„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ (Dame Cicely Saunders)
Mit diesem berühmt gewordenen Zitat bringt die Begründerin der modernen Hospizbewegung, Dame Cicely Saunders (1918–2005), die Sorge um schwerstkranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige auf den Punkt. Die Erkenntnisse und Fähigkeiten heutiger Medizin und Pflege ermöglichen es uns, auch mit schwerstkranken Menschen in einer Weise umzugehen, dass ein erstaunliches Maß an Lebensqualität bis zu ihrem Tod erhalten werden kann.
Die Palliativbetreuung ist daher das einzig sinnvolle Konzept, um Menschen auch in schwerster Krankheit ihren Lebenswillen zu erhalten. Papst Benedikt XVI. hat bei seinem Pastoralbesuch im Jahr 2007 in Wien eindringlich darauf hingewiesen:
„Mit großer Sorge erfüllt mich auch die Debatte über eine aktive Sterbehilfe. Es ist zu befürchten, dass eines Tages ein unterschwelliger oder auch erklärter Druck auf schwerkranke und alte Menschen ausgeübt werden könnte, um den Tod zu bitten oder ihn sich selber zu geben. Die richtige Antwort auf das Leid am Ende des Lebens ist Zuwendung, Sterbebegleitung – besonders auch mit Hilfe der Palliativmedizin – und nicht ‚aktive Sterbehilfe‘.“
Aus der Sicht eines Seelsorgers ist es nur zu begrüßen, wenn das Palliative Care-Konzept nicht allein bei Medizin und Pflege die Betreuungsaufgaben für schwerstkranke Menschen verortet. Es ist inzwischen zum Standard geworden und auch in die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingeflossen, dass zur Obhut solcher Menschen eine umfassendere als allein leibliche Betreuung gehört. Auch die psychosoziale und spirituelle Dimension gehört zur Sorge um den ganzen Menschen.
Inzwischen konnte in Deutschland sowohl im stationären wie ambulanten Bereich die Hospiz- und Palliativversorgung in erfreulichem Maße ausgeweitet werden. Die dazu angedachten multiprofessionellen Teams sind mehr und mehr im Entstehen und die Kirchen wollen ihren Beitrag dazu leisten, der spirituellen Dimension Rechnung zu tragen, die in unserem Sprachgebrauch Seelsorge heißt.
Sehr viele gut ausgebildete Seelsorger und Seelsorgerinnen sind in den Krankenhäusern und bei den ambulanten Hospiz- und Palliativdiensten bereits im Einsatz. Jedoch erfordert eine fortschreitende Erkenntnis auf dem Gebiet der Palliativversorgung auch eine laufende Erweiterung von spezialisiertem Wissen und eine immer wieder neu anzupassende Handlungskompetenz.
Das vorliegende Curriculum für einen Qualifizierungskurs „Palliative Care für Seelsorgende“ bietet einen strukturierten Baustein für eine Aktualisierung von Handlungskompetenz, ausgerichtet auf eine Mitarbeit in den angestrebten multiprofessionellen Teams. Die Kirche trägt den Ansatz einer Sorge um den ganzen Menschen mit allem Nachdruck mit. Die umfassende Sorge um den Menschen ist ein genuiner Auftrag unseres Herrn, der gekommen ist, „damit sie das Leben in Fülle haben“ (Joh 10,10).
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch,
  Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
„Seelsorge als Muttersprache der Kirche“
Die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen verstehen Seelsorge als eine der Kernaufgaben kirchlichen Handelns. Seelsorge nimmt den Menschen umfassend wahr, spricht ihn an und begleitet ihn in seiner jeweiligen Lebenssituation. Durch diese unmittelbare Nähe zum Menschen wird Seelsorge zur „Muttersprache der Kirche“. Sie bezieht ihre ursprüngliche Kraft, ihre Weisheit und ihren Geist aus dem Evangelium Jesu Christi. Sie entfaltet ihre Wirkung im Dialog mit dem Menschen, der Sorge um seine Seele trägt. Sie sucht nach dem Wort, das tröstet und befreit, das heilt und erneuert. Dies tut Seelsorge, indem sie die persönlichen Lebenssituationen zu deuten versucht und in den Zusammenhang der befreienden Botschaft des Evangeliums stellt.
Kirchliche Seelsorge hat sich in den vergangenen Jahrhunderten ausdifferenziert und versucht, den unterschiedlichsten Lebenssituationen der Menschen gerecht zu werden. In der seelsorglichen Begleitung im Krankenhaus oder Altenheim sowie in der Hospizarbeit ist Kirche vor Ort präsent und engagieren sich Christinnen und Christen. Diese Begleitung versteht sich als Angebot für alle Menschen, unabhängig von ihrer Konfession oder Religion. In dieser Situation ist die Grundmotivation nicht etwa missionarischer Eifer, sondern vielmehr die bedingungslose Zugewandtheit zu allen Menschen, ohne dass freilich Ursprung und Wurzeln des eigenen Standpunktes geleugnet werden.
Mit ihrer theologischen und pastoralpsychologischen Kompetenz sind kirchliche Seelsorgerinnen und Seelsorger ein wesentlicher und unverzichtbarer Teil multiprofessioneller Teams innerhalb der Institution „Krankenhaus“ geworden. Für eine gelingende Koordination der Professionen in der Institution „Krankenhaus“ sind allerdings deutliche Strukturen sowie die Darstellung und Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen der je eigenen Profession unabdingbar. Insofern fordert die Zusammenarbeit verbindliche Standards auch für die Qualität und die Kompetenzen im Bereich „kirchlicher Seelsorge.“ Gerade in der Situation einer zum Tode führenden Krankheit sind die Anforderungen an evangelische Seelsorgerinnen und Seelsorger besonders akzentuiert und eingebunden in die existenziellen Fragen von Leben und Tod. Sie können aus der Sprachlosigkeit hin zu neuer Sprachfähigkeit leiten. Damit ist der kirchlichen Seelsorgetätigkeit eine bedeutungsvolle Verantwortung gegeben, die z. B. in Form einer christlich-spirituellen Begleitung in solchen Lebensphasen ihren spezifischen Beitrag leisten kann.
Das vorliegende Curriculum zur Fortbildung von Seelsorgenden im Umfeld von Palliativmedizin möchte Leserinnen und Leser dazu anregen und befähigen, ebensolche Qualifikationen zu erwerben und vorhandene Kompetenzen zu stärken bzw. weiterzuentwickeln. Gleichzeitig ist damit auch der Wunsch verbunden, dass die Rolle der Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Institutionen eine Stärkung erfährt und ihre Handlungssicherheit unterstützt wird. Auf diesem Wege mögen Seelsorgende immer neu motiviert werden, ihre theologische Sprachfähigkeit lebendig zu halten und zu vertiefen. Denn hierin liegt nach wie vor die stetige Herausforderung im Blick auf unsere moderne Gesellschaft: eine Sprache zu finden, die den Menschen in seiner Situation erreicht. In der Wahrnehmung dieser Verantwortung und dieses Anspruchs kann Kirche vor Ort in ihrem evangelischen Profil erkennbar werden.
Präses Nikolaus Schneider,
  Amtierender Vorsitzender des Rates der EKD
„Ein hervorragendes Beispiel für den multiprofessionellen und interdisziplinären Ansatz in der Palliativmedizin“
Die Anforderungen aber auch die in den letzten 40 Jahren gemachten Fortschritte in der palliativen Versorgung und Begleitung sterbenskranker Menschen haben dazu geführt, dass immer mehr Berufsgruppen sich in diesem Bereich weiterbilden und engagieren.
Mit dem Palliative Care-Kurs für Seelsorgende wird ein Weiterbildungsangebot vorgestellt, das speziell für die seelsorgerische Begleitung in der Palliativversorgung gedacht ist und das mit großer Sensibilität auf die in ganz unterschiedlicher Form im Raume stehenden spirituellen Fragen eingeht, die schwerstkranke und Menschen und deren Familien beschäftigen – aber auch die in der Palliativversorgung tätigen Berufsgruppen.
Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin ist die einzige wissenschaftliche medizinische Fachgesellschaft mit einer multiprofessionellen Struktur, in der inzwischen auch mehr als 70 Seelsorger Mitglieder sind, von denen sich viele in einem eigenen Arbeitskreis Spirituelle Begleitung engagieren. Das hier vorgelegte Curriculum ist das Ergebnis intensiver Erfahrungen in der Begleitung schwerstkranker Menschen und deren Familien und eines Diskussionsprozesses, den die Seelsorger untereinander, besonders aber auch mit Vertretern der anderen in der DGP repräsentierten Berufsgruppen geführt haben – ein hervorragendes Beispiel für den multiprofessionellen und interdisziplinären und vielleicht auch transdisziplinären Ansatz in der Palliativmedizin. Es baut auf dem in den Jahren 2007 und 2008 sehr erfolgreich durchgeführten Qualifizierungskurs in Palliative Care für Seelsorger auf.
Der Palliative Care-Kurs für Seelsorgende ist mit einem Umfang von 120 Unterrichtseinheiten in Analogie zu den Palliative Care-Kursen für Pflegende und Fachkräfte aus den psychosozialen Arbeitsfeldern sowie der Zusatzweiterbildung Palliativmedizin für Ärzte modular aufgebaut. Wertvolle didaktische Empfehlungen und Literaturhinweise ergänzen die speziellen inhaltlichen Themenblöcke. Im Zentrum der Weiterbildung steht der Umgang mit den spirituellen und religiösen Fragen, die schwerstkranke Menschen, deren Familien, aber auch die in der Palliativversorgung tätigen Teams beschäftigen. Die strukturelle Anbindung an eine Palliativ-Akademie bzw. Palliativ-Einrichtung ist ein wichtiges Element, diese Fragen auch in ihrer Beziehung zu den anderen Problemen in der medizinischen, pflegerischen und psychosozialen Betreuung schwerstkranker Menschen zu behandeln, den eigenen Aufgabenbereich schärfer zu bestimmen und den multiprofessionellen Austausch sowie Verständnis füreinander zu fördern. Das gilt besonders auch für die ethischen Fragen, die alle in der Palliativbetreuung Tätigen immer wieder beschäftigen.
Die Betreuung sterbenskranker Menschen und deren Familien bleibt eine besondere Herausforderung für die Gesellschaft und für alle, die sich dieser Aufgabe stellen. Um den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen und ihrer Angehörigen gerecht werden zu können, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes und spezieller Qualifikationen, die die ärztliche und pflegerische Versorgung, die psychosoziale Betreuung und die spirituelle Begleitung gleichermaßen beinhalten. Die ganz unterschiedlichen und oft komplexen Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer Angehörigen benötigen Zusammenarbeit und Kommunikation aller professionellen und ehrenamtlich engagierten Begleiter.
Sterbebegleitung ist immer auch ein besonderes Bündnis, in dem sich Menschen wie sonst nirgends im Vertrauen auf Ungewisses zusammenfinden. Es bedeutet durch fachliches Wissen, kommunikative Fähigkeiten, emotionale Sensibilität, soziales Vertrauen und spirituelles Bemühen Menschen auf der letzten Lebensstrecke zu begleiten. Die Fähigkeit zum Dialog, Zeit und Geduld, personale Nähe und Wahrhaftigkeit, Vertrauen, Mitgefühl und Intimität im Umgang mit den letzten Fragen sind die wichtigsten Voraussetzungen einer guten, letztlich auch das eigene Leben bereichernden Sterbebegleitung. Dies zu ermöglichen und Mut zu machen, ist auch ein Ziel, zu dem der Palliative Care-Kurs für Seelsorgende sehr gut beitragen könnte.
Der Palliative Care-Kurs für Seelsorgende schließt eine Lücke und entspricht einem hohen Bedarf. Den Initiatoren Thomas Hagen, Traugott Roser, Hermann Reigber und Bernadette Fittkau-Tönnesmann gebührt Dank für die Vorarbeiten, der Paula Kubitschek-Vogel Stiftung für die finanzielle Unterstützung dieses wichtigen Projekts. Ich hoffe und wünsche mir für die Umsetzung des Kurses viel Erfolg und eine hohe Akzeptanz.
Prof. Dr. H. Christof Müller-Busch,
  Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
„Ein wichtiger Beitrag zu einer neuen Kultur im Umgang mit schwerstkranken und sterbenden Menschen“