtl. Trance oder Meditation, Austausch und Reflexion und kreative Anteile.
Ziele der Treffen von Frauenritualkreisen sind, sich gegenseitig in der spirituellen Praxis zu unterstützen, geschützte Räume zu schaffen, in denen eine frauenbezogene und naturnahe Spiritualität gelebt werden kann ohne christianisierende Einflüsse oder Einflüsse einer anderen eher männlich orientierten Weltreligion. Weitere Ziele können sein: gemeinsam zu meditieren, Trance Erfahrungen zu machen, gemeinsam kreativ oder einen Zauber zu wirken, sich selbst und der Natur näher zu kommen, die eigene Intuition zu stärken, eine Erfahrung von Gottes- bzw. Göttinnenebenbildlichkeit machen zu können. Das heißt, in mir, in der Natur und in den anderen Frauen das Göttliche zu erleben.
Ziele können sein, die alten, vorchristlichen Rituale wieder erfahrbar werden zu lassen und hinter dem christlich überformten Jahreskreis altes Brauchtum wieder zu entdecken. Ein weiterer Aspekt ist, sich regelmäßig zu treffen zu Zeitpunkten, die „erfahrbare Orte in der Zeit sind“, da sie aus astronomisch-astrologischen Gründen exponiert sind und da sie traditionelle Marker im bäuerlichen Jahr unserer Vorfahrinnen waren. Das kann bedeuten, sich regelmäßig an bestimmten Punkten im Jahreskreis immer wieder zu fragen: Was passiert gerade jetzt in den Gestirnen? Was passiert gerade jetzt mit Sonne und Mond? Was passiert gerade jetzt in der Natur? Und was passiert gerade jetzt in meinem Leben? Kann ich dazwischen Zusammenhänge sehen, Stimmiges oder auch Sperriges, Spannendes oder Harmonisches?
Die Frauen unterstützen sich im gemeinsamen Ritualkreis, diese Zeitmarken bewusst zu gestalten, hinzuspüren, sich in Beziehung dazu zu setzen, daraus Kraft zu tanken oder zu begreifen und zu akzeptieren, warum ich gerade jetzt so kraftlos, erschöpft und ruhebedürftig bin. Dazu gehört außer den Anlässen im Jahreskreis die Feier von Lebensmarken im Leben der Frau, die erste Menstruation, Liebe, Bindung, Hochzeit, Geburten, Scheidungen und Trennungen, die Menopause, Todes- und Trauerfälle. Ein langjährig erfahrener Frauenritualkreis ist durchaus in der Lage, all diese Lebensanlässe, in der christlichen Gemeinde „Kasualien“ genannt, zu begleiten, neu zu fassen und rituell zu gestalten. Ein weiteres wichtiges Ziel der rituellen Treffen und der Lern- und Übungstreffen ist daher die Ermächtigung einer jeden Frau, Rituale durchzuführen, und eine rituelle Grundkompetenz zu erwerben, die sie von kommerziell orientierten oder christlich geprägten Ritualgestaltern unabhängig machen kann.
Selbstverwaltete Frauenritualkreise können ein sehr bekräftigender, stärkender Weg sein, gemeinsam mit anderen Frauen Rituale zu feiern, bewusst durch das Jahr zu gehen, sich gemeinsam durch wichtige Lebensereignisse zu begleiten und gemeinsam die spirituellen Fähigkeiten zu fördern. Es ist aber immer wieder auch ein schwieriger Weg. Manch eine wünscht sich hin und wieder den Workshop beim gut bezahlten Profi zurück, bei dem nicht so viel Eigeninitiative und Verantwortung erforderlich ist, sondern das spirituelle Programm eher passiv genossen werden kann.
Ich danke allen Frauen, die gemeinsam mit mir auf der Suche nach Spiritualität, Frauenkraft, Naturverbundenheit und einer Begegnung mit der Göttin waren, die mich viele Dinge gelehrt haben, die später bereit waren, von mir zu lernen und die mich in meinem Leben begleitet haben. Dazwischen habe ich auch immer wieder alleine praktiziert und versucht, Spiritualität und Frauenmagie in meinen Alltag zu integrieren. Ich danke Jutta und meinem Mann Mike für die Fotos und meinen treuen Probeleserinnen, die dieses Buch begleitet haben.
