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MIKAEL KROGERUS, geboren in Stockholm, hat finnische Eltern und ist Redakteur bei Das Magazin in Zürich. Vorher arbeitete er unter anderem für Der Freitag und das NZZ Folio. Für einen Finnen redet er ungewöhnlich viel.
ROMAN TSCHÄPPELER, geboren in Bern, gründete 2003 sein Studio guzo.ch, in dem er Filme und Kampagnen produziert und Firmen bei der Ideenentwicklung berät. Für einen Berner spricht er ungewöhnlich schnell.
https://rtmk.ch/de/portraet/
Dieses Buch ist Ihr rutschfester Begleiter für das spiegelglatte Parkett der Kommunikation. Lernen Sie, wie man souveräner präsentiert, unwiderstehlicher fragt und klüger verhandelt.
Kommunikation ist ein bisschen wie Liebe – sie geht uns alle etwas an, aber niemand kann wirklich sagen, wie man es richtig macht. Kommunikation ist etwas Selbstverständliches, etwas Alltägliches sogar, von dem wir aber nur vage ahnen, wie sie funktioniert. Kein Tag vergeht, an dem wir nicht fragen, lesen, erklären, schreiben, zuhören, streiten, diskutieren oder schweigen. Und doch hat kaum jemand einfache Werkzeuge zur Hand, um Kommunikation zu erleichtern oder zu verbessern. So begann unsere Reise in die Untiefen der Kommunikationswissenschaften.
Für das vorliegende Buch haben wir die wichtigsten Kommunikationstheorien entstaubt, auf Relevanz abgeklopft, verdichtet, visuell aufbereitet und auf heutige Herausforderungen angewandt. Zudem haben wir sie um praktische Tipps und brauchbare Methoden erweitert. Das Ergebnis sind 39 aktuelle Erklärungen für ewige Probleme. Vom Beziehungs- bis zum Bewerbungsgespräch, von Fake News bis zum Filterblaseneffekt, vom Small Talk bis zur Jahrespräsentation.
PS:
Dieses Buch ist eigentlich eine Ausstellung, und das kam so: Das Museum für Kommunikation in Bern kontaktierte uns mit der Bitte, die wichtigsten Theorien der Kommunikationsgeschichte in Diagrammen zu erklären. Bis 2030 können Sie dieses Buch also live im Museum erleben. www.mfk.ch
In der Kommunikation gilt ganz grundlegend: Wie etwas gesagt wird und von wem – der sogenannte »Erzählrahmen« –, entscheidet darüber, wie es verstanden wird. Wenn beispielsweise eine spektakuläre Nachricht in einer seriösen Zeitung erscheint, sind wir eher geneigt, ihr Glauben zu schenken, als wenn ein Boulevardblatt darüber berichtet.
Diese Beobachtung stammt von Erving Goffman, der die jeweiligen Erzählrahmen mit »frames« beschrieb. Wenn wir ein Bild in einem Museum betrachten, wissen wir, dass das Kunst ist, auch wenn es bloß wie ein kindliches Strichmännchen aussieht. Wir kennen den Erzählrahmen »Moderne Kunst«, weil wir ihn erlernt haben – eine Erkenntnis, die auf sozialer Kompetenz fußt. Ein anderes Beispiel: Wenn wir in ein Restaurant gehen, dann wissen wir, wie wir uns benehmen müssen – wie wir mit Kellner*innen interagieren, mit Messer und Gabel umgehen oder was wir mit der Karte anfangen. Das wissen wir, weil wir den Referenzrahmen »Restaurant« kennen. Daher leitet sich auch die nette deutsche Übersetzung von Goffmans Hauptwerk ab: Wir alle spielen Theater. Goffman ist der Ansicht, dass wir unser Verhalten jeweils dem Rahmen anpassen, und daher eigentlich in jeder Situation ein anderer Mensch sind. Das bedeutet: Es gibt keine Authentizität. Wir sind eine Person bei der Arbeit, eine andere, wenn wir mit den Eltern sprechen, und wiederum eine andere, wenn wir uns in einer fremden Stadt verlaufen, also das Umfeld nicht kennen.
Die Logik des Framings macht sich die Werbung zunutze. Ein Beispiel: Zwei Joghurts werden zum Kauf angeboten. Der eine wird mit »90 Prozent fettfrei« angepriesen, der andere mit »10 Prozent Fettgehalt«. Obwohl beide gleich viel Fett enthalten, entscheiden sich die Menschen eher für den ersten, fast fettfreien Joghurt, da der Referenzrahmen für den »Joghurt« ein fettfreies, gesundes Produkt vorgibt.
Merksatz: Frames sind keine feststehenden Wahrheiten, sondern kulturell erlernte Deutungsrahmen, aufgrund derer wir Botschaften interpretieren.
Eine der großen Fragen der Kommunikationstheorie lautet: Steuern die Medien unser Denken?
1968 gaben die beiden US-amerikanischen Forscher Maxwell McCombs und Donald Shaw ihre viel zitierte Nein-aber-Antwort: »Nein, die Medien steuern nicht, was wir denken, aber worüber wir nachdenken.« Sie hatten die Massenmedien untersucht – dazu zählte man damals TV, Print und Radio – und daraus ihre »Agenda-Setting-Theorie« entwickelt. Sie besagt, vereinfacht gesagt, dass es zwei Welten gibt: Die eine entspricht der Realität, also dem, was wirklich passiert. Die andere ist das Bild, das wir von dieser Realität haben.
Die Medien formen mit ihrer Art der Berichterstattung unser Bild von der Realität. Aber Achtung: Die Medien bestimmen nicht, was wir von diesem Bild halten. Sie steuern bloß, welche Aspekte der Realität wir überhaupt beachten. In der Sprache der Forscher: Sie setzen die Themen auf unsere Agenda. Es gäbe nämlich tausend andere interessante und relevante Themen, die Medien aber filtern daraus eine bestimmte Auswahl. Das hat Folgen: Wenn etwas auf der Titelseite steht, glauben wir, es sei wichtig. Wenn mehrere Kanäle über ein und dasselbe Thema berichten, denken wir, es sei relevanter als andere Themen. Und wenn nicht darüber berichtet wird, bekommen wir es gar nicht mit.
Agenda-Setting geht von zwei grundlegenden Annahmen aus:
Massenmedien zeigen nicht die Wirklichkeit, sie filtern und formen sie.
Massenmedien können nur eine bestimmte Menge an Nachrichten präsentieren. Das verleitet uns zu der Annahme, dass diese auch die wichtigsten Nachrichten sind.
Merksatz: Die Medien können nicht bestimmen, was wir denken. Aber sie können steuern, worüber wir nachdenken.
Das Internet hat die Möglichkeiten, zu kommunizieren, vervielfacht. Wir schreiben nicht mehr nur »one-to-one« (in Form einer persönlichen E-Mail), sondern »one-to-many« (in Form eines Posts oder einer WhatsApp-Gruppennachricht). Zwei wichtige Bestandteile dieser Art der Kommunikation sind Selbstdarstellung und Aktualität: Erstens versuchen wir, uns in öffentlichen Posts nur von unserer besten Seite zu zeigen; wir posten Fotos von perfekt zubereiteten Gerichten, perfekten Urlauben, perfekten Partys. Zweitens geht es darum, vor allen anderen ein lustiges Video, einen neuen Song, ein kluges Zitat zu posten. Es gibt nichts Älteres als einen Post, den man schon kennt.
Aber woher kommt der Drang, dies alles ständig zu tun? Ein Psycholog*innen-Team der University of Essex, unter der Leitung von Andrew Przybylski, hat das Phänomen »Die Angst, etwas zu verpassen« genannt und es unter dem Akronym »FOMO« (»Fear of Missing Out«) populär gemacht. Es ist die zwanghafte Sorge, nicht (mehr) auf dem Laufenden zu sein. Vierzig Prozent aller unter 35-Jährigen leiden darunter, Männer häufiger als Frauen, Jugendliche häufiger als Erwachsene.
Zum besseren Verständnis: Es geht nicht darum, dass wir wirklich etwas verpassen. Es geht um das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Wir kennen es selbst: Wer sich schlecht, einsam, gelangweilt oder gestresst fühlt, checkt sein Smartphone. Das verstärkt jedoch bloß das schlechte Gefühl. Das Smartphone wirkt bei FOMO wie ein Brandbeschleuniger. Und unterstreicht die vierzig Jahre alte → Medientheorie von Marshall McLuhan (S. 52): »The medium is the message.«
Merksatz: Im 21. Jahrhundert gilt nicht mehr »Ich denke, also bin ich«, sondern »Man denkt an mich, also bin ich«. Peter Sloterdijk
Ein Gedankenexperiment: Wenn wir alle morgen früh aufwachen und glauben, dass es die Schweiz nicht mehr gibt, nun, dann gibt es sie nicht mehr. Denn alles, worauf die Schweiz aufbaut – Bankgeheimnis, direkte Demokratie, Pünktlichkeit, Wilhelm Tell –, sind letztlich Überzeugungen und keine Wirklichkeiten. Behauptet der »Konstruktivismus«.
Konstruktivismus kurz gefasst: Die Welt ist, was wir glauben, dass sie ist. Denn ist es nicht so, dass die Welt rosarot erscheint, wenn wir verliebt sind, die gleiche Welt aber tiefschwarz wird, wenn wir am Boden liegen? Es gibt also keine Wirklichkeit, wir stellen sie lediglich her, wir konstruieren sie. Die Leitfrage des Konstruktivismus, einer Seitenverästelung der Erkenntnistheorie, lautet deshalb: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
Ein gutes Beispiel dafür, wie konstruierte Wirklichkeit unsere Kommunikation beeinflusst, ist die sogenannte selbsterfüllende Prophezeiung, hier in den Worten des konstruktivistischen Denkers Paul Watzlawick und seiner Anleitung zum Unglücklichsein
Unsere Wirklichkeit ist also eine Mischung aus Sinneswahrnehmung und Erfahrung. Sie ist subjektiv. Mehr noch: Sie ist eine Konstruktion.
Merksatz: »Was wir sehen, ist nicht, was wir sehen, sondern, was wir sind.«
Fernando Pessoa