1990 feierte ich bei Ziriah Voigt meine ersten Frauenrituale, seit 1992 bis 2000 nahm ich regelmäßig an einem Frauenritualkreis hier in Frankfurt teil, in dem ich die Jüngste war und viel lernen durfte. Danach ging ich zwei Jahre einsame Wege. 2003 habe ich einen neuen, eigenen Frauenritualkreis gegründet. 2004 habe ich parallel den Junghexentreff Frankfurt gegründet. Ich war nie in einem orthodoxen Wiccacoven und bin nie offiziell initiiert worden. Die freie Bewegung der Frauenritualkreise ist undogmatisch, basisdemokratisch und hat in ihren Ritualkreisen meist keine oder nur eine sehr schwache Hierarchie. Wenn Workshops von professionellen Seminarleitungen gegeben werden, dienen sie meistens dem Ziel, die rituelle und spirituelle Grundkompetenz jeder einzelnen Teilnehmerin zu fördern und sie zu befähigen, in ihrer Heimat eigene Frauenritualkreise zu gründen. Wenn ich selbst kleine Ritualworkshops gab, dann meistens in meiner Wohnung und zum Selbstkostenpreis.
Feste Ränge wie Priesterin oder gar Hohepriesterin gibt es in den meisten Frauenritualkreisen nicht. Priesterin zu sein ist kein Rang, sondern eine Rolle, und sie wechselt von Fest zu Fest oder von Jahr zu Jahr. Dieser Dienst an der Gruppe kann von jeder Frau mit einiger Übung und Erfahrung eingenommen werden. In vielen Ritualkreisen werden die Feste gemeinsam oder von einer kleinen Vorbereitungsgruppe vorbereitet und dann von einigen durchgeführt. Für die Durchführung eines Rituals hat es sich bewährt, dass für dieses konkrete Fest ein oder zwei Frauen die Ritualregie haben und sich daher bei den Trancen oder Meditationen auf die wachere Rolle der Anleitung beschränken. Anleitung eines Rituals ist ein Dienst an der Gruppe. Da die Frau, die anleitet, meist nicht voll am Ritual teilnehmen kann, haben alle den Wunsch, dass diese Rolle immer wieder wechselt.
Was haben die meisten Frauenritualkreise vom traditionellen Wicca übernommen?
In der Regel beschränkt sich das auf den Festtagskalender, die Jahreskreisfeste, die vier Elemente Lehre, einige Erfahrungen in der Anrufung und Zuordnung der vier Elemente und der Feste zu bestimmten Themen und einige Elemente aus der Theologie. Selbst die rituelle Rahmenhandlung (Reinigung, Schutzkreis, Energiekreis, Anrufung der vier Elemente, Anrufung der Göttin oder von Göttin und Gott) wird längst nicht in allen Frauenritualkreisen konsequent praktiziert, obwohl sie meiner Meinung nach hilfreich und sinnvoll ist.
Viele Frauenritualkreise arbeiten nur mit der vier Elemente-Lehre und praktizieren keine volle oder regelmäßige Anrufung der Göttin oder des Gottes. Eine intensive Invokation, bei der eine Priesterin in Trance die Göttin in sich hineinruft und für die Göttin spricht, ist in Frauenritualkreisen eher selten.
In vielen Frauenritualkreisen findet sich eine Mischung aus Frauen, die teilweise naturreligiös sind, teilweise gemischt den christlichen wie den heidnischen Festzyklus leben, teilweise sich Hexen nennen, teilweise einfach im weitesten Sinne spirituell auf der Suche sind. Andere wollen Frauenspiritualität neu kennen lernen oder sie sind teilweise im engeren Sinne auf Wicca bezogen, finden aber keinen traditionellen Coven in ihrer Nähe oder suchen freiere Formen für sich. Auf dieser oft sehr gemischten Basis lässt sich selten eine gemeinsame Anrufung der Göttin praktizieren, was für alle eine gemeinsam akzeptierte Theologie bzw. Thealogie voraussetzen würde. Manchmal wird die Anrufung der Göttin durch offene Formulierungen wie „Mutter Erde“ oder einfach „Frauenkraft“ ersetzt.
Einige Frauenritualkreise trauen sich inzwischen auch an die klassischen „Kasualien“ heran, also an die gemeinsame rituelle Begleitung und Gestaltung von Lebensereignissen wie Kinderweihe, erste Menstruation, Hochzeit, Scheidung, Menopause, Beerdigung. Ich selbst habe sowohl meine Hochzeit wie die Beerdigung einer Ahnin mit erfahrenen Ritualfreundinnen gestalten können und habe das als sehr stimmig und heilsam erlebt.
Frauenritualkreise, die über längere Zeit bestehen, müssen viel Mut, Ausdauer und Toleranz miteinander aufbringen, da sie wie alle menschlichen Gruppen einer spannenden Gruppendynamik folgen. Denn Frauen können sich im Kreis sehr öffnen und sich sehr nahe kommen. Dadurch erhöhen sich die gegenseitigen Erwartungen und die Verletzlichkeit. Trotz Internets habe ich die Erfahrung gemacht, dass es immer noch nicht so leicht ist, einen neuen, stabilen Kreis zu finden oder gar zu gründen. Auch die Aufnahme neuer Frauen in einen bestehenden Kreis gestaltet sich oft nicht einfach.
Mein Buch enthält verschiedene Anregungen und Themen, wie sie im Laufe der Zeit in Frauenritualkreisen auftreten können: Das Verhältnis zur Wicca-Religion, die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Hexe und der Priesterin, dem Begriff von Energie, Magie und dem Bild von der Göttin, einige Ideen zur Gruppendynamik und zur Toleranz untereinander. Außerdem gehe ich ein auf verschiedene magische Begabungen, die in Ritualkreisen auftreten können und aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit auch zu Schwierigkeiten führen können. Hinzu kommen konkrete Beispiele für die Entwicklung eines Ritualkreises und die Gestaltung der Jahreskreisfeste. Ich werde im Buch überwiegend die weiblichen Formen benutzen, da Frauenritualkreise ja von und für Frauen da sind. Der interessierte männliche Leser mag sich die männliche Form hinzudenken und sich bitte angesprochen fühlen, diese ihm vielleicht fremde Kultur kennenzulernen.
Ich widme dieses Buch vor allem Jutta, Gesine, Petra, Klarissa und Ursula, meinen treuen Frauen im Ritualkreis.
Was ist Wicca?
Wer Homepages oder Bücher moderner Hexen und Heiden liest, begegnet unter anderem den Begriffen Naturreligion, Heidentum, Wicca, Hexen, Druiden. Was bedeuten diese Begriffe, sind sie nur etwas Ähnliches oder das Gleiche?
Mit moderner Naturreligion werden oft neue spirituelle Wege bezeichnet, für die die Verehrung der Natur im Mittelpunkt des Kultes steht. Naturreligionen gelten als die ältesten Religionen der Menschheit. Die Natur selbst ist für Anhänger von Naturreligionen göttlich, nicht nur Ausdruck göttlicher Schöpfungskraft. Festtage von Naturreligionen werden oft nach dem Lauf der Sonne, dem Stand von Mond und Sternen berechnet. Der Wechsel der Jahreszeiten wird im Ritual besonders gefeiert und gestaltet. Persönliche Gottheiten werden hier seltener verehrt. Dafür kann aber die Verehrung von Sonne und Mond, eines heiligen Baumes oder einer heiligen Quelle im Mittelpunkt des Kultes stehen. Es gibt z.B. naturreligiöse Kreise, die sich regelmäßig an Vollmond im Kreis an einen Apfelbaum treffen und dort eine stille Form der Andacht halten, die mit sehr wenig Ritualregie auskommt.
Modernes Heidentum
Mit dem Begriff Heiden haben Christen über viele Jahrhunderte hinweg einfach alle Menschen bezeichnet, die nicht getauft waren und somit nicht christlich waren. Andere Religionen benutzen andere Bezeichnungen. Für Moslems sind alle Menschen, die nicht dem Islam angehören, „Ungläubige“. Für die alten Griechen waren alle Anhänger fremder Völker und anderer Religionen „Barbaren“. Heide in diesem Sinne ist also eher so eine Art Restkategorie, heißt „nicht christlich“ oder „noch nicht christianisiert“.
Eine neue, moderne Bedeutung des Wortes Heide ist ein Mensch mit einem bewussten Glaubensbekenntnis zu den alten Göttern und Göttinnen des Landes vor der Christianisierung. Also kein Mensch, der zufällig kein Christ wurde, weil seine Eltern vergessen haben, ihn zu taufen, sondern ein Mensch, der sich bewusst zu einem modernen heidnischen Glauben bekennt und versucht, die alten, vorchristlichen Religionen durch Rekonstruktionen der alten Religion wieder erlebbar zu machen. Das kann z.B. die keltische Tradition sein, die germanische oder eine antike hellenistische oder die indianische Tradition.
Leider wurden im alten Europa durch die Christianisierung die Überlieferungswege der vorchristlichen Religionen stark unterbrochen. So haben moderne Heiden versucht, aus Mythen, Sagen und Resten der Volkstradition zu rekonstruieren, wie der Germanenglaube oder der keltische Glaube gewesen sein kann. Weder die Germanen noch die Kelten haben uns etwas Schriftliches zu ihren Kulten überliefert. Die Kelten hatten zwar ein sehr komplexes Bilder- und Symbolsystem, lehnten aber die schriftliche Überlieferung der Glaubensinhalte ab. Sie sollen nur mündlich von Generation zu Generation weitergegeben worden sein. Die weisen Männer und Frauen dieser Zeit müssen Meister im Auswendiglernen gewesen sein.
Was wir heute historisch einigermaßen gesichert über die Germanen und Kelten wissen, ist entweder ein Bericht aus der Sicht der Römer (z.B. das im Lateinunterricht eher unbeliebte Werk Caesars „Der gallische Krieg“) oder aus der Sicht der christlichen Missionare. Sowohl die römischen Eroberer wie die christlichen Missionare waren einer Schrift kundig, die wir heute noch benutzen und verstehen können. So können wir ihre Eindrücke von den alten Völkern Europas zwar nachvollziehen, wissen aber, dass die Beobachtungen der Römer oder Missionare die alten Völker auch nicht realistisch abbilden. Denn die Texte der römischen Kriegsherren oder der christlichen Missionare sind durch die eigenen Ansichten und Vorurteile dieser Leute geprägt. Sie haben außerdem selbst nicht alles verstanden, was diese fremden Völker im Alltag und im Kult lebten, da sie sich nicht immer sprachlich verständigen konnten.
Bei der Überlieferung der indianischen Tradition war es etwas einfacher, da bis heute noch einige Nachfahren der Ureinwohner in der Traditionslinie leben. Über die antike heidnische römische oder griechische Götterwelt ist mehr überliefert, da die ganzen Sagen und Mythen in einer noch heute verständlichen Schrift erhalten sind. Dennoch wissen wir sehr wenig über die konkreten Kulte, da dieses Wissen oft unter strengstem Stillschweigen bewahrt wurde (so z.B. der Ablauf der Mysterien von Eleusis).
Die Glaubensinhalte des Heidentums können also je nach Kultur, Gegend und Bezugsrahmen sehr verschieden sein. Außer der Anbetung der Natur wie in der Naturreligion gibt es auch den Animismus. Animismus bedeutet der Glaube, dass auch in Pflanzen, Tieren, Menschen, Steinen, Flüssen, Seen, im Meer und in der Luft Gottheiten oder Wesenheiten erkennbar und erspürbar sind, mit denen sich die Menschen im Ritual oder in der Trance austauschen können. In den alten heidnischen Kulturen gab es nicht immer eine strenge Trennung von Alltag und Ritual. Der Alltag war von Ritualen durchzogen und die Rituale fest im Alltag verankert.
Viele heidnische Religionen sind polytheistisch, kennen also nicht nur einen einzigen Gott, sondern haben einen Götterhimmel, der von einer ganzen Götterfamilie mit Göttern und Göttinnen bevölkert ist. Daher gab es sowohl männliche wie weibliche Gottheiten. Manchmal gab es auch Streit zwischen den Göttern oder Götterfamilien oder Götterschicksale, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten in Verbindung gesehen wurden. (z.B. ist es Dürre im griechischen Mythos, wenn Persephone bei Hades in der Unterwelt lebt, und es wird Frühling, wenn sie zu ihrer Mutter Demeter wieder auf die Erde bzw. in den Himmel zurückkehrt.)
Wicca
Wicca ist eine eher moderne Religion, die aus der rituellen Magie entstanden ist. Sie wurde vor allem bekannt durch die Werke von Gerald Gardner und Doreen Valiente, die in den Jahren 1950 bis 1960 in England veröffentlicht wurden. Zu dieser Zeit war in England der Hexereiparagraph abgeschafft worden, der die Ausübung der Magie und Hexerei verboten hatte. So konnten die Menschen, die rituelle Magie schon länger praktizierten, wieder an die Öffentlichkeit treten. Eine andere Hochphase der rituellen Magie waren die Jahre um 1920 in England. In dieser Zeit entstanden einige bekannte Tarotdecks (Das von Rider entworfene Deck, gemalt von Pamela Colman Smith, und das von Crowley entworfene Deck, das Frieda Harris gemalt hat.).
Es gab damals einige Geheimorden wie z. B. der Order of the Golden Dawn. In dieser Zeit hat auch Dion Fortune gelebt. Weil diese Blütephase der Magie mit der Ausbreitung der Anwendungen der Elektrizitätslehre zeitlich zusammen fiel, gibt es in der Sprache der rituellen Magie auch so viele Parallelen zur Elektrizitätslehre wie z. B. „aufladen“ „entladen“ usw. Diese Begriffe lagen damals einfach in der Luft.
Es gibt Vertreter der Wicca-Religion, die nur diejenigen im engen Sinne als echte Wicca anerkennen, die von Gardner oder Sanders Tradition direkt abstammen, also aus der Linie dieser Tradition eingeweiht („initiiert“) wurden. Andere sagen, Wicca ist jede und jeder, der sich auf diese Tradition bezieht und jeder und jede könne sich auch selbst initiieren und Gott und Göttin weihen. Gerade im dianischen Wicca, in dem nur die Göttin verehrt wird, gehen Frauen oft viel freier mit dem Begriff um. Wer sich nur zu Wicca hingezogen fühlt, nennt sich heute oft so, kann selbst einen Ritualkreis aufbauen und Rituale praktizieren.
Ein weiterer Begriff, der hier oft auftaucht, ist „Freifliegend“. So bezeichnen sich Menschen, die in keiner festen Traditionslinie stehen, aber eine im weitesten Sinne an Wicca orientierte Spiritualität und Magie leben. Sie können einzeln praktizieren oder in Gruppen. Eine Gruppe von praktizierenden Wicca nennt sich meist Coven, wenn es eine überschaubare Gruppe ist. Größere Gruppen bezeichnen sich auch manchmal als Clan oder Hain. Die Bezeichnung Frauenritualkreis ist dagegen ein sehr weiter Begriff, der die teilnehmenden Frauen nicht so eng auf eine bestimmte spirituelle Richtung festlegt und wird daher von vielen Frauen bevorzugt.
Wicca ist also eine moderne Religion, die neben der Ausübung der rituellen Magie Elemente der Naturreligion, des Heidentums und der vier Elemente Lehre (Luft, Feuer, Wasser, Erde) zu einem Kult verbindet. Im Festzyklus der Wicca kommen vier eher keltische und vier eher germanische Feste vor. Hierzu ist die einzig historisch ehrliche Ansicht, dass dieser Festzyklus in heidnischer Vorzeit wahrscheinlich nie in dieser Form gefeiert wurde, sondern eher eine moderne Rekonstruktion darstellt. Die Feste werden nach dem Stand von Sonne und Mond berechnet oder liegen an traditionellen Festdaten, die überwiegend dem keltisch-irischen Kulturkreis entstammen. Dazu gehören: Lichtmess (2.2.), Ostara oder Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche (um den 21.3. herum), Walpurgis (30.4.), Sommersonnenwende (um den 21.6. herum), Schnitterin (2.8.), Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche (um den 23.9. herum), Halloween oder Dunkelheitsfest (31.10.) und Wintersonnenwende (um den 21.12. herum). Als besondere Festzeiten gelten außerdem die Rauhnächte (Zeit von Wintersonnenwende bis zum 6.1.) und die Vollmond- und Neumondnächte. Viele dieser Feste finden sich noch in christianisierter Umgestaltung im katholischen Festkalender wieder, teilweise in Marienfeste gewandelt.
Auch Wicca kommunizieren im Ritual mit verschiedenen Wesenheiten. Außerdem soll Gardner viele alte Volksbräuche und Mythen seines Volkes in den Wicca-Kult eingearbeitet haben. In England, Irland und Schottland war die Christianisierung nicht ganz so durchgreifend wie auf dem europäischen Festland, so dass sich im Volksglauben mehr geistiges Material aus vorchristlicher Zeit erhalten haben soll.
Gestritten wird manchmal, ob Wicca eher polytheistisch oder eher monotheistisch ist. Verehrt werden von manchen Göttin und Gott, von manchen nur die Göttin. Manche Wicca rufen sehr viele Gottheiten aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen an und erleben diese als verschiedene, eigenständige Gottheiten. Andere glauben, dass hinter Gott und Göttin nur eine allmächtige, große göttliche Kraft steht und dass alle Namen für Götter und Göttinnen nur Facetten dieser einen göttlichen Kraft sind. So eine Überzeugung drückt sich z.B. in dem Ausdruck „Die Eine mit den 1000 Namen“ aus. Sie verehren und rufen im Ritual eine Vielfalt göttlicher Namen, um so die eine göttliche Kraft besser abbilden zu können.
Kennzeichnend für die Wicca-Religion ist die klare Erlaubnis und Ermutigung, magisch wirkend, wahrsagend oder auch hellseherisch tätig zu werden. Es ist eine der wenigen Religionen, die den Gebrauch von Magie nicht nur zulässt, sondern sogar nahe legt. Außerdem zeichnet sich diese Religion durch die ethische Grundorientierung am „Gesetz der Drei“ aus (Alles, was du wirkst, wird dreifach auf dich zurückwirken.) und am Gebot „Tu, was du willst und schade niemandem“.
Es gibt nur einige wenige zentrale Texte wie z.B. die Wiccan Rede.
Einen guten Überblick über historische Wurzeln und aktuelle Strömungen der Wicca-Religion gibt das Buch „Progressive Witchcraft“ von Janet Farrar und Gavin Bone, erschienen im Arun Verlag.
Die Jenseitsvorstellung bezieht sich auf eine allmächtig Göttin (bzw. Göttin und Gott), die über den Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt wacht. Viele Wicca glauben an Wiedergeburt, aber nicht als einem Zyklus der Qual, der die Seele entrinnen sollte, sondern als eine immer neue Verwirklichungschance. Eine Kommunikation von Verstorbenen, Ungeborenen und Lebenden wird für möglich gehalten. Sexualität wird als Kraft, die Wiedergeburt und Lebenslust schenkt, ausdrücklich bejaht.
Hexenreligion
Manche verbinden mit dem Wort Hexe eine Anhängerin der „Hexen Religion“. Diese Frauen, die sich als moderne Hexen bezeichnen, sind meistens Heiden, können sich aber an verschiedenen Religionen orientieren. Einige sind eher Druiden (am Keltischen orientiert) einige Asatru (an der nordisch-germanischen Religion orientiert), einige sind Wicca. Sehr viele moderne Hexen fühlen sich der Wicca-Religion zugehörig, so dass sich Wicca und Hexenreligion für manche zu einem Begriff vermischt hat. Es gibt aber im Grunde keine einheitliche Hexenreligion. Menschen, die Magie praktizieren, aber gleichzeitig Christen sind, werden im Gegensatz zu Wicca oder Heiden oft eher als Magier bezeichnet, nicht als Hexen und Hexer.
Viele Frauen in selbstverwalteten Frauenritualkreisen fühlen sich weder klar der Wicca-Religion zugehörig, noch erleben sie sich als bewusste Heidinnen oder nur als naturreligiös. Einige Frauen lösen sich auch nicht oder nicht ganz von der christlichen Weltanschauung, praktizieren eine Kombination aus heidnischen Festen und christlichem Volksbrauchtum. Viele Frauenritualkreise kombinieren Elemente der verschiedenen Weltanschauungen oder sind in ihrer Begrifflichkeit sehr zurückhaltend. Oft werden die Unterschiede erst klar, wenn eine neue Frau um Aufnahme in den Kreis bittet und nach der Orientierung des Kreises fragt